Rechtsbericht | Bosnien-Herzegowina | Wirtschaftsrecht
Wirtschaftsrecht in Bosnien und Herzegowina
Trotz der komplexen Verwaltungsstruktur kann das Land ein interessanter Markt für Unternehmen sein: Niedrige Steuern und eine schnelle Registrierung machen den Standort attraktiv.
05.06.2024
Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn
Bosnien und Herzegowina ist ein Land mit einer bewegten Rechtskultur. Diese wurde sowohl vom kanonischen Recht, der Scharia als auch vom europäischen Recht geprägt. In den letzten Jahren bemüht sich das Land, Reformen im Sinne des EU-Rechts umzusetzen, um den Annäherungsprozess an die EU voranzutreiben. Der EU-Rat verlieh dem Land am 15. Dezember 2022 den Status eines Beitrittskandidaten.
Interessierte Unternehmen sollten sich vor der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit der Verwaltungsstruktur des Landes vertraut machen. Das Land besteht aus zwei Entitäten und einem Sonderverwaltungsgebiet: der Föderation Bosnien und Herzegowina (FBiH), der Republika Srpska (RS) und dem Sonderwaltungsgebiet Brčko (BD). Über den Entitäten - FBiH und RS - steht eine gesamtstaatliche Regierung. Das Sonderverwaltunsgebiet wird von FBiH und RS verwaltet. Gemäß der bosnischen Verfassung können sie eigene Gesetze erlassen und verfügen über eigene Gerichtsbarkeiten.
Was haben Investoren zu beachten?
Der rechtliche Rahmen für Investitionen macht keinen Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Investoren. Zu den wichtigsten Gesetzen zur Förderung ausländischer Investoren gehören:
- Gesetz über die Politik der ausländischen Direktinvestitionen von FBiH (Zakon o politici direktnih stranih investicija FBiH)
- Gesetz über ausländische Investitionen der FBiH (Zakon o stranim ulaganjima FBiH)
- Gesetz über ausländische Investitionen in der RS (Zakon o stranim ulaganjima RS).
Ausländische Investoren erhalten durch die Gesetzgebung Anreize und Rechtssicherheit, wie zum Beispiel Bestandsschutz. So können gewährte Rechte zum Zeitpunkt der Investitionen nicht rückwirkend durch spätere Gesetzesänderungen beeinträchtigt werden.
Zudem besteht zwischen Deutschland und der Republik Bosnien und Herzegowina ein Investitionsförderungs- und -schutzvertrag. Das Abkommen stellt ein einheitliches Verständnis des Investitionsschutzes und dessen praktische Umsetzung sicher. Zudem regelt es die gütliche Beilegung von Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht. Ausländische Investoren haben auch die Möglichkeit, Streitigkeiten vor den nationalen Gerichten zu klären.
Die Einstiegsseite der Investitionsförderagentur FIPA (Agencija za unapređenje stranih investicija) bietet Informationen und Serviceangebote auf Englisch.
Eintrittsmöglichkeiten in den Markt
Erste Schritte für den Export
Will man keine Gesellschaft gründen, sondern zunächst vertragliche Beziehungen in Bosnien und Herzegowina unterhalten, so können die Geschäftspartner einen Vertrag über Waren oder Dienstleistungen schließen. Sowohl für FBiH als für RS gilt für zivilrechtliche Verträge das Gesetz über Verpflichtungsgeschäfte (Zakon o obligacionim odnosima). Mehr zu den eigenen Rechten, den Rechten des Kunden und ersten Schritten im Export stellen wir in der GTAI-Publikation Markets International 4/2023 vor.
Eintritt vor Ort
Entscheidet man sich für eine Tätigkeit vor Ort, kann die Geschäftstätigkeit durch ein Einzelunternehmen, durch die Gründung einer lokalen Gesellschaft oder Repräsentanz ausgeübt werden. Firmen sollten bei der Unternehmensgründung die unterschiedlichen Unternehmensgesetze beachten:
- Gesellschaftsgesetz der Föderation von FBiH (Zakon o privrednim društvima FBiH)
- Gesellschaftsgesetz der RS (Zakon o privrednim društvima RS)
- Gesetz über die Übernahme von Aktiengesellschaften (Zakon o sticanju akcionarskih društava) gilt für FBiH, RS und BD.
Die Vorschriften regeln die Gründung, den Betrieb und die Auflösung von Unternehmen im Land. Die beliebteste Gesellschaftsform ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Društvo s ograničenom odgovornošću). Zu beachten sind die unterschiedlichen Anforderungen an die Höhe des Mindeststammkapitals in der FBiH und RS:
Föderation Bosnien und Herzegowina | Republika Serpska |
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*Konvertible Mark (KM) |
Die Registrierung erfolgt in mehreren Schritten. Neben der Wahl der Gesellschaftsform ist auch die Wahl des Firmennamens und die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen notwendig. Kosten und Dauer der Registrierung sind je nach Unternehmenstyp und Entität unterschiedlich.
Die Investitionsförderagentur FIPA hat die wichtigsten Schritte zur Registrierung eines Unternehmens in einer Broschüre zusammengefasst.
Steuerarten und Höhe
Bosnien und Herzegowina zeichnet sich durch einen niedrigen Körperschaftsteuersatz von 10 Prozent aus. Dieser gilt für alle Verwaltungseinheiten und wird bei ansässigen und nicht ansässigen Unternehmen auf ihr weltweites Einkommen erhoben. Allerdings unterscheiden sich die Bemessungsgrundlagen in FBiH und RS. Es ist daher ratsam, weitere Informationen bei den jeweiligen Steuerbehörden einzuholen.
Der Umsatzsteuersatz beträgt auf dem gesamten Gebiet von Bosnien und Herzegowina pauschal 17 Prozent. Erst ab einem Umsatz von 100.000 KM (ca. 51.129 Euro) müssen sich Unternehmen als Umsatzsteuerzahler bei einer Steuerbehörde registrieren lassen. Einkünfte nicht ansässiger Unternehmen, die von oder an Unternehmen mit Sitz in der FBiH oder der RS gezahlt werden, unterliegen der Quellensteuer. Dies gilt für Einkünfte aus Dividenden, Lizenzgebühren, Zinsen, Mieteinnahmen usw. sowie für Einkünfte aus der Erbringung von Dienstleistungen. Ansässige Unternehmen sind verpflichtet, die Quellensteuer zu berechnen und abzuführen.
Hinsichtlich der Einkommensteuer ist zu beachten, dass diese auf Ebene der Entitäten und der jeweiligen Kantone geregelt ist. Das Sonderverwaltungsgebiet Brčko hat ein eigenes Einkommensteuergesetz. In allen drei Gebieten beträgt die Einkommensteuer jedoch 10 Prozent des Nettolohns.
Zudem besteht zwischen Deutschland und Bosnien und Herzegowina ein Abkommen zur Vermeidung der doppelten Besteuerung (Doppelbesteuerungsabkommen).
Zum Thema:
- GTAI-Webinar Westbalkan - Geschäftschancen, Recht und Zoll
- GTAI-Fact Sheet Westbalkan - Region rückt näher in den Fokus