Special | Chile | Start-ups
Chile – ein guter Einstiegsmarkt für Start-ups in Lateinamerika
Der Andenstaat verfügt über ein gut entwickeltes Ökosystem für Start-ups und ist ein beliebtes Sprungbrett in weitere Länder der Region. Was macht Chile so attraktiv?
22.09.2023
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Zwar spielt Chile im Vergleich zu den USA, dem Vereinigten Königreich oder Israel nicht in der ersten Liga der internationalen Start-up-Szene, doch innerhalb Lateinamerikas bietet das Land "am Ende der Welt" die zweitbesten Bedingungen für Jungunternehmen - nach dem weitaus größeren Brasilien. Weltweit rangiert der Andenstaat unter 100 bewerteten Ländern immerhin auf Platz 36. Dies ergab der Startup Ecosystem Report 2023 von StartupBlink.
Ein Grund für den Erfolg: Chile bietet Start-ups - wie allen Investoren - ein stabiles politisches Umfeld und einen sicheren Rechtsrahmen. Innerhalb Lateinamerikas liegt das Land nach Uruguay auf dem 2. Platz im Antikorruptionsindex von Transparency International. Außerdem gilt Chile wegen seiner großen kulturellen Nähe zu Europa als "einfacherer" Ausgangspunkt zur Bearbeitung des lateinamerikanischen Marktes als andere Staaten der Region.
"In der globalen Start-up-Szene zählt Chile schon seit längerem zu den Topadressen",
sagt Pamela Valdivia, Repräsentantin des Freistaats Bayern in Santiago de Chile und neben Chile zuständig für die Länder Argentinien, Kolumbien, Peru und Uruguay. "Laut Forbes und The Economist sind die Chancen für Start-ups im sogenannten "Chilecon Valley" ausgesprochen gut. Das Wachstum der dort gegründeten Technologiefirmen beträgt durchschnittlich 13 bis 15 Prozent pro Jahr. Die Geschäftsmodelle haben sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt."
Land | Regionales Ranking | Globales Ranking | Zahl der Städte mit gutem Ökosystem |
---|---|---|---|
Brasilien | 1 | 27 | 28 |
Chile | 2 | 36 | 1 (Santiago, Rang 67 unter 1.000 Städten) *) |
Mexiko | 3 | 37 | 13 |
Kolumbien | 4 | 40 | 11 |
Argentinien | 5 | 47 | 4 |
Uruguay | 6 | 55 | 1 |
Peru | 7 | 69 | 1 |
Costa Rica | 8 | 72 | 1 |
Ecuador | 9 | 81 | 2 |
Panama | 10 | 86 | 1 |
Die wichtigsten Anlaufpunkte für Start-ups aus Deutschland
Um Start-ups den Markteinstieg zu erleichtern, gibt es in Chile eine ganze Reihe von Informations- und Serviceangeboten. Unterstützung bieten unter anderem:
- die AHK in Santiago de Chile mit ihren zahlreichen Angeboten für Start-ups aus Deutschland
- die staatliche Entwicklungsagentur Corfo mit ihren Förderprogrammen für Start-ups, darunter Start-Up Chile
- InvestChile mit vielfältigen Beratungs- und Netzwerkangeboten sowie Inkubatoren/Acceleratoren wie Magical, Imagine oder Endeavor.
Die Akteure helfen Unternehmen, Kontakte zu knüpfen. Dennoch sollten sie prüfen, mit wem sie Geschäftsbeziehungen eingehen: "Es ist sehr wichtig, sich ein seriöses Netzwerk aufzubauen. Denn es tummeln sich viele unseriöse Consultants, die die Unternehmen nur Zeit und Geld kosten", sagt Carolina Moreno, Mitarbeiterin im Bereich Fintech & Venture Capital bei InvestChile.
Gute Entwicklungschancen für Start-ups sieht die staatliche Investitionsförderagentur in den Bereichen FinTech, Bildung, Gesundheit und Food Tech sowie Lithium und grüner Wasserstoff. Dabei könne InvestChile dank seiner eigenen Inkubatoren breiter beraten als etwa die Entwicklungsagentur Corfo.
Als nächsten Schritt für Neueinsteiger empfehlen Branchenkenner eine Kontaktaufnahme mit wichtigen Universitäten des Landes, die - unterstützt von Corfo - alle eigene Inkubatoren betreiben und wo sich die besten Köpfe des Landes finden. Hierzu zählen je nach fachlicher Ausrichtung folgende Hochschulen:
- Universidad de Chile,
- Pontificia Universidad Católica de Chile,
- Universidad de Santiago oder
- die private Universidad Adolfo Ibañez.
