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Branchen | Frankreich | Gesundheitswesen

Healthcare Monitor - Krankenhäuser an der Belastungsgrenze

Die Coronapandemie hat den Gesundheitssektor hart getroffen. Die Regierung will Versorgungslücken schließen.

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Entwicklungen im Gesundheitswesen

    Die Krise hat Schwächen des grundsätzlich sehr guten französischen Gesundheitssystems aufgedeckt. Die Regierung will reformieren und modernisieren. 

    Mit einer starken Pharmaindustrie und einer umfassenden öffentlichen Gesundheitsversorgung spielt der Gesundheitssektor in Frankreich eine wichtige Rolle. Die Gesundheitsfürsorge bildet das Herzstück des Sozialsystems des Landes und gilt als wichtige soziale Errungenschaft, die bewahrt werden muss.

    Die Coronakrise und die Belastungen des Winters 2022/23 sowie eine Verrentungswelle bei niedergelassenen Ärzten aber haben das französische Gesundheitssystem geschwächt. Die Krankenhäuser stehen am Rand der Belastbarkeit und leiden unter steigendem Personalmangel. Niedergelassene Ärzte protestieren für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und eine höhere Vergütung. Gerade in ländlichen Gebieten haben Patienten zunehmend Schwierigkeiten, zeit- und ortsnah einen Behandlungstermin bei Fach-, aber auch Allgemeinärzten zu bekommen. Auch in städtischen Regionen beschreiben immer mehr Patienten den Zugang zu medizinischen Leistungen als schwierig. Engpässe bei Standardmedikamenten wie Breitbandantibiotika oder Paracetamol, aber auch Spezialmedikamenten wie Immunsuppressoren beunruhigen Mediziner und Bevölkerung. 

    Während der Coronapandemie ist die Regierung Krankenhäusern, Pflegepersonal und Ärzten durch das Investitionsprogramm Ségur zu Hilfe gekommen. Die Regierung versucht zudem, mit Einzelmaßnahmen Abhilfe bei den dringendsten Problemen zu schaffen. Im Januar 2023 hat Präsident Macron ein umfassendes Reformprojekt angekündigt, das innerhalb der kommenden zehn Jahre das Gesundheitssystem stabