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Special | Argentinien | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Argentinien kann noch viel zum Klimaschutz beitragen

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas hat ihr Potenzial zum Klimaschutz bisher nicht annähernd ausgeschöpft. Auch international könnte Argentinien wichtige Beiträge leisten.

Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

Argentinien hat das Pariser Klimaabkommen ratifiziert und 2022 eine Klimaschutzstrategie vorgelegt. Bisher wird das große Potenzial an erneuerbaren Energieträgern wenig genutzt: 2022 lag der Stromanteil aus Erneuerbaren nur bei 36,1 Prozent (ohne Wasserkraft sogar nur bei 13 Prozent), so der Strommarktbetreiber Cammesa. Dabei liegt zum Beispiel der durchschnittliche Kapazitätsfaktor von Windkraftanlagen rund doppelt so hoch wie in Deutschland. Um seine Wirtschaft weiterzuentwickeln, will Argentinien eine Lithium-Wertschöpfungskette für Elektromobilität etablieren; auch die Wasserstoffwirtschaft soll ausgebaut werden. Die labile Wirtschaftslage sowie innenpolitische Turbulenzen erschweren konkrete Maßnahmen. Bei einer Armutsquote von über 40 Prozent hat die Politik andere Prioritäten.

  • Klimastrategie: Argentinien schöpft sein Potenzial kaum aus

    Argentinien hat das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Für die Umsetzung der 2022 vorgelegten Klimaschutzstrategie erwartet das devisenklamme Land auch Hilfe vom Ausland.

    Im Ranking des Climate Change Performance Index (CCPI) lag Argentinien 2022 auf Rang 47 von 64 untersuchten Ländern weltweit. Die Regierung in Buenos Aires hat ambitionierte Klimaziele erklärt. Deren konkrete Umsetzung ist aber weiter unklar. Immerhin wurde die seit Langem erwartete Präsentation des "Nationalen Plans zur Anpassung und Eindämmung des Klimawandels bis 2030" zur UN-Weltklimakonferenz (COP 27) im November 2022 im ägyptischen Sharm El-Sheikh präsentiert. Dieser Plan bündelt politische Maßnahmen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen und befasst sich überdies mit der Anpassung von gefährdeten Gebieten, Ökosystemen, Sektoren und Gemeinschaften an die Folgen des Klimawandels.

    Argentinien: Klimabilanz im Jahr 2021

    Indikator

    Argentinien

    Deutschland

    Bevölkerung (in Mio.)

    45,8

    83,2

    Ranking des Landes im Climate Change Performance Index (CCPI) 1)

    Rang: 49

    Punktezahl: 41,19

    Rang: 16

    Punktezahl: 61,11

    Anteil des Landes an den weltweiten Treibhausgasemissionen (in Prozent) 2)

    0,5

    1,5

    CO2-Ausstoß gesamt (in Mio. t/Jahr)

    187

    675

    CO2-Ausstoß pro Kopf (in t CO2/Kopf und Jahr)

    4,2

    8,1

    Emissionsintensität der Wirtschaft (in kg CO2/BIP 3))

    0,2

    0,2

    Energieintensität der Wirtschaft (in MJ 4)/2017 US$ PPP 5)) 2)

    3,35

    2,76

    1 2023, Rang von 63 Ländern weltweit; 2 2019; 3 Bruttoinlandsprodukt; 4 Megajoule; 5 Purchasing Power Parity (Kaufkraftparität).Quelle: Climate Change Performance Index 2023; Global Carbon Atlas 2022; Enerdata 2022; Climate Action Tracker; Climate Transparency 2022; Our World in Data 2023; IEA 2023

    Argentinien fordert finanzielle Unterstützung reicher Länder

    Zu den Grundzügen der argentinischen Klimastrategie zählt, dass bei allen angedachten Klimaschutzmaßnahmen der sozialen und industriellen Entwicklung des Landes hohe Bedeutung zukommt. Angesichts der angespannten wirtschaftlichen und sozialen Lage drängt Argentinien in internationalen Foren immer wieder auf die stärkere Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen durch die entwickelten Länder. Das Land fordert insbesondere den Tausch von Auslandsschulden gegen Klimaschutzmaßnahmen, ohne allerdings konkrete Pläne für die Verwendung der Mittel vorzulegen.

    Exploration von Öl und Gas im Fokus

    Konkreter als die Strategie für die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft sind dagegen die Pläne für eine noch stärkere Nutzung fossiler Energien, vor allem durch die Erschließung der großen Schieferöl- und -gasreserven des Landes. Insbesondere verfügt Argentinien mit Vaca Muerta in der Provinz Neuquén über eines der größten Ölschiefervorkommen der Welt. Die U.S. Energy Information Administration beziffert die förderbaren Reserven auf 16,2 Milliarden Barrel Öl und 8,7 Billionen Kubikmeter Erdgas. Bislang fehlt es jedoch an Infrastruktur, um größere Mengen an Gas zu exportieren − oder auch nur im Inland nutzen zu können, um Devisen für bisher nötige Öl- und Gasimporte einzusparen. Zumindest befindet sich aber jetzt endlich eine Pipeline im Bau. Mit den umfangreichen Gasreserven ließen sich überdies große Mengen an blauem Wasserstoff herstellen.

    Blauer Wasserstoff

    Blauer Wasserstoff wird mittels Dampfreformierung aus Erdgas und Wasser hergestellt. Das dabei entstehende Kohlendioxid wird abgeschieden und in unterirdischen Speichern verpresst.

    Auch die Offshore-Exploration von Öl und Gas wird vorangetrieben: Gegenwärtig laufen Untersuchungen an den Blöcken Nord- und Austral-Marina sowie Malvinas-West. Bei dem Gebiet handelt es sich um eine in 18 Lose unterteilte Fläche von rund 230 Quadratkilometern mit einer Tiefe von 100 bis 4.000 Metern. Die Ausschreibung erfolgte bereits 2018. Damals gewannen 13 Unternehmen. Neben dem heimischen Erdölkonzern YPF waren dies: Qatar Petroleum, Equinor (ex-Statoil), ExxonMobil, Total, Shell, Pluspetrol, Tecpetrol, Wintershall, BP, Mitsui, ENI und Tullow. Insgesamt verpflichteten sich die Firmen zu Investitionen in Höhe von fast 1 Milliarde US-Dollar (US$) für die Exploration. Die Förderung könnte dann in den nächsten drei Jahrzehnten bis zu 3,5 Prozentpunkte zum Bruttoinlandsprodukt beisteuern. Argentinien würde dann nicht nur seine Ölproduktion erhöhen, sondern überdies zu einem ernstzunehmenden Exporteur werden und entsprechend seine Devisenbilanz verbessern.

    Gewaltiges Potenzial zur Produktion von Wasserstoff

    Argentinien verfügt über ein gigantisches Potenzial zur Wasserstoffproduktion. Nach Analysen von YTEC, dem Thinktank der argentinischen Energiewirtschaft, könnte das Land allein bis zu 1 Milliarde Tonnen grünen Wasserstoffs pro Jahr erzeugen. Das geplante Wasserstoffgesetz wird laut Stand des aktuellen Entwurfs allerdings nicht nur grünen und blauen, sondern zum Beispiel auch grauen (das heißt mit konventionellen Energieträgern erzeugten) oder pinken (aus Kernkraft) beinhalten.

    Dies hat die staatliche Ölgesellschaft YPF dazu veranlasst, mit anderen privaten Akteuren das Wasserstoffkonsortium H2ar zu gründen. Aktuell produziert YPF grauen und blauen Wasserstoff, die lokal verbraucht werden und circa 36 Prozent der gesamten argentinischen Produktion ausmachen. Auch deutsche Firmenvertreter vor Ort befürworten mit Blick auf die großen Schiefergasreserven in Vaca Muerta neben grünem die Nutzung von blauem Wasserstoff zur Umsetzung der Energiewende. Mit dem größeren Reifegrad der Technologien für grünen Wasserstoff und effizienterer Produktion würden die in der Folge sinkenden Kosten für grünen Wasserstoff quasi automatisch die Nachfrage nach blauem zugunsten von grünem zurückgehen lassen.

    Dabei kann Argentinien bei der Produktion von grünem Wasserstoff durchaus auf lange Erfahrungen zurückgreifen: Seit 2008 produziert die Firma Capex mit "Hychico" aus eigener Windkraft grünen Wasserstoff, wobei sowohl die Windparkanlage als auch die Elektrolyseure an das Stromnetz angeschlossen sind, und speichert seit 2010 grünes Methangas.

