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Markets International 3/24 I Asien I Fahrradmarkt

Großes Rad

Der Spaß am Radeln hat den Fahrradabsatz in Deutschland binnen vier Jahren um gut zehn Prozent wachsen lassen. Elektrofahrräder – vor allem als Mountainbikes – liegen im Trend. Und deutsche Hersteller behaupten sich gegen die asiatische Konkurrenz.

Von Jürgen Maurer | Bonn

In der Oberpfalz prüft die Firma Cube ihre Fahrräder auf Herz und Nieren. Bremsen und Beläge durchlaufen unterschiedliche Bremssituationen, Rahmen und Trommeln müssen ihre Stoßfestigkeit unter Beweis stellen, bevor sie in Serie gehen. Der Mittelständler – einer der erfolgreichsten Fahrradproduzenten Deutschlands – setzt bei seinen Bikes auf typisch deutsche Tugenden: Qualität und Langlebigkeit. 

Im Fokus des Sortiments stehen sportliche, elektrisch unterstützte Räder – sogenannte E-Bikes, darunter immer mehr Mountainbikes mit Motorunterstützung, sogenannte E-MTB. Bei den Verkäufen elektrifizierter Fahrräder standen sie im Jahr 2023 wie auch schon 2022 auf Platz eins. 

Markets International Ausgabe 3/24

Markets International 03/24

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 3/2024. Erfahren Sie, welche weitere Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.

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Elektrofahrräder sind definitiv gefragt. „In Deutschland haben sich E-Bikes in den vergangenen Jahren immer mehr zum Treiber bei Absatz, Umsatz und Innovation entwickelt“, meldete der Chef des Zweiradverbandes (ZIV), Burkhard Stork, bei der Präsentation der Zahlen für 2023. Mit 2,1 Millionen verkaufter ­E-Bikes haben sie erstmals klassische Fahrräder beim Absatz hinter sich gelassen. Ihr Verkaufsanteil liegt nun bei 53 Prozent, Tendenz steigend. 

Prognosen gehen davon aus, dass der weltweite Fahrradmarkt von rund 110 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 auf fast 229 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 wachsen wird – mit einer jährlichen Wachstumsrate von mehr als zehn Prozent. Verkehrsstaus, Urbanisierung, ein wachsendes Umweltbewusstsein, aber auch Trends wie Bikesharing treiben die Umsätze. Es sind zwar asiatische Unternehmen, die das Feld dominieren. Doch deutsche Akteure wie der Fahrradhersteller Cube, der Elektromotoren­produzent Bosch oder der Reifenerzeuger Schwalbe behaupten sich.

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Bruttodurchschnittspreis eines E-Bikes 2023 
(2022: 2.800 €)

So entwickeln sich die Ausfuhren dynamisch. Von den 1,6 Millionen im Jahr 2023 in ­Deutschland produzierten E-Bikes gingen 610.000 in den Export – es war einer der wenigen Wachstumsbereiche. Hauptabnehmer sind europäische Nachbarländer, die einen Anteil von 98 Prozent erreichten. Mengenmäßig doppelt so hoch waren 2023 allerdings die Importe von E-Bikes: mit 1,22 Millionen Einheiten, davon stammten 71 Prozent aus EU-Ländern und 26 Prozent aus Asien. 

Asien liefert viele Komponenten

Allerdings spielt Asien eine viel größere Rolle, als diese Zahlen vermuten lassen. Denn die Verbandsstatistik bezieht sich auf komplette Fahrräder, während praktisch alle Hersteller viele Teile und Komponenten aus Asien beziehen. Cube als einer der größten Fahrradhersteller in Deutschland etwa schreibt sich „designed und engineered in Bavaria“ auf die Fahnen. In der Praxis kauft das bayerische Unternehmen viele Teile aus Asien zu. 

470

Bruttodurchschnittspreis eines ­Fahrrads 2023 
(2022: 500 €)

Das gilt auch für den Fahrradhersteller Canyon. Das 2002 gegründete Unternehmen, das seine Fahrräder ausschließlich im Direktvertrieb anbietet, führt zwar Montage, Qualitätsprüfungen und Tests am deutschen Standort in Koblenz durch. Wichtige Teile kommen jedoch aus Asien. Die Rahmen und Gabeln liefert Quest Composite Technology, eine Firma aus Taiwan, die auch im südchinesischen Dongguan eine große Produktionsstätte unterhält. Neben Canyon ist hier auch die US-Marke Trek ein Hauptkunde. 

Das Muster ist stets dasselbe: Heutzutage setzt die Fahrradindustrie in hohem Maßstab auf Auftragsfertigung von Kompletträdern und Teilen. Die Auftragsfertigung deutscher Unternehmen im Ausland bezifferte der Branchenverband ZIV im Jahr 2023 mit knapp 1,1 Millionen Fahrrädern. 

Auch die größten OEM sitzen in Asien

Weltweit sitzen die nach Herstellungsmengen größten Original Equipment Manufacturers (OEM) in Asien. Günstige Arbeitskräfte spielen immer noch eine große Rolle, wie etwa in Kambodscha, das sich derzeit zu einem Fertigungszentrum für die Branche entwickelt. Aus dem südostasiatischen Land kommen allein 20 Prozent der deutschen Importe von Komplettfahrrädern.

