Special China Seidenstraße
Chinas Nachbarn bleiben an neue Seidenstraße gebunden
Zwei Nachbarregionen Chinas verzeichnen vor dem Belt-and-Road-Forum im Oktober 2023 deutlich mehr Aktivitäten. Eine Boom-Region des Vorjahres verliert dagegen deutlich.
18.10.2023
Von Marcus Hernig | Bonn
China lädt zum dritten Belt-and-Road-Forum: Am 17. und 18. Oktober 2023 empfängt Staatschef Xi Jinping internationale Staatsgäste in Peking – Europäische Regierungsvertreter bleiben dem Gipfel weitgehend fern. Im 3. Quartal 2023 wechselten Fortschritte und Rückschläge auf Chinas neuer Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI) einander ab: Zuerst stellte Chinas Export- und Importbank (EXIM) weitere Zahlungen für das ungarische Teilstück des Bahnprojekts von Belgrad nach Budapest ein: Die technischen Auflagen des Europäischen Zugbeeinflussungssystems (ETCS, European Train Control System) konnten nicht erfüllt werden. Dagegen fährt in Indonesien nach acht Jahren Bauzeit nun der erste chinesische Hochgeschwindigkeitszug außerhalb Chinas zwischen Jakarta und Bandung.
Auf Chinas neuer Seidenstraße registrierte GTAI zwischen Juli und September 2023 insgesamt 304 neue Vorhaben, bei denen chinesische Unternehmen eine Ausschreibung im Ausland gewonnen, einen Vertrag unterzeichnet oder eine gemeinsame Absichtserklärung (MoU, Memorandum of Understanding) geschlossen haben. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg die Projektanzahl um rund 18 Prozent. Viele Neuabschlüsse dienen allerdings dem Ausbau oder der Wartung bereits laufender Projekte.
Nachbarregionen sind Schwerpunkte des chinesischen Auslandsbaus
Chinesische Bauunternehmen sind verstärkt in den unmittelbaren Nachbarregionen Chinas aktiv. Damit rückt die BRI näher an China selbst heran. Mit 99 registrierten Projekten steht der Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) an der Spitze des Projektrankings. Die Anzahl der Aufträge stieg um fast 55 Prozent gegenüber den 64 Vorhaben des 3. Quartals 2022. Schwerpunktsektoren in der ASEAN-Region sind die Branchen Energie mit 22 sowie Bergbau und Metallurgie mit 16 Einzelprojekten.
In Chinas westlicher Nachbarregion Zentralasien haben sich die Verträge und Absichtserklärungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum knapp verdreifacht – und gegenüber dem 3. Quartal 2021 sogar versechsfacht. In West- und Südasien gingen die Projektzahlen gegenüber dem Vorjahresquartal allerdings deutlich zurück: Das Minus betrug 43 beziehungsweise 33 Prozent.
Mehr Projekten in Europa steht Rückgang in Lateinamerika gegenüber
Mit 27 neuen Vorhaben gegenüber nur 16 im Vorjahreszeitraum erlebte Europa im 3. Quartal 2023 wieder mehr Aktivitäten chinesischer Unternehmen. Allerdings verbuchen chinesische Quellen auch die Lieferung von Schiffen nach Griechenland und Belgien als "BRI-Projekte". In Norwegen ermöglichen zwei neue Vertragsabschlüsse den weiteren Einsatz der in China entwickelten Technologie von COSL Drilling Europe für die Offshore-Erdgasförderung.
Anders als in Europa gingen die BRI-Aktivitäten in Lateinamerika im Vergleichszeitraum wieder deutlich zurück: Lediglich 19 neue Projekte konnten dort registriert werden. Das ist nur noch knapp die Hälfte der Projektzahl im Vorjahreszeitraum.
Chinas Staatsunternehmen bleiben in Afrika engagiert
Mit 74 registrierten Projekten im 3. Quartal 2023 – gegenüber 67 im Vorjahreszeitraum – blieben die Entwicklungen in Afrika weitgehend konstant: Chinesische Unternehmen der Zentralregierung wie auch der Provinzen gewannen neue Ausschreibungen für den Straßenbau, beispielsweise in Ruanda, Tansania und Kamerun. Hier finanziert die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB, African Development Bank) die Projekte. Ausschreibungsgewinne chinesischer Staatsfirmen zum Bau neuer Kraftwerke, besonders in Südafrika und der Demokratischen Republik Kongo, fallen ebenfalls in den Berichtszeitraum.