    Gebremst werden Fortschritte beim Ausbau der Erneuerbaren durch die Bürokratie. Energiefirmen bemängeln eine zunehmende Intransparenz von Umweltverträglichkeitsprüfungen etwa bei neuen Windparks. Jede Provinz verfahre anders, die Genehmigungen dauerten zwei bis drei Jahre − mit Tendenz nach oben.

    Energiepartnerschaft mit Deutschland im Gespräch

    Im Rahmen des bilateralen Zukunftsforums Foro Futuro Argentina-Alemania soll die Entwicklung der grünen Wasserstoffwirtschaft einen Schwerpunkt der strategischen Zusammenarbeit mit Deutschland bilden. Mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) laufen Gespräche über die Vereinbarung einer Energiepartnerschaft. Beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Buenos Aires im Januar 2023 unterzeichneten beide Länder eine Absichtserklärung zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Energiewende und zur Fortsetzung des Energiedialogs

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Klimaziele: Argentinien muss weiter nachjustieren

    Das lateinamerikanische Land hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt, doch die zur Umsetzung erforderlichen Maßnahmen bleiben bislang schwammig.

    Argentinien gehört zu den Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaschutzabkommens und hat mit der Verabschiedung des Gesetzes 27.270 im September 2016 seine damit eingegangen Verpflichtungen ratifiziert. Bis 2050 will Argentinien laut mehrfacher Ankündigung der Regierung klimaneutral sein. Für 2030 wurden die Klimaziele sogar nachgeschärft:

    • Im Dezember 2020 legte Argentinien seinen zweiten nationalen Beitrag (Nationally Determined Contributions, NDC) vor und sagte darin zu, seine Emissionen bis 2030 auf 359 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent (MtCO2e) zu begrenzen. Dies würde eine Reduzierung der Emissionen um 2,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2016 bedeuten.
    • Ende 2021 legte Argentinien noch eins drauf. Nach dem aktuellen Ziel sollen die Nettoemissionen 349 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent im Jahr 2030 nicht überschreiten. 

    Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion soll steigen

    Das Staatssekretariat für Energie legte im Oktober 2021 Leitlinien für einen Energiewendeplan bis 2030 vor. In diesen Leitlinien zur Begrenzung der energiebedingten Emissionen werden verschiedene Szenarien zur Stromversorgung erörtert mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten beim Ausbau erneuerbarer Energieträger. Im Szenario "Energiewende mit nationalen Kapazitäten“ (REN 20) würde der Anteil der Erneuerbaren bis 2030 insgesamt 20 Prozent der Stromerzeugung erreichen, im Szenario "Energiewende mit beschleunigtem Ausbau der Erneuerbaren" (REN 30) 30 Prozent. Das bisher geltende Gesetz 27.191 sieht einen Anteil Erneuerbarer von 20 Prozent bereits für 2025 vor. Staatspräsident Alberto Fernández hat sich jedoch für das 30-Prozent-Ziel für 2030 ausgesprochen.

    Nationaler Klimaplan in Kraft

    Auf Basis des Gesetzes 27.520 von 2019 über Mindeststandards für die Anpassung und die Eindämmung des globalen Klimawandels wurde im November 2022 auf der UN-Konferenz COP 27 in Sharm El-Sheikh endlich der erwartete "Nationale Plan zur Anpassung und Eindämmung des Klimawandels bis 2030" präsentiert. Beteiligt waren das interministerielle Nationale Klimawandel-Kabinett (GNCC) in Abstimmung mit verschiedenen Regierungsbereichen, der öffentlichen Verwaltung auf Bundesebene, dem Bundesrat für Umwelt COFEMA (Vertreter der Provinzen) und verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft.

    Im Zentrum des Plans stehen die beiden Begriffe "Abschwächung" (mitigacíon) und "Anpassung" (adaptación). Das Ziel in Bezug auf die Abschwächung sieht vor, dass die Nettoemissionen im Jahr 2030 den Wert von 349 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent nicht überschreiten. Bei der Anpassung sollen Kapazitäten aufgebaut werden, um die Widerstandsfähigkeit in den argentinischen Regionen und Sektoren zu stärken.

    Das Dokument enthält 250, allerdings sehr schwammige, Maßnahmen wie

    • "die Entwicklung einer nationalen Vision und eines Narrativs über die Verluste und Schäden, die mit dem Klimawandel verbunden sind",
    • "die Förderung zur Gründung eines Runden Tisches zum Klimawandel und zur Gesundheit im Gesundheitsministerium",
    • "die Sensibilisierung der Gemeinden zu den Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit",
    • "die Entwicklung eines Steuersystems zu nachhaltigen Finanzen" oder
    • "die Formulierung und Implementierung einer nationale Strategie für nachhaltige Finanzen".

    Diese Maßnahmen sollen auf der Grundlage folgender "sechs strategischer Achsen" bis 2030 umgesetzt werden:

    • Erhalt der biologischen Vielfalt und der Gemeingüter,
    • nachhaltige Bewirtschaftung von Nahrungsmittelsystemen und Wäldern,
    • nachhaltige Mobilität,
    • nachhaltige und widerstandsfähige Gebiete,
    • Energiewende und
    • produktive Transition

    Die Gesamtkosten für die Umsetzung des Plans werden auf 185 Milliarden US$ geschätzt.

    Wie vor diesem Hintergrund das Pariser Abkommen erfüllt werden kann, ist zumindest fraglich. Schon die bis 2030 gesetzten Ziele sind nicht ausreichend, um Argentinien auf dem 1,5-Grad-Pfad zu halten. Das geht aus Berechnungen der Organisation Climate Transparency hervor. Dazu bedürfe es einer weiteren Absenkung des offiziellen Zielwerts für 2030 um zusätzlich ein Drittel.

    Wenig spürbare Steuer auf Kohlendioxidemissionen

    Als wenig "bissig" zeigt sich auch die 2018 eingeführte CO2-Steuer. Sie gilt für die meisten flüssigen Brennstoffe, allerdings nicht für Erdgas, den im Land am häufigsten verwendeten fossilen Brennstoff. Deshalb trifft sie nur geschätzte 20 Prozent der Emissionen des Landes. Sie wird in argentinischen Pesos (arg$) festgesetzt. Die Steuersätze lagen zum 1. April 2023 je nach Brennstoff zwischen 16,07 Pesos (Gasöl) und 37,71 Pesos je Liter (Kerosin). Umgerechnet entsprach dies zum Zeitpunkt der Einführung zwischen 0,08 und 0,18 US$. Die Aktualisierung der Sätze hinkt der aktuell enormen Geldentwertung von 100 Prozent jährlich hinterher.

    Ein Handelssystem für Kohlendioxid gibt es in Argentinien bisher nicht.

    Unternehmen wollen auf Nachhaltigkeit achten

    Auch wenn die argentinische Politik angesichts der wirtschaftlichen Talfahrt des Landes und bei einer Armutsquote von mehr als 40 Prozent im Wahljahr 2023 andere Prioritäten setzt als den Klimawandel, so will sich wenigstens die Wirtschaft zunehmend nachhaltig aufstellen. Dies ergab zumindest eine von SAP in Auftrag gegebene Befragung. Motivation dafür sind weniger regulatorische Vorgaben, als vielmehr die Sorge um den Ruf der Firma und die persönliche Einstellung der Mitglieder der Unternehmensführung. Für eine Mehrheit der Befragten (53 Prozent) ist Nachhaltigkeit gar Teil des Unternehmenszwecks.

    Emissionswerte und -ziele Argentiniens (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente)

    Jahr

    Ist-Werte

    Ziele

    1990

    292,7

    2000

    337,4

    2010

    434,8

    2018

    405,0

    2030

    349,0

    2050

    Netto-Null-Ziel

    Quelle: Climate Watch 2023

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Klimagesetze: Neue Gesetze in der Pipeline

    Dringend erwartet werden die angekündigten Gesetze zu Wasserstoffwirtschaft und Elektromobilität. Doch nicht alle erlassenen Gesetze treten in Kraft. Oft hapert auch die Umsetzung.

    In Argentinien beschäftigt sich eine Reihe von Gesetzen mit den Themen Klima und Umwelt. Die Palette reicht von Umweltbildung allgemein über branchenspezifische Gesetze (einschließlich zu Kraftstoffen und Energieerzeugung) bis zum Schutz von Natur und Lebensräumen im weitesten Sinne. In Hinblick auf den Klimawandel trat im Dezember 2019 das Gesetz Nr. 27.520 über Mindestvorgaben für die Anpassung an und die Eindämmung des globalen Klimawandels in Kraft, welches wiederum die Grundlage bildete für den "Nationalen Plan zur Anpassung und Eindämmung des Klimawandels bis 2030" vom November 2022.

