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Deutsche Unternehmen profitieren von finnischen Klimazielen
Finnlands Windenergiesektor soll massiv ausgebaut werden. Dafür laufen bereits jetzt zahlreiche Onshore-Projekte. Auch im Offshore-Bereich gibt es positive Entwicklungen.
31.08.2022
Von Niklas Becker | Helsinki
Finnland will im Jahr 2035 klimaneutral sein. Um dies zu erreichen, wird die Stromgewinnung aus Windkraft eine entscheidende Rolle spielen. Im Jahr 2020 entfielen etwa 11,5 Prozent der finnischen Elektrizitätserzeugung auf diese Technologie. In Zukunft wird der Anteil deutlich steigen. Das zeigt unter anderem eine Studie des finnischen Innovationsfonds SITRA. Demnach sollen sich in Finnland die installierten Stromkapazitäten in der Windenergie von 2020 bis 2035 versiebenfachen.
Jahresrekord binnen sechs Monaten eingestellt
Deutlich werden die rasanten Entwicklungen beim Blick auf die Zahl der neu installierten Windkraftanlagen. Laut Windenergieverband verzeichnete Finnland 2021 mit 141 neu installierten Anlagen und einer Gesamtkapazität von 671 Megawatt einen neuen Rekord. 2022 wurde dieser bereits innerhalb der ersten sechs Monate eingestellt. Derzeit zählt der Windenergieverband 154 neue Windkraftanlagen mit einer Gesamtkapazität von 784 Megawatt. Staatliche Förderung spielt dabei keine große Rolle, denn nur ein Drittel der neu hinzugewonnenen Leistung kommt aus Windparks mit staatlicher Unterstützung.
Inklusive der neuen Anlagen kommt Finnland zur Jahresmitte 2022 auf eine installierte Windkraftkapazität von etwa 4.000 Megawatt. Bis 2025 dürfte sich die Zahl fast verdoppeln. Das zeigen Informationen des Windenergieverbandes über die sich derzeit im Bau befindlichen Projekte. Laut Liste vom 30.06.2022 sind es Windparks mit einer Gesamtkapazität von mehr als 3.700 Megawatt. All diese Projekte werden ohne staatliche Förderung realisiert.
Deutsche Firmen mischen bereits mit
Die finnischen Klimaziele und der damit verbundene Ausbau der Windenergie im Land bieten eine Reihe von Chancen für deutsche Unternehmen. So konnte sich der Hamburger Windkraftanlagenhersteller Nordex in der jüngeren Vergangenheit mehrere Aufträge aus Finnland sichern. Und auch die beiden deutschen Projektentwickler VSB Gruppe und Energiequelle haben sich erfolgreich auf dem finnischen Markt etabliert.
Energiequelle hat im Mai 2021 mit dem Windpark Paltusmäki seinen ersten finnischen Windpark ans Netz angeschlossen. Nummer 2 und 3 sollen bis zum Jahresende 2022 dazukommen. Die Projektpipeline des Unternehmens umfasst laut eigener Internetseite finnische Windparks mit mehr als 1.000 Megawatt Gesamtkapazität. Paltusmäki wurde nach Fertigstellung an den deutschen Stromproduzenten Encavis AG verkauft. Energiequelle bleibt allerdings weiterhin Betreiber des Windparks.
Die VSB Gruppe berichtete im Juli 2022, dass der Markteintritt in Finnland erfolgreich gelungen sei. Das in Dresden ansässige Unternehmen verkaufte zwei Windparks mit einer Gesamtleistung von 190 Megawatt an das finnische Energieunternehmen Helen. Der kleinere der beiden Parks "Juurakko" mit einer Gesamtleistung von 40 Megawatt soll Ende 2022 fertiggestellt werden. Es ist der erste Windpark, den das Unternehmen in Finnland als Entwickler und Betreiber in Betrieb nimmt. Der zweite, in Karahka geplante Windpark, soll aus 25 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 150 Megawatt bestehen. Der Bau soll im Herbst 2022 beginnen und bis Ende 2024 abgeschlossen sein.
Entwicklungen im Offshore-Bereich laufen an
Offshore-Windenergie spielt in Finnland bisher keine Rolle. Die beiden einzigen Offshore-Windparks kommen auf eine Gesamtkapazität von lediglich 44 Megawatt. In Zukunft könnte die auf dem Meer gewonnene Windenergie aber an Bedeutung gewinnen. Die Regierung treibt die Entwicklung voran und will bereits 2023 und 2024 Auktionen für die Verpachtung von Wasserflächen durchführen.
In Finnland gibt es rund ein Dutzend Offshore-Projekte mit einer geplanten Gesamtkapazität von fast 10.000 Megawatt. So plant Suomen Hyötytuuli beispielsweise, seinen bestehenden Offshore-Windpark nahe Tahkoluoto deutlich zu erweitern. Derzeit stehen dort 11 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 42 Megawatt. Im Rahmen der Erweiterung sollen 43 Anlagen mit einer Kapazität von jeweils 11 bis 20 Megawatt dazukommen. Aktuell läuft die Umweltverträglichkeitsprüfung. Darüber hinaus plant das Unternehmen ein ähnlich großes Offshore-Projekt in den finnischen Gewässern vor Raahe.
Militärische Radaranlagen verhindern Ausbau in Ostfinnland
Der Großteil der Windenergieanlagen befindet sich an Finnlands Westküste. Vor allem die Region Nordösterbotten (Pohjois-Pohjanmaa) in Nordfinnland spielt eine große Rolle. Laut Experten ist der Bau von Windkraftparks im Osten des Landes sehr kompliziert. Grund hierfür sind militärische Radaranlagen, die durch die Windkrafträder gestört werden könnten.
Wie die finnische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt YLE berichtet, genehmigten Finnlands Streitkräfte zwischen 2011 und Ende Mai 2022 im Westen des Landes rund 10.000 Windkraftanlagen. In Ostfinnland waren es lediglich einige Dutzend.
Große Windparks gewinnen weiter an Bedeutung
Der Großteil der Windparks im finnischen Bestand hat eine Kapazität von mehr als 70 Megawatt. Nach Angaben des Windenergieverbandes trifft das auf jeden dritten Park im Land zu. 13 Prozent der Windparks kommen auf eine Leistung zwischen 50 und 70 Megawatt. Bei jeweils einem Viertel sind es zwischen 30 und 50 beziehungsweise 10 bis 30 Megawatt. Rund 6 Prozent entfallen auf Windparks mit einer Leistung von weniger als 10 Megawatt.
Die Daten des Verbandes zeigen zudem, dass vor allem große Windparks in Finnland an Bedeutung gewinnen. So hatte mehr als jeder dritte im 1. Halbjahr 2022 fertiggestellte Windpark eine Kapazität von mehr als 100 Megawatt. Bei fast 20 Prozent lag die Kapazität zwischen 80 und 100 Megawatt.