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Equipment with conveyor for working with small plastic granules for the chemical industry Equipment with conveyor for working with small plastic granules for the chemical industry | © Sergey Ryzhov/stock.adobe.com

Special | Belgien | Beschaffung

Belgien ist Deutschlands Hauptlieferland für Kunststoffe

Die Kunststoffindustrie ist in Belgien sehr bedeutend. Verarbeiter profitieren von Europas größtem Chemiecluster in Antwerpen.

Von Torsten Pauly | Berlin

Belgien ist für deutsche Unternehmen ein sehr attraktiver Beschaffungsmarkt von Kunststoffen. Dies liegt an der hoch entwickelten Produktion und der hervorragenden Anbindung. Im Jahr 2022 haben sich die belgischen Kunststoffexporte nach Deutschland auf 7,4 Milliarden Euro summiert. Das waren 17,7 Prozent mehr als 2021 und 71,3 Prozent mehr als im coronabedingten Krisenjahr 2020. Gleichzeitig hat Belgien 2022 im Kunststoffaußenhandel mit Deutschland einen Exportüberschuss von 4 Milliarden Euro erwirtschaftet.

An diesen belgischen Gesamtlieferungen hielten Kunststoffe in Primärform 2022 mit 88,7 Prozent den Hauptanteil. Dies lag an der starken Chemieindustrie insbesondere in Antwerpen. Dort befindet sich das größte Chemiecluster Europas, wo auch führende deutsche Konzerne wie BASF, Henkel, Covestro, Lanxess und Evonik allesamt große Produktionsstätten betreiben. Aber auch die belgischen Exporte von Kunststoffhalbwaren nach Deutschland sind 2021 und 2022 insgesamt um 38 Prozent gestiegen.

Deutschland importierte 2022 etwa 18 Prozent aller Kunststoffe aus Belgien. Bei Kunststoffen in Primärform betrug der Einfuhranteil sogar 22,9 Prozent. In beiden Fällen ist Belgien damit führendes Lieferland. Von den deutschen Importen von Kunststoffhalbwaren kamen 2022 etwa 6,6 Prozent aus Belgien. Dies kommt dem fünften Rang nach Italien, Polen, den Niederlanden und Österreich gleich.

Investitionen lassen Branche wachsen

Der Umsatz der belgischen kunststoffverarbeitenden Industrie ist auch in der Coronakrise stetig gestiegen und betrug 2022 etwa 9,9 Milliarden Euro. Das waren 7,6 Prozent mehr als 2021 und 26,5 Prozent mehr als 2019. Der Umsatz wächst vor allem aufgrund von Investitionen in Produktionserweiterungen, wobei seit 2022 auch die allgemeine Teuerung eine Rolle spielt.

Investitionen der belgischen kunststoffverarbeitenden Industrie (in Millionen Euro) *

Jahr

Summe

2018

341

2019

279

2020

255

2021

309

2022

303

* erfasst ist NACE-Position 21.2Quelle: Statbel 2023

In Belgien arbeiten Kunststofferzeuger und -verarbeiter auch im Cluster Catalisti zusammen. Dieses hat sein Büro in Antwerpen. Darüber hinaus ist die belgische Kunststoffindustrie in der Vereinigung Polymatters zusammengeschlossen. Diese ist Teil des Chemieverbandes essenscia.

Insgesamt gab es in Belgien 2020 laut neuesten verfügbaren Zahlen 685 kunststoffverarbeitende Betriebe mit 24.054 Mitarbeitern. Mit einem damaligen Umsatz von 8 Milliarden Euro lag die belgische kunststoffverarbeitende Industrie 2020 in der EU an siebter Stelle. Innerhalb des belgischen verarbeitenden Gewerbes war der Sektor 2022 vom Umsatz her die achtgrößte Branche nach der (Petro-)Chemie- und Pharmaindustrie, der Nahrungsmittelverarbeitung, der Metallbe- und -verarbeitung, dem Maschinenbau und der Kfz-Industrie.

Forschung zur Wiederverwertung von Kunststoffen

Die Vereinigung Polymatters hat zusammen mit dem belgischen Technologieverband Agoria ein Programm zum Kunststoffrecycling aufgelegt. Zu Agoria gehören unter anderem Fahrzeug-, Maschinen- und Anlagenbauer sowie Elektronik- und Elektrounternehmen. An dem Projekt beteiligt sich auch Plastics Europe, der europäische Dachverband der Kunststoffindustrie.

