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Branchen | Aserbaidschan | Land- und Ernährungswirtschaft

Agrar- und Nahrungsmittelektor bietet viele Geschäftschancen

Initiativen der aserbaidschanischen Regierung kurbeln die Land- und Ernährungswirtschaft an. Priorität genießt der Aufbau von Agrarparks. Alle Sparten versprechen Geschäftschancen.

Von Uwe Strohbach | Baku

Angestrebt wird ein hoher Selbstversorgungsgrad mit Nahrungsmitteln. Frischen Schwung erhalten soll auch die traditionelle Ausfuhr von Gemüse, Obst (inklusive Haselnüssen) und weiteren unverarbeiteten Agrarerzeugnissen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf eine höhere Wertschöpfung gelegt.  

Aktuell bringen vor allem drei Initiativen Bewegung in die Branche:

  1. der Auf- und Ausbau von 51 Agrarparks,
  2. sektorale Programme für die Agrarproduktion und
  3. die Wiederbelebung der Landwirtschaft in den Ende 2020 von Armenien zurückeroberten Gebieten in der Region Karabach.
Reformen und Förderinstrumente für die Landwirtschaft
  • Einführung einer staatlichen Agrarversicherung (Ende 2020) und Ausweitung versicherungsfähiger Agrarkulturen von 14 auf 41 (ab 2022; Kontakt: Landwirtschaftlicher Versicherungsfonds ASF)
  • geplante Schaffung einer unabhängigen Institution für die Sicherung internationaler Standards im Veterinärwesen
  • schrittweise Einführung eines Tieridentifizierungs- und -registrierungssystems mit Unterstützung der Weltbank unter Nutzung der RFID-Technologie (elektronische Kennzeichnung durch Mikrochips) ab 2022  
  • Ausweitung und vereinfachte Beantragung von Fördergeldern für neue Projekte in der Ernährungswirtschaft beim Fonds für Unternehmensförderung EDF/EDF-Online Credit Platform
  • Bereitstellung von staatlichen Zuschüssen für den Agrarsektor (2021: 182 Mio. US$), Geldern für zinsgünstige Mikrokredite (41 Mio. US$) und anderen Fördergeldern durch die Agrarkredit- und Entwicklungsagentur AKIA des Ministeriums für Landwirtschaft
  • Ausbau von Beratungsleistungen zur Unterstützung von Mikro-, kleinen und mittleren Unternehmen (Anlaufstelle: Agentur für die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen)
  • Förderung der Vermarktung von Erzeugnissen der Agrar- und Ernährungswirtschaft im In- und Ausland unter der Marke "Made in Azerbaijan" (darunter Ausbau des Exportportals Export.az/Rubriken Landwirtschaft und Nahrungsgüter) 
  • Auf- und Ausbau elektronischer Informationsportale für Lieferpreise agrarischer Produkte (Erzeuger-, Großhandels- und Einzelhandelspreise) und Investitionschancen in der Ernährungswirtschaft/Azagroinvest (noch im Aufbau)

Für den Agrarsektor sind im Staatshaushalt 2022 Subventionen und Fördergelder in Höhe von 587 Millionen US-Dollar (US$) eingestellt. Das sind 5,8 Prozent mehr als 2021. Davon entfallen jeweils rund 270 Millionen US$ auf die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung und die Bewässerungswirtschaft.

Agrarparks sind wichtige Abnehmer von Landtechnik und Nahrungsmitteltechnologien 

Die im Jahr 2016 gestartete Errichtung von Agrarparks verfolgt zwei Ziele:

  1. die Revitalisierung brachliegender Weiden und Ackerböden für die Agrarproduktion (240.000 Hektar) und
  2. die Schaffung effektiver Wertschöpfungsketten in der Ernährungswirtschaft.

Key Players sollen perspektivisch 51 landesweite Agrarparks sein. Darunter werden 35 schwerpunktmäßig in der Pflanzenproduktion angesiedelt sein, vorrangig beim Anbau von Getreide, Zuckerrüben, Futtermitteln, Ölkulturen und Kartoffeln. Bis Ende 2021 wurden 43 Parks geschaffen. Die meisten befinden sich noch in der Entwicklungsphase.

