Die Regierung hat in der Krise zahlreiche Förderprogramme für das Gesundheitswesen und die Industrie lanciert. Entscheidungen über Krankenhausprojekte werden dezentralisiert.
Die Pandemie und der Winter 2022/23 mit einer nach wie vor starken Belastung des Gesundheitssystems hat die zentrale Rolle der Gesundheitsversorgung dramatisch vor Augen geführt. Insbesondere im ländlichen Bereich kommt es teilweise zu ärztlicher Unterversorgung. In den städtischen Zentren beklagen Patienten Engpässe bei Behandlungskapazitäten.
Die Regierung verstärkt seit Beginn der Pandemie ihre Anstrengungen, das Gesundheitswesen zu fördern und zu reformieren. Bereits in 2020 waren im Rahmen des Plans "Ségur de la Santé" 12 Milliarden Euro für eine Anhebung der Vergütung des Pflegepersonals und 19 Milliarden für Investitionen in Krankenhäuser bereitgestellt worden. Seit 2022 ergänzt der Plan Ma Santé, insbesondere ausgerichtet auf die Gewinnung von mehr Arbeitskräften im Gesundheitsbereich, den Plan "Ségur de la Santé". Gerade der beschleunigte Ausbau der regionalen Gemeinschaftspraxen (CPTS) soll den Druck von den Krankenhäusern nehmen. Im Juli 2022 gab es 306 eingerichtete CPTS, weitere 427 sind im Aufbau. Allerdings fehlt es auf dem Land an ärztlichem Personal.
Im Januar 2023 hat Präsident Macron eine weitere große Reform angekündigt, die helfen soll, Versorgungslücken zu schließen und Pflegepersonal, Ärzte und Krankenhäuser zu entlasten. Angedacht ist eine Umorganisation von Gesundheitsverwaltung und Pflege auf allen Ebenen. Vor allem will die Regierung die Verzahnung und Kooperation zwischen medizinischem Personal und der Verwaltung verbessern. Darüber hinaus steht in der Planung, Apotheken erweiterte Kompetenzen bei der arztnahen Versorgung, Behandlung und Medikamentenverschreibung zuzuteilen.
19 Milliarden Euro für die Krankenhäuser
Der Plan "Ségur" soll über einen Zeitraum von 10 Jahren Investitionsrückstände abbauen. Insbesondere der Ausbau der Infrastruktur und die Ausweitung der Digitalisierung des Gesundheitswesens stehen im Vordergrund.
Finanzmittel Ségur de la Santé 2023 (in Milliarden Euro) | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 |
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Säule 1 (Karrieren, Berufe und Gehälter) | 1,4 | 7,9 | 10,3 | 10,9 |
Säule 2 (Investitionen und Finanzierung) | 0,1 | 1,7 | 1,7 | 1,7 |
Digitalisierung sozialer oder medizinisch-sozialer Einrichtungen oder Dienste | 0,0 | 0,6 | 0,6 | 0,4 |
Prioritäre Krankenhausprojekte | 0,0 | 0,5 | 0,5 | 0,5 |
Digitaler Nachholbedarf im Gesundheitswesen | 0,0 | 0,4 | 0,4 | 0,5 |
Sonstiges | 0,1 | 0,3 | 0,3 | 0,3 |
Säule 4 (Telegesundheit, koordinierte Ausübung, Zugang zur Gesundheitsversorgung) | 0,1 | 0,3 | 0,6 | 0,8 |
Quelle: PLFSS (Haushalt der Sozialversicherung) 2023
Rund 2 Milliarden Euro fließen in die Digitalisierung des Gesundheitssystems. Damit sollen die vom Staat definierten und bereitgestellten Basisinstrumente und -plattformen für die Nutzung von E-Health-Diensten landesweit ausgerollt werden. Krankenhäuser sind zunehmend Ziel von Cyberattacken. Für mehr Cybersicherheit im Gesundheitssektor hat die Regierung im Februar 2021 zusätzliche Fördermittel zur Verfügung gestellt.
Verwendungszwecke Ségur de la Santé - Investitionen (in Millionen Euro)Vorhaben | Investitionshöhe | Zeitrahmen |
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Entschuldung | 6.500 | 2021-2030 |
Investitionen in Bau- und transformatorische Großprojekte | 6.500 | 2021-2030 |
Digitalisierung des Gesundheitswesens | 2.000 | |
Transformation der Altenpflegeheime (Ehapd) | 1.500 | 2021-2026 |
Investitionen von Alltagsbedarfen (Renovierung / Materialbeschaffung / Reparaturen) | 650 | 2021-2030 |
Modernisierung des Pflegeangebots für Menschen mit Behinderungen | 300 | 2021-2030 |
In einem Sonderposten werden die Krankenhäuser bis 2030 mit 6,5 Milliarden Euro durch die Übernahme von Schulden unterstützt und sollen so mehr finanziellen Spielraum für neue Investitionen erhalten. Weitere 6,5 Milliarden Euro sollen in Bauinvestitionen von Krankenhäusern fließen. Mit Stand September 2022 waren bereits 41 Einrichtungen ausgewählt, deren Ausbauprojekte mit insgesamt 470 Millionen Euro gefördert werden.
Um große Infrastrukturprojekte zu beschleunigen und näher am regionalen Bedarf auszurichten, wurde die Genehmigungszuständigkeiten angepasst. Rund 14,5 Milliarden der veranschlagten 19 Milliarden Fördermittel werden durch die regionalen Gesundheitsbehörden ARS (Agence régionale de santé) vergeben. Nur über Projekte, die höher als 150 Millionen Euro liegen, entscheidet seit April 2022 der Investitionsrat Cnis (Conseil national de l’investissement en santé).
