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Wirtschaftsausblick I Armenien

Armeniens Wirtschaft wächst auch nach Sonderkonjunktur weiter

Die armenische Wirtschaft hat gute Chancen, im Jahr 2025 um 5 bis 6 Prozent zu wachsen. Treiber sind der Privatverbrauch, Investitionen, das Baugewerbe und Reexporte. 

Von Uwe Strohbach | Eriwan

Wirtschaftsentwicklung: Regierung erwartet solides Wachstum  

Die armenische Regierung sagt für 2025 ein reales Wirtschaftswachstum von 5,6 Prozent voraus und für die beiden Folgejahre von jeweils 5,5 Prozent. Geberbanken rechnen mit ähnlichen Zuwächsen. Respektable Aussichten angesichts eines Konjunkturaufschwungs von im Schnitt 9,2 Prozent in den Jahren 2022 bis 2024.  

Das Wachstum der letzten drei Jahre wurde neben einer anziehenden Binnenwirtschaft stark von positiven Effekten des Ukraine-Krieges getragen: Fluchtmigration, hohe Kapitalzuflüsse aus Russland und ein boomender Transithandel. 

Im Jahr 2025 werden voraussichtlich öffentliche Investitionen und die Bauwirtschaft stärker zum Wachstum beitragen, daneben Dienstleistungen, der Einzelhandel und das verarbeitende Gewerbe. Die Weltbank unterstützt ab 2025 ein Programm für die Landwirtschaft und neue Wertschöpfungsketten. Sondereffekte durch den russischen Angriffskrieg werden weiter eine Rolle spielen.

Die hohen Wachstumsprognosen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Armenien die Grundlagen für ein nachhaltiges Wachstum und eine diversifizierte Wirtschaft noch schaffen muss. Ein Friedensvertrag mit Aserbaidschan als Voraussetzung für die Wiederaufnahme der regionalen Zusammenarbeit steht noch aus.

Investitionsbelebung setzt sich fort 

Die gesamten Bruttoanlageinvestitionen dürften 2025 weiterhin zweistellig zulegen und sich auf 6 Milliarden US$ gegenüber 2021 verdoppeln. Treiber bleiben die öffentlichen Investitionen. Von den für 2025 geplanten 1,9 Milliarden US$ fließt das Gros in Straßen, Schulen und Wasserspeicher sowie in die Agrarförderung. Staatliche Prioritäten sind die "Ingenieurstadt" in Jerewan, ein Entwicklungszentrum für Hochtechnologien, das "industrielle Internet der Dinge", Halbleiter- und Mikrowellentechnologien, Maschinenbau und Messtechnik.

Auch die privaten Investitionen werden den Prognosen zufolge 2025 weiter wachsen, allen voran in den Bereichen Wohnungsbau, Tourismus und Stromwirtschaft. 

Soziale Lage der Bevölkerung bleibt angespannt  

Der private Konsum wächst zwar, bleibt aber auf niedrigem Niveau. Hauptgründe sind eine Armutsrate von mehr als 20 Prozent, eine Arbeitslosigkeit von 14 Prozent und geringe monatliche Bruttolöhne von im Schnitt 700 US$ (1. Halbjahr 2024). 

Die meisten Haushalte müssen bis zu zwei Drittel ihrer Einnahmen für Ernährungsgüter und ein Viertel für kommunale Dienste ausgeben. Für Nonfood-Güter und Dienstleistungen bleibt wenig übrig. Händler und Dienstleister hoffen auf Mehreinnahmen durch den Incoming-Tourismus. Das Komitee für Tourismus erwartet für 2025 mehr Besucher, nach einem kleinen Rückgang im Jahr 2024 und einem Boom in den Vorjahren (Ist 2023: 2,3 Millionen Besucher).     

Ex- und Importe ohne Transithandel dürften 2025 wieder steigen     

Der Außenhandel des kleinen Landes mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern ist 2023 und 2024 kometenhaft angestiegen - fast ausschließlich durch Transitgeschäfte: durch den Goldimport aus Russland und die Wiederausfuhr in die VAE sowie den Import von Edelsteinen aus Indien, Russland und Hongkong und die Wiederausfuhr in die VAE. Real dürften die Im- und Exporte im Gesamtjahr 2024 um jeweils circa 25 Prozent zulegen.

Allerdings sind die Importe ohne Reexporte in den ersten neun Monaten 2024 gegenüber der Vorjahresperiode um nominal 5 Prozent geschrumpft. Die Ausfuhren armenischer Erzeugnisse stagnierten auf Vorjahresniveau. Für 2025 erwartet die Regierung ein Anziehen dieser Ex- und Importe von 5 bis 10 Prozent. Der starke armenische Dram gegenüber dem US-Dollar verleiht den Importen zusätzlichen Rückenwind. 

Durch weniger Transitgeschäft rechnet die Zentralbank für 2025 aber damit, dass die armenischen Ein- und Ausfuhren insgesamt gegenüber 2024 real um jeweils etwa 30 Prozent schrumpfen.    

Hauptbezugsländer des Südkaukasuslandes sind traditionell Russland, China und Georgien (Reexporte von Kfz und anderen Waren). Das Gros der Exporte geht gegenwärtig in die VAE sowie nach Russland und China. Die Bezüge aus der EU und die Lieferungen in EU-Länder zeigen 2024 nach unten (Januar bis August 2024: Rückgang um jeweils circa ein Fünftel). Sie dürften aber 2025 wieder anziehen.   

Top-Thema: Armenien gilt als Hochburg für IT-Outsourcing und Softwareentwicklung  

Die IT-Branche ist das Kernstück der armenischen Wirtschaft. Ihr Umsatz expandierte 2023 um 50 Prozent auf 2,1 Milliarden US-Dollar (US$), so das Beratungsunternehmen Modex. Der Export kundenspezifischer Software erreichte eine Rekordmarke von 1,7 Milliarden US$. Die Nationale Statistik beziffert das reale Wachstum im gesamten IT-Sektor inklusive Telekommunikation für 2022 und 2023 im Schnitt auf deutlich höhere 90 Prozent pro Jahr. 

Global eingebrochene IT-Aufträge und schwindende Sondereffekte aus verlagerten russischen IT-Geschäften nach Armenien lassen für 2024 und 2025 kein reales Wachstum mehr erwarten. Dennoch bleibt das Marksegment attraktiv für deutsche Firmen, insbesondere für das Outsourcing von IT-Diensten. Für Start-ups bewilligte die Regierung Mitte 2024 neue Fördergelder. 

Deutsche Perspektive: Kleiner Markt mit Geschäftschancen in vielen Nischen

Ungeachtet seiner Marktgröße lohnt sich für deutsche Firmen ein Blick auf Armenien. Chancen ergeben sich beim Ausbau der Infrastruktur für Strom und Wasser/Abwasser, der Eriwaner Metro sowie im Straßen- und Hochbau (Wohnsiedlungen und touristische Infrastruktur). Fest geplant sind die Modernisierung von drei Umspannwerken sowie neue Fotovoltaikparks von mehr als 500 Megawatt. 

Großen Investitionsbedarf gibt es in der Ernährungswirtschaft. Priorität haben die Modernisierung und der Ausbau von Keltereien. Bei der Projektierung neuer Wasserspeicher ist Armenien auf ausländisches Know-how angewiesen. Ein wichtiges Kooperationsfeld bleibt die Softwareentwicklung. 

Bei der zentralen Wirtschaftsförderagentur Enterprise Armenia können sich ausländische Unternehmen  über geplante Investitionsprojekte informieren. 

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