    Umweltbildung soll nachhaltige Entwicklung stärken

    Das im November 2020 verabschiedete Gesetz Nr. 27.592 soll gewährleisten, dass Personen, die in öffentlichen Ämtern arbeiten, eine umfassende Ausbildung im Bereich der Umwelt mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung und mit besonderem Schwerpunkt auf dem Klimawandel erhalten.

    Das Gesetz 27.621 über eine integrale Umweltbildung macht Vorgaben zur Umsetzung auf Provinzebene entsprechend der jeweiligen soziokulturellen und ökologischen Besonderheiten. Das Bildungsministerium erstellt Unterrichtsmaterialien zu Themen wie Klimawandel, Abfall- und Kreislaufwirtschaft, Naturschutzgebiete, Schutz vor Waldbränden, Biodiversität, Flächennutzungsplanung und Wasserressourcen.

    Abgesehen vom ausstehenden Gesetz zur Wasserstoffwirtschaft ist auch das Gesetz zum Schutz von Feuchtgebieten bereits seit Jahren im Gespräch. Derzeit gibt es mehrere Entwürfe, die Mindestanforderungen für den Schutz und die sinnvolle Nutzung von Feuchtgebieten festlegen. Sie sollen deren Missbrauch verhindern und die Wahrscheinlichkeit verringern, dass es in Dürreperioden zu Waldbränden kommt.

    Branchenspezifische Gesetze für erneuerbare Energie, Wasserstoff und E-Mobilität

    Argentinien hatte bereits 2005 ein Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energieträger verabschiedet, die darin niedergeschriebenen ehrgeizigen Ziele in der Praxis jedoch nicht umgesetzt. Gemäß dem 2019 neu formulierten Gesetz über erneuerbare Energieträger (Gesetz 27.191) soll der Anteil Erneuerbarer (ohne große Wasserkraft) an der Stromversorgung bis 2025 auf 20 Prozent steigen; um dies zu erreichen, werden diverse Steuervorteile gewährt. Im Jahr 2022 steuerte die Windkraft fast 10 Prozent zur landesweiten Stromproduktion bei; der Anteil der Solarenergie lag bei 2 Prozent, der von Biogas und Biomasse bei insgesamt knapp 1 Prozent.

    Im Jahr 2022 gingen acht größere Projekte mit einer gesamten installierten Leistung von 47,5 Megawatt ans Netz. Das ist wenig für ein Land wie Argentinien. Doch Firmenvertreter beklagen vor allem unkalkulierbar lang dauernde und von Provinz zu Provinz unterschiedliche Genehmigungsverfahren.

    Auch ein erstes Gesetz zu Wasserstoff hatte das Parlament von Buenos Aires bereits 2006 verabschiedet. Allerdings wurden die notwendigen Durchführungsbestimmungen nicht formuliert. Jetzt ist ein neues Gesetz zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft in Vorbereitung. Eigentlich hätte es bereits 2022 kommen sollen. Ob im Wahljahr 2023 noch positiv über dies Thema beschieden wird, ist offen. Branchenvertreter wünschen sich das Gesetz zwar baldmöglichst, sehen aber, dass vor den Wahlen andere Themen Priorität haben.

    Ebenso geplant ist ein Gesetz zur Förderung der Elektromobilität. Es soll die gesamte Wertschöpfungskette vom Lithium bis zu Batterien und Elektroautos abbilden. Wenn der aktuelle Gesetzentwurf angenommen wird, dann dürften nach einem Bericht der Tageszeitung La Nación ab 2041 in Argentinien keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Zudem verpflichtete sich der Staat zu Quoten im öffentlichen Nahverkehr. Außerdem sieht der Entwurf die Einführung von grünen Gutscheinen vor für Rabatte auf Fahrzeuge und Ladegeräte. Elektrofahrzeuge werden von der Einkommensteuer befreit.

    Auswahl an Klimagesetzen: Anwendung in der Praxis

    Gesetz

    Umsetzung

    Im Bereich Umweltbildung/-erziehung

    27.592
     

    Das im Dezember 2020 veröffentlichte Gesetz soll eine umfassende Ausbildung im Umweltbereich für Personen in öffentlichen Ämtern gewährleisten. Dabei sollen diese Personen Umweltfragen in die Gestaltung, Planung und Umsetzung von Maßnahmen miteinbeziehen. 

    27.621

    Das Gesetz vom Juni 2021 zielt auf eine ganzheitliche Umwelterziehung in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der nationalen Verfassung. Umwelterziehung ist zu fördern und in alle Bildungsbereiche zu integrieren. Durch den gemeinsamen Beschluss Nr. 6/2022 des Ministeriums für Umwelt und nachhaltige Entwicklung und des Bildungsministeriums wurde die Exekutivkoordination der Nationalen Strategie für integrale Umwelterziehung (CENEAI) geschaffen, durch die die ständige interministerielle, interjurisdiktionelle und intersektorale Koordination zur Erfüllung des Gesetzes 27.621 über integrale Umwelterziehung wirksam wird.

    Im Bereich Energie

    26.123

    Das Gesetz vom August 2006 erklärte die technische Entwicklung, Produktion und Nutzung von Wasserstoffbrennstoff und anderen alternativen Energiequellen zum nationalen Interesse. Das Gesetz war 15 Jahre lang in Kraft, wurde aber nie geregelt. Seit 2021 ist es nicht mehr rechtskräftig. Derzeit werden in den Ausschüssen des Nationalkongresses zwei Gesetzentwürfe zur Förderung von Wasserstoff diskutiert. Gesetzentwürfe des Senats: 620/22 und 2171/22.

    27.640

    Mit dem Gesetz vom August 2021 wird der Rechtsrahmen für Biokraftstoffe geschaffen. Es deckt alle Tätigkeiten in den Bereichen Herstellung, Lagerung, Vermarktung und Beimischung von Biokraftstoffen ab. Die Gültigkeit des Gesetzes läuft bis zum 31. Dezember 2030 und kann nach Ablauf einmalig um weitere fünf Jahre verlängert werden.

    27.430

    Das Gesetz wurde im Dezember 2017 verabschiedet und ist im März 2018 in Kraft getreten. Es sieht die Änderung des Gesetzes 23.966 von 1991 vor, mit dem Steuern auf flüssige Brennstoffe und Kohlendioxid eingeführt werden. Der Steuerbetrag wird vierteljährlich durch einen allgemeinen Beschluss der Bundesverwaltung für öffentliche Einnahmen (AFIP) festgelegt und pro Kalenderquartal auf der Grundlage der Veränderungen des Verbraucherpreisindexes (IPC), der vom Nationalen Institut für Statistik und Volkszählungen bereitgestellt wird, aktualisiert. Die letzte Aktualisierung (April - Mai 2023) wurde durch den AFIP-Beschluss 4.257 veröffentlicht. Treibhausgasemissionen, die durch industrielle Prozesse, Viehzucht, Abfallentsorgung und Landnutzungsänderungen entstehen, sowie Biokraftstoffe sind von der Kohlenstoffsteuer ausgenommen.

    27.424

    Das im Dezember 2017 verabschiedete Gesetz zielt darauf ab, die Politik festzulegen und die rechtlichen und vertraglichen Bedingungen für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen durch Nutzer des Verteilernetzes für den Eigenverbrauch zu schaffen; es regelt die Einspeisung dieses dezentral erzeugten Stroms in das öffentliche Netz.

    27.191

    Das im Oktober 2015 verabschiedete Gesetz schafft ein nationales Förderprogramm für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung. Das Programm gilt bis 2025. Es enthält unter anderem nationale Ziele für erneuerbare Energieträger, und sieht die Einrichtung eines Fonds für die Finanzierung von Projekten für erneuerbare Energieträger vor.

    Bereich Umweltschutz

    26.639

    Das Gesetz wurde im Oktober 2010 verabschiedet und legt ein Mindestbudget für den Schutz der Gletscher und der periglazialen Umwelt fest. Zentrales Ziel ist es, diese strategischen Wasserreserven zu erhalten. Ein Bergbauunternehmen reichte 2011 mit Unterstützung der Provinz San Juan eine Klage gegen die nationale Regierung ein. Es wollte nachweisen, dass das Gletschergesetz verfassungswidrig sei. Im Juni 2019 erklärte der Oberste Gerichtshof jedoch einstimmig, dass das Gletschergesetz verfassungsgemäß ist.