Energie- und Transportvorhaben nehmen wieder zu
Fast 40 Prozent aller Vorhaben entfallen auf den Energiesektor. Die wenigen Projekte mit einem Investitionsvolumen von mehr als 1 Milliarde US-Dollar (US$) finden sich vor allem in Südost- und Zentralasien: Auf den Philippinen konnte das Staatsunternehmen Sinomach gleich mehrere Zuschläge für den Bau von Kraftwerksprojekten mit Solarenergie und Gas gewinnen.
In Kirgisistan will die Regierung Solarkraftwerke mit chinesischen Unternehmen bauen. Das milliardenschwere Vorhaben soll mittelfristig Abhilfe bei der Energieversorgung schaffen: Das zentralasiatische Land gewinnt rund 90 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft. Wegen akuten Wassermangels hat die kirgisische Regierung im Juli 2023 einen Energienotstand ausgerufen, der bis Ende 2026 dauern soll. Trotz schrumpfender Wasserressourcen hat das kirgisische Energieministerium mit Power China, China Railway Construction und Green Gold Energy Investitionen in Höhe von bis zu 3 Milliarden US$ für den Bau des Wasserkraftwerks Kazarman am Fluss Naryn vereinbart – nur wenige Tage vor Verkündung des Notstands.
Nach einem deutlichen Rückgang im Vorjahreszeitraum liegt der Transportbereich im 3. Quartal 2023 mit einem knappen Fünftel der BRI-Projekte fast wieder auf dem Niveau des entsprechenden Zeitraums von 2021. Neben vielen kleinen Ausbau- und Erweiterungsvorhaben im Straßen- und Brückenbau fällt ein Großprojekt auf: Der Verkauf des australischen Eisenbahnbauers John Holland an die China Communications Group bescherte dem Staatsunternehmen in Australien einen Auftrag in Höhe von 4,6 Milliarden US$.
Bergbau und Industrie bleiben strategisch bedeutend
Bergbau und Industrie bleiben im 3. Quartal 2023 der zweitwichtigste BRI-Sektor. Die Projekte dienen vor allem der strategischen Rohstoffsicherung. Das wurde im Berichtszeitraum besonders deutlich: Die Absichtserklärung von Zijin Mining, insgesamt 3,81 Milliarden US$ in Serbiens Kupfer- und Goldmine Cukaru Peki zu investieren, sticht unter den insgesamt 60 Projekten dieses Sektors heraus. Bemerkenswert ist auch die kombinierte Investition in Aluminiumschmelzen und gleich fünf Wasserkraftwerke für die Energiegewinnung in Indonesien. Den Zuschlag für die Schmelzen erhielt die Aluminium Corporation of China (CHINALCO).
Land | Branche | Projekt | Unternehmen und Projekttyp | Investitionssumme |
Australien | Transport | Queensland Train Manufacturing Program: Zugfabrik für 65 Züge plus Wartung | John Holland (100% China Communications Corp.); Vertrag | 4,6 Milliarden US$ für das Gesamtprojekt |
Indonesien | Bergbau, Industrie | Aluminiumschmelzen und Wasserkraftwerke | CHINALCO; Gewinn der Ausschreibung für Aluminiumschmelzen | Aluminiumschmelzen: 150 Mio. US$; Wasserkraftwerke: k.A. |
Kirgisistan | Energie | Solarkraftwerk mit 1,5 GW Kapazität | Molin Energy Co. Ltd.; BOT-Vertrag mit Energieministerium | 1,2 Milliarden US$ |
Kongo, Demokratische Republik | Energie | Solarkraftwerk mit 1 GW Kapazität | Energy China; EPC-Vertrag | k.A. |
Philippinen | Energie | Kraftwerksprojekte (erneuerbare und fossile Energien) | Sinomach; 5 EPC-Verträge, 1 MoU | 1 Milliarde US$ |
Serbien | Bergbau, Industrie | Kupfer- und Goldmine Cukaru Peki, Bor | Zijin Mining; Absichtserklärung | 3,81 Milliarden US$ |
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