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Energiekonzern setzt auf Gas und auf erneuerbare Energien

Seit 2024 hat Polens größtes Energieunternehmen Orlen einen neuen Vorstand. Jetzt stellte die Führungsmannschaft des teilstaatlichen Öl- und Gasriesen ihre Zukunftspläne vor.

Von Christopher Fuß | Warschau

Der polnische Energiekonzern Orlen plant, bis 2035 insgesamt 90 Milliarden Euro zu investieren. Das erklärte das Unternehmen bei der Vorstellung seiner neuen Wachstumsstrategie. Zu den wichtigsten Investitionszielen gehören die erneuerbaren Energien und der Erdgassektor. Zudem plant das Unternehmen, in weitere Geschäftsfelder einzusteigen.

Neue Energie und neue Speicherkapazitäten

Aktuell fördert Orlen weltweit rund 9,1 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Bis 2035 soll die Förderung auf 12 Milliarden Kubikmeter steigen. Im Fokus stehen Erdgasfelder vor der Küste Norwegens und Kanadas. Orlen verbraucht einen Teil des Gases in eigenen Anlagen zur Energieproduktion. Derzeit verfügt das Unternehmen über eine installierte Leistung von 1,8 Gigawatt in Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken. Bis 2035 soll dieser Wert auf 4,3 Gigawatt steigen. Zwei neue Kraftwerke befinden sich bereits im Bau. Siemens Energy ist an einem Projekt beteiligt. Zwei weitere Kraftwerke sollen in den nächsten Jahren folgen. Die Investitionen in Gasfelder und Gaskraftwerke befähigen Orlen, bis 2035 die Produktion von Strom und Wärme aus Kohle einzustellen.

Gleichzeitig investiert der Konzern in erneuerbare Energien. Laut Aussage des Vorstandsvorsitzenden Ireneusz Fąfara sind bereits Anlagen mit einer Leistung von 1,3 Gigawatt am Netz. Bis 2035 steigt die Leistung voraussichtlich auf 12,8 Gigawatt vor allem durch neue Offshore-Windparks. Orlen gehört zu den führenden Entwicklern in der noch jungen Offshore-Industrie Polens. Läuft alles nach Plan, dann geht 2026 die erste Turbine ans Netz.

Angesichts des Wachstums der erneuerbaren Energien sieht Orlen viel Potenzial in Energiespeichern. Große Batterien können das Netz stabilisieren, wenn die Sonne scheint und der Wind weht, aber die Stromnachfrage niedrig ist. Steigt die Nachfrage wieder an, fließt der emissionsfreie Strom aus den Batterien zurück ins Netz. Vor diesem Hintergrund will Orlen bis 2035 Batterie-Speicherkraftwerke mit einer Leistung von 1,4 Gigawatt in Betrieb nehmen.

Holpriger Einstieg in die Atomenergie

Darüber hinaus hält der Konzern an kleinen modularen Atomreaktoren (Small Modular Reactors, SMR) fest. Obwohl das System noch in den Kinderschuhen steckt, sagte Fąfara: "Wir glauben an die Technologie." Orlens Ziel lautet, bis 2035 SMR mit einer Leistung von 0,6 Gigawatt in Betrieb zu nehmen. Der Energieriese treibt das Projekt gemeinsam mit dem polnischen Chemiekonzern Synthos voran. Die Zusammenarbeit im Konsortium verläuft jedoch nicht reibungslos. Orlen will den zugrundeliegenden Vertrag mit Synthos ändern. Polens Inlandsgeheimdienst ABW hatte zuvor Sicherheitsbedenken an der Kooperation angemeldet, deren Details nicht bekannt sind.

Im Laufe des Jahres 2025 präsentiert Orlen zudem Konkretes zu den Themen Abscheidung, Speicherung und Nutzung von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture, Utilisation and Storage, CCUS). Der Konzern sieht hier ein neues Geschäftsfeld. Die Idee ist, Treibhausgase in Raffinerien und der Industrie abzufangen und in unterirdischen oder unterseeischen Kammern zu speichern. Laut der neuen Wachstumsstrategie wird Orlen ab 2035 jährlich 4 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) einlagern können. Der Hafen Gdańsk spielt in diesen Plänen als Umschlagort eine entscheidende Rolle.

Große Vorhaben trotz angespannter Kassen

Weitere Ziele bis 2035 umfassen die Herstellung von Kraftstoffen aus erneuerbaren Energieträgern oder nachwachsenden Rohstoffen, die 25 Prozent aller Orlen-Kraftstoffe ausmachen sollen. Möglich wird dieser Anteil dank Investitionen in die Elektromobilität und dank Biomethan. Den Plänen zufolge werden außerdem 10 Prozent aller verkauften petrochemischen Produkte aus recycelten oder erneuerbaren Materialien bestehen, gegenüber 1 Prozent heute. Gleichzeitig kündigt der Konzern an, ab 2035 emissionsfreien und emissionsarmen Wasserstoff im Umfang von jährlich 350.000 Tonnen zu nutzen. Ein Teil kommt aus eigener Produktion, der Rest aus Importen.

Den Wachstumsplänen steht eine herausfordernde finanzielle Situation entgegen. Mit dem Rückgang der Öl- und Gaspreise an den Weltmärkten sind auch die Gewinne von Orlen eingebrochen. Zudem musste das Unternehmen 2024 Teile seines Gewinns an einen Sonderfonds abführen, der die Strompreise für Privathaushalte niedrig hielt. Hinzu kam der vorläufige Baustopp beim Chemiekomplex Olefiny III. Ursprünglich waren Kosten von rund 2 Milliarden Euro veranschlagt. Letzte Schätzungen vom Dezember 2024 gingen hingegen von 10 Milliarden Euro aus. Angesichts der Kostenexplosion zog Orlen die Reißleine. Wie der Vorstandsvorsitzende Ireneusz Fąfara erklärte, werde man das Großprojekt in deutlich reduzierter Form fortsetzen und in ein neues Investitionsvorhaben für die Produktion von Ethylen integrieren.

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