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Flugverkehr in China erholt sich langsam vom Lockdown-Schock
Der Inlandsflugverkehr springt wieder an, aber es drohen jederzeit Rückschläge. Das internationale Passagiergeschäft bleibt weiterhin am Boden. Die Frachtsparte läuft relativ rund.
13.07.2022
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Flugverkehrsbranche in China steckt in einer tiefen Krise. Seit dem 2. Halbjahr 2021 hat sich ihr Geschäft stetig eingetrübt. Im Frühjahr 2022 schließlich kam es zu einer regelrechten Implosion des Flugverkehrs. Dafür war an erster Stelle die staatliche Null-Covid-Politik verantwortlich. Selbst bei vergleichsweise kleineren Ausbrüchen setzen die Behörden massiv auf Lockdowns.
Im Frühjahr 2022 waren Dutzende Millionenstädte betroffen. Am stärksten litt Shanghai. Dort gab es über zwei Monate ein komplettes Ausgehverbot. Das wirtschaftliche Leben kam fast vollständig zum Erliegen. Zwar blieben die beiden Flughäfen der Metropole offiziell offen. Allerdings steckten Passagiere, Lkw-Fahrer und Airport-Mitarbeiter in Quarantäne fest oder kamen nicht durch Straßensperren, sodass ihnen der Weg zu den Flughäfen versperrt war.
Reisebüros berichten von stark steigenden Buchungen
Seit Anfang Juni 2022 bewegt sich die Yangzi-Metropole Shanghai wieder Schritt für Schritt in Richtung Normalität. Auch in anderen Landesteilen scheint sich die Pandemielage gebessert zu haben. Der Inlandstourismus erholt sich. Reisebüros berichten von einer starken Zunahme der Buchungen, allerdings von einem äußerst geringen Basisniveau ausgehend. Vom Vorpandemielevel dürfte man noch weit entfernt sein.
In vielen Städten und Regionen gibt es immer noch Beschränkungen unterschiedlichster Ausprägung. Es herrscht ein völlig unübersichtlicher Flickenteppich. Die Zentralregierung hat zudem kaum Zeichen gesendet, dass sie von ihrer Null-Covid-Strategie abweichen will. Ganz im Gegenteil verfolgen die lokalen Behörden diese - gescheiterte - Politik noch strikter als zuvor. So werden Beamte bestraft, wenn die Infektionslage außer Kontrolle gerät. Für die massiven wirtschaftlichen Konsequenzen drakonischer Coronamaßnahmen ist hingegen noch niemand gemaßregelt worden.
Man muss in China überall und jederzeit mit neuen Lockdowns rechnen. Vom Vorpandemieniveau bleibt die Flugbranche noch meilenweit entfernt.
Daher muss man in den nächsten Monaten immer und überall bei lokalen Ausbrüchen mit Lockdowns rechnen. In der Touristenhochburg Xian, der Heimat der weltberühmten Terrakotta-Armee, wurden Anfang Juli wieder entsprechende Einschränkungen eingeführt. Erstmals in China wurde hier die gefürchtete Omikron-Variante BA.5 nachgewiesen. Wohlgemerkt hatte es in der Millionenmetropole zur Jahreswende 2021/22 bereits einen monatelangen Lockdown gegeben.
Insgesamt flaue Konsumlaune
Dementsprechend besteht bei den potenziellen Urlaubern Unsicherheit. Ob sie verreisen dürfen, hängt vor allem davon ab, ob ihre Corona-App grünes Licht gibt. Das kann sich von einem Tag auf den anderen ändern. Zudem ist die Konsumneigung und -fähigkeit stark zurückgegangen. Nicht wenige haben in Folge von Null-Covid ihren Arbeitsplatz verloren. Die Unternehmen stellen kaum neu ein. Die Erwerbslosenquote bei den unter 25-Jährigen lag im Mai 2022 bei gut 18 Prozent. Hinzu kommen die Auswirkungen der Immobilienkrise. Praktisch alle Hausbesitzer sind wegen der fallenden Preise auf dem Papier ärmer geworden.
Die offiziellen Statistiken der Civil Aviation Administration (CAAC) spiegeln die Lage deutlich wider. Der Passagierverkehr ist im April und Mai 2022 um rund 80 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Für die ersten fünf Monate ergab sich ein Minus von mehr als 50 Prozent. Gegenüber dem Vorpandemieniveau von 2019 kam dies sogar einem Rückgang von nahezu zwei Dritteln gleich. Die Zahlen für Juni/Juli 2022 dürften weniger dramatisch ausfallen. Ab August/September könnte es dann wieder zu Rückschlägen kommen.