    27.520

    Das im Dezember 2019 verabschiedete Gesetz legt Mindestbudgets für den Umweltschutz fest, um Maßnahmen, Instrumente und Strategien zur Untersuchung der Auswirkungen des Klimawandels zu gewährleisten. Das Gesetz enthält jedoch keine genauen Regeln für die Umsetzung der Treibhausgasreduzierung.

    Quelle: InfoLEG − Información Legislativa y Documental

    .

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Investitionen: Schwierige Finanzierung und fehlende Regulierung

    Die Investoren warten in wichtigen Bereichen auf neue gesetzliche Rahmenbedingungen. Zudem ist die Finanzierung angesichts der chronischen Instabilität eine Herausforderung.

    Argentiniens Staatssekretariat für Energie schätzt den Investitionsbedarf für den Ausbau von Erzeugungs- und Übertragungskapazitäten sowie Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in unterschiedlichen Szenarien bis 2030 auf 20,6 Milliarden bis 27,4 Milliarden US-Dollar (US$). Darin enthalten sind unabhängig vom jeweiligen Szenario Investitionen von 7,8 Milliarden US$ in die Energieeffizienz.

    Im Szenario "Energiewende mit nationalen Kapazitäten“ (REN 20) würden bis 2030 zusätzlich 4.233 Megawatt (MW) Kapazität aus Wind- und Solarkraft ans Netz gehen und den Anteil erneuerbarer Energieträger (ohne Wasserkraft) an der Stromerzeugung auf 20 Prozent erhöhen. Zum Vergleich: 2022 lag dieser Wert bei rund 13 Prozent. Im Szenario "Energiewende mit beschleunigtem Ausbau der Erneuerbaren" (REN 30) würden bis 2030 rund 7.400 Megawatt aus Wind- und Solarkraft installiert werden, um eine Quote der Erneuerbaren von 30 Prozent zu erreichen. Dieser Investitionspfad erfordert allerdings gegenüber dem 20-Prozent-Szenario einen um 78 Prozent höheren Bedarf an Devisen, der im derzeit bestehenden Makroumfeld schwer zu decken wäre.

    Megaprojekt für grünen Wasserstoff in Vorbereitung

    Bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff wird Argentinien laut Bloomberg NEF 2030 zu den kostengünstigsten Standorten weltweit gehören. Vom Aufbau einer nationalen Wasserstoffwirtschaft erwartet die Regierung in einer nicht näher terminierten Zukunft zusätzliche Exporte von 15 Milliarden US$ jährlich sowie die Entstehung von 50.000 Arbeitsplätzen. Anders als der Ausbau erneuerbarer Energien für die Stromversorgung sind Wind- und Solarprojekte zur Speisung von Elektrolyseuren für Wasserstoff kaum vom Netzausbau abhängig. 

    Das große Potenzial Argentiniens hat auch der australische Bergbauriese Fortescue Metals Group erkannt. Die Firmentochter Fortescue Future Industries will in der Provinz Rio Negro 8,4 Milliarden US-Dollar (US$) in die Produktion von grünem Wasserstoff und Ammoniak stecken. Hierfür hat das Unternehmen 150.000 Hektar Land in Patagonien erworben. Staatspräsident Fernández stellte das Megaprojekt auf der Klimakonferenz COP 26 in Glasgow 2021 persönlich vor. Aktuell laufen die Windmessungen.

    Auch andere ausländische Unternehmen haben Interesse, die hervorragenden natürlichen Bedingungen in Argentinien zur Produktion von grünem Wasserstoff zu nutzen. In der Ende 2020 gegründeten Aktionsgemeinschaft zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft Consorcio H2AR arbeiten mehr als 50 argentinische und internationale Unternehmen aus allen Stufen der Wertschöpfungskette für Wasserstoff zusammen an einer langfristigen Strategie zur Entwicklung dieser Wirtschaft in Argentinien. Gemeinsam ermitteln sie Kosten und andere Faktoren, um die bestmögliche Informationsbasis für Projekte zu erarbeiten sowie den öffentlichen Sektor bei der Ausarbeitung einer nationalen Strategie zu unterstützen. Mit an Bord sind auch die deutschen Firmen Siemens Energy, Wintershall DEA, Linde und Abo Wind.

    Doch angresichts des gegenwärtig fehlenden Rechtsrahmens, der problematischen Finanzierungsbedingungen und der rigiden Devisenrestriktionen, welche Importe etwa von Ausrüstungen und Teilen derzeit sehr erschweren und die Überweisung von Dividenden ans Mutterhaus unmöglich machen, verhalten sich die Unternehmen bei konkreten Vorhaben zurückhaltend. Tatsächlich bewertet etwa die Kreditratingagentur Standard & Poor's Argentinien mit CCC-. Die hieraus resultierenden Kreditzinsen, sofern keine zinsvergünstigten Kredite internationaler Geber bereitstehen, machen Wasserstoff aus Argentinien derzeit international nicht wettbewerbsfähig. Zumal die schlechte Bewertung die große politische Unsicherheit und die unsichere wirtschaftliche Lage widerspiegelt.

    Lithium- und Kupfervorkommen als Basis für Elektromobilität

    Ein Katalysator für Investitionen soll die Förderung der Wertschöpfungskette für die Elektromobilität werden. Ein geplantes Fördergesetz (Ley de Promoción de Electromovilidad), das Anreize für die Produktion und Nutzung von Elektrofahrzeugen geben soll, könnte nach Schätzung der Regierung mittelfristig mehr als 20.000 neue Arbeitsplätze schaffen und über 5 Milliarden US$ an neuen Investitionen mit sich bringen. 

    Mit dem globalen Ausbau der Elektromobilität steigt das Interesse an Argentiniens Lithium- und Kupferreserven. So sicherte sich der Autobauer BMW in einem 300-Millionen-US$-Vertrag mit dem US-Konzern Livent bereits die mehrjährige Belieferung mit Lithium aus “verantwortungsvollem Abbau in Argentinien”. Auch Toyota und Ford wollen sich dort eindecken. 

    Derzeit exportiert Argentinien rund 33.000 Tonnen Lithium Carbonate Equivalent (LCE) pro Jahr. Bereits in der Umsetzung befindliche Projekte lassen bis 2024 eine Vervierfachung der lokalen Produktion auf 120.000 Tonnen LCE erwarten. Darüber hinaus befinden sich 17 weitere Projekte in unterschiedlichen Phasen der Exploration und Evaluierung. Sieben davon prüfen ihre Produktionsmöglichkeiten bereits mit Pilotanlagen oder stehen kurz davor. Allein mit diesen sieben Projekten könnte Argentiniens jährliche Produktionskapazität künftig 300.000 Tonnen LCE überschreiten. Bis 2030 sind ein Anteil des Landes von 17 Prozent an der weltweiten Lithiumproduktion und jährliche Exporterlöse von 2 Milliarden bis 3,5 Milliarden US$ denkbar.

    Das Gesamtportfolio aller bekannten Lithiumprojekte in Argentinien erfordert laut offiziellen Angaben Investitionen von 6,5 Milliarden US$ und würde die Produktionskapazität auf 373.500 Tonnen LCE jährlich gegenüber dem derzeitigen Stand verzehnfachen. Ambitionierte Pläne für die Exploration von Lithium in Argentinien verfolgt die Deutsche E-Metalle AG gemeinsam mit lokalen Partnern.

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • DIHK-AHK-Umfrage zum Klimaschutz 2022

    Argentinien

    Die Umfrage wurde im April und Mai 2022 von der DIHK unter 2.860 Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) durchgeführt. Unternehmen aus insgesamt 107 Ländern nahmen daran teil. Die Befragung gibt wieder, wie die in dem jeweiligen Land tätigen deutschen oder eng mit Deutschland kooperierenden Unternehmen die Situation vor Ort wahrnehmen.

    Von Martin Knapp (DIHK) | Berlin

  • Energie: Argentiniens Energiewende ist ins Stocken geraten

    Für einen schnelleren Ausbau von Wind- und Sonnenenergie fehlt es an Finanzierung und an Kapazitäten im Übertragungsnetz. Ein Hoffnungsträger ist Wasserstoff.

    Argentiniens Energiematrix basiert hauptsächlich auf fossilen Energieträgern: Die nachgefragte Primärenergie stammte 2021 zu 86,2 Prozent aus fossilen Brennstoffen, vor allem Erdgas und Öl. Ferner steuert Wasserkraft 5,4 Prozent bei.

    Diese Struktur spiegelt sich in der Stromerzeugung wider: 2021 fast 61 Prozent mit Gas. Dagegen lag der Anteil der Regenerativen (ohne große Wasserkraftwerke) nur bei rund 13 Prozent. Gemäß dem Gesetz über erneuerbare Energieträger (Gesetz 27.191) soll dieser bis 2025 auf 20 Prozent steigen. Die Regierung hat sogar mehrfach angekündigt, bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent am Strommix erreichen zu wollen. Der Weg dahin ist indes bisher nicht klar; immerhin steuerte Windstrom 2021 erstmals mehr zum Strommix bei (8,7 Prozent) als Atomstrom (6,9 Prozent). Der mit Wasserkraft erzeugte Strom stammt jedoch großteils aus grenzübergreifenden Großanlagen wie Yacyretá (mit Paraguay) oder Salto Grande (mit Uruguay).

    Windstrom zwischen Rückenwind und Flaute

    Schwung in die Nutzung erneuerbarer Energieträger hatte zunächst das 2016 vom argentinischen Energieministerium gestartete Programm RenovAr gebracht. Zwischen 2016 und 2018 fanden drei Ausschreibungsrunden statt. Laut dem Informationsdienstleister BNAmericas wurden im Rahmen von RenovAR bislang insgesamt rund 5,1 Gigawatt in Auftrag gegeben und hiervon 2,75 Gigawatt installiert. Vor allem makroökonomische Probleme, regulatorische Unsicherheit und finanzielle Hindernisse behindern den Ausbau. Zudem fehlen Netzkapazitäten für den Transport des vor allem in abgelegenen Regionen verfügbaren Wind- und Solarstroms zu den Verbrauchszentren.

    Zu Beginn des Jahres 2023 wurde die erste Ausschreibung zur Erzeugung und Speicherung von Strom aus erneuerbarer Energie gestartet für eine installierte Kapazität von 620 Megawatt; 500 Megawatt Leistung sind dabei für Biomasse, Wind oder Sonne vorgesehen. Weitere 120 Megawatt verteilen sich auf Bio- und Deponiegasanlagen sowie kleinere Wasserkraftwerke. Die staatliche Ölgesellschaft YPF gab im April 2023 Investitionen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar (US$) in der Region Santa Cruz bekannt, darunter in einen neuen Windpark.

    Umstrittenes Kohlekraftwerk soll bis Ende 2023 voll in Betrieb gehen

    Kohle spielt in Argentinien zur Stromerzeugung nur eine Nebenrolle. Trotzdem entschied die Regierung 2020 statt eines Kohleausstiegs neue Mittel in die Fertigstellung des Kohlekraftwerks Río Turbio (240 Megawatt) zu stecken. Das bereits 2015 eingeweihte Kraftwerk soll ab Ende 2023 vollständig laufen. Rio Turbio war Gegenstand einer juristischen Untersuchung, weil die Preise zu hoch angesetzt wurden und die Anlage zwei- bis dreimal so viel kostet wie ursprünglich veranschlagt.

    Wasserstoff rückt in den Fokus

    Zwar gibt es keine tragfähige Untersuchung zum Potenzial der Erneuerbaren in Argentinien. Unbestritten sind jedoch die außergewöhnlich günstigen Bedingungen für die Nutzung von Wind und Sonne. Nach Einschätzung von Javier Pastorino, Managing Director von Siemens Energy in sechs Ländern Südamerikas, übertrifft Argentinien das Potenzial Chiles beispielsweise um ein Vielfaches. Außerdem verfügt Argentinien über große Wasservorkommen. Auf dieser Basis könnte das Land in großem Stil Wasserstoff produzieren. Gegenwärtig wartet die Branche jedoch auf den angekündigten regulatorischen Rahmen und bessere makroökonomische Bedingungen.

    Atomgespräche mit China

    Gegenwärtig laufen drei Atomkraftwerke in Argentinien: Embalse sowie Atucha I und II. Atucha I und II wurden mit Technologie der Kraftwerk Union (KWU) von Siemens und AEG gebaut. Über einen vierten Meiler, Atucha III, wird mit China verhandelt, das Technologie und Kapital dafür liefern würde. Die Entscheidung über den Bau steht aufgrund von Unstimmigkeiten noch aus. So wird darüber diskutiert, ob China 85 Prozent (Chinas Präferenz) oder 100 Prozent (Argentiniens Präferenz) übernimmt. Auch das Ziel Argentiniens, die Brennelemente im eigenen Land herzustellen, verschiebt den Baubeginn. Dessen ungeachtet ist der Betriebsbeginn für Ende 2030 vorgesehen.

    Daneben steht Atucha IV "im Raum". Auch dieses Projekt soll von chinesischer Hand betrieben und finanziert werden, wurde aber 2017 auf Eis gelegt.

    Deutsches Engagement in Argentiniens Energiewirtschaft

    Deutsche Unternehmen haben sich als Projektentwickler, Ausrüster und Finanziers engagiert, eher selten als Betreiber. Siemens erreichte bei der Ausrüstung von Gaskraftwerken in Argentinien zeitweise einen Marktanteil von 80 Prozent und macht derzeit dank langfristiger Wartungsverträge gutes Geschäft. Wintershall Dea gehört als Partner von Total Austral zu den führenden Erzeugern von Erdöl und vor allem Erdgas in Argentinien. Evonik ist Zulieferer für Zusatzstoffe zur Produktion von Biodiesel.

    Besonders stark ist das deutsche Engagement bei Windenergie. Projektentwickler wie ABO Wind, WPD und Sowitec setzten schon Mitte der 2000er-Jahre auf Argentinien. Deutsche Hersteller wie Nordex, Siemens Energy und Senvion liefern die Ausrüstungen für Windparks privater Erzeuger, die ihre Energie im Rahmen langfristiger Verträge an den Staat oder an private Abnehmer verkaufen. Finanziert wurden mehrere dieser Projekte durch die KfW-Bankengruppe. Derzeit läuft das Geschäft jedoch schleppend. Chancen gibt es momentan vor allem bei dezentralen Lösungen von erneuerbaren Energieträgern ohne Netzanbindung.

    Ins Stocken geraten war auch das Wasserkraftprojekt Chihuido I, bei dem der deutsche Maschinenbauer Voith Hydro mit deutscher Finanzierung als Hauptzulieferer schon sicher im Geschäft schien. Doch es gibt Hoffnung: Bei der gemeinsamen Absichtserklärung der argentinischen Regierung und Voith Hydro im Januar 2023 wurde die Vereinbarung über den Bau des Wasserkraftwerks und ergänzende Arbeiten in der Provinz Neuquén reaktiviert. Das von der Exportkreditagentur Euler Hermes gewährte Darlehen sieht eine Exportfinanzierungsdeckung von 85 Prozent (1,9 Milliarden US$) bei einem Projektwert von rund 2,2 Milliarden US$ vor.


    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Verkehr: Elektromobilität soll Wachstumsmotor werden

    Argentinien fährt mit einem bunten Treibstoffmix, der immer grüner werden soll. In der Modernisierung des Bahntransports und des öffentlichen Nahverkehrs steckt großes Potenzial.

    Reaktivierung der Bahn und Investitionen in städtische Mobilität

    Mehr als 90 Prozent des Gütertransports und 70 Prozent des Personenverkehrs laufen in Argentinien über Straßen. Die Reaktivierung und Modernisierung der Eisenbahntrassen, die in Argentiniens Glanzzeiten das ganze Land durchzogen, sind ein Schwerpunkt der Verkehrspolitik, sowohl für den Personennahverkehr als auch für den Gütertransport. So genehmigte die Weltbank im Juni 2022 eine Finanzierung in Höhe von 600 Millionen US-Dollar (US$) zur Modernisierung der Infrastruktur und des Betriebs der Eisenbahnlinie Belgrano Sur für den Nahverkehr im Großraum Buenos Aires. Dadurch sollen 2 Millionen Personen einen besseren Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erhalten. Wie auf anderen Strecken ist die Elektrifizierung Teil der Modernisierungsmaßnahmen.

    Ein anderer Schwerpunkt der Investitionen in die städtische Mobilität ist der Ausbau von gesonderten Buskorridoren (BRT). Das Metrobussystem im Großraum Buenos Aires wird um zusätzliche Korridore ergänzt. Das erfolgreiche Modell wird überdies auf weitere Städte im Land übertragen. Ein weiteres Großprojekt ist der geplante Bau der neuen U-Bahn-Linie F in Buenos Aires (geschätzte Kosten: 2 Milliarden US$, 13 Stationen, 12 Kilometer Länge).

    Beim Güterverkehr fehlen indessen die Anreize für private Investitionen. Deswegen werden laufende Projekte immer noch vom Staat betrieben. Das wichtigste Vorhaben ist die Modernisierung der Eisenbahnstrecke Gerneral-Roca auf dem Abschnitt zwischen Bahía Blanca und Añelo am Rande der Ölschiefervorkommen Vaca Muerta. Das Investitionsvolumen beträgt 900 Millionen US$. Die Arbeiten zur Wiederinbetriebnahme liegen in den Händen der China Machinery Engineering Corporation zusammen mit anderen privaten und öffentlichen Institutionen.

    Elektromobilität noch im Anfangsstadium

    Beim Ausbau der Elektromobilität liegt Argentinien nicht nur gegenüber Europa, sondern auch im Vergleich zu anderen Ländern Lateinamerikas zurück. Laut Statista gab es 2021 lediglich 20 Ladestationen im ganzen Land. Laut PwC Argentina kommt jedoch Schwung in den Absatz, auch durch Zoll- und Steuervorteile. Im Jahr 2021 wurden laut Branchenverband Acara 5.871 überwiegend hybride E-Autos zugelassen, ein Plus von 148 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Bestand hat sich damit in einem Jahr mehr als verdoppelt (9.350 Hybridfahrzeuge und 175 rein batteriebetriebene E-Autos). Laut Portalmovilidad machte der Verkauf von hybriden und Elektroautos 2022 nur 1,9 Prozent aller Automobilverkäufe aus.

    Mit einem geplanten Gesetz zur Förderung der gesamten Wertschöpfungskette für die Elektromobilität will Argentinien seine breit aufgestellte Kfz-Industrie und die umfangreichen Vorkommen von Lithium und Kupfer zu einem Motor der industriellen Entwicklung machen. Das vom inzwischen zurückgetretenen Produktionsminister Matías Kulfas ins Gespräch gebrachte Ende der Zulassung von Verbrennungsmotoren bis 2041 gilt jedoch als ein übermäßig ehrgeiziges Ziel. Überdies ist fraglich, ob das Gesetz im Wahljahr 2023 noch kommt.

    Dessen ungeachtet sollen in Argentinien vermehrt E-Autos vom Band laufen. Im Februar 2023 kündigte der chinesische Autobauer Chery an, gemeinsam mit Gotion Inc aus den USA in Jujuy rund 0,4 Milliarden US$ investieren zu wollen. Geplant ist der Bau einer Fabrik für E-Autos in zwei Etappen bis 2030 mit einem Ausstoß von letztlich 100.000 Einheiten im Jahr. Der Local-Content-Anteil soll 46 Prozent betragen; für die hierfür nötige Batteriefertigung ist der argentinische Partner Jemse (Jujuy Energía y Minería Sociedad del Estado) mit vor Ort gefördertem Lithium beteiligt. Schon 2022 hatte das kanadische Unternehmen Daymak die Produktion von E-Mobilen für den Export angekündigt. Daneben gibt es drei nationale Player.

    Das Interesse ausländischer Firmen an Argentinien kommt nicht von ungefähr, schließlich gehört das Land gemeinsam mit Chile und Bolivien zum sogenannten Lithium-Dreieck; in den drei Ländern soll sich mehr als die Hälfte der weltweiten Lithiumreserven befinden. Nicht zuletzt deshalb bezieht BMW Lithium für seine Batterien für Elektrofahrzeuge vom US-Konzern Livent, der den begehrten Rohstoff am argentinischen Salar del Hombre Muerto gewinnt.

    Biotreibstoffe als Beimischung

    Die Beimischquote für Biotreibstoffe regelt das 2021 in Kraft getretene Gesetz für Biokraftstoffe (Gesetz Nr. 27.640). Es sieht derzeit eine Ethanolbeimischung von 12 Prozent vor; das Ethanol wird aus lokal angebautem Zuckerrohr und Mais gewonnen.

    In Argentinien wird ein Erdölderivat, das mit verschiedenen flüssigen Kraftstoffen gemischt ist und in Fahrzeugen verwendet wird, auch Nafta genannt. Das Gesetz Nr. 27.640 regelt Biokraftstoffe und umfasst alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung, Lagerung, Verkauf und der Beimischung von Biokraftstoffen. Das Gesetz gilt bis zum 31. Dezember 2030. Das Gesetz kann durch die Exekutive einmalig um fünf weitere Jahre verlängert werden. Es legt zudem fest, dass alle flüssigen Kraftstoffe, die in Argentinien gehandelt werden, einen obligatorischen Biodieselanteil von 5 Prozent sowie einen Bioethanolanteil von 12 Prozent an der Gesamtmenge des Endprodukts enthalten sollen. Der Prozentsatz von Biodiesel kann im Hinblick auf Nachfrage, Handelsbilanz, Investitionsförderung oder aufgrund von ökologischen und/oder technischen Gründen angehoben oder bis auf 3 Prozent reduziert werden. 
    Das Bioethanol kann dabei aus Zuckerrohr oder Mais hergestellt werden. Für beide gilt jeweils ein Anteil von 6 Prozent am Nafta. 

    Des Weiteren verfügt Argentinien über eine der größten Flotten gasbetriebener Kfz weltweit. Im Jahr 2021 umfasste sie mit 1,9 Millionen Fahrzeugen rund 13 Prozent des gesamten Kfz-Bestands.

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Industrie: Langfristige Chancen für grüne Produktion

    Argentinien verfügt über eine breit entwickelte Industrie. In Sachen Klimaschutz und Energieeffizienz hat sie ebenso goßen Nachholbedarf wie auszuschöpfende Potenziale.

    Wichtige argentinische Industriebranchen weisen einen hohen Energieverbrauch auf, darunter vor allem die Hersteller von Stahl, Aluminium, Zement, Papier und Glas sowie Erdölraffinerien, Chemiewerke, Nahrungsmittelerzeuger und Kfz-Bauer. Anders als für Privathaushalte sind die Stromkosten für industrielle Abnehmer relativ hoch. Anreize zu mehr Energieeffizienz sind mithin ebenso vorhanden wie für Investitionen in eine autonome Energieversorgung, vorzugsweise aus erneuerbaren Energieträgern.

    Pläne für grüne Produktion sind noch diffus

    Ein 2021 vom damaligen Produktionsministerium veröffentlichter Plan für eine grüne Entwicklung der Produktion zielt unter anderem auf:

    • Investitionen in die wissensbasierte Wirtschaft,
    • die Integration der Unternehmen in Prozesse der Kreislaufwirtschaft sowie
    • auf Umweltanpassung und Effizienz bei der Nutzung von Ressourcen.

    Im Fokus stehen dabei besonders kleine und mittlere Firmen. Spezifische Sektorpläne liegen bisher jedoch nicht vor.

    Eine weitere Initiative ist das Clúster Renovable Nacional, eine öffentlich-private Institution für die Suche nach technischen, produktiven und politischen Lösungen zur Entwicklung erneuerbarer Energieträger. Mittlerweile nehmen 16 Provinzen sowie ein Konglomerat aus öffentlichen und privaten Branchenfirmen an dem Programm teil.

    PtX Hub Argentina sieht langfristiges Potenzial

    Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) installierte in Buenos Aires 2021 den Component Lead PtX Hub Argentina. Ziel ist die Förderung von Power-to-X (PtX)-Projekten zur Speicherung und alternativen Nutzung von Strom. Power-to-X beschreibt Verfahren, die grünen Strom in chemische Energieträger zur Stromspeicherung umwandeln. Ein Beispiel ist die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energieträgern für Brennstoffzellenfahrzeuge. Power bezeichnet die über dem Bedarf liegenden zeitweisen Stromüberschüsse und X steht für die Energieform oder den Verwendungszweck. "Synthetische Kraftstoffe und chemische Erzeugnisse auf Basis erneuerbarer Energien könnten Argentinien eine attraktive, klimafreundliche Option bieten, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu beschleunigen", heißt es in einem Beitrag des PtX Hub Argentina.

    Die aggregierte Wasserstoffnachfrage der argentinischen Industrie belief sich 2019 auf 350.000 Tonnen. Gegenwärtig wird dieser Bedarf überwiegend durch mit Erdgas erzeugtem grauen Wasserstoff gedeckt, was die Kohlendioxidemissionen entsprechend in die Höhe treibt. Langfristig könne PtX es verschiedenen lokalen Industrien wie der Stahl- und Chemieindustrie ermöglichen, klimaneutral zu wirtschaften, so der PtX Hub Argentina.