Name | Kurzbeschreibung |
---|---|
Markterkundungsreisen | Die AHK Chile organisiert regelmäßig Markterkundungsreisen für deutsche Start-ups nach Chile und umgekehrt; Ansprechpartnerin: Annika Schüttler (E-Mail: aschuttler@ahkchile.cl) |
Energy Challenge Germany & Chile (im Rahmen der deutsch-chilenischen Energiepartnerschaft)
| Organisatoren: u.a. AHK Chile, Bayerische Repräsentanz für Südamerika, GIZ Chile Zielgruppe: Start-ups in Deutschland und Chile, die Lösungen zur Energiewende anbieten |
| Virtueller Hub der Bayerischen Repräsentanz für Südamerika und den AHKn Argentinien, Chile, Kolumbien und Peru. Ziel: Vermittlung strategischer Partner für deutsche Start-ups in Argentinien, Chile, Kolumbien, Peru und Uruguay sowie Unterstützung beim Internationalisierungsprozess; Unterstützung lateinamerikanischer Scale-ups bei einem Markteinstieg in Deutschland |
| Informationsveranstaltung der Bayerischen Repräsentanz für Südamerika Ziel: Anbahnung von Venture Capital-Kooperationen für Hightech-Start-ups; nächster Termin: 18. Oktober 2023 im Hybrid-Format |
Chilean & German Innovation Ecosystem Meetups | Regelmäßige Austauschreihe in Präsenz; Kontakt: Bayerische Repräsentanz für Südamerika |
Falling Walls Lab Chile 2023 | Plattform für innovative Ideen von wissenschaftsbasierten Start-ups; organisiert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Zusammenarbeit mit Partnern; jüngste Veranstaltung: 29. Juni 2023 |
German Accelerator (South America) | Sitz: Buenos Aires (Argentinien) Ziel: Vernetzung der deutschen Start-up-Szene mit Südamerika |
Kleiner Binnenmarkt, aber große Chancen in der Region
Angesichts des kleinen Binnenmarkts mit nur rund 20 Millionen Einwohnern und einer wenig aufgefächerten Industriestruktur sind die Wachstumsmöglichkeiten in Chile begrenzt. Erfolgreiche Start-ups nehmen deshalb relativ schnell auch die Nachbarmärkte ins Visier oder versuchen, sich in den USA zu etablieren.
Vertreter von Start-up Chile oder Magical empfehlen den Andenstaat als Ausgangspunkt für eine Expansion in weitere Märkte der Region, die zwar interessant seien, aber nicht das Maß an institutioneller Sicherheit böten. Eine Ausnahme sei Brasilien. Dort sollten Firmen besser direkt einsteigen, denn das Land sei eher "ein anderer Kontinent".
Nicht grundlos siedeln sich viele Start-ups aus Argentinien, sobald sie "etwas weiter" sind, in Chile an: Sie finden hier das Maß an Zuverlässigkeit, das in ihrer Heimat fehlt. Darüber hinaus ist Chile nicht nur sehr deutsch-affin, auch der Kulturschock dürfte aufgrund der kulturellen und institutionellen Ähnlichkeit viel geringer ausfallen als etwa in Peru oder Bolivien. "It will make the landing softer for you", so Javier Cueto vom Accelerator Imagine.
Ein zusätzlicher Bonus ist die Mitgliedschaft Chiles in der Freihandelszone Pazifische Allianz (Alianza del Pacífico), der außerdem Kolumbien, Mexiko und Peru angehören. Hinzu kommen Freihandelsabkommen mit 18 Ländern sowie das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union, das gerade aktualisiert wird.
Die wichtigste Voraussetzung, so betonen Acceleratoren, sei jedoch: Start-ups sollten sorgfältig prüfen, ob es für das Produkt einen Markt gebe und wer als Kunde in Frage komme. So gilt der Bergbau, die Kernbranche des Landes, als überaus konservativ. Er kooperiere überwiegend mit etablierten Unternehmen und weniger mit Start-ups, bestätigt ein Vertreter des Industrieverbands Sofofa Chile.
