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Wirtschaftsumfeld | Ägypten | Außenwirtschafts-, Industriepolitik

Devisenmangel behindert Importe nach Ägypten

Ägypten gehen die Devisen aus, Importe werden teurer und das Handelsdefizit größer. All das hat Folgen für die Handelspolitik.

Von Sherif Rohayem | Kairo

Ägypten ist auch in puncto Handelspolitik ein Land der Gegensätze. So ist eine Gleichzeitigkeit von Handelshemmnissen und -erleichterungen zu beobachten. Auf der einen Seite ratifiziert Kairo das Abkommen zur Gründung der afrikanischen Freihandelszone (African Continental Free Trade Area - AFCFTA), lässt aufgrund des Assoziierungsabkommens seit 2019 Kfz aus der Europäischen Union (EU) erstmalig zollfrei die Landesgrenzen passieren, verabschiedet ein neues Zollgesetz und digitalisiert die Importabwicklung durch die Einführung des Systems Advanced Cargo Information. Auf der anderen Seite schlagen ägyptische Industriepolitiker zurzeit wieder verstärkt protektionistische Töne an. Grund dafür ist die Kombination aus hoher Importabhängigkeit und dem globalen Anstieg von Erzeuger- und Verbraucherpreisen.

Ägypten importiert Waren und Inflation

Das Land am Nil muss nahezu sämtliche Waren und Güter einführen: Rohmaterialien, Kapitalgüter, Vorerzeugnisse und Endprodukte. Damit importiert Ägypten gleichzeitig die globale Inflation. Das Außenhandelsdefizit wird größer, die Devisenreserven schwinden. Diese sind Ende Juni 2022 auf 33,4 Milliarden US-Dollar (US$) zurückgegangen. Zur Devisenkrise kam es, als nach dem russischen Angriff auf die Ukraine eine Kapitalflucht aus dem ägyptischen Markt für Staatsanleihen einsetzte und weitere 20 Milliarden US$ abflossen.

Um den Abfluss ausländischer Devisen zu stoppen und umzukehren, ließ die ägyptische Zentralbank Ende März 2022 die Abwertung des ägyptischen Pfundes um 16 Prozent zu. Das Problem der importierten Inflation hat sich dadurch kurzfristig weiter verschärft. Danach aber soll die Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit ägyptischer Produkte auf den Exportmärkten verbessern. Wenn die Produkte billiger werden, zieht die Nachfrage an. Mit steigenden Exporteinnahmen fließen vermehrt Devisen ins Land, die in ägyptische Pfund (EGP) umgetauscht werden und die Währung stützen, so die Theorie.

In der Praxis aber können ägyptische Exporteure die Vorteile einer schwachen Landeswährung nicht optimal nutzen. Dafür ist die Zulieferbasis der lokalen Industrie nicht ausreichend diversifiziert. Exportierende Produzenten bleiben abhängig von importierten Vorprodukten. Diese teureren Importe egalisieren die Wechselkursvorteile des schwachen EGP und das mit der Abwertung verfolgte Ziel kann nicht erreicht werden.

Devisenmangel ruft Protektionisten auf den Plan

Deshalb lautet das Gebot der Stunde, Importe zu verringern und Waren lokal zu produzieren. Ein scharfes Schwert zur Kontrolle und Beschränkung von Einfuhren ist die Ende Februar 2022 von der ägyptischen Zentralbank verhängte Akkreditivpflicht. Für notwendige Waren wie Medikamente oder Grundnahrungsmittel werden die Akkreditive am schnellsten eröffnet und die erforderlichen Devisen am schnellsten bereitgestellt. Daneben gibt es mittlerweile Ausnahmen von der Akkreditivpflicht, etwa für industrielle Vorprodukte und Industriegüter.

Jedoch können auch diese Ausnahmeregelungen das zugrunde liegende Problem des Devisenmangels nicht lösen. Mittlerweile sind Waren, vor allem Pkw und andere Konsumgüter, im Wert von mehreren Millionen Euro an ägyptischen Häfen gestrandet. Diese werden nicht gelöscht, weil Importeure ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Im Bausektor beklagen Unternehmen, dass wegen Importschwierigkeiten selbst die großen staatlichen Projekte ins Stocken geraten. 

Gute Importe - schlechte Importe  

Gegenwärtig unterscheiden die ägyptischen Behörden noch stärker zwischen "guten" und "schlechten" Importen. Zu den schlechten Importen zählen etwa Konsumgüter wie Lebensmittel, Spielzeug, Kosmetika, Bekleidung, Haushaltsgeräte, Möbel oder Fliesen - mithin allesamt Artikel, die theoretisch auch in Ägypten hergestellt werden können. Deren Einfuhr erschwert Ägypten mit einer Registrierungspflicht, die gegebenenfalls gegen internationales Handelsrecht verstößt. Auch Kfz-Importe sind ägyptischen Industriepolitikern stets ein Dorn im Auge gewesen. Seit längerem nämlich versucht die Regierung, eine lokale Automobilindustrie zu etablieren. Zu den guten Importen zählen etwa Grundnahrungsmittel, einige Pharmazeutika sowie Maschinen, Anlagen und Ausrüstungen.

Zollsenkungen für mehr lokale Produktion

Unter der Federführung des Handelsministeriums hat die ägyptische Regierung eine Strategie zur Importsubstitution ausgearbeitet. Ziel ist es, die Exporte im Wert von 34 Milliarden US$ im Jahr 2021 bis 2025 auf 60 Milliarden US$ nahezu zu verdoppeln. Dabei hat das Handelsministerium zunächst Waren identifiziert, die erstens bei den Importen stark zu Buche schlagen und zweitens in Ägypten hergestellt werden können. Im Fokus stehen unter anderem chemische Produkte wie Röhren und Schläuche, Baumaterialien, Verpackungen, medizinische Diagnosegeräte und Kfz.

Eine konkrete Maßnahme zur Erhöhung der lokalen Produktion ist das Präsidialdekret Nummer 218 vom 7. Juni 2022. Danach sollen ägyptische Produzenten Zollsenkungen für importierte Komponenten beziehungsweise Vorprodukte erhalten. Dabei ist die Höhe der Vergünstigungen nach dem lokalen Anteil gestaffelt. Die maximale Zollermäßigungen von bis zu 90 Prozent erhält, wer einen lokalen Anteil von 60 Prozent erreicht. Es werden also Anreize gesetzt, lokal zu produzieren und das mit so wenig importierten Vorprodukten wie möglich.

Das Problem dürfte aber im bürokratischen Aufwand liegen. So werden Unternehmen verpflichtet, mit viel Mühe den lokalen Anteil nachzuweisen und zu dokumentieren. Auch die Zollbehörden werden mit großem Aufwand prüfen müssen, ob im Einzelfall eine Vergünstigung erteilt werden darf. Gegebenenfalls könnten die neuen Regelungen als rechtswidrige Subventionen eingestuft werden, da sie gegen WTO-Vereinbarungen verstoßen.

Deutsche Ausfuhren nach Ägypten (nach Warengruppe; in Mio. US$; Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in Prozent)

HS-Kapitel

2020

2021

Veränderung 2021/2020

84 (Maschinen, Apparate, Kessel etc.)

1.222

1.144

- 6,4

87 (Kraftwagen, Krafträder etc.)

797

789

- 1,0

99 (besondere Zollcodes)

658

739

12,3

85 (elektrische Maschinen etc.)

316

316

0

30 (pharmazeutische Erzeugnisse)

268

314

17,2

90 (optische Apparate, medizinische Instrumente etc.)

206

240

16,5

29 (organische chemische Erzeugnisse)

96

192

100,0

39 (Kunststoffe und Waren daraus)

151

169

11,9

38 (verschiedene chemische Erzeugnisse)

93

113

21,5

48 (Papier und Pappe)

68

70

2,9

Die Zahlen bilden "Reporter" Deutschland und "Partner" Ägypten ab.Quelle: UN Comtrade 2022

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