Die Aufträge der Branche gehen leicht zurück. Unternehmen fordern mehr Unterstützung vom bulgarischen Staat, damit sie neue Maschinen und Ausrüstungen anschaffen können.
Auftragslage trübt sich ein
Der Umsatz des bulgarischen Maschinenbausektors stagniert nach einer kurzen Wachstumsphase, die auf die Krisenjahre 2020 und 2021 folgte. Die Auftragslage trübt sich ein. Gründe dafür sind unter anderem die Inflation, Engpässe in der Lieferkette und eine geschwächte Nachfrage. Nur in einzelnen Segmenten, wie etwa in der Glasindustrie, gewinnen Unternehmen derzeit neue Kunden.
Im 1. Quartal 2022 generierte ein Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes im Schnitt noch fünf Aufträge, zum Ende des Jahres 2022 sind es im Schnitt nur noch drei Aufträge, wie aus Daten des Nationalen Statistikinstituts hervorgeht. Die Kapazitätsauslastung der Industrieproduktion erreichte laut Eurostat zum Ende des Jahres 2022 ein überdurchschnittliches Niveau von 75 Prozent. Die Verfügbarkeit von Personal stellt Unternehmen vereinzelt vor große Herausforderungen, Aufträge fristgerecht erfüllen zu können.
Diese Auftragslage spiegelt sich auch in der Exportnachfrage wider. Wertmäßig stiegen die Exporte zwar um 22,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dies liegt jedoch daran, dass die Unternehmen ihre Preise erhöht haben, die Nachfrage blieb gedämpft. Zu den exportstarken Produkten des bulgarischen Maschinenbaus zählen unter anderem Kühlgeräte, Hydraulikkomponenten und elektronische Komponenten, deren Abnehmer größtenteils die Automobilindustrie ist.
18,1
%
der Exporte des bulgarischen Maschinenbaus gehen nach Deutschland. Die Bundesrepublik ist damit der größte Abnehmer für Produkte der Branche.
Unternehmen klagen über Material- und Personalmangel und hohe Energiekosten. Dies räumt ihnen kurzfristig wenig Spielraum für Investitionen ein. Die Ausgaben der Firmen für neue Ausrüstung werden auch im Jahr 2023 auf niedrigem Niveau bleiben, prognostiziert der bulgarische Industrieverband. Die Bruttoanlageinvestitionen stiegen 2022 um 1,1 Prozent laut Nationalem Statistikinstitut. Die bulgarische Wirtschaft wuchs im Jahr 2022 real um 3,4 Prozent.
Nachfrage nach Glas stimuliert Wachstum der Industrieproduktion
Die Industrieproduktion hielt sich insgesamt stabil. Sie wuchs 2022 um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Treiber waren die Kunststoffproduktion, die Möbelindustrie und die Metallverarbeitung. Dagegen ging die Fertigung in den energieintensiven Branchen wie etwa der Düngemittelproduktion oder der Pharmaindustrie zurück wegen hoher Energiekosten und Engpässen bei der Verfügbarkeit von Rohstoffen.
Lediglich die Glasproduktion profitiert von einer europaweit hohen Nachfrage nach Glas, die vor allem aus der Energiebranche kommt. Zwar ist die Herstellung von Glaserzeugnissen energieintensiv, doch bulgarische Glasproduzenten gehören zu den Lieferanten für Fotovoltaikanlagen, was für eine hohe Nachfrage sorgt. Auch in Bulgarien rüsten Unternehmen ihre Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen um. Für die Dekarbonisierung der Wirtschaft stellt die Europäische Union im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität dem Land Fördermittel bereit.
Die Rüstungsindustrie ist ein weiterer Wachstumstreiber. Bulgariens staatlicher Rüstungskonzern, die Wasowsche Maschinenbaufabrik VZM, produziert Munition, die der bulgarische Staat in die Ukraine liefert. Durch die Expansion der Munitionsfabrik verschärft sich der Wettbewerb um Personal in der Region Plovdiv.
Unternehmen reagieren auf äußere Risikofaktoren
Bulgarische Firmen mussten sich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine nach neuen Lieferwegen für Edelgase, Erze, Stahl oder Rohöl umsehen. Diese Güter hatten Unternehmen nach Angaben des bulgarischen Industrieverbands bis Ende Februar 2022 unter anderem aus Mariupol bezogen.
Gleichzeitig steigt der Druck bei kleinen und mittelständischen Herstellern, Produktionsanlagen zu modernisieren und Abläufe und Prozesse in den Betrieben zu digitalisieren.
"Das Hauptproblem bleibt die Lieferung von Materialien, Rohstoffen, Teilen, Einheiten und Produkten. Eine gewisse Stabilisierung der Lieferketten ist zu beobachten, aber wir sind noch weit vom normalen Niveau entfernt", sagt Violin Nenov, Manager bei der Bulgarischen Branchenkammer Maschinenbau, BBCM.
Mittelfristige Perspektiven der Branche sind positiv
Mittel- bis langfristig verspricht die Branche und die bulgarische Wirtschaft aber ein stärkeres Wachstum als vergleichsweise in westeuropäischen EU-Ländern. Der Bedarf an neuen Maschinen und Ausrüstungen im verarbeitenden Gewerbe in Bulgarien ist hoch. Auch stehen Fördermittel für die Modernisierung von Produktionsanlagen von der Europäischen Union bereit. Die bulgarische Regierung fördert gezielt die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Mechatronik und Mikroelektronik. Beide Teilsektoren haben Tradition in Bulgarien und versprechen Investoren Know-how.
Das bulgarische Wirtschaftsministerium beteiligt sich im Rahmen einer EU-weiten Initiative zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie an dem Programm "Smart Transformation". Im Rahmen dieses Programms stellt die EU Bulgarien Finanzmittel von rund 1 Milliarde Euro während der laufenden Förderperiode von 2021 bis 2027 bereit.
Ziel ist es, Bulgarien als Markt für die Entwicklung und Produktion von mechatronischen Systemen und Komponenten zu etablieren. Um dies zu erreichen, sollen innerhalb der kommenden vier Jahre Forschungs- und Entwicklungszentren für Mechatronik und Mikroelektronik im Land entstehen. Diese Zentren sollen die Innovationskraft bulgarischer Unternehmen beschleunigen und dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Politische Krisen im Land verzögern, dass Projekte mit EU-Mitteln angebahnt und umgesetzt werden. "Der einzige Motor für Wachstum im Sektor Maschinenbau ist der bulgarische Staat, aber dazu ist er gerade nicht in der Lage", sagt Aleksander Yulianov, Geschäftsführer des Maschinenbauunternehmens Tihert EAD. Yulianov spricht damit die dauerhafte politische Krise im Land an. Am 2. April 2023 haben innerhalb der vergangenen zwei Jahre zum fünften Mal in Folge Parlamentswahlen stattgefunden. Seit 2021 gelingt es nicht, eine dauerhaft stabile Regierung zu bilden.
Ausgewählte Investitionsprojekte der Maschinenbauindustrie in BulgarienAkteur/Projekt | Investitionssumme (in Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
---|
Solvay Sodi: Bau einer Dampferzeugungsanlage mit RFD-Brennstoffen | 100 | Fertigstellung bis 2025 | Hersteller von Soda und Natron |
Schneider Electric Bulgaria: Ausbau der Produktion | 60 | in Umsetzung | Produktion bei Plovdiv stellt Heiz- und Kühlanlagen her |
Intuitive Surgical: Produktionsanlage für 3D-Endoskope | 40 | Fertigstellung bis 2025 | Intuitive Surgival ist ein US-amerikanischer Hersteller von Medizintechnik |
Profilink Baustoffe | 35 | bis 2024 | Bau einer Produktionsanlage für Metallbearbeitung in der Wirtschaftszone Trakia |
CERATIZIT Bulgaria AG | 20 | bis 2027 | Neue Produktionsanlage in Gabrovo für Zerspanungsmaschinen |
INCA Machine Building: Neue Anlage am Standort in Plovdiv | 10 | in Umsetzung | Herstellung von Maschinen für die Produktion von Holzhackschnitzel |
AE Solar | 10 | in Umsetzung | neue Produktionsanlage für Solarpanel in Kiystendil |
Technical Components Bulgaria (TCB) | 7 | in Umsetzung | Elektrische Ausrüstung |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Pressemeldungen (Stand: April 2023)
Von Dominik Vorhölter
|
Sofia