Name | Fokus | Anmerkungen |
---|---|---|
Start-Up Chile | gilt als "der" Pre-Seed und Seed Accelerator Chiles, unterstützt auch "Ideen" | Untersteht der staatlichen Wirtschaftsförderagentur Corfo; steht sowohl in- als auch ausländischen Start-ups offen und hat laut eigenen Angaben bisher mehr als 2.500 Unternehmen aus 85 Ländern unterstützt; zu den großen Erfolgen zählt das Foodtech-Unicorn NotCo; besondere Fonds für Unternehmerinnen; unterstützt auch über Chile hinaus Ausweitung der Aktivitäten ins Ausland. |
Magical | Pre-Seed / Seed, für B2B und/oder B2B2C | Von Corfo 2021 als bester Accelerator ausgezeichnet; unterstützt auch über Chile hinaus Ausweitung der Aktivitäten ins Ausland. |
Imagine | Innovative, technologieorientierte Unternehmen, speziell KMU | Von Microsoft unterstützter Business-Inkubator, kooperiert mit AHK Chile und der Bayerischen Repräsentanz in Südamerika; einer der ersten privaten Acceleratoren in Chile; bietet ein Netzwerk aus Mentoren und Unternehmen, verteilt auf Chile, Mexiko, Argentinien, Peru, Kolumbien und Costa Rica. |
GaneshaLab | Biotech-Unternehmen | Seit 2016 in Santiago |
IncubatecUFRO | Smarte und nachhaltige B2B-Lösungen für Städte | Inkubator der Universidad de La Frontera in Temuco |
Founder Institute Santiago | Technologieunternehmen | Weltweit aufgestellter "Pre-Seed"-Accelerator mit Niederlassung in Santiago |
Laut StartupBlink gab es in Chile Anfang 2022 insgesamt 345 Start-ups, davon fast alle in der Metropolregion Santiago (96 Prozent). Hierzu zählen auch die drei Unicorns, die Chile bisher hervorgebracht hat: Cornershop, NotCo und Betterfly.
Den Gründern des 2015 gestarteten virtuellen Marktplatzes Cornershop gelang es, Online-Einkäufe von angeschlossenen Läden aus der Nachbarschaft des Bestellers mit einem Lieferdienst zu verknüpfen; 2021 ging Cornershop komplett an Walmart und Uber über, die das Konzept erfolgreich in anderen Ländern umsetzen. Das ebensfalls 2015 gegründete Start-up NotCo stellt pflanzenbasierte Fleisch- und Molkereierzeugnisse her ("Notburger", "Notmilk", "Notchicken"). Basis der Rezepturen ist "Guiseppe", ein Algorithmus, der die Molekularstruktur der nachzuahmenden Produkte analysiert und auf pflanzliche Ausgangsstoffe überträgt. Es besteht eine Kooperation mit dem US-Konzern Kraft Heinz. Die App des 2018 gegründeten Insurtech-Unternehmens Betterfly belohnt Angestellte für gesundheitsfördernde Aktivitäten und Gewohnheiten über Einzahlungen des Arbeitgebers in eine Lebensversicherung. Der Versicherungsschutz wächst mit einem gesünderen Lebenswandel. Außerdem besteht die Möglichkeit, über die Plattform für wohltätige Zwecke zu spenden. |
Allerdings spiegeln diese Zahlen nicht die gesamte Start-up-Szene wider, etwa fehlen die Start-ups von IncubatecUFRO in Temuco. Klar ist jedoch: das Start-up-Geschehen konzentriert sich im Wesentlichen auf Santiago - was nicht heißt, dass nicht anderswo im Land interessante Ideen umgesetzt werden.
Standort | Zahl |
---|---|
Metropolregion Santiago de Chile | 332 |
Valparaíso | 5 |
Viña del Mar | 4 |
Concepción | 4 |
Gesamt | 345 |
Laut StartupBlink sind etwa 35 Prozent aller chilenischen Start-ups im Bereich Software und Datenverarbeitung tätig. Der Fintech-Sektor sowie E-Commerce und Handel folgen mit jeweils rund 13 Prozent auf den Plätzen zwei und drei.
Sektor | Zahl |
---|---|
Software und Datenverarbeitung | 122 |
Fintech | 46 |
E-Commerce und Handel | 44 |
Soziales und Freizeit | 40 |
Gesundheit | 26 |
Marketing und Verkauf | 19 |
Bildung | 16 |
Energie und Umwelt | 14 |
Hardware und Internet of Things | 12 |
Foodtech | 9 |