Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Interview | Finnland | Transport und Logistik

"Deutsche Unternehmen machen häufig den gleichen Fehler"

Der deutsch-finnische Warenhandel verläuft ähnlich wie mit anderen EU-Ländern. Die weitere Distanz und die Ostsee erfordern jedoch eine genauere Planung, sagt ein Logistiker.

Von Niklas Becker | Helsinki

Mika Malmivaara, Operations Manager, Dachser Finland, Deutsch-Finnischer Logistiksektor Mika Malmivaara, Operations Manager, Dachser Finland, Deutsch-Finnischer Logistiksektor | © Mika Malmivaara

Mika Malmivaara ist mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung Experte im deutsch-finnischen Logistiksektor. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet er als Operations Manager beim deutschen Logistikunternehmen Dachser in Finnland. Im Gespräch mit GTAI berichtet Herr Malmivaara über die Besonderheiten des deutsch-finnischen Handels und was deutsche Exporteure unbedingt berücksichtigen sollten. 

Herr Malmivaara, Sie sind seit vielen Jahren im deutsch-finnischen Logistiksektor unterwegs. Was macht den Warenversand zwischen den beiden Ländern besonders?  

Finnland ist logistisch betrachtet quasi eine Insel. Natürlich ist es theoretisch möglich, Waren aus Deutschland über Dänemark und Schweden auf dem Landweg nach Finnland zu exportieren. Da aber 50 bis 60 Prozent der finnischen Importe im Großraum Helsinki entladen werden, ergibt das keinen Sinn. Der Transport von deutschen Waren nach Finnland erfolgt auf die eine oder andere Weise immer mit dem Schiff. Entweder mit der Fähre von den Lübecker Häfen oder Rostock nach Hanko oder Helsinki oder zunächst per Lkw nach Tallinn und dann mit der Fähre nach Helsinki. 

Welcher Transportweg ist denn der beliebtere?

Für fast das gesamte deutsche Bundesgebiet ist der Transport per Fähre aus Travemünde oder Lübeck die günstigere Variante. In der Logistik spricht man vom sogenannten Hinterland eines Hafens. Also das geografische Gebiet, für welches der Versand von Waren über den Hafen am günstigsten ist. Im Falle der Lübecker Häfen umfasst das Hinterland alle Gebiete westlich der Autobahn A7. Und der Transport per Schiff ist bei größeren Mengen immer noch das günstigste Transportmittel. 

Welche Ausnahmen gibt es? 

Ein besonderer Fall ist Süddeutschland. Für München beispielsweise ist der Transport über Lübeck oder über Tallinn in etwa gleich teuer. 

Welche Auswirkungen wird die Rail Baltica – das große Schienenprojekt, mit welchem die baltischen Staaten an das westeuropäische Schienennetz angeschlossen werden sollen – auf das Hinterland von Travemünde und Lübeck haben? 

Ich erwarte keine großen Auswirkungen. Die deutschen Seehäfen sind schon jetzt gut an den kombinierten Verkehr angebunden. Der Zustand des deutschen Schienennetzes, Dieselpreise, Mautkosten und Umweltabgaben haben mehr Einfluss auf das Routing als die Rail Baltica an sich. 

Bietet der deutsch-finnische Warenhandel weniger logistische Möglichkeiten als beispielsweise der Handel mit anderen EU-Ländern? 

Grundsätzlich funktioniert alles genauso wie beispielsweise beim Handel mit den Niederlanden oder Frankreich. Da gibt es keine technischen Unterschiede. Auch das Dienstleistungsportfolio von Dachser ist gleich. 

Also alles ganz einfach?

Nicht ganz. Der Versand aus Deutschland nach Finnland dauert aufgrund der weiteren Entfernung natürlich länger. Das Wochenende hat großen Einfluss auf die Laufzeit. Wenn Sie beispielsweise am Dienstag Stückgut versenden, ist es am Montag oder Dienstag in der Woche darauf in der Verteilung. Wenn sie am Freitag versenden, ist es am Dienstag oder Mittwoch beim Empfänger. Ich würde deutschen Exporteuren daher empfehlen, für den Versand von Sammelgut nach Finnland eine Woche einzuplanen. Dann sind sie auf der sicheren Seite. Natürlich gibt es auch schnelle Möglichkeiten, dafür fallen dann aber deutlich höhere Kosten an. Und natürlich spielt auch die Frage, wohin in Finnland die Ware gehen soll, eine Rolle.     

Inwiefern? 

Wenn die Güter nicht nach Helsinki, sondern beispielsweise nach Nordfinnland sollen, fallen dafür zusätzliche Tage an. Denn der Versand aus Deutschland geht fast ausschließlich zunächst in die finnische Hauptstadtregion und wird dann von dort per Lkw in die Regionen weitertransportiert. Der Transport aus Helsinki ins nördliche Rovaniemi dauert beispielsweise einen Tag extra. Für Lieferungen nördlich des Polarkreises müssen Sie zwei Tage einplanen. Deshalb die Empfehlung, für den Versand eine Woche einzuplanen. Dann liegen Sie nicht verkehrt.

Welchen Einfluss haben die Wetterbedingungen in Finnland auf den Transport? 

Wir sind auf den finnischen Winter vorbereitet und nutzen beispielsweise arktischen Diesel, der ist bis minus 33 Grad Celsius flüssig. Aber natürlich müssen deutsche Exporteure berücksichtigen, dass die Waren ein paar Tage bei teilweise sehr niedrigen Temperaturen transportiert werden. Der Absender muss sich also sicher sein, dass die Produkte nicht kälteempfindlich sind. Natürlich gibt es auch Möglichkeiten für Waren, für die das ein Problem ist. In diesem Fall kommen dann temperaturgeführte Transporte zum Einsatz. Es ist also alles kein Problem, man muss es nur vor dem Versand berücksichtigen und absprechen. 

"Meine ganz wichtige Botschaft für deutsche Exporteure: bitte immer mit dem finnischen Kunden abstimmen, wie er seine Waren geliefert haben möchte und nicht einfach irgendetwas festlegen, weil man es immer so macht."

Gibt es denn etwas, was deutsche Unternehmen vor dem Versand nach Finnland unbedingt berücksichtigen sollten?

Auf jeden Fall. Ich würde den Firmen dringendst empfehlen, vor dem Versand mit ihrem finnischen Kunden zu sprechen und zu fragen, wie sie die Lieferung gerne hätten. Viele ausländische Unternehmen machen den Fehler, dass sie finnischen Kunden genauso bedienen wie alle anderen Kunden auch, ohne sie vorher zu fragen. Eventuell möchte das finnische Unternehmen die Waren aber an einem bestimmten Wochentag bekommen, dafür darf der Versand aber auch gerne neun oder zehn Tage dauern. Finnische Kunden wollen selbst bestimmen, wie und wann sie ihre Waren bekommen. Das ist ein wichtiger Punkt, den ausländische Firmen oft vergessen. In Finnland funktioniert die Verteilung zudem teilweise anders als in Deutschland. Es gibt beispielsweise finnische Orte in bevölkerungsärmeren Gegenden, die nur an bestimmten Wochentagen angefahren werden. Da sitzen dann unter Umständen durchaus größere Firmen, der Lkw kommt aber eventuell nur einmal die Woche. 

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