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Mehr Containerzüge rollen zwischen China und Europa
Nach kurzer Unterbrechung infolge des Ukrainekrieges steuert das Transportvolumen auf der Bahnstrecke auf einen Rekord zu. Die Frachtraten werden stark subventioniert.
29.11.2022
Von Roland Rohde | Bonn
In China werden Waren vor allem mit dem Lkw transportiert. Die Bahn spielt lediglich im Schüttgutbereich eine gewisse Rolle, etwa bei Kohle und Erzen. Die Beförderung von Containern per Schiene stellt weiterhin eher die Ausnahme dar. Schon seit mehr als zehn Jahren gibt es jedoch eine Zugverbindung zwischen China und Europa. Auf drei Hauptstrecken fahren mehrmals am Tag Züge mit bis zu 100 Containern. In Deutschland steuern sie unter anderem Hamburg, Duisburg, Nürnberg und München an.
Das Projekt hat seine Höhen und Tiefen erlebt. In den ersten Jahren rollten die Züge noch halbleer durch die Landschaft. Daraufhin senkte die chinesische Staatsbahn die Frachtraten, sodass die Auslastung sich etwas besserte. Dafür schreibt die Strecke rote Zahlen, denn Unternehmen können ihre Waren zu stark subventionierten Preisen versenden. Wie die Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post berichtet, belaufen sich die Subventionen je nach Strecke auf 3.000 bis 7.500 US-Dollar (US$) pro Container.
Das Vorzeigeprojekt schreibt rote Zahlen, da Container mit bis zu 7.500 US$ subventioniert werden.
Trotzdem blieb das Interesse lange Zeit bescheiden. Im Prinzip bot die Strecke nur für Produzenten im Landesinneren Vorteile. Insbesondere im Großraum Chengdu und Chongqing, dem ökonomischen Zentrum der weniger entwickelten westlichen Provinzen der Volksrepublik, konnte sich die Bahn als Alternative etablieren. Ohne die Zugverbindung müssen dortige Fabriken ihre Waren per Lkw oder Binnenschiff zu den Terminals des Containerhafens in Shanghai befördern. Das erhöht die Transportzeiten und -kosten.
Covid-19 beflügelte Schienentransport
Den eigentlichen Durchbruch brachte erst die Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021, da es zu erheblichen Engpässen bei den Transportkapazitäten kam. Schiffe stauten sich wegen Lockdowns oft wochenlang vor den Häfen Shenzhens oder Shanghais. Die Frachtraten stiegen in schwindelnde, bis dato unbekannte Höhen. Alles, was fahren konnte, wurde daraufhin in Gang gesetzt. Die Bahnstrecke war viele Monate lang nahezu komplett ausgebucht. Daraufhin erhöhte die Staatsbahn auch die Frachtraten.
Indikator | 2021 | Veränderung | 20221 | Veränderung |
---|---|---|---|---|
Anzahl Fahrten | 15.183 | 22,0 | 16.500 | 9,0 |
Beförderte Container (in Millionen TEU)2 | 1,5 | 29,0 | 1,6 | 9,0 |
Angst vor Sanktionsverstößen ebbt schnell ab
Doch nach dem Beginn des Ukrainekrieges mieden zunächst viele Unternehmen die Verbindung, die über russisches Staatsgebiet führt. Sie fürchteten, möglicherweise gegen Sanktionen zu verstoßen. Versicherungen weigerten sich zeitweise, die transportierten Waren zu versichern. Zugleich stieg die Konkurrenz vonseiten des Seeverkehrs. Dort sanken im Verlauf des Jahres 2022 die Frachtraten um mehr als 80 Prozent. Außerdem verbesserten sich die Laufzeiten erheblich, die während Corona stark gestiegen waren.
Die Bahn transportiert auf der Strecke zwischen China und Europa im Jahr so viele Container, wie der Hafen in Shanghai innerhalb von nur zwei Wochen abfertigt.
Trotzdem konnte die Bahn sich behaupten. Die Angst vor Sanktionsverstößen währte nicht lange beziehungsweise stellte sich als unbegründet heraus – solange die beförderten Güter sich nicht auf der Sanktionsliste wiederfinden. Des Weiteren wurde der Transport auf der Schiene wieder deutlich günstiger. Nach Angaben des chinesischen Logistikanbieters GoodHope Freight liegen die Beförderungsraten auf den Strecken von Chengdu, Chongqing oder Wuhan in ausgewählte deutsche Städte im November 2022 um die 5.000 US$. Von Shanghai aus müssen Firmen allerdings fast 8.000 US$ für einen Vierzig-Fuß-Standardcontainer ausgeben.
Strecke | Preis |
---|---|
Xiamen – Duisburg oder Hamburg | 3.950 |
Xi'an – Duisburg oder Hamburg | 4.000 |
Chengdu – Nürnberg | 4.600 |
Wuhan – Duisburg oder Hamburg | 4.900 |
Chongqing – Duisburg | 5.300 |
Shenzhen oder Foshan – Duisburg oder Hamburg | 5.400 |
Chongqing – Hamburg | 5.500 |
Wuhan – München | 6.600 |
Shanghai – Duisburg | 7.600 |
Shanghai – Hamburg | 7.800 |
Transportvolumen erreicht neuen Rekord
Das Geschäft auf der China-Europa-Linie steuert infolgedessen auf neue Rekordwerte zu. In den ersten zehn Monaten 2022 stieg die Anzahl der Fahrten und der transportierten Container laut Angaben der chinesischen Staatsbahn um jeweils rund 9 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Bis zum Dezember dürfte das gesamte Transportvolumen 1,6 Millionen Zwanzig-Fuß-Standardcontainer (TEU) erreichen. Das hört sich nach viel an, ist aber im Vergleich wenig. So viel Ware wird im Hafen von Shanghai etwa innerhalb von zwei Wochen abgefertigt.
Bahn bleibt Nischenangebot für Produzenten im Hinterland
Damit bleibt der Containerzug eine für im Landesinneren produzierende Betriebe interessante Alternative. Die Zugverbindung ist schneller als der Seeverkehr, in der Regel brauchen die Züge höchstens die Hälfte der Zeit. Die Frachtraten sind zudem nicht so erratisch, da sie von der chinesischen Staatsbahn festgelegt werden. Im Vergleich zur Luftfracht ist die Bahn wiederum um ein Vielfaches preiswerter. Doch im landesweiten Maßstab bleibt die Schiene ein Nischenangebot. Kaum eine Firma versendet ihre Waren von Shenzhen oder Shanghai aus mit dem Zug.
Schiene | Luft | See |
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Transit 2 bis 3 Wochen | Transit 2 bis 10 Tage | Transit 4 bis 6 Wochen |
Hohe Frequenz und Flexibilität | Hohe Frequenz | Hohe Frequenz |
Mehrere Container per Zug | Nur Güter mit geringem Gewicht | Frachtraten schwanken stark |
Umweltfreundlich | Hohe Transportkosten | Sehr langsamer Transport |
Die chinesische Regierung will die Verbindung weiter ausbauen. Die Pläne konzentrieren sich im Wesentlichen auf den Bau von unterstützender Infrastruktur wie Lagerhäusern oder Logistik- und Industrieparks. Die Projekte werden vielfach von der China Development Bank finanziert. So wurden beispielsweise 2022 die Containerabfertigungskapazitäten in Erenhot an der Grenze zur Mongolei ausgebaut. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Knotenpunkt der Bahnstrecke zwischen Europa und China.