Aber insbesondere Taiwan steht inzwischen auch für großes Know-how bei den Produktionsverfahren und für Präzision in der Verarbeitung. Branchenhersteller aus Taiwan liefern Karbonfaser- und Aluminiumrahmen: die Basis vieler hochwertiger Fahrräder in Europa und in den USA. Zwei Namen stehen dabei im Vordergrund – Giant und Merida, die auch selbst sehr bekannte Marken sind. Von der Insel kommen zudem Sättel und Pedale, die taiwanische Firmen wie Velo und Wellgo millionenfach pro Jahr herstellen. Wenn es um Fahrradkomponenten und -zubehör geht, führt zudem kaum ein Weg am japanischen Hersteller Shimano vorbei. Dessen Angebot reicht von Schaltungen über Bremsen bis hin zu Pedalen. Diese breite Angebotspalette produzieren die Japaner unter anderem in einem Werk in Ungarn.

Deutsche halten mit – dank 3-D-Druck

Es gibt auch Zulieferer aus Deutschland: Karbonfaserrahmen oder Sättel und andere Teile stellt hierzulande beispielsweise Bike Ahead Composites aus der Nähe von Würzburg her. Das Unternehmen reklamiert für sich, dass Entwicklung und Produktionsschritte inhouse stattfinden. Die Firma Oechsler, ebenfalls aus Franken, zählt zu den Vorreitern von Sätteln im 3-D-Druckverfahren. Auch andere Komponenten werden heutzutage schon im 3-D-Druckverfahren produziert, um kleine Losgrößen zu bedienen und zudem Individualisierungen möglich zu machen.

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Der Boom der E-Bikes verändert den Bedarf an Teilen: Die Getriebe sind anders konzipiert, die Bremsen für die schnellen und kraftvollen Elektrofahrräder müssen leistungsfähiger sein – oft sind es Scheibenbremsen wie bei Pkw, es gibt sogar ABS-Systeme für Fahrräder. Das ist der Grund, warum Kfz-Teile-Hersteller auch im Fahrradbereich aktiv sind. Bosch etwa liefert Motoren, Bremsen und Batterien. Weltweit gehört der Automobilzulieferer zu den größten Herstellern von Antrieben für Elektrofahrräder und fährt auf dem neuen Boommarkt ganz vorn in der Spitzengruppe mit. 

 

"Bei vielen Fahrzeugtypen sehen wir noch enormes Wachstumspotenzial"

Katharina Hinse ist Leiterin Wirtschafts- und Industriepolitik beim Zweirad-Industrieverband (ZIV) Katharina Hinse ist Leiterin Wirtschafts- und Industriepolitik beim Zweirad-Industrieverband (ZIV) | © Katharine Hinse/ZIV

Katharina Hinse ist Leiterin Wirtschafts- und Industriepolitik beim Zweirad-Industrieverband (ZIV). Der Branchenverband vertritt die Interessen von rund 130 Mitgliedsunternehmen.

In welchen Segmenten können deutsche Unternehmen international punkten?

Herstellerfirmen von E-Bikes sind nicht nur auf dem deutschen, sondern auch auf dem europäischen und internationalen Markt sehr erfolgreich. Gerade auch bei hochwertigen Fahrradteilen sind deutsche Hersteller vorne mit dabei. Zudem besteht eine große Fertigungstiefe in der deutschen Fahrrad-, Fahrradteile und Fahrradzubehörindustrie. 

Was machen die deutschen Fahrradhersteller selbst? Welche Komponenten kommen hauptsächlich aus dem Ausland?

Fahrradrahmen kommen in der Regel aus Asien oder China, bei allen anderen Komponenten gibt es kein hauptsächlich mehr. Sehr vieles wird komplett oder teilweise in Deutschland hergestellt.

Hat die Fertigungstiefe in Deutschland in den vergangenen Jahren also zugenommen?

Die Fertigungstiefe hat aus unserer Sicht leicht zugenommen. Gründe sind vor allem die Verbesserung der wirtschaftlichen Resilienz. Dennoch wäre es noch viel zu früh, dies als eine Phase des Reshorings zu betiteln.

Wie sehen Sie die Zukunft der Branche aus deutscher Sicht?

Die deutsche Fahrradbranche hat sich trotz der wirtschaftlichen Rezession auch im vergangenen Jahr solide entwickelt. Dennoch hat sie vor allem in den unteren Preissegmenten mit Einbrüchen bei der Nachfrage, hohen Energiepreisen, Fachkräftemangel und der ausbleibenden Verkehrswende in Deutschland zu kämpfen. Bei vielen Fahrzeugtypen sehen wir noch enormes Wachstumspotenzial. Sicherlich wird es kleinere Marktbereinigungen geben, jedoch erwarten wir ab 2025 wieder eine deutliche Aufhellung für die gesamte Branche und ein solides Wachstum, denn die Fahrradbranche ist definitiv eine Zukunftsbranche.

 

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