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Rechtsbericht Belgien Bürgerliches- und Handelsrecht

Reform des belgischen Zivilrechts schreitet voran

Das neue sechste Buch des belgischen Zivilgesetzbuches modernisiert das außervertragliche Schuldrecht grundlegend. Es wird zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Die Reform ist Teil einer umfassenden Neugestaltung des belgischen Zivilrechts und kodifiziert in seinen 55 Artikeln wichtige Rechtsprechungsgrundsätze der letzten Jahrzehnte – teilweise weicht sie allerdings auch von diesen ab und gibt eine neue Richtung vor. Hier ist eine Auswahl der wichtigsten Regelungen:

Haftung und Schaden werden definiert

Die zentrale Norm des neuen Rechts ist Artikel 6:5 des neuen belgischen Code Civil - Jeder haftet für den Schaden, der einem anderen Menschen durch sein Verschulden zugefügt wird. Dabei wird Verschulden definiert als Verletzung einer gesetzlichen Regel, die ein bestimmtes Verhalten vorschreibt oder verbietet, oder als Verstoß gegen den allgemeinen Sorgfaltsstandard, der in der Gesellschaft gilt. Ausnahmen können für bestimmte Fälle gelten, zum Beispiel, wenn es aufgrund höherer Gewalt unmöglich ist, sich an Regeln oder Sorgfaltspflichten zu halten, es sei denn, diese Unmöglichkeit ist auf eigenes Verschulden zurückzuführen (Artikel 6:7). Weitere Entschuldigungsgründe sind in den 6:8 ff. geregelt.

Der Schaden besteht aus den wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Folgen einer Verletzung eines gesetzlich geschützten persönlichen Interesses (Artikel 6:24). Ein Vermögensschaden umfasst dabei alle wirtschaftlichen Folgen des Verstoßes, also Verluste und Kosten, aber auch entgangenen Gewinn und Wertverlust. Der immaterielle Schaden umfasst alle nichtwirtschaftlichen Folgen, soweit sich die unerlaubte Handlung auf die körperliche oder psychische Unversehrtheit ausgewirkt hat. Unter Umständen sind auch zukünftige Schäden ersatzfähig (Artikel 6:25). 

Im Grundsatz ist der ganze Schaden zu ersetzen (Artikel 6:30). Dazu zählen auch verhältnismäßige Kosten, die beim Versuch der Abwendung des Schadens entstanden sind, auch wenn sie ganz oder teilweise erfolglos waren (Artikel 6:28). Wenn die konkrete Feststellung des Schadens unmöglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist, kann das Gericht eine Schätzung vornehmen. Ist auch eine solche nicht möglich, kann das Gericht Schadensersatz nach Billigkeit zusprechen (Artikel 6:36). 

Kausalität wird neu gefasst

Der neue Artikel 6:18 regelt die Frage der Kausalität: In der Sache bleibt es bei der Regel, dass zwischen Tat und Schaden eine kausale Verbindung bestehen muss. Die Tat führt also nur dann zur Haftung, wenn sie eine notwendige Bedingung für den Schadenseintritt ist. Eine Ausnahme gibt es hiervon, wenn der Zusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem Schaden so gering ist, dass es offensichtlich unangemessen wäre, den Schaden dem Täter zuzurechnen. 

Haften mehrere Personen für unterschiedliche haftungsbegründende Handlungen, die denselben Schaden verursacht haben, so haften sie gesamtschuldnerisch für diesen Schaden. Eine interessante Regelung enthalten die Artikel 6:22 f des neuen Code Civil: hier geht es um Tatbestände, in denen nicht sicher ist, ob Kausalität vorliegt. Hat eine Person einen Fehler begangen, hätte der Schaden aber auch ohne den Fehler eintreten können, hat die geschädigte Partei Anspruch auf Entschädigung gemäß der Wahrscheinlichkeit, mit der Kausalität vorliegt. Ähnlich bei der Ungewissheit, wer den Schaden verursacht hat:  Haben mehrere gleichartige Handlungen, für die verschiedene Personen verantwortlich sind, den Geschädigten dem Risiko des Eintritts des eingetretenen Schadens ausgesetzt, ohne dass nachgewiesen werden kann, welche dieser Tatsachen den Schaden verursacht hat, haftet jede dieser Personen im Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit, dass die Handlung, für die sie haftet, den Schaden verursacht hat. Wenn eine solche Person allerdings nachweist, dass die Handlung, für die sie verantwortlich ist, nicht die Ursache des Schadens ist, haftet sie nicht.

Produkthaftungsrecht wird Teil des Code Civil

Das Recht der Produkthaftung ist derzeit im Produkthaftungsgesetz aus 1991 geregelt und wird in den Code Civil (Artikel 6:41 ff) überführt. Mittel- und langfristig sollen weitere Spezialgesetze nachfolgen.

Haftung und Gesellschaften – und ihre Akteure 

Neu und bemerkenswert ist Artikel 6:4 des neuen Code Civil:  Sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, gelten die Bestimmungen dieses Buches nicht nur für natürliche, sondern auch für juristische Personen, und zwar für private als auch für öffentlich-rechtliche.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass der bisherige (richterrechtliche) weitgehende Ausschluss der persönlichen Haftung für unerlaubte Handlungen, soweit sie anlässlich der Erfüllung des Vertrages von einer Vertragspartei begangen wurden, beendet wird. Die neuen Regeln sehen eine solche Haftung ausdrücklich vor (Artikel 6:14 f), vorausgesetzt natürlich, dass die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen einer unerlaubten Handlung erfüllt sind. Diese Änderung wird erhebliche praktische Auswirkungen haben. Zwar besteht die Möglichkeit, eine solche Haftung vertraglich auszuschließen, soweit nicht die Haftung für körperlichen oder seelischen Schaden ausgeschlossen werden soll. Aber wegen der bisherigen Rechtsprechung werden solche Klauseln in vielen Verträgen fehlen. 

 

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