Wirtschaftsausblick | Finnland
Staatsverschuldung bleibt das bestimmende Thema
Finnlands Wirtschaft hofft auf Wachstum im Jahr 2025. Ein neues Vorhaben der Regierung könnte sich allerdings negativ auf den deutsch-finnischen Handel auswirken.
21.11.2024
Von Niklas Becker | Helsinki
Top-Thema: Staatsverschuldung steigt weiter
In keinem anderen EU-Land steigt die Staatsverschuldung so deutlich wie in Finnland. Laut Eurostat belief sich der finnische Schuldenstand im 2. Quartal 2024 auf 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ein Zuwachs im Jahresvergleich um 5,2 Prozentpunkte – EU-Spitzenwert. Zum Vergleich: Im Durchschnitt sank die Staatsverschuldung aller EU-Mitgliedstaaten um 0,4 Prozentpunkte. Laut Prognosen der Europäischen Kommission von November 2024 bleibt das Tempo der finnischen Verschuldung rasant. Im Jahr 2026 soll sie 85,3 Prozent des BIP erreichen.
Der Abbau der finnischen Staatsverschuldung war das bestimmende Thema des Wahlkampfes 2023 und steht auf der Prioritätenliste der Regierung. Sie hat bereits eine Reihe von Sparmaßnahmen erlassen. Aus Sicht des Internationalen Währungsfonds seien diese ein wichtiger erster Schritt, allerdings seien zusätzliche Haushaltskonsolidierungen notwendig.
Ein weiteres Thema auf der Agenda der Regierung ist eine Verschärfung der Einwanderungs- und Aufenthaltsbedingungen. Das Vorhaben stößt in der Wirtschaft auf Kritik. Das Land ist aufgrund der alternden Gesellschaft auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. "Finnische Technologieunternehmen brauchen Fachkräfte. Wenn wir das nicht durch Zuwanderung sicherstellen können, werden Wachstum und Investitionen nur eine Wunschvorstellung bleiben", sagt Minna Helle, Geschäftsführerin des finnischen Verbands der technischen Industrien (Teknologiateollisuus), gegenüber der Wirtschaftszeitung Kauppalehti.
In Finnland laufen im November und Dezember 2024 zahlreiche allgemeingültige Tarifverträge aus. Im Zuge der Neuverhandlungen kann es zu umfassenden Streiks kommen. In der Vergangenheit waren auch die finnischen Häfen von den Streiks betroffen, was zu Einschränkungen beim Im- und Export führte.
Wirtschaftsentwicklung: Die Wende lässt 2024 weiter auf sich warten
Für Finnlands Wirtschaft soll es der Europäischen Kommission zufolge 2025 endlich wieder positive Nachrichten geben. Für 2025 erwarten die Fachleute einen Zuwachs des finnischen BIP um 1,5 Prozent. Den Aufschwung soll eine Erholung des privaten Konsums und der Investitionen bringen. Auch die finnischen Waren- und Dienstleistungsexporte werden dank einer steigenden Auslandsnachfrage zulegen und so das Wirtschaftswachstum stützen.
Finnlands Industrie verdient ihr Geld im Ausland
Für die finnische Wirtschaft spielt die Auslandsnachfrage eine große Rolle. Sie macht rund drei Viertel der Aufträge in den technischen Industrien aus. Finnlands Industrieunternehmen meldeten im Jahresverlauf 2024 einen starken Rückgang der Bestellungen. Allerdings sollen die Exporte 2025 nach zwei Jahren Pause wieder wachsen, so die Europäische Kommission.
Der Präsidentenwechsel in den USA könnte sich finnischen Unternehmensverbänden zufolge jedoch negativ auswirken. Sie befürchten, dass es durch die von Donald Trump im Wahlkampf angekündigten Importzölle und mögliche europäische Gegenreaktionen zu einem eskalierenden Zollkrieg kommen könnte. "Für ein exportorientiertes Land wie Finnland wäre das besonders schlimm", sagt Helle.
Investitionen sollen wieder steigen
Finnlands Bruttoanlageinvestitionen sollen 2025 wieder steigen. In den zwei Jahren zuvor hatte das Land deutliche Rückgänge gemeldet. Hintergrund ist die Entwicklung in Finnlands Baubranche. Der Sektor befindet sich derzeit in einer Rezession, weshalb die Investitionen deutlich zurückgingen.
Dabei steckt vor allem der Wohnungsbau in einer Krise. Sinkende Finanzierungskosten und ein rückläufiges Angebot an neuen Wohnungen dürften jedoch zu einer Erholung der Bauinvestitionen führen. Umfragen unter finnischen Verbrauchern bestätigen die besseren Aussichten. Demnach steigt der Anteil der Privatpersonen mit Kaufabsichten für eine Wohnung.
EZB-Entscheidung bringt Erleichterung
Die Stimmung unter den finnischen Verbrauchern blieb zwar auch im Oktober 2024 schlecht. Im Vergleich zum Vormonat und insbesondere gegenüber dem Vorjahr ist jedoch eine Verbesserung zu erkennen. Zudem erwartet die Mehrzahl der Konsumenten, dass sich ihre Lage in den kommenden zwölf Monaten verbessern wird.
Auch die Großunternehmen erwarten, dass sich die Zinssenkungen positiv auf den Privatkonsum auswirken werden. Das zeigt eine Umfrage der OP-Bank. Demnach erwarten 93 Prozent der Befragten, dass der finnische Privatverbrauch aufgrund der niedrigeren Zinsen steigen wird. In Finnland haben Kredite für Immobilien in der Regel einen flexiblen Zinssatz. Die Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) werden daher die monatlichen Kreditkosten der finnischen Verbraucher senken und so das verfügbare Einkommen erhöhen.
Deutsche Perspektive: Steigende Fahrwassergebühren gefährden den bilateralen Warenaustausch
Die Logistikkosten für den Warenhandel mit Finnland könnten ab 2025 merklich steigen. Das finnische Ministerium für Verkehr und Kommunikation hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, um die Fahrwassergebühren ab 2025 wieder in vollem Umfang zu erheben. Sie wurden 2015 im Rahmen einer Übergangsregelung halbiert. Die Regierung hofft auf Mehreinnahmen in Höhe von 36 Millionen Euro. Handelsschiffe müssen diese Gebühren bezahlen, wenn sie einen finnischen Hafen anlaufen. Für den deutsch-finnischen Warenhandel ist das faktisch immer der Fall.
Mitte November 2024 befindet sich der Gesetzesentwurf zur Abstimmung im Parlament. Der Verkehrsausschuss hat diesen bereits bewilligt. Die Deutsch-Finnische Handelskammer (AHK Finnland) befürchtet negative Auswirkungen für den deutsch-finnischen Handel. "Der bilaterale Warenaustausch zwischen den beiden Ländern ist stark von Schiffstransporten abhängig. Die geplante Erhöhung der Logistikkosten wäre ein selbst auferlegtes Handelshemmnis, das vermutlich die Staatseinnahmen nicht wie geplant erhöht, sondern verringert und den deutsch-finnischen Handel beeinträchtigt", sagt Jan Feller, Geschäftsführer der AHK Finnland.