Wirtschaftsausblick I Aserbaidschan
Aserbaidschans Wirtschaft wächst 2025 nur mäßig
Die Wirtschaft legt 2025 um weniger als 3 Prozent zu. Impulse liefern Dienstleistungen, der Bausektor und die Landwirtschaft. Hausgemachte Probleme verhindern ein höheres Wachstum.
03.12.2024
Von Uwe Strohbach | Baku
Top-Thema: Aserbaidschan nimmt Kurs auf Ökostrom
Aserbaidschan springt bei der Nutzung erneuerbarer Energien spät auf den Zug auf. Dafür geht es jetzt umso schneller. Der Anteil von Wind, Sonne & Co. an der Stromerzeugung soll sich von heute 5 Prozent bis 2030 auf 30 Prozent versechsfachen. Dafür will das Land grüne Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von bis zu 10 Gigawatt errichten.
Die ersten Spatenstiche für mehrere Solar- und Windparks sind kürzlich bereits erfolgt. Weitere stehen 2025 an. Ausländische Partner aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, dem Vereinigten Königreich und China bringen sich bereits ein. Außerdem will Aserbaidschan bei Windkraft mit dem europäischen Dachverband WindEurope kooperieren. Auch internationale Geberbanken beteiligen sich an der Projektfinanzierung.
Wirtschaftsentwicklung: Mangelnde Reformen bremsen Wachstum
Der Internationale Währungsfonds und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erwarten für 2025 ein reales Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 2,6 Prozent. Die Regierung prognostiziert ein Plus von 3,5 Prozent auf umgerechnet 76 Milliarden US-Dollar (US$). In den Folgejahre dürften die Zuwachsraten kaum die Marke von 2,5 Prozent übertreffen.
Beiträge zum Wachstum liefern ausschließlich Branchen außerhalb der Öl- und Gaswirtschaft. Hauptmotor ist der Dienstleistungssektor, wo insbesondere der Tourismus, das Verkehrsgewerbe sowie die Informations- und Kommunikationsbranche Impulse liefern. Auch die Landwirtschaft und das Bauwesen stützen die Konjunktur.
Schwieriges Geschäftsumfeld hemmt das Wachstumstempo
Die wirtschaftliche Situation entspricht nicht dem vorhandenen Entwicklungspotenzial des Landes. Schwierige Rahmenbedingungen für private Unternehmen, Staatsdominanz und Monopolstrukturen in vielen Wirtschaftssektoren, eine ausgeprägte Schattenwirtschaft, Defizite im Justizwesen und eine hohe Korruption behindern einen fairen und freien Wettbewerb.
Doch es gibt auch Verbesserungen im unternehmerischen Umfeld. So erarbeitet die Regierung aktuell Vorschläge, die privaten Investoren den Direkteinstieg in Staatsbetriebe erleichtern sollen. Zudem wurden mehrere große staatliche Firmen der Bereiche Verkehr und Telekommunikation Anfang November 2024 in einer Holding zusammengeführt, um so beide Sparten transparenter zu gestalten und für Investitionen interessant zu machen.
In Aserbaidschan wird zu wenig investiert
Die Regierung erwartet für 2025 und auch für die drei Folgejahre ein schwaches Investitionsplus von real bis zu 3 Prozent pro Jahr. Das Ziel, den Einbruch der Investitionen zwischen 2016 und 2021 von circa 5 Prozent pro Jahr mittelfristig wieder auszugleichen, wird somit verfehlt. Das Gesamtvolumen öffentlicher und privater Investitionen dürfte 2025 etwa 11 Milliarden US-Dollar (US$) erreichen.
Mehr als 70 Prozent davon fließen in Sektoren außerhalb der Öl- und Gaswirtschaft. Zu den Schwerpunkten gehören verschiedene Dienstleistungssparten und das Baugewerbe. In der verarbeitenden Industrie und im Agrarsektor halten sich Unternehmen dagegen mit Investitionen zurück.
Der Staat investiert weiterhin hauptsächlich in den Regionen Karabach und Ost-Sangesur. Dort sind zahlreiche Projekte zum Wiederaufbau im Gang.
Private Verbraucher bleiben zurückhaltend
Der Einzelhandel wird 2025 voraussichtlich um real 3 Prozent zulegen. Die offiziell verkündeten Zahlen berücksichtigen die tatsächliche Inflation aber nur unzureichend. Unabhängigen Ökonomen zufolge liegt die Teuerungsrate vieler Erzeugnisse höher als die amtlich ermittelte. Folglich ergeben sich kaum reale Zuwächse.
Die monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Handel lagen zwischen Januar und September 2024 bei bescheidenen 250 US$. Der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel nimmt seit einigen Jahren wieder zu und lag im entsprechenden Zeitraum bei 55 Prozent. Textilien, Bekleidung und Schuhe machten knapp ein Drittel der Ausgaben für Non-Food-Güter aus.
Im öl- und gasreichen Aserbaidschan, vor allem in der Hauptstadt Baku, können sich einige Verbraucher weiterhin teure Importprodukte leisten. Das Gros der Bevölkerung muss aber mit Einnahmen auskommen, die nahe am oder unter dem monatlichen Existenzminimum von 159 US$ liegen.
Importe stagnieren preisbereinigt
Die Einfuhren Aserbaidschans steigen 2024 das dritte Jahr in Folge nominal zweistellig; preisbereinigt stagnieren sie jedoch. Auch für 2025 und 2026 dürfte eine reale Belebung ausbleiben. Hauptimportgüter sind Fahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör, Maschinen und mechanische Ausrüstungen sowie Elektromaschinen, elektrotechnische Waren und Konsumelektronik.
Die Exporttätigkeit des Landes hängt stark von den Weltmarktpreisen für Rohstoffe ab. Öl, Gas und Ölprodukte machen etwa 90 Prozent der aserbaidschanischen Ausfuhren aus. Sinkende Öl- und Gaspreise sowie reduzierte Ausfuhrmengen mündeten 2023 und 2024 in einen erheblichen Rückgang der Exporterlöse. Für 2025 erwarten Marktbeobachter einen bescheidenen realen Zuwachs.
Die übrigen Ausfuhren verharren auf einem niedrigen Niveau. Ins Ausland werden hauptsächlich noch Agrargüter, Kunststoffe und Erzeugnisse daraus sowie chemische Erzeugnisse verkauft.
Deutsche Perspektive: Lieferchancen bleiben überschaubar
Deutschland importiert aus Aserbaidschan fast nur Rohöl, 2023 waren es 1,2 Millionen Tonnen. Unter den übrigen deutschen Importen sind Haselnüsse noch erwähnenswert.
Die deutschen Lieferungen umfassen vorrangig Kfz, Maschinen/Ausrüstungen inklusive der Sparten Landtechnik und Elektro. Hinzu kommen Arzneimittel, chemische Erzeugnisse und Lebensmittel.
Für zusätzliche Geschäftschancen könnten vor allem neue Entwicklungstrends im Energiesektor sorgen. Dazu zählen eine stärkere Hinwendung zu erneuerbaren Energien sowie die Modernisierung der bestehenden Infrastruktur zur Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung.