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Aserbaidschan bleibt bei Öl und Gas interessant für Zulieferungen

Der Öl- und Gassektor Aserbaidschans investiert jährlich etwa 3,5 Milliarden US-Dollar. Innovative, energieeffiziente und emissionsarme Technologien sind gefragt.

Von Uwe Strohbach | Baku

Die Öl- und Gasförderung zieht in Aserbaidschan nach wie vor die meisten Investitionen an. Auf sie entfiel jeweils knapp ein Drittel aller im Land getätigten Kapitalanlagen im Zeitraum 2021 bis 2024. Für Anbieter von Ausrüstungen und Dienstleistungen ist die Branche somit ein unvermindert lohnendes Geschäftsfeld, wovon auch deutsche Firmen profitieren können. Die Liebherr-Rostock GmbH lieferte beispielsweise jüngst vier hochmoderne elektrohydraulische Offshore-Krane an die Umid Babek Operating Company (UBOK; Ümid Babək Əməliyyat Şirkəti). UBOK setzt die Technik auf dem erst kürzlich wiederbelebten Gas- und Gaskondensatfeld Umid-Babek (Ümid-Babək) ein.

Allerdings sind die Zeiten stark steigender Kapitalzuflüsse in laufende und neue Projekte der Öl- und Gasbranche wohl vorbei. Nicht zuletzt die seit 2015 im Durchschnitt rückläufige Preisentwicklung für Kohlenwasserstoffe setzt der Investitionsneigung insbesondere im Bereich Öl zu. Bereits zwischen 2021 und 2024 nahmen die Bruttoanlageinvestitionen der Branche um durchschnittlich real rund 3 Prozent pro Jahr ab. Deutlich besser lief es in den anderen Sektoren der aserbaidschanischen Wirtschaft, wo die Investitionen jährlich ein reales Plus von gut 6 Prozent verzeichneten.

Im Gegensatz zu Öl besteht für Gas noch größeres Wachstumspotenzial

Hinzu kommt, dass die Ergiebigkeit der Ölquellen des Landes ihren Höhepunkt längst überschritten hat. Angaben des Statistikkomitees zufolge erreichte Aserbaidschans Förderung bereits 2010 mit 50,8 Millionen Tonnen Rohöl ihren historischen Peak und nimmt seitdem kontinuierlich ab. Das Förderergebnis lag zuletzt 2024 mit 29,1 Millionen Tonnen knapp 43 Prozent unter dem des Rekordjahrs.

Anders verhält es sich bei der Erdgasförderung. Sie erreichte zuletzt zwar auch keine zweistelligen Zuwachsraten mehr und wird nach 2025 vermutlich vorübergehend stagnieren oder sogar leicht nachgeben. Aber spätestens mit der ab 2029/30 geplanten Inbetriebnahme eines größeren Investitionsprojektes für Niederdruckgas dürfte die Fördermenge wieder spürbar zunehmen. Bereits ab 2033 könnte Aserbaidschan mit etwa 49 Milliarden Kubikmeter knapp 30 Prozent mehr marktfähiges Gas bereitstellen als die 37,8 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2024.

Bessere Überwachung für größtes Ölfeld durch millionenschweres 4D-Seismik-Programm

Dreh- und Angelpunkt für Erdöl ist das Offshore-Feld Azeri-Chirag-Deepwater Gunashli (ACG; Azəri-Çıraq-Dərinsulu Günəşli), zu dem derzeit sieben Bohrinseln mit insgesamt 148 Öl- und Gasbohrlöchern im Kaspischen Meer gehören. Betreiber ist das Konsortium Azerbaijan International Operating Company (AIOC), dessen Hauptvertragspartner Aserbaidschans staatliche Ölgesellschaft SOCAR (Azərbaycan Respublikası Dövlət Neft Şirkəti) und British Petroleum (bp) aus dem Vereinigten Königreich sind.

Obwohl die Ergiebigkeit des ACG-Ölfelds mit der Zeit nachgelassen hat und die Betriebskosten kontinuierlich zunehmen, ist ein Ende der Förderaktivitäten vorerst nicht absehbar. Die Betreiber rechnen bis 2049 mit einem Ausstoß von immerhin 500 Millionen Tonnen. Dieses Ziel vor den Augen investiert AIOC aktuell etwa 370 Millionen US-Dollar (US$) in ein 4D-Seismik-Programm für die Lagerstättenüberwachung.

Gasförderprojekt mit erster unbemannter Verdichterstation auf Expansionskurs

Das zweite Großprojekt ist das Erdgasvorkommen Shah Deniz (Şahdəniz). Das Betreiberkonsortium steht unter Führung von bp. Aktuell sind zwei Förderplattformen mit 38 Bohrlöchern in Betrieb.

Anfang 2025 hat bp die Pläne für ein ferngesteuertes Unterwasser-Kompressorsystem für Shah Deniz konkretisiert. Die Anlage mit vier, jeweils 11 Megawatt starken Kompressoren soll 85 Meter unterhalb des Meeresspiegels installiert werden. Die bp-Verantwortlichen wollen bis Ende 2025 endgültig entscheiden, ob das Projekt zwischen 2026 und 2028 umgesetzt wird. Es werde in jedem Fall Milliardeninvestitionen erfordern, so Tamam Bayatly, die Pressesprecherin von bp Azerbaijan, während der Projektpräsentation Anfang 2025 in Baku.

