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Klimaschutz-AtlasInvestitionen: Bulgarien benötigt rund 43 Milliarden Euro
Bei der Energiewende setzt Bulgarien auf einen größeren Anteil an Atomkraft und erneuerbaren Energien. Dafür benötigt das Land massive Investitionen.
25.10.2023
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Die bulgarische Regierung will erst 2038 ganz aus der Kohleverstromung aussteigen. Die Europäische Kommission beziffert das Investitionsvolumen Bulgariens in den Klimawandel auf mindestens 42,7 Milliarden Euro. Allein für den Ausbau der erneuerbaren Energien benötigt das Land rund 4,5 Milliarden Euro.
Strukturwandel beginnt verspätet
Erst durch die Schließung der Kohlekraftwerke kann Bulgarien genügend klimaschädliche Treibhausgase einsparen und seine Energieversorgung auf klimaneutrale Energieträgern umstellen. Um dabei von Fördermitteln der Europäischen Union zu profitieren, fordert die EU-Kommission eine Strategie für den Kohleausstieg Bulgariens. Dabei handelt es sich um 1,2 Milliarden Euro aus dem Just Transition Fonds der Förderperiode 2021 bis 2027.
Diese Strategie hatte die bulgarische Regierung am 30. September 2023 bei der Europäischen Kommission mit drei Jahren Verspätung eingereicht. In diesem Fahrplan beschreibt die Regierung Szenarien und Entwicklungsmöglichkeiten für den Strukturwandel.
Die EU muss ihn noch genehmigen, bevor er umgesetzt werden kann. Allerdings ist unklar, ob die Kommission ihn billigen wird. Den für 2026 schrittweise angepeilten Kohleausstieg hat die bulgarische Regierung bis auf 2038 aufgeschoben.
Schwache Förderung von Investoren in erneuerbare Energien
Die Regierung kommt Investoren in erneuerbare Energien entgegen. Sie sind seit 2021 davon befreit, 5 Prozent ihrer Einnahmen in den bulgarischen Stromsystemsicherheitsfonds einzuzahlen. Dies sei aber zu wenig, heißt es in einer Stellungnahme des Verbandes der bulgarischen Energieproduzenten. Die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von neuen Anlagen und von Energiespeichersystem seien noch zu schlecht, bemängelt der Verband.
Die Mittel aus dem bulgarischen Stromsystemsicherheitsfonds decken die Kosten des staatlichen Versorgers, der National Electricity Company, NEK EAD. Der Fonds speist sich aus den Abgaben der Stromversorger und aus Einnahmen durch den Verkauf von Treibhausgasemissionszertifikaten.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Millionen Euro) | Projektstand | Projektträger |
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Bau einer Anlage zur kombinierten Energieerzeugung (Kraft-Wärme-Kopplungsanlage) in Sofia mit Verwendung von Ersatzbrennstoffen (RDF) | 149,4 | Geplante Fertigstellung: November 2023 | |
Windpark in Balchik 75 bis 100 Megawatt | 120 | In Planung | |
Bau des Gas-Interconnectors Bulgarien-Serbien (IBS) | 76,7 | Voraussichtliches Bauende: August 2022 | |
Sanierung, Modernisierung und Erweiterung des bulgarischen Übertragungsnetzes | 68 | Projektabschluss voraussichtlich im Juni 2022 | |
Sanierung des Wasserkraftwerks Belmeken-Sestrimo-Chaira und Sanierung der 110-KW-Schaltanlage des Wasserkraftwerks Vacha-1 | 42,4 | Geplante Fertigstellung: Anfang 2023 |
Russischer Angriffskrieg bringt Pläne für Strukturwandel durcheinander
Es war auch geplant, Kohle zunächst durch Erdgas zu ersetzen. Doch durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die bisher große Abhängigkeit Bulgariens von russischem Erdgas, ist nun fraglich, inwieweit der Einsatz von Erdgas weiterhin realistisch ist. Die Idee, ein neues Gaskraftwerk auf dem Gelände des Kohlekraftwerks Maritza-Iztok zu bauen, hat die Regierung bereits Anfang März 2022 verworfen. Stattdessen soll aus dem Kohlekraftwerk ein Müllheizkraftwerk werden.
Gasinfrastruktur muss erneuert werden
Bulgartransgaz hat sich mit dem Beitritt zur Europäischen Allianz für grünen Wasserstoff im Juli 2020 dazu verpflichtet, die Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff zu entwickeln. Dafür will das staatliche Unternehmen in den kommenden zehn Jahren rund 3 Milliarden BGN (umgerechnet 1,53 Milliarden Euro) investieren. Ein Drittel davon fließt in die Modernisierung und in den Neubau von Gasnetzen. Dabei sollen die Pipelines besser abgedichtet und die Gaskompressoren auf Wasserstoff, das leichter ist als Erdgas, ausgerichtet sein.
In gut zehn Jahren kann der jährliche Verbrauch von Wasserstoff für Brennstoffzellen, die Kfz, Lokomotiven und Schiffe antreiben, etwa 32 Gigawattstunden betragen. Damit rechnen die Beratungsunternehmen Trinomics und Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST), die im Auftrag der Europäischen Kommission den bulgarischen Klimaplan untersucht haben. Um dieses Ziel zu erreichen, sind in den kommenden Jahren Investitionen in Höhe von jährlich 130 Millionen bis 230 Millionen Euro notwendig. Zunächst jedoch fehlt es an einer Infrastruktur, also den Wasserstofftankstellen, einem modernisierten Gasnetz, um Wasserstoff zu transportieren, und auch an genügend erneuerbaren Energien für grünen Wasserstoff.