In die Parks flossen bisher private Investitionen im Umfang von 800 Millionen US-Dollar (US$). Hinzukommen erhebliche öffentliche Mittel für die lokale Infrastruktur (inklusive Bewässerung), neue Landtechnik und moderne Lebensmitteltechnologien. Viele geplante Projekte kommen aber noch nicht im gewünschten Tempo voran. Die Parks beschäftigen heute etwa 5.000 feste und ebenso viele saisonale Mitarbeiter.

Produktionsaufkommen in den Agrarparks 2020

Erzeugnis

Produktion (in t) 

Mais

126.600

Weizen

124.300

Zuckerrüben

90.400

Gerste

64.600

Silomais

45.500

Luzerne

32.300

Milch

27.400

Rohbaumwolle

18.500

Äpfel

12.000

Sojabohnen

5.900

Fleisch

3.300

Oliven

394

Mandeln

183

Granatäpfel

166

Quelle: Ministerium für Landwirtschaft Aserbaidschans

Ende 2021 wurde im Landkreis Jewlach (Yevlax) der Startschuss für die Errichtung eines Agrarparks mit neuem Format gegeben. Ein Agrar-Industrie-Cluster soll etwa 100 kleinere Farmerwirtschaften und mehrere Verarbeitungsbetriebe vereinen. Produziert werden sollen Erzeugnisse aus Getreide, Obst, Gemüse, Futtermitteln inklusive Zuckerrüben und Saatgut. In das Vorhaben sind bisher 61 Millionen US$ geflossen (inklusive öffentlicher Gelder).

Pläne der Regierung sehen auch Agrarparks und smarte Tierzuchtkomplexe in den Ende 2020 von Armenien zurückeroberten Gebieten in Karabach vor. Dort sollen Smart- Farming-Technologien eingesetzt werden. Die Agentur für die Entwicklung von Wirtschaftszonen  koordiniert den Ausbau öffentlich geförderter Industrie- und Agrarparks sowie die Gewinnung ausländischer Investoren.

Landwirtschaftliche Sektorprogramme stecken Produktionsziele ab

Die Regierung verabschiedete mittelfristige Programme für die Ausweiterung der Agrarproduktion und die Schaffung von Wertschöpfungsketten. Deren bisherige Ergebnisse liegen noch weit unter den Zielmarken. Dennoch lohnt sich ein Blick auf einzelne Produktgruppen.

Das japanische Unternehmen TET International Development steckt 2022 bis 2024 etwa 28 Millionen US$ in die Produktion und Verarbeitung von Tabak. Die Gesellschaft Tabaterra Leaf (Kontakt über Tabaterra) investiert ab 2022 mehrere Millionen US$ in die Modernisierung und den Ausbau des Tabakunternehmens Azertün. Sie ist seit Ende 2021 Mehrheitseigner von Azertün.   

Die Europäischen Union kofinanziert den Anbau von Obst und Gemüse einschließlich Zitrusfrüchten  in der Wirtschaftsregion Länkäran-Astara (Lənkəran-Astara) im Zeitraum 2021 bis 2024. Das Projektvolumen beträgt 16 Millionen US$.  

Die russische Firmengruppe Abrau-Durso erwarb Ende 2012 die Weinfabrik in Scheki (Şəki). Sie investiert ab 2022 knapp 3 Millionen US$ in deren Modernisierung. Pläne des Landwirtschaftsministeriums sehen mittelfristig 15 bis 20 neue Getreidecluster vor. Ziel ist die Selbstversorgung mit Weizen. Bisher müssen zwei Fünftel des Bedarfs importiert werden. Forciert wird auch der Anbau und die Verarbeitung von Haselnüssen und Granatäpfeln.

