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Branchen | Ägypten | Wasserstoff

Großes internationales Interesse am Wasserstoffstandort Ägypten

Ägypten entwickelt sich zu einem wichtigen Player der globalen Wasserstoffwirtschaft. Die Produktion steigt. Abnehmer des grünen Wasserstoffs gibt es bereits - auch in Deutschland.

Von Friedrich Henle | Berlin

Auf dem Investitionsgipfel von EU und Ägypten Ende Juni 2024 in Kairo stand das Thema Wasserstoff oben auf der Agenda. Medienwirksam unterzeichneten bestehende und neue Konsortien entsprechende Absichtserklärungen und Rahmenverträge mit ägyptischen Institutionen. Mittlerweile dürfte sich das Investitionsvolumen der etwa 30 geplanten Wasserstoffprojekte auf deutlich über 100 Milliarden US-Dollar (US$) summieren. Diese beinhalten in der Regel auch die Errichtung von Wind- und Solarparks und die Weiterverarbeitung des Wasserstoffs in Derivate wie Ammoniak.

In Ägypten trifft die grüne Wasserstoffwirtschaft auf gute Voraussetzungen: Es herrschen günstige klimatische Bedingungen. Große verfügbare Flächen sind vorhanden. Die Lage zwischen Europa und Asien und am Suezkanal ist für zukünftige Exporte vorteilhaft. Nicht zuletzt ist mit der Industrie (Rohstoffindustrie, Petrochemie, Stahl) in Ägypten ein potenzieller lokaler Abnehmer des grünen Wasserstoffs vorhanden, um die eigene Dekarbonisierung voranzubringen. 

Die Projektpipeline füllt sich weiter

Am weitesten fortgeschritten unter den diversen Projekten ist eine geplante Anlage des Konsortiums aus Scatec (Norwegen), Orascom Construction (Ägypten), und Fertiglobe (Vereinigte Arabische Emirate). Die Anlage soll eine Elektrolyseleistung von 100 Megawatt erreichen. Der mit erneuerbaren Energien produzierte, grüne Wasserstoff - bis zu 15.000 Tonnen jährlich - soll als Ausgangsmaterial für die Ammoniak- sowie die Düngemittelproduktion im benachbarten Werk der Misr Fertilizers Production Company (MOPCO) dienen.

Die erste Ausbaustufe über 15 Megawatt ist bereits operativ. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) beteiligte sich mit einem Kredit in Höhe von 80 Millionen US$ an der Finanzierung. Im November 2023 hat Fertiglobe nach eigenen Angaben zum ersten Mal eine Ladung grünen Ammoniak aus eigener Produktion nach Indien verschifft.

Neu ist eine auf dem EU-Ägypten-Gipfel unterzeichnete 20-jährige Abnahmegarantie durch Fertiglobe. Am 11. Juli 2024 verkündete das Unternehmen, dass man einen Abnahmevertrag über das deutsche Auktionsprogramm H2Global abgeschlossen habe. Zwischen den Jahren 2027 und 2033 sollen kumulativ bis zu 397.000 Tonnen grünes Ammoniak geliefert werden. Fertiglobe ist damit auch der Gewinner der ersten Ausschreibungsrunde dieses deutschen Förderprogramms, das den internationalen Markthochlauf von grünem Wasserstoff voranbringen soll.

Bei einem weiteren Projekt kooperiert Scatec neben MOPCO mit der Egyptian Petrochemical Holding Company (ECHEM). Neu bei diesem Vorhaben sind ebenfalls im Juni 2024 unterzeichnete Eckpunkte für eine Abnahmegarantie durch das norwegische Unternehmen Yara sowie für eine Finanzierung durch die Europäische Investitionsbank (EIB).

Ausländische Unternehmen wollen in Ägyptens Wasserstoffwirtschaft investierenAngekündigte Projekte (Auswahl; Zahlen jeweils für die Endausbaustufe)
Industriepartner

Elektrolysekapazität in Megawatt

Jährliche Produktionsmenge

Kosten in Milliarden US-Dollar *)

Infinity Power (Ägypten/VAE), Hassan Allam (Ägypten), Masdar (VAE), BP (UK)

4.000

480.000 Tonnen Wasserstoff

15,0

DAI Infrastruktur (Deutschland), Naftomar (Griechenland), plus weitere Partner

-

2.000.000 Tonnen Ammoniak

12,0

EDF (Frankreich), Zero Waste (Ägypten/VAE)

-

1.000.000 Tonnen Ammoniak (erste Phase)

7,0

Taqa Arabia (Ägypten), Voltalia (Frankreich)

1.000

260.000 Tonnen Wasserstoff

3,5

H2-Industries (USA)

1.000

300.000 Tonnen Wasserstoff

3,0

* inklusive der Kosten für den Aufbau der dazugehörigen Wind- und Solarparks.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

Ein Konsortium aus Infinity Power, Hassan Allam und Masdar plant ein weiteres Projekt. Dabei soll eine Elektrolyseleistung über 4 Gigawatt errichtet werden, um jährlich bis zu 480.000 Tonnen Wasserstoff zu produzieren. Die Kosten werden mit 15 Milliarden US$ beziffert. Im Juni 2024 ist der internationale Mineralöl- und Energiekonzern BP dem bestehenden Konsortium beigetreten und wird als Hauptentwickler und Betreiber des Projekts auftreten.

Einen der wichtigsten staatlichen Akteure stellt der Sovereign Fund of Egypt (TSFE) dar. Der Fonds ist bei den meisten großen Konsortien als Anteilseigner mit an Bord. Für die Wind- und Solarparks, die in Zusammenhang mit den Wasserstoffprojekten geplant sind, hat die ägyptische Regierung Anfang Juni 2024 insgesamt 41.700 Quadratkilometer an Flächen reserviert. 

Ägyptens Industrie verbraucht viel Wasserstoff

Um klimaschädliche Emissionen zu senken, wäre es folgerichtig, zunächst die eigene Wasserstoffproduktion umzustellen. Das Oxford Institute for Energy Studies schätzt in einer 2021 veröffentlichten Studie, dass Ägyptens Industrie jedes Jahr rund 1,8 Millionen Tonnen Wasserstoff verbraucht - allein drei Viertel davon für die Produktion von Düngemitteln und Stahl.

Bei der Herstellung dieses - bisher auf Basis von Erdgas hergestellten - Wasserstoffs entstehen jährlich 16 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Diese Menge entspricht rund 6 Prozent der gesamten Kohlendioxidemissionen Ägyptens. Die Studie führt aus, dass eine installierte Leistung von 36 Gigawatt an Erneuerbaren nötig wäre, um in industriellen Anwendungen komplett auf grünen Wasserstoff umzustellen. Dies würde eine Versechsfachung der aktuell installierten erneuerbaren Erzeugungsleistung bedeuten.

Die Ziele sind groß, Herausforderungen bleiben bestehen

Im November 2023 hatte Ägypten seine grüne Wasserstoffstrategie verkündet. Bis zum Jahr 2040 sollen demnach folgende Ziele erreicht werden:

  • 9,2 Millionen Tonnen jährliche Produktionskapazität (3,2 Millionen Tonnen im Jahr 2030)
  • Globaler Marktanteil von 8 Prozent
  • Erzeugungspreis von 1,7 US$ pro Kilogramm grünem Wasserstoff
  • Schaffung von 100.000 neuen Jobs
  • 10 bis 18 Milliarden US$ Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt

Die EBRD hat Ägypten bei der Entwicklung der Wasserstoffstrategie unterstützt. Zu Jahresbeginn 2024 folgte ein neuer Rechtsrahmen zur Förderung grüner Wasserstoffprojekte.

Viele der geplanten Projekte treffen auf das gleiche Problem wie in anderen Ländern: Für finale Investitionsentscheidungen fehlen Abnahmegarantien. Und potenzielle Abnehmer zögern, weil der Preis des grünen Wasserstoffs noch nicht wettbewerbsfähig ist. Im Fall von Ägypten ist die makroökonomische Lage mit einer hohen öffentlichen Verschuldung und hoher Inflation eine weitere Herausforderung, die die Finanzierung erschwert.

Hinzu kommt die große Aufgabe, die Infrastruktur auszubauen, um ausreichend Solar- und Windstrom zu den Produktionsstätten für Wasserstoff transportieren zu können. Die ägyptische Bevölkerung und Unternehmen plagen derweil grundlegendere Energieprobleme: Im Sommer 2024 kommt es nun schon im 2. Jahr in Folge zu täglichen Stromabschaltungen, weil konventionelle Kraftwerke nicht genug Gas haben.

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