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Rechtsbericht | Brasilien | Umweltschutzrecht

Steueranreize für das Abfallrecycling in Brasilien

Unternehmen, die Recyclingprojekte unterstützen, können in den nächsten fünf Jahren eine Reduzierung ihrer Körperschaftsteuer erhalten.

Von Dr. Julio Pereira | Bonn

Nach monatelangen Debatten im Nationalkongress (Congresso Nacional) erhält das Thema Abfallrecycling in Brasilien neue rechtliche Konturen. Am 9. Dezember 2021 wurde das Bundesgesetz 14.260/2021, das Gesetz über Anreizmaßnahmen für das Recycling (Lei de Incentivo à Reciclagem - LIR), im Amtsblatt veröffentlicht. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzes war es, das Recycling in Brasilien durch Steuervergünstigungen für Unternehmen und Privatpersonen zu fördern. Allerdings hatte der Präsident der Republik sein Veto gegen mehrere Bestimmungen für die Umsetzung der Steueranreize eingelegt. Am 5. August 2022 hat der brasilianische Nationalkongress die Annullierung des Vetos verkündet.

Rechtsgrundlagen

Neben dem LIR findet das Thema Recycling auch im Gesetz 12.305 vom 2. August 2010 seine Rechtsgrundlage. Dieses Gesetz legt die Nationale Politik für Feststoffabfälle (Política Nacional de Resíduos Sólidos - PNRS) fest. Das Rechtsinstrument, das die PNRS regelt, ist das Präsidentendekret Nr. 10.936 vom 12. Januar 2022.

Das Müllproblem in Brasilien

Laut Bericht des brasilianischen Verbands ABRELPE, der die ISWA (International Solid Waste Association) vertritt, generiert Brasilien rund 82,5 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr. Im Gegensatz zu Deutschland, das beim Recycling weltweit eine Spitzenposition einnimmt, werden nur drei Prozent des gesamten Abfallvolumens in Brasilien wiederverwertet.

Zusätzlich zu der enormen Umweltbelastung, die durch die Anhäufung von Abfällen entsteht, stehen auch soziale Fragen auf dem Spiel. Ein großer Teil der Sammelarbeit wird von den so genannten Müllsuchern (catadores de material reciclável) geleistet, eine in den lateinamerikanischen Ländern übliche Tätigkeit. Die Tätigkeit ist durch prekäre Bedingungen und Informalität (sprich: keine Arbeitsrechte) gekennzeichnet.

In Brasilien gibt es fast  eine Million Müllsucher. Davon sind rund 70 Prozent Frauen, laut Angaben der Nationalen Bewegung der Wertstoffsammler (Movimento Nacional dos Catadores de Materiais Recicláveis - MNCR).

Woraus bestehen die Fördermaßnahmen?

Nach der Annullierung des Vetos durch den Nationalkongress können die im LIR vorgesehenen Steueranreize in- und ausländischen juristischen Personen mit Sitz auf brasilianischem Staatsgebiet zugutekommen, sofern sie Recyclingprojekte unterstützen. Unternehmen können von ihrer Körperschaftsteuer (IRPJ) den Betrag abziehen, der für die direkte Unterstützung von Recyclingprojekten ausgegeben wurde (Art. 4 II LIR). Voraussetzung ist, dass die Besteuerung des Unternehmens auf der Grundlage des „tatsächlichen Gewinns“ (Lucro Real) erfolgt – die von Unternehmen in Brasilien übliche Berechnungsmethode für die Körperschaftsteuer. Der Abzug beträgt bis zu einem Prozent des gesamten Steuerbetrags. Natürliche Personen können auch bis zu sechs Prozent des Einkommensteuerbetrags abziehen (Art. 4 I LIR).

Welche Wirtschaftstätigkeiten können steuerlich gefördert werden?

Es gibt eine Vielzahl von Tätigkeiten, die einen Anspruch auf die Steuervergünstigung begründen können. Dazu gehören die folgenden (Art. 3 LIR): 

1. Schulung und technische Beratung von Unternehmen, Schulen, Gemeindeverbänden usw., deren Ziel die Umsetzung von Recyclingsystemen ist;

2. Erwerb von Ausrüstungen und Fahrzeugen für die Mülltrennung sowie für die Wiederverwendung von Abfällen;

3. Entwicklung neuer Technologien im Bereich des Recyclings;

4. Einrichtung und Modernisierung der baulichen Infrastruktur von Mikro- und Kleinunternehmen, Genossenschaften und anderen sozialen Organisationen, die im Recycling tätig sind.

Die Unterstützung von Forschung und Studien, die die oben genannten wirtschaftlichen Aktivitäten ermöglichen, ist ebenfalls steuerlich förderungswürdig. Auch der internationale Austausch im Bereich der technischen Beratung und Schulung wird im Gesetz ausdrücklich erwähnt. Die Projekte müssen zuvor vom Umweltministerium (Ministério do Meio Ambiente) genehmigt worden sein.

Gründe für das Präsidenten-Veto

Der Präsident der Republik hatte gegen das Gesetz teilweise sein Veto eingelegt, mit der Begründung, dass es dem „öffentlichen Interesse“ zuwiderlaufe und „verfassungswidrig“ sei. Die Anreize würden einem angeblichen Einnahmenverzicht ohne Haushaltsvoranschlag gleichkommen.

Durch das Veto des Präsidenten sind Rechtsnormen abgeschafft worden, die exakt Steueranreize für Recycling vorsahen, d. h. der wesentliche Teil des Gesetzes. Ohne diesen Teil bliebe nur die Schaffung einer Regierungskommission für Recycling (Art. 14 LIR) und die Einrichtung eines Investitionsfonds (Art. 8 und 9 LIR).

Steueranreize als Instrument der Umweltpolitik

Ohne eine tragfähige Rechtsgrundlage wurde das Präsidenten-Veto vom Nationalkongress abgelehnt. Der Gesetzentwurf hat klar vorgesehen, dass die Anreize im jährlichen Haushaltsgesetz (Lei Anual do Orçamento - LOA) festgelegt werden würden. Recycling-Anreize finden ausreichende Rechtsgrundlagen sowohl im Gesetz über Feststoffabfälle (PNRS) als auch in verschiedenen Artikeln der brasilianischen Bundesverfassung, zum Beispiel in den Artikeln 23 VI und 225 (CF/88).

Schließlich gehört es zur Rechtsnatur der steuerlichen Anreize, dass die Besteuerung nicht nur als Einnahmequelle für den Staat dient, sondern auch als Instrument zur Umsetzung bestimmter politischer Maßnahmen. Im vorliegenden Fall dienen die Anreize dazu, das Recycling in Brasilien zu fördern und indirekt von umweltschädigendem Verhalten abzuschrecken.

Rechtsgültigkeitsdauer der Steueranreize

Nun, da das Präsidenten-Veto seine rechtliche Wirkung verloren hat, gelten die im LIR vorgesehenen Steueranreize für die nächsten fünf Jahre.

Hintergrund: Wahljahr

Die Nationale Politik für Feststoffabfälle (PNRS) wurde während der Regierung des ehemaligen Präsidenten Lula in Kraft gesetzt. Die in diesem Gesetz enthaltenen Mechanismen haben Müllsammler-Genossenschaften (cooperativas de catadores) im ganzen Land gestärkt. Hintergrund der Recyclingproblematik sind die Präsidentschaftswahlen, die im Oktober 2022 stattfinden. 

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