Rahmendaten für Ausbauprogramme in einzelnen Produktgruppen (Aufkommen in Tonnen)

Produktgruppe

Programmzeitraum

Aufkommen im Ausgangsjahr (2017)

Aufkommen im Zieljahr

Aufkommen im Jahr 2020

Zitrusfrüchte *)

2018 bis 2025

52.800

100.000

60.400

Weintrauben

2012 bis 2020

137.000 (2011)

500.000

208.000

Wein (in Mio. l)

2018 bis 2025

11, 3

18,7

8,9

  Export (Wein aus frischen Trauben; in Mio. $)

6,0

30,0

4,0

Tee

2018 bis 2027

780

8.500

932

Tabak

2017 bis 2021

3.600 (2016)

12.000

6.900

Reis

2018 bis 2025

16.200

40.000

9.900

Baumwolle

2017 bis 2022

89.400 (2016)

500.000

336.800

Kokons

2018 bis 2025

245

6.000

447

*) Mandarinen (2020: 39.900 t), Feijoa (11.700 t), Zitronen (4.900 t) und Apfelsinen (3.900 t) Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Agrarproduktion ist noch wenig effizient 

Die Fortschritte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im aserbaidschanischen Agrarsektor noch viel anzupacken gibt. Der Wirtschaftszweig beschäftigt 36 Prozent aller erwerbstätigen Personen. Er trägt aber nur knapp 7 Prozent zur Wertschöpfung bei (Angaben für 2020). Dies deutet darauf hin, dass die Agrarproduktion wenig effizient ist.

Die stark fragmentierten Agrarproduzenten als Folge der Privatisierung der früheren Sowchosen und Kolchosen sind einer der Hauptgründe. Größere Produktionseinheiten gründen sich nur in kleinen Schritten.     

Die jährlichen Bruttoanlageinvestitionen in die Landwirtschaft sind  mit im Schnitt knapp 400 Millionen USS (2017 bis 2020) immer noch vergleichsweise niedrig. 2022 dürften sie aber nach einer Flaute in den beiden Vorjahren wieder zulegen.

SWOT Landwirtschaft Aserbaidschans

Strength (Stärken)

Weakness (Schwächen)

große Pflanzenvielfalt dank neun Klima- und Vegetationszonen

geringe Produktivität durch stark fragmentierte Agrarflächen *)

großes Arbeitskräftepotenzial und günstige Lohnkosten

schwache ländliche Infrastruktur (Dienstleistungen, Logistik) 

viele brachliegende Ressourcen für den Ausbau der Agrarproduktion

begrenzter Zugang zu günstigen Krediten für Agrarproduzenten

günstige geografische Lage für den Exportausbau 

schwache Expertise der Landwirte und häufig auch des Managements der Agrarparks

wachsendes Interesse an einer Kooperationen mit ausländischen Partnern

hohe Abhängigkeit der Agrarerzeuger von staatlichen Hilfen einschließlich Subventionen  

breites, wachsendes Angebot an öffentlichen Förderinstrumenten inklusive Exportförderung

monopolistische Strukturen des Agrargroßhandels verzerren Erzeugerpreise

bessere Bereitstellung branchenrelevanter Informationen (elektronische Informationssysteme)

anhaltender Investitionsstau in der Bewässerungswirtschaft 

Opportunities (Chancen)

Threats (Risiken)

potenzielle Ressourcen für die Versorgung von  mindestens 15 Millionen Menschen

zu wenige Erfolge beim Abbau der Subsistenzwirtschaft  

Wiederbelebung und Ausbau der Landwirtschaft in der Region Karabach

mangelnde Konsequenz bei der Umsetzung neuer Reformen 

Steigende Auslandsnachfrage nach Agrarerzeugnissen (GUS-Republiken, Golf-Staaten und andere Länder)

Investitions- und Modernisierungsstau in den Agrarparks und neuen Kooperativen

wachsender Bedarf an Minitechnologien und effizienter Bewässerungstechnik 

unzureichende Fortschritte bei der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften und Managern

gute Chancen für Smart-Farming-Projekte und den Ausbau der Biolandwirtschaft

mangelndes Engagement gegen die Folgen des Klimawandels (vor allem im Kampf gegen Wasserknappheit)

Starkes Interesse an Trainings-, Beratungs- und Ausbildungsprogrammen

ausbleibende Fortschritte beim Abbau wettbewerbsverzerrender Strukturen


Kenndaten der Pflanzenproduktion Aserbaidschans

2015

2018

2019

2020

Produktion (in Mio. US$)

2.662,6

1.874,1

2.206,6

2.369,6

Anteil der Agrarbetriebe an der Produktion (in %)

4,8

8,2

8,6

10,9

Anteil selbstständiger Agrarwirte, bäuerlicher Familienbetriebe und Nebenwirtschaften an der Produktion (in %)

95,2

91,8

91,4

89,1

Anbaufläche (in 1.000 ha)

1.585,4

1.738,0

1.717,1

1.630,9

Produktion ausgewählter pflanzlicher Kulturen (in 1.000 t)

  Getreide

2.999,4

3.309,2

3.538,5

3.257,1

  Gemüse

1.275,3

1.521,9

1.714,7

1.738,9

  Obst- und Beeren

888,4

1.010,9

1.099,7

1.133,1

Quelle: Staatliches Statistikkomitee der Republik Aserbaidschan

Kenndaten der Tierproduktion Aserbaidschans

2015

2018

2019

2020

Tierproduktion (in Mio. US$)

2.771,4

2.249,4

2.403,2

2.588,5

Anteil der Agrarbetriebe an der Produktion (in %)

9,7

10,4

9,6

9,0

Anteil selbstständiger Agrarwirte, bäuerlicher Familienbetriebe und Nebenwirtschaften an der Produktion (in %)

90,3

89,6

90,4

91,0

Produktion ausgewählter tierischer Erzeugnisse

  Fleisch (Schlachtgewicht, in 1.000 t)

298,6

326,0

335,7

346,0

  Milch (in 1.000 t)

1.924,5

2.080,4

2.150,8

2.192,5

  Eier (in Mio. Stück)

1.552,9

1.676,2

1.827,1

1.906,2

Quelle: Staatliches Statistikkomitee der Republik Aserbaidschan

Kontaktanschriften (Auswahl)

Germany Trade & Invest/Aserbaidschan

Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

AHK Aserbaidschan

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen *)

Ministerium für Landwirtschaft Aserbaidschans/

Agentur für landwirtschaftliche Dienste

oberste Behörde für die Sicherstellung und Förderung der landwirtschaftlichen Produktion, Aufsicht/Kontrolle -  Veterinärwesen, Pflanzenschutzdienst, Agrarchemie und Förderung landwirtschaftlicher Dienste   

Gesellschaft (Fonds) für Export-und Investitionsförderung in Aserbaidschan AZPROMO 

One-stop-shop für ausländische Investoren (untersteht dem Ministerium für Wirtschaft) *)

Aqroservis OJSC

staatliche Gesellschaft für die Versorgung der Landwirtschaft mit Mineraldünger, Pflanzenschutzmitteln, Landtechnik und Ersatzteilen zu Vorzugsbedingungen

Landwirtschaftliche Dienstleistungsagentur 

staatliche Agentur für phytosanitäre und Veterinär-Dienste, Registrierung/Aufsicht in den Sektoren Saatgut und  Landtechnik

Caspian Agro, Baku

jährliche Leitmesse für Landwirtschaft, 15. Jahrgang: 18. bis 20. Mai 2022

InterFood Azerbaijan, Baku

jährliche Leitmesse für Nahrungsmittelindustrie, 27. Jahrgang: 18. bis 20. Mai 2022

*) Beide Anlaufstellen stellen gern einen Kontakt zu Branchenvereinigungen her (Hersteller/Exporteure von Obst/Gemüse, Granatäpfeln, Wein, Haselnüssen, Dattelpflaumen und Milch/Milchprodukten)


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