Produktion von Wirkstoffen und Medikamenten soll relokalisiert werden
Die Krise hat nicht nur Schwächen in der öffentlichen Gesundheitsversorgung aufgedeckt. Aufgrund anhaltender Störung der Lieferketten kommt es nach wie vor zu Versorgungsengpässen bei Standardmedikamenten wie Paracetamol und Antibiotika, aber auch spezifischen Arzneimitteln. Das Land hängt bei Medikamenten, aber auch pharmazeutischen Vorprodukten wie Wirkstoffen von außereuropäischen Lieferanten ab.
In der Entwicklung neuer Medikamente, insbesondere im Bereich der Biopharmazeutika, liegt Frankreich im Vergleich mit andern Ländern wie Deutschland oder den USA zur Zeit zurück. So wurden Ende 2022 lediglich acht von insgesamt 76 in Europa zugelassenen Biomedikamenten in Frankreich produziert. Die Abhängigkeit von Importen ist in diesem Segment besonders hoch. Rund 95 Prozent der Biomedikamente müssen importiert werden, insbesondere aus Deutschland oder den USA.
Um Abhilfe zu schaffen hat die Regierung bereits 2020 einen Aktionsplan in Höhe von 300 Millionen Euro für die Relokalisierung und Ausweitung von Produktionskapazitäten für Arzneimitteln und Medizintechnik gestartet.
Mit staatlicher Förderung soll etwa die Wertschöpfungskette für Paracetamol in Frankreich aufgebaut werden. Die Firma Seqens investiert 100 Millionen Euro, um ab 2025 in Roussillon 10.000 Tonnen des Wirkstoffes für Schmerzmittel pro Jahr für die Unternehmen UPSA und Sanofi zu produzieren. Die deutsche Firma Dräger hat bereits im September 2020 eine neue Fabrik für FFP2- und FFP3-Masken in Obernai in Betrieb genommen, entlässt aber mittlerweile aufgrund der gesunkenen Nachfrage Mitarbeiter.
Zwar ist die Pharmabranche neuen Investitionen gegenüber offen, zögert aber angesichts von Energiekrise, Inflation und niedrigen Medikamentenpreisen, Investitionsentscheidungen zu treffen.
Frankreich investiert in Biotechnologie
Für die Forschung hatte die Regierung im Juni 2021 den mit 7 Milliarden Euro dotierten "Plan innovation santé 2030" gestartet, um Frankreich in der Arzneimittelforschung und vor allem in der medizinischen Biotechnologie an die Spitze der EU zu führen. Präsident Macron hat ein Ziel von 20 neuen Biopharmazeutika bis 2030 vorgegeben. Für Forschungs- und Industrievorhaben als IPCEI (Important Projects of Common European Interest), die von EU-Beihilferegeln ausgenommen sind, sollen 1,5 Milliarden Euro eingesetzt werden. Im Oktober 2021 wurde der Plan um 500 Millionen Euro für die neue Biotechnologie-Agentur BioLead aufgestockt. BioLead hat am 7. Dezember 2022 ihre Arbeit aufgenommen.
Für innovative Medizintechnikprojekte aus dem Bereich Robotik, Implantate und Prothesen sind 400 Millionen Euro vorgesehen, ergänzt durch einen Finanzierung für Industrieansiedlungsprojekte in Höhe von 150 Millionen Euro.
Ausgewählte Investitionsvorhaben Projekt | Zeitraum | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Beschreibung des Projekts |
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Neubau einer Universitätsklinik Grand Paris Nord, Saint-Ouen | Baubeginn ab 2024 | 1.300 | Zwei Krankenhäuser sollen zusammengelegt werden und mit einem neuen Universitätscampus verknüpft werden. |
Neubau Universitätsklinik Nantes
| Fertigstellung bis 2026 | 953 | Neubau und Verlegung der Uniklinik (CHU) Nantes auf eine Insel. |
Zusammenführung der Universitätsklinik (CHU) Nancy an neuem Standort | Fertigstellung bis 2029 | 600 | Uniklinik Nancy mit sieben Dependancen wird an einem Standort zusammengeführt. |
Zusammenführung von Kliniken Dinan, Saint-Malo und Cancale | Fertigstellung bis 2027 | 400 | Zusammenführung von drei Kliniken an einem Standort und Modernisierung von zwei Kliniken des Klinikverbunds GHT Rance Emeraude. |
Neubau eines Forschungscampus PariSanté Campus, Paris | Soll 2028 bezugsfähig sein | 360 | Armeekrankenhaus in Val-de-Grâce wird umgebaut. |
Modernisierung des Klinikhauptgebäudes in Pontoise | In Planung | 350 | Modernisierung und Restrukturierung des Hauptgebäudes der Klinik in Pontoise des Klinikverbunds GHT Novo. |
Modernisierung des Krankenhausverbunds AP-HM, Marseille | Baubeginn ab 2023 | 337 | Als Teil des Krankenhausverbunds Assistance publique-hôpitaux de Marseille (AP-HM) werden zwei Krankenhäuser renoviert und eine Geburtsklinik gebaut. |
Renovierung des Krankenhauses Meaux | Erste Phasen ab Oktober 2021 | 169 | Krankenhaus Saint-Faron, Teil des Grand hôpital de l'Est francilien (Ghef), soll bis Ende 2025 phasenweise erneuert werden. |
Quelle: Techopital; Tagespresse
Von Frauke Schmitz-Bauerdick
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Paris