SOCAR wandelt sich zu einem klimaorientierten Energiekonzern

Neue Herausforderungen stehen Aserbaidschan zudem mit der sich abzeichnenden Energiewende ins Haus. Sie erfordert ein Überdenken der Geschäftsstrategien, so dass viele Akteure heutzutage stärker als bisher auf Projekte mit möglichst geringen CO2-Emissionen setzen. Ein Abebben der weltweiten Nachfrage nach Öl und Gas ist dennoch auf absehbare Zeit kaum zu erwarten. Auch für die kleine Südkaukasus-Republik steht ein Raus aus Öl und Gas mittelfristig kaum zur Debatte. Die lokale Branche ist jedoch gefordert, in innovative, energieeffiziente, umweltschonende und sicherheitskonforme Prozesse zu investieren. Der nationale Branchenriese SOCAR peilt in diesem Zusammenhang an, sich bis 2035 zu einem leistungsfähigen und emissionsarmen Energieunternehmen zu wandeln.

Ein weiter Weg zur Klimaverträglichkeit

Mit SOCAR Green besteht seit März 2024 ein Unternehmen, das die Geschäftsfelder Ökostrom, grüner Wasserstoff sowie die Abscheidung und Nutzung von CO2 unter dem Dach des SOCAR-Konzerns betreut. Strategische Partnerschaften mit dem Ausland sind dabei willkommen. Gleichwohl ist die Transformationsoffensive von SOCAR hin zu einem umweltorientierten Unternehmen eine Mammutaufgabe. Im Ranking der World Benchmarking Alliance zur Klimaverträglichkeit von 99 großen Öl- und Gasunternehmen weltweit belegte SOCAR 2023 Platz 91. Etwa 900.000 Menschen, oder nahezu ein Zehntel der Gesamtbevölkerung, leben in Aserbaidschan weniger als 5 Kilometer entfernt von einer Anlage zur Abfackelung von Begleitgasen aus Ölquellen, hat die internationale Nichtregierungsorganisation Global Witness ermittelt.

Zu den Hauptelementen des von SOCAR verfolgten Transformationsprojektes zählen:

  • Auf- und Ausbau der Produktion von Ökostrom, grünem Wasserstoff sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung;
  • Einsatz ressourcenschonender Technologien und digitaler Lösungen in allen Kernbereichen;
  • bis 2030 Reduzierung der Emissionen in bestehenden Produktionsprozessen aller Stufen um 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 2022;
  • bis 2030 Komplettverzicht auf das Abfackeln von Begleitgasen aus Ölquellen;
  • Verringerung der Schadstoffemissionen um 20 Prozent – bezogen auf das Anlagevermögen – und um 30 Prozent – bezogen auf alle Vermögenswerte;
  • Einsatz eines smarten Managementsystem beim Gasverteiler Azerigas (Azəriqaz) – Umsetzung eines 480-Millionen-US$-Projektes gemeinsam mit IntelliGrid (Vereinigte Arabische Emirate) beginnt 2025.
Bedeutende Öl- und Gasprojekte neben den Großvorhaben ACG und Shah Deniz (Auswahl)
Lagerstätte, Projekt Vorräte (zumeist Schätzung)   Betreiber/Partner
Absheron (Abşeron), Ausbau der Förderung von 1,5 Mrd. auf 5 Mrd. cbm/Jahr350 Mrd. cbm Gas, 45 Mio. t  GaskondensatSOCAR, TotalEnergies (Frankreich), ADNOC (Vereinigte Arabische Emirate)
Umid-Babek (Ümid-Babək), Umid-2 und Dashgil-2: zusätzliche Produktionsplattform und Terminal für Gasfeld Umid bis 2026/27600 Mrd. cbm Gas, 100 Mio. t GaskondensatSOCAR
Shafag-Asiman (Şəfəq-Asiman), fortlaufende Bewertung der Ergebnisse einer ersten Explorationsbohrung500 Mrd. cbm Gas, 65 Mio. t Gaskondensatbp (Vereinigtes Königreich), SOCAR
Karabach (Qarabağ), industrielle Erschließung in Vorbereitung21 Mio. t Öl, 13 Mrd. cbm GasSOCAR, bp plant Einstieg in das Projekt *)
Ashrafi-Dan Ulduzu-Aypara (Əşrəfi - Dan Ulduzu - Aypara), fortlaufende geologische ErkundungKonkretisierung der Vorräte noch nicht abgeschlossenSOCAR, bp plant Einstieg in das Projekt *)
Dostlug (Dostluq), Realisierung noch offen50 Mio. bis 130 Mio. t Öl, 30 Mrd. cbm Gas Türkmengaz (Turkmenistan), SOCAR
Nachiteschewan (Naxçıvan), fortlaufende geologische Erkundung300 Mrd. cbm Gas, 38 Mio. t GaskondensatSOCAR, LUKOIL (Russland)
* Norwegens Equinor trennte sich 2023 von sämtlichen Aktivitäten in Aserbaidschan (u.a. Karabach und Ashrafi-Dan Ulduzu-Aypara) aufgrund einer strategischen Neuausrichtung des Unternehmens.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

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