Die Bedeutung des multimodalen Mittleren Korridors, auch bekannt als Transkaspische Internationale Transportroute, wächst. "Zwar kann er die nördliche Landroute über Russland weder mittel- noch langfristig ersetzen. Doch dass perspektivisch bis zu gut einem Zehntel des Transitaufkommens zwischen China/Zentralasien und Europa über diese Route transportiert werden, ist realistisch", schätzen Experten der Vereinigung Transkaspische Internationale Transportroute (Association Trans-Caspian International Transport Route, TITR).
Kasachische Häfen unter starkem Investitionsdruck
Die Erwartung eines stark steigenden Frachtaufkommens auf dem Mittleren Korridor erfordert massive Investitionen in die Transport- und Logistikkapazitäten in allen Transitländern. Dies gilt besonders für die kasachischen Häfen am Kaspischen Meer. Gleichzeitig werden Frachtschiffe und Container benötigt.
Wachsende Warenströme erfordern zudem:
- eine bessere Vernetzung von Bahn, Straße und Seetransport auf allen Teilen der Trasse,
- eine koordinierte Investitions- und Tarifpolitik der beteiligten Partnerländer sowie
- eine Digitalisierung von Transport- und logistischen Prozessen.
Investitionsbedarf von 18,5 Milliarden Euro bis 2027 veranschlagt
Die Anrainerstaaten haben Durchlässigkeit und Schnelligkeit auf dem Mittleren Korridor bereits deutlich verbessert. Dennoch sind weiterhin Kapazitätsengpässe für den Warenumschlag sowie tarifäre und nichttarifäre Hemmnisse abzubauen.
Hierfür verabschiedeten hochrangige Vertreter Kasachstans, Aserbaidschans, Georgiens und der Türkei 2022 einen Plan. Dieser fokussiert den Abbau von Engpässen und bürokratischen Hürden auf der Route bis 2027.
TITR-Experten beziffern die aktuellen und bis 2027 geplanten Investitionen in mehr Kapazitäten auf mindestens 10 Millionen Tonnen und in eine effektivere Frachtabfertigung auf 6,5 Milliarden US-Dollar (US$). Eine 2023 als Flagship-Projekt der EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway veröffentlichte Studie schätzt die Gesamtkosten entlang des Mittleren Korridors auf weit höhere 18,5 Milliarden Euro.
Anrainer schließen sich für effizientere Transittransporte zusammen
Ende 2023 hatten die staatlichen Eisenbahngesellschaften von Aserbaidschan, Georgien und Kasachstan ein Joint Venture gegründet, das multimodale Transporte auf dem Mittleren Korridor vereinfachen soll. Seitdem vereinbarten regionale Bahnunternehmen weitere Kooperationsprojekte, um den Transit-Schienengüterverkehr zu beschleunigen:
- Aserbaidschan, Georgien und Kasachstan sowie ein georgisch-aserbaidschanisches Joint Venture gründeten eine Gesellschaft für das Management und den Betrieb der 840 Kilometer langen internationalen Bahntrasse Baku (Aserbaidschan) - Tiflis (Georgien) - Kars (Türkei).
- Aserbaidschan und China unterzeichneten Anfang Juli 2024 ein Memorandum, das die Kapazität von Containerzügen auf der transkaspischen Transportroute erweitern sowie deren Abfertigung und Verladung beschleunigen soll.
- Aserbaidschan, Turkmenistan, Georgien und Rumänien kündigten im Juli 2024 die Errichtung einer stabilen und leistungsfähigen Seeroute über das Kaspische und Schwarze Meer an. Die Unterzeichnung einer entsprechenden Regierungsvereinbarung ist noch für 2024 in Bukarest geplant.
- Staatliche Eisenbahnen Georgiens (Georgian Railway, GR) und Bulgariens (Bulgarian State Railways, BDZ) sowie die bulgarische Schifffahrtsgesellschaft P.N.A. gaben im Juli 2024 bekannt, die Wiederinbetriebnahme des Fährverkehrs zwischen Georgien und Bulgarien vereinbart zu haben.
Weltbank erwartet Verdoppelung des Warenumschlags bis 2030
Das Warenvolumen auf dem Mittleren Transportkorridor dürfte 2024 gegenüber dem Vorjahr um etwa 50 Prozent auf 4,3 Millionen Tonnen steigen, so die Prognose des kasachischen Transportministeriums. Für den erwarteten Anstieg spricht die wachsende Nachfrage nach Transporten, insbesondere per Container. Im 1. Halbjahr 2024 stieg das Transportvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um beachtliche 65 Prozent auf 2,1 Millionen Tonnen.
Die Weltbank prognostiziert auf dem Mittleren Korridor für 2030 ein Umschlagvolumen von mindestens 12 Millionen Tonnen, davon 4 Millionen Tonnen Containerfracht. Derzeit liegt die jährliche Durchleitkapazität des Korridors bei etwa 6 Millionen Tonnen.
Das für 2030 erwartete Gesamtaufkommen von 12 Millionen Tonnen Fracht über den Mittleren Korridor kommt zu einem großen Teil aus Kasachstan. Die prognostizierte Gesamtfracht setzt sich laut Weltbank wie folgt zusammen:
- 6 Millionen Tonnen aus Kasachstan
- 3 Millionen Tonnen aus der Transitroute China - Zentralasien - Südkaukasus - Europa
- 3 Millionen Tonnen aus Usbekistan, Aserbaidschan und Georgien
Die Jahreskapazität für den Containerumschlag von gegenwärtig 80.000 TEU soll bis 2027 auf 300.000 TEU und bis 2030 auf 500.000 TEU steigen.
Mittlerer Korridor zieht zunehmend internationale Unternehmen an – auch deutsche
Immer mehr ausländische Transport- und Logistikunternehmen steigen in den Korridor ein und weiten ihre Umschlagskapazitäten auf der Trasse aus.
Das deutsche Speditionsunternehmen Hegelmann gründete im Frühjahr 2024 ein georgisches Tochterunternehmen: Hegelmann Multimodal Georgia bietet seinen Kunden Landtransporte auf der Achse China-Westeuropa via Georgien an.
Der österreichische Bahnlogistiker Rail Cargo Group will ab Mitte 2024 jährlich bis zu 60.000 Tonnen Kupfer über die internationale Bahntrasse Baku-Tiflis-Kars von China nach Europa transportieren. Darüber informierte die Aserbaidschanische Eisenbahn (Azerbaijan Demir Yollari, ADY) am 14. Juni 2024 in einer Pressemitteilung. Bis Ende 2024 sollen bereits 250 Blockzüge auf der Trasse abgefertigt werden.
Das finnische Logistikunternehmen Nurminen Logistic baut nach Angaben der Managerin für Geschäftsentwicklung Zeyba Agalorova seine Transporte über den Mittleren Korridor aus. Zudem kündigt es in Kooperation mit Partnern aus den Anrainerstaaten Infrastrukturinvestitionen an.
Von Uwe Strohbach
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Berlin