    Neben der GIZ gehören Agora Energiewende und DECHEMA (Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V.), auf deutscher Seite zu den Akteuren; die argentinischen Partner sind CEARE (Centro de Estudios de la Actividad Regulatoria Energética) und die Stiftung Fundación Torcuato Di Tella. Das Vorhaben ist bis 2024 befristet. Unterstützt wird Power-to-X auch durch das bundesdeutsche Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

    Grüner Dünger und Stahl wären möglich

    Besonders große Chancen bestehen in der Düngemittelproduktion. Argentiniens Nachfrage nach Düngemitteln hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht; drei Viertel des inländischen Düngemittelverbrauchs wurden 2021 durch Importe gedeckt, so der Verband Fertilizar. Lokal und auf PtX-Basis produzierte Düngemittel würden Argentinien eine Chance bieten, die Abhängigkeit von Importen und volatilen Rohstoffpreisen zu verringern und gleichzeitig seinen Kohlenstofffußabdruck zu verkleinern. 

    Im Jahr 2022 wurden laut Acero Argentino, dem argentinischen Stahlverband, rund 5 Millionen Tonnen Rohstahl hergestellt, etwa 5 Prozent hiervon ging in verarbeiteter Form in den Export. Nachhaltig produzierter Stahl könnte aber speziell auch für internationale Käufer langfristig interessant sein.

    Bevor Argentinien den massiven Hochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft startet, wäre es nach Einschätzung des PtX Hub sinnvoll, zuvor den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix von derzeit noch bescheidenen 13 Prozent (ohne große Wasserkraftwerke) deutlich auszuweiten. Da der netzabhängige Ausbau der Erneuerbaren derzeit jedoch auf massive Hindernisse stößt, könnten netzunabhängige Wind- und Solarparks zur Versorgung von Elektrolyseuren möglicherweise bald attraktiver für private Investoren sein.

    Erste Schritte zu eigener Batterieproduktion

    Noch 2023 soll die erste argentinische Anlage zur Produktion von Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren (LFP) in Betrieb gehen. Das Projekt namens UniLiB wurde zusammen mit der Universidad Nacional de la Plata, dem Nationalen wissenschaftlichen und technischen Forschungsrat CONICET und dem Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation entwickelt. Die Technologie kommt aus China. Für den Bau zuständig ist die Technologietochtergesellschaft Y-Tec des staatlich kontrollierten Ölkonzerns YPF. Die zunächst auf kleiner Skala von 10 Megawattstunden pro Jahr anlaufende Produktion von stationären Akkus soll vor allem dazu dienen, Erfahrungen zu sammeln und technisches Know-how für die spätere Produktion in industriellem Maßstab aufzubauen, erläuterte der Y-Tec-Manager Santiago Sacerdote. Langfristig ist eine jährliche Produktion von 13 Megawattstunden vorgesehen. Das entspricht etwa 1.000 Batterien im Jahr.

    Darüber hinaus wurde im Februar 2023 der Bau einer Fabrik für E-Autos in Jujuy angekündigt. Der chinesische Autobauer Chery und Gotion Inc aus den USA wollen rund 0,4 Milliarden US-Dollar investieren. Der Bau soll sich über zwei Etappen bis 2030 erstrecken. Geplant ist eine Produktion von 100.000 Einheiten pro Jahr mit einem Local-Content-Anteil von 46 Prozent sowie die hierfür nötige Batteriefertigung mit dem argentinischen Partner Jemse (Jujuy Energía y Minería Sociediad del Estado) aus mit vor Ort gefördertem Lithium.

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Gebäude: Energiesparen sollte sich bald wirklich lohnen

    Steigende Energiepreise schaffen in Zukunft stärkere Anreize für energieeffizientes Bauen. Bei Bürogebäuden sind hohe Standards bereits üblich. 

    Der Energieeffizienz wurde in Argentinien lange Zeit wenig Bedeutung beigemessen, da die Strom- und Gaspreise über 15 Jahre weitgehend eingefroren waren und auf ein extrem niedriges Niveau herunter subventioniert wurden. Unter der Macri-Regierung (2016 bis 2019) begann sich das zu ändern. Heftige Preiserhöhungen für Strom und Gas gelten als einer der Hauptgründe für Macris Wahlniederlage 2019. Die derzeit noch amtierende peronistische Regierung drehte den Subventionshahn wieder auf, was die Energiepreise vor allem im Großraum Buenos Aires abermals auf ein extrem niedriges Niveau sinken ließ.

    Drastische Preiserhöhungen für Gutverdiener

    Da dies angesichts leerer öffentlicher Kassen und rasant steigender Importkosten nun nicht mehr finanzierbar ist und um Anreize für einen wirtschaftlichen Umgang mit den knappen Energieressourcen zu schaffen, sah sich die Politik unter Federführung von Wirtschaftsminister Massa jedoch gezwungen, die Tarife für Strom und Gas an die tatsächlichen Kosten anzupassen. Vor allem für die kaufkräftigsten Einkommensschichten steigen die Preise seit September 2022 drastisch. Das schafft Sparanreize und könnte die Nachfrage nach energiesparenden Technologien und Baumaterialien steigen lassen. 

    Beim Bau neuer Bürogebäude, die ganz überwiegend nach dem amerikanischen LEED-Standard (Leadership in Energy and Environmental Design) zertifiziert werden, sind hohe Anforderungen an die Energieeffizienz bereits seit Längerem Standard. Bauunternehmen, Entwickler und Architekten, die nach LEED arbeiten, sind in der Vereinigung Argentina Green Building Council (AGBC) organisiert, die auch die LEED-Normen in Argentinien zertifiziert. Darin vertreten ist beispielsweise auch die deutsche Firma Knauf.

    Im Wohnbereich regt das staatliche Programm (PRONEV) die Kennzeichnung von Wohngebäuden mit einem Energieeffizienzlabel an. Die Energieeffizienz von Wohnungen zu bestimmen, gilt als Basis, über energiesparende Maßnahmen in bestehenden Objekten nachzudenken. Außerdem soll das Label eine zusätzliche Entscheidungshilfe bei der Bewertung von Objekten und bei Immobilientransaktionen bieten. Die Energieeffizienzklassen werden mit den Werten des Energieeffizienzindexes nach der IRAM-Norm 11.900 / 2017 ermittelt. Das Programm schließt die Weiterbildung und Zertifizierung von Fachkräften ein, um die Gebäude sachgerecht zu bewerten. 

    EU-Programm für mehr Energieeffizienz 

    Als erste Provinz Argentiniens hatte Santa Fé bereits 2019 ein Gesetz verabschiedet, das die Zertifizierung von Energieeffizienzindikatoren für Gebäude vorschreibt. Auf nationaler Ebene sind die Bemühungen weniger weit fortgeschritten. Für Altbauten beispielsweise gibt es bisher keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Energieeffizienz. Die EU unterstützte Argentinien zwischen 2018 und 2021 über das Projekt Eficiencia Energética en Argentina bei der Einführung von Energieeffizienztechnologien. Hieraus ging der Vorschlag für einen Nationalen Energieeffizienzplan hervor. Über Anschlussvorhaben oder eine konkrete Umsetzung der mehr als 900 Empfehlungen ist nichts bekannt. Diese erstrecken sich vor allem auf die Sektoren mit dem höchsten Verbrauch in der nationalen Strommatrix: Verkehr, Industrie und Haushalte.


    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Land- und Forstwirtschaft: Viehzucht müsste Emissionen senken

    Allein Argentiniens Landwirtschaft trägt ein Drittel zu den gesamten Treibhausgasemissionen des Landes bei. Außerdem wird der Entwaldung nicht ausreichend Einhalt geboten.

    Hauptemittent von Treibhausgasen in Argentinien ist die Landwirtschaft. Im Jahr 2019 trug sie rund 40 Prozent zum landesweiten Ausstoß an Treibhausgasen in Kohlenstoffäquivalenten bei. Dies geht aus den letzten verfügbaren Zahlen von Our World in Data hervor. Der Großteil der Emissionen stammt aus der Viehwirtschaft (überwiegend Rinderzucht) in Form von Methanausstoß und Viehmist; ein weiterer wichtiger Faktor ist die durch die Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen hervorgerufene geänderte Bodennutzung.

    Wenn Argentinien es mit seiner Unterschrift unter dem 2015 beschlossenen Klimaabkommen von Paris Ernst meint, dann müssten die Methanemissionen des Sektors bis 2030 um 10 Prozent und bis 2050 um 35 Prozent gegenüber dem Niveau von 2010 reduziert werden, kalkuliert die argentinische Umweltstiftung FARN. Für die Stickoxidemissionen (hauptsächlich aus Gülle und Düngemitteln) wäre eine entsprechende Reduzierung um 10 Prozent (bis 2030) beziehungsweise 20 Prozent (bis 2050) erforderlich. Nur so ließe sich die argentinische Landwirtschaft auf 1,5-Grad-Kurs bringen.

    Laut Weltbank müssten die Emissionen in der Landwirtschaft insgesamt sogar um 65 Prozent reduziert werden, um bis 2050 die Dekarbonisierung zu erreichen. Das ist viel. Doch tatsächlich zeigt die Weltbank, dass Argentinien sich durch eine verbesserte Landnutzung sowie die Eindämmung der Entwaldung von einer Quelle zu einer Senke von Treibhausgasen wandeln könnte.

    Rinder und Getreide sind Treibhausgastreiber

    Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Argentinien hat die höchste durchschnittliche Entwaldungsquote in Südamerika. Treiber sind Entwaldungen zugunsten von Viehweiden und vorsätzliche Waldbrände. In der Tat ist Rindfleisch ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor - und Argentinien ist mit einem Anteil von etwa 5 Prozent an der globalen Produktion eine der führenden Rindfleischnationen weltweit. Zugleich ist die Emissionsintensität von argentinischem Rindfleisch im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt hoch: 29,4 Kilogramm Kohlendioxid pro Kilogramm verglichen mit 25,5 Kilogramm im Weltdurchschnitt, so die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO; 2020).

    Doch die Rinder sind es nicht allein: Die Senkung oder Abschaffung der Steuer auf Getreideexporte trägt seit 2016 ebenfalls zur Abholzung bei. Seitdem stieg der Anteil der Getreideexporte (einschließlich Soja) an der gesamten Ausfuhr von 11,9 Prozent (2016) auf 17,6 Prozent (2022).

    Entwaldung deutlich verlangsamt, aber nicht gestoppt

    Im Ergebnis verlor Argentinien von 2015 bis 2020 rund 105.000 Hektar Wald pro Jahr. Das ist viel. Doch zumindest scheint die Reihe an erlassenen Gesetzen und Schutzmaßnahmen eine gewisse Wirkung zu zeigen. Denn es ist weniger als die Hälfte der Entwaldung in den vorangegangenen fünf Jahren und ein Drittel der jährlichen Verluste in der 2000er-Dekade. Dessen ungeachtet wurden Regierungsankündigungen, die Entwaldung vollständig zu stoppen, bisher nicht umgesetzt. Ein Gesetz zum Schutz der Naturwälder ist zwar seit 2007 in Kraft, wird jedoch aufgrund von Unterfinanzierung nur unzureichend implementiert.

    Trotzdem erfüllt Argentinien die Anforderungen, um am REED+-Mechanismus (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries) nach Maßgabe der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen teilnehmen zu können. Die Regierung bietet einen Überblick über die bisherigen Projekte (die Liste reicht indessen nur bis 2018). Der Green Climate Fund (GCF) genehmigte 2018 eine Auszahlung von 82 Millionen US-Dollar verteilt über sechs Jahre für neue Projekte zur Bekämpfung von Entwaldung und zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung.

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Fachkräfte für den Klimaschutz: Gute Basis - Fortbildung gefragt

    An Fachkräften besteht kein akuter Mangel, aber ein Bedarf an zusätzlicher Aus- und Fortbildung. Als besonders gut gelten die Universitäten des Landes. 

    Argentinien verfügt über ein beträchtliches Potenzial an Fachkräften und gute Universitäten. Jährlich schreiben sich rund 127.000 neue Studierende für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) an einer Universität ein.

    Die AHK Argentinien sieht trotz der "aktuell etwas eingefrorenen Situation" der Klimaschutzaktivitäten "weiterhin Bedarf an ausgebildeten Fachkräften im Bereich erneuerbare Energien und auch Energieeffizienz". Fachkräfte mit fundiertem Fachwissen zu Installation, Montage, aber auch Wartung sind derzeit vor allem bei der dezentralen Energieerzeugung gefragt.

    Die von der AHK zusammen mit der renommierten technischen Universität Instituto Tecnológico de Buenos Aires (ITBA) angebotene Weiterbildung zum "European Energy Manager" (EUREM) stößt weiterhin auf Interesse. Zwischen 2011 und 2022 haben in Argentinien insgesamt 200 Personen die Ausbildung zum EUREM erfolgreich abgeschlossen. Das sind rund 3 Prozent der weltweit im Rahmen des Programms ausgebildeten Energiemanager. Damit liegt Argentinien auf Platz 5. Auch ein von der AHK angebotener Kurs für Fotovoltaikinstallateure, der 2021 zum ersten Mal angeboten wurde, genauso wie der Kurs "Inhouse Sustainability Manager", stoßen auf das Interesse von potenziellen Teilnehmern und Unternehmen.

    Für einen eventuellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft kann Argentinien auf umfangreiche Erfahrungen aus der stark verbreiteten Nutzung von Erdgas zurückgreifen. "Man kennt sich in der Gasindustrie aus, es gibt gute Techniker und viele gute Fachkräfte", meint zum Beispiel der Energieexperte Rainer Schröer von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Gas leistet in Argentinien nicht nur den Hauptbeitrag zur Wärme- und Stromerzeugung, komprimiertes Erdgas treibt auch einen Teil der Kfz-Flotte an.

    Dies schätzen auch deutsche Unternehmen vor Ort: Marcelo Merli, als Business Development Director von Siemens Energy zuständig für Argentinien, sieht einen wichtigen Standortvorteil im hohen Bildungs- und Ausbildungsgrad der argentinischen Bevölkerung; die argentinische Geschäftsführerin einer im Windbereich tätigen Entwicklungsfirma sieht viele intellektuelle Ressourcen im Öl- und Gasbereich, die zum Beispiel auch auf den Bereich Wasserstoff übertragen werden könnten, da es sich um ähnliche Wissensfelder handelt. 

    Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    AHK Argentinien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Exportinitiative Energie

    Unterstützung im Exportgeschäft

    Ministerio de Economía

    Das Wirtschaftsministerium koordiniert die Wirtschaftspolitik und die Sektorpolitik für Landwirtschaft, Energie, Bergbau sowie Industrie und produktive Entwicklung.

    Ministerio de Ambiente y Desarrollo Sostenible

    Umweltministerium

    Staatssekretariat für strategische Angelegenheiten

    Direkt beim Präsidenten angesiedelt, hier laufen die Fäden für Projekte mit internationaler Finanzierung zusammen.

    Fundación Ambiente y Recursos Naturales (FARN)

    Die Stiftung FARN ist Argentiniens renommierteste Nichtregierungsorganisation (NGO) auf dem Gebiet der Umweltpolitik. Sie zeichnet für das argentinische Kapitel des Climate Transparency Report verantwortlich.

    Camara de Energía Renovables

    Kammer von Unternehmen, die auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien tätig sind.

    Asociación Argentina de Energía Eólica

    Windenergie

    Cámara Argentina de Biocombustibles

    Biotreibstoffe

  • Angebote der AHK

    AHK Argentinien

    Dank ihrer langjährigen Aktivität in den Bereichen Umwelt und Energie, mit Fokus auf den Technologie- und Knowhow-Austausch zwischen Deutschland und Argentinien, hat sich die AHK Argentinien im nationalen Umfeld als relevanter Akteur etabliert. Seit 2011 bietet die AHK jährlich die Weiterbildung zum European Energy Manager (EUREM) an, um Experten in den Themenbereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien weiterzubilden. Knapp 200 Energiemanager wurden seit Einführung der Weiterbildung vor Ort ausgebildet. Im Rahmen des dazugehörigen Abschlussprojektes zeigen die Energiemanager zusätzlich zu den möglichen Ressourceneinsparungen den CO₂-Fußabdruck des Projektes auf. Neben dem EUREM und einem jährlichen Kongress zum Thema der erneuerbaren Energien namens GreenAR positioniert die AHK sowohl bei argentinischen Unternehmen als auch in der Öffentlichkeit aktuelle Energie- und Umweltthemen, beispielsweise im Rahmen der virtuellen Veranstaltungsreihe „Ciclo Verde“. Das rasant an Relevanz gewinnende Thema Wasserstoff behandelt die AHK Argentinien vor allem im eigens gegründeten Wasserstoffkomitee der Mitgliedsunternehmen sowie im Wasserstoffforum, das konkrete Möglichkeiten der Kooperation zwischen beiden Ländern zu dem Thema aufzeigt.

    Kontakt


    Telefon: +54 11 5219 4000

    E-Mail: ahkargentina@ahkargentina.com.ar

    Homepage: http://www.ahkargentina.com.ar

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