Wirtschaftsumfeld | Bosnien und Herzegowina | Investitionsförderung
Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen
Bosnien und Herzegowina ist ein interessantes Ziel für Investitionen in der Industrie. Aufgrund von politischen Krisen und fehlenden Reformen sind Investoren aber zurückhaltend.
01.02.2023
Von Martin Gaber | Belgrad
Die Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina ist mit großer Dynamik aus der Coronakrise gekommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) konnte im Jahr 2021 real um über 7 Prozent zulegen, so die Zahlen der Statistikagentur. Das Wachstum hat auch im Jahr 2022 angehalten. Die Erste Bank Group Research prognostiziert ein reales Plus von rund 4 Prozent.
Mit knapp 3,5 Millionen Einwohnern gehört Bosnien und Herzegowina zwar zu den größeren Ländern der Region, der Binnenmarkt ist dennoch verhältnismäßig klein. Allerdings ermöglichen Freihandelsabkommen einen nahezu zollfreien Austausch mit der Europäischen Union sowie den übrigen Ländern der Region. Seit dem Jahr 2022 ist das Land zudem EU-Beitrittskandidat.
Bosnien und Herzegowina verfügt über eine traditionell gute industrielle Basis und bietet sich daher für Investitionen im verarbeitenden Gewerbe an. Zusammen mit wettbewerbsfähigen Lohnkosten und einer unmittelbaren Nähe zum EU-Binnenmarkt ist der Standort attraktiv. Herausforderungen bleiben die komplexe Struktur und die innenpolitischen Krisen.
Indikator | 2020 | 2021 | 2022 |
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Miete jeweils für Büroraum in Sarajewo | |||
Klasse A | 13 bis 18 | 13 bis 18 | 14 bis 19 |
Klasse B | 9 bis 13 | 9 bis 13 | 9 bis 13 |
Zukunftstrends: Zwischen Hoffnung auf neue Investitionen und politischen Krisen
Die Diskussion um eine Vereinfachung globaler Lieferketten dürfte den Standort noch interessanter machen. Bosnien und Herzegowina liegt direkt vor den Toren der EU, verfügt über einige Rohstoffvorkommen und eine wettbewerbsfähige Industrie. Daher hofft der Balkanstaat, dass gerade Unternehmen aus Mittel- und Westeuropa bei ihren Investitionsentscheidungen künftig häufiger einen Blick auf Bosnien und Herzegowina werfen. "Wir verzeichnen eine Nachfragesteigerung von Seiten deutscher Investoren, was vor allem dem Nearshoring-Trend zuzuschreiben ist", sagt Azra Ramić, stellvertretende Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina.
Allerdings gelingt es noch nicht, sich im regionalen Vergleich als attraktiver Standort hervorzuheben. Beim Tauziehen um ausländische Investoren konkurriert das Land vor allem mit Serbien und Nordmazedonien. Bislang konnten sich die beiden Länder besser positionieren. Vor allem Serbien ist zu einem Hub für die Autozulieferindustrie geworden, mit einem zunehmenden Technologiefokus. Hier hinkt Bosnien und Herzegowina hinterher. Fehlende Reformen und ein instabiles politisches Umfeld sorgen für negative Schlagzeilen und schrecken so ausländische Investoren ab. Damit verbunden ist auch eine massive Abwanderung aus dem Land. So prognostiziert die UN-Agentur DESA (Department of Economic and Social Affairs), dass die Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina bis zum Jahr 2050 um 18,2 Prozent zurückgehen wird. Viele sehen ihre Perspektiven in Westeuropa und verlassen den Balkanstaat. Für Investoren ist das schon heute eine Herausforderung.
Jedoch sieht Azra Ramić auch Licht am Ende des Tunnels: "Der Status als EU-Beitrittskandidat und die schnelle Regierungsbildung nach den letzten Wahlen lassen hoffen, dass sich die Rahmenbedingungen in eine bessere Richtung entwickeln."
Deutschland gehört zu den wichtigsten Investoren
Zu den wichtigsten Branchen für ausländische Investoren zählen der Handel sowie die Metallverarbeitung. Weitere attraktive Branchen für Investoren sind Informationstechnologie (IT), Maschinenbau, Elektroausrüstung und Bekleidung, so Zahlen der Zentralbank.
Wichtigster ausländischer Investor ist Österreich mit einem starken Fußabdruck im Banken- und Versicherungssektor. Zudem laufen viele Investitionen, auch aus Deutschland, über die Südosteuropa-Zentralen der Konzerne in Österreich. Auf den weiteren Plätzen folgen die Nachbarländer Kroatien und Serbien, gefolgt von Slowenien. Die Bundesrepublik liegt auf Platz 5. Investitionen aus China spielen in Bosnien und Herzegowina kaum eine Rolle. Dafür gehören die Türkei, Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait zu den Top 20-Investoren. Gerade im Sommer hat sich Bosnien und Herzegowina zu einem beliebten Urlaubsziel für Touristen aus arabischen Ländern entwickelt. Entsprechend gibt es hier Investitionen in Infrastruktur, Hotels und Freizeiteinrichtungen.
Indikator | 2019 | 2020 | 2021 | Jan.-Sep. 2022 |
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Kumulierter Bestand | 7.680 | 7.750 | 8.150 | k.A. |
Nettotransfers | 400 | 370 | 490 | 430 |
Bekannter Discounter geht bald an den Start
Zu den größten Investoren aus Deutschland zählen Autozulieferer wie Mann+Hummel, Pass oder Selzer. Das größte privatwirtschaftliche Unternehmen des Landes, die Prevent-Gruppe, ist ebenfalls in der Zulieferindustrie tätig und eng mit Deutschland verbunden. Aber auch in anderen Bereichen haben deutsche Unternehmen im Land investiert. So zählen Heidelberg Cement in der Bauindustrie, Meggle im Lebensmittelbereich oder die Stada-Tochter Hemofarm in der Pharmaindustrie zu den deutschen Firmen vor Ort. Der Discounter Lidl steht kurz vor der Eröffnung seiner ersten Filialen. Ein genaues Datum steht allerdings noch aus. Insgesamt gibt es mehr als 200 Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung.
Indikator | 2019 | 2020 | 2021 |
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Kumulierter Bestand | 345 | 343 *) | k.A. |
Nettotransfers | -10 | 30 | 42 |