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Vorerst keine Kursfreigabe des ägyptischen Pfundes
Nach langem Zögern scheint der IWF die zweite Tranche eines Milliarden-US-Dollar-Kredits an Ägypten auszuzahlen - ohne Freigabe des Wechselkurses.
08.12.2023
Von Sherif Rohayem | Kairo
Am Rande der diesjährigen Klimakonferenz in Dubai äußerte sich die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Kristalina Georgiewa über den Fortgang des ägyptischen Reformprogramms, dem ein IWF-Kredit in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar (US$) zugrunde liegt. In einem Fernsehinterview Anfang Dezember 2023 erklärte sie, dass die Inflationsbekämpfung Priorität genieße, danach könne sich dem Wechselkursregime gewidmet werden.
Erwartete Kursfreigabe des ägyptischen Pfundes voraussichtlich verschoben
Mit anderen Worten scheint der Kreditgeber aus Washington die zweite Tranche des 3-Milliarden-US-Dollar-Kredits an die ägyptische Regierung auszuzahlen, bevor diese den Wechselkurs des ägyptischen Pfunds (EGP) freigibt. Vor dem Interview rechneten sämtliche Beobachterinnen mit einer Kursfreigabe, mindestens aber mit einer Abwertung der ägyptischen Währung für Anfang 2024, also nach den Präsidentschaftswahlen im Dezember. Kursfreigabe oder Abwertung dürften nunmehr zeitlich in die Ferne gerückt sein.
Hintergrund der Äußerung der IWF-Chefin ist die Inflation in Ägypten, die mittlerweile 35 Prozent erreicht hat. Die hohen Verbraucherpreise gehen zurück auf die gestiegenen Rohstoffpreise nach der Coronapandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Ein weiterer Inflationstreiber, der vor allem Entwicklungsländer wie Ägypten betrifft, ist die schwache Landeswährung gegenüber dem US-Dollar (US$), die Importe verteuert. Und weil Ägypten besonders stark auf Importe angewiesen ist, trägt die Pfundschwäche beziehungsweise die Dollarstärke erheblich zur Inflation bei.
Die ägyptische Zentralbank bekämpft die Inflation zunächst mit Leitzinserhöhung, aber auch indem sie den Wechselkurs des ägyptischen Pfundes gegenüber dem US-Dollar so stark wie möglich hält. Zu diesem Zweck setzen die ägyptischen Währungshüter Dollarreserven ein und kaufen damit ägyptische Pfund. Zwar hat die Zentralbank in den vergangenen zwei Jahren drei Abwertungen der Landeswährung zugelassen, wodurch sich der Außenwert des Pfunds halbierte. Eine vollständige Freigabe des Kurses erlaubten die Zentralbanker jedoch nie.
Und so liegt der Wechselkurs zum US-Dollar seit Anfang des Jahres konstant bei 31 EGP. Als Folge der geldpolitischen Interventionen hat sich ein Schwarzmarkt gebildet. Auf diesem erstaunlich transparenten Schwarzmarkt mit einem geschätzten Volumen von 60 Milliarden US-Dollar wird der Dollar mit 46 EGP gehandelt.
Freigabe des Wechselkurses käme zur Unzeit
Die ägyptische Regierung will die Kursfreigabe solange aufschieben, bis sich offizieller und Schwarzmarktkurs annähern. Die Fallhöhe des Pfundes soll also so niedrig wie möglich sein, damit die Landung so sanft wie möglich wird. Bei Freigabe zum jetzigen Zeitpunkt würde der offizielle Umtauschkurs auf 46 Pfund stürzen, was zu einer stark steigenden Inflation führen würde. Eine bloße Abwertung, das zeigten die drei letzten Abwertungen, würde nicht ausreichen, um den Schwarzmarkt auszutrocknen. Mittlerweile hat die ägyptische Währung auf dem Schwarzmarkt jüngst 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar aufgeholt.
Alle eilen Ägypten zur Hilfe
Diese Rallye scheint von einem gegenwärtigen Momentum Ägyptens getrieben zu sein. Das nordafrikanische Land, das südlich an Sudan und nordöstlich an den Gazastreifen angrenzt, hat seit dem Gaza-Krieg eine geopolitische Aufwertung erfahren. Die Stabilität des bevölkerungsreichsten arabischen Landes ist für seine Partner wichtiger denn je. So hat die Europäische Union Mitte November Investitionen von mehreren Milliarden Euro für Ägypten angekündigt, um das Land bei der Bewältigung der erwarteten Flüchtlingsströme zu unterstützen.
Außerdem erwarb ein emiratischer Investor im Rahmen des staatlichen Privatisierungsprogramms für 625 Millionen US$ Anteile der ägyptischen Eastern Tobacco Company - auf Basis des offiziellen Umtauschkurses. Der Käufer hat also einen Rabatt von mehreren Millionen US$ liegen gelassen. Weiteres Entgegenkommen vom Golf kommt aus Kuwait, das die Laufzeit seiner Einlagen bei der ägyptischen Zentralbank in Höhe von 4 Milliarden US$ verlängert hat. Schließlich teilte der IWF Ende November 2023 mit, wegen der Auswirkungen des Gaza-Krieges die Summe des Kredits an Ägypten von 3 Milliarden US$ auf 5 Milliarden US$ aufstocken zu wollen. Die Aufholjagd des ägyptischen Pfundes dürfte sich nach dem jüngsten Interview mit IWF-Chefin Georgiewa fortsetzen.
Vor diesem Interview lag die ägyptische Regierung mit ihrer Währungspolitik noch über Kreuz mit dem IWF, der vehement Freigabe der ägyptischen Währung gefordert hatte. Noch im Oktober 2023 wurde die Chefin des IWF damit zitiert, dass Ägyptens Verantwortliche den Wechselkurs des Pfundes so schnell wie möglich freigeben sollen. Auf diese Weise könne ein weiterer Abfluss von Devisen gestoppt werden.
Außenhandel wegen Devisenmangel gestört
Harte Währung ist in Ägypten knapp geworden. Zunächst weil Investoren im direkten Nachgang zum russischen Angriff auf die Ukraine circa 20 Milliarden US$ aus dem ägyptischen Markt für Staatsanleihen abgezogen haben. Des Weiteren ist die harte Währung wegen der besseren Notierung in den Schwarzmarkt geflossen. Schließlich zahlt die Zentralbank die Interventionen, um das ägyptische Pfund zu stützen, mit Devisen.
Wegen des Devisenmangels ist Ägyptens Außenhandel seit zwei Jahren gestört. Das Land, das vom Rohstoff bis zum Endprodukt auf Importe angewiesen ist, kann diese kaum noch bezahlen. Wegen der Unsicherheiten im Zusammenhang mit einer möglichen Kursfreigabe ist die Wirtschaft nahezu gelähmt. Immerhin ist nun ein bisschen Unsicherheit gewichen, da mit einer kurzfristigen Kursfreigabe beziehungsweise Abwertung wohl nicht zu rechnen ist.