Internationaler Flugverkehr um fast 99 Prozent rückläufig
Hinzu kommt, dass es fast keinen Passagierverkehr zwischen China und dem Rest der Welt gab. Ausländer dürfen entweder gar nicht ins Land oder müssen eine lange Quarantäne absolvieren. Zugleich stellen chinesische Behörden kaum noch neue Pässe für ihre Staatsbürger aus. Für die ersten fünf Monate 2022 zählte die Luftfahrtbehörde lediglich knapp eine halbe Million internationale Fluggäste. Damit lag die Passagierzahl gerade einmal bei 1,5 Prozent des Vorkrisenniveaus (2019).
Indikator | 2019 | 2020 | 2021 | Veränd. 2022/211 |
---|---|---|---|---|
Passagieraufkommen (in Mio.), davon | 659,9 | 417,8 | 440,6 | -52,9 |
inländisch2 | 574,6 | 407,2 | 438,5 | -53,0 |
international | 85,3 | 10,5 | 2,1 | -27,7 |
Frachtaufkommen (in Mio. t), davon | 7,5 | 6,8 | 7,3 | -18,6 |
inländisch2 | 4,9 | 4,4 | 4,5 | -27,7 |
international | 2,6 | 2,2 | 2,9 | -4,7 |
Starts und Landungen (in Mio.) | 11,7 | 9,0 | 5,0 | -33,8 |
Auslastungsquote Passagierverkehr (in %) | 83,2 | 71,9 | 72,4 | -9,93 |
Auslastungsquote Frachtverkehr (in %) | 71,6 | 66,2 | 66,9 | -3,73 |
Besserung ist nicht in Sicht. Zwar hat China die Quarantäneauflagen bei der Einreise etwas gelockert. So muss man nur noch eine Woche im Hotel und anschließend fünf Tage zu Hause verbringen. Doch bis eine komplett quarantänefreie Einreise wieder möglich wird beziehungsweise Geschäftsreisende und Touristen wieder einreisen dürfen, wird noch viel Zeit verstreichen. Vor dem Frühjahr 2023 rechnet kaum jemand mit umfangreichen Lockerungen.
Flugtickets nach China äußerst rar und teuer
Hinzu kommt: Es ist äußerst schwierig bis unmöglich geworden, an internationale Flüge zu gelangen. Die wenigen noch bestehenden Flugverbindungen sind bis zum Jahresende 2022 fast vollständig ausgebucht. Die Ticketpreise haben sich vervielfacht. Viele Chinesen versuchen daher, über die Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong in ihre Heimat zurückzukommen. Die ausländischen Airlines wollen zwar ihre Kapazitäten hochfahren, doch das ist nur schwer umsetzbar. Flugpersonal ist knapp und wird dringend in den lebhaften US-amerikanischen und europäischen Märkten benötigt.
Das inländische Frachtgeschäft war von den Lockdowns ebenfalls betroffen, denn Passagiermaschinen befördern eine Menge Beifracht. In den ersten fünf Monaten 2022 schrumpfte es um rund 28 Prozent. In der internationalen Sparte fiel der Rückgang mit 5 Prozent allerdings deutlich kleiner aus. Ohne Hongkong, Macau und Taiwan betrug das Minus sogar nur 3 Prozent. Doch in den nächsten Monaten könnte es auch hier eine Abkühlung geben. Dem bislang boomenden Exportsektor geht die Luft aus. Internationale Firmen suchen zunehmend Alternativen zum chinesischen Absatz- und Beschaffungsmarkt.
Flughafen | Passagierzahlen (in Millionen) | Frachtumschlag (in Millionen Tonnen) |
---|---|---|
Guangzhou/Baiyun | 40,2 | 2,0 |
Chengdu/Shuangliu | 40,1 | 0,6 |
Shenzhen/Bao'an | 36,4 | 1,6 |
Chongqing/Jiangbei | 35,8 | 0,5 |
Shanghai/Hongqiao | 33,2 | 0,4 |
Beijing/Capital | 32,6 | 1,4 |
Kunming/Changshui | 32,2 | 0,4 |
Shanghai/Pudong | 32,2 | 4,0 |
Xi'an/Xianyang | 30,2 | 0,4 |
Hangzhou/Xiaoshan | 28,2 | 0,9 |