Generell ist die starke Forschungslandschaft ein Vorteil des Standorts Belgien. Zu den zwanzig besten europäischen Universitäten für ein Chemiestudium zählt das Portal Edurank die Alma Mater in Leuven und Gent. Darüber hinaus gibt es weitere Studiengänge an anderen Hochschulen. Auch das renommierte, interdisziplinäre flämische Forschungsinstitut VITO legt Programme zu Materialforschung unter anderem von Kunststoffen auf. Private Kunststoffunternehmen forschen ebenfalls in Belgien. Derzeit baut der Investor Plastic Omnium eine entsprechende Abteilung mit 150 Wissenschaftlern auf.

Lohnkosten sind sehr hoch

Ein belgischer Standortnachteil sind die hohen Personalkosten. Der Durchschnittsbruttolohn in der Industrie betrug 2020 laut neuester amtlicher Statistik 3.901 Euro im Monat. Das Niveau wird auch 2023 kräftig steigen, denn in Belgien ist die Lohnentwicklung per Gesetz an die allgemeine Inflation gebunden. Hinzu kommt ein Fachkräftemangel. Laut einer Erhebung der Personalvermittlungsagentur Robert Half haben 2023 vier von fünf belgischen Unternehmen Probleme, offene Stellen adäquat zu besetzen.

Als problematisch sehen viele Unternehmen auch den hohen administrativen Aufwand an. Dabei können sich die Amtssprachen, Verwaltungsinstitutionen und Vorschriften je nach Standort unterscheiden. Belgien gliedert sich in drei autonome Regionen. Diese sind das niederländischsprachige Flandern, das frankophone Wallonien und die zweisprachige Hauptstadtregion Brüssel. In Ostbelgien gibt es zudem die Deutschsprachige Gemeinschaft. Eine Beratung in Entsende-, Anmelde- und Steuerfragen offeriert unter anderem die AHK Debelux.

Wie in anderen Ländern auch beklagen viele belgische Hersteller seit Ausbruch der Coronapandemie zudem verzögerte Lieferungen von Vorprodukten. Diese Engpässe treten insbesondere bei Bestellungen aus Übersee auf.

Die meisten Hersteller gibt es in Flandern

Laut neuester regionaler Statistik gab es in Belgien 2020 insgesamt 818 Unternehmen in der Kunststoff- und Gummiverarbeitung. Die meisten davon waren in den flämischen Provinzen Westflandern (167 Firmen) sowie Antwerpen und Limburg (jeweils 141 Betriebe) ansässig. In den Regionen Wallonien und Brüssel-Hauptstadt gab es 193 beziehungsweise 34 Kunststoff- und Gummiverarbeiter.

Hinweise zu Transport und Logistik

Belgien ist per Straße und Bahn sowie über Wasserwege hervorragend an Deutschland angebunden. Daher sind fast alle deutschen Regionen von belgischen Standorten aus innerhalb weniger Stunden erreichbar. Belgien ist für deutsche Unternehmen auch eine wichtige Logistikdrehscheibe zu anderen Märkten. Dies liegt vor allem an Europas zweitgrößtem Hafen Antwerpen-Brügge. Dieser verzeichnet einen höheren Warenumschlag als alle deutschen Seehäfen zusammen. Derzeit modernisiert Belgien sein Schienennetz in großem Stil: Anfang 2023 ist ein zehnjähriges Investitionsprogramm über 25,6 Milliarden Euro angelaufen. Auch in Antwerpen entsteht ein neuer Verkehrsring.


Weitere Informationen zu zollrechtlichen Regeln bietet unser Überblick zur Wareneinfuhr in die EU.

Hinweise zur Geschäfstpraxis

In Belgien sind regionale kulturelle Unterschiede zu beachten. Flamen sprechen Niederländisch, Wallonen Französisch. Entsprechend gibt es bei der Kultur und den Gepflogenheiten im Umgang Ähnlichkeiten zu den Niederlanden beziehungsweise zu Frankreich. Als Verhandlungssprache sollten Sie zunächst immer Englisch voraussetzen. Frankophone Belgier können aber auch vom Französischen ausgehen. In Ostbelgien gibt es zudem eine Deutschsprachige Gemeinschaft.


Für ganz Belgien gilt, dass Geschäftspartner ihr Gegenüber auch persönlich einschätzen wollen. Daher beginnt vor allem das erste Treffen oft mit Smalltalk. Dennoch sollten Sie gut vorbereitet sein und Win-Win-Aspekte bereits beim ersten Gespräch klar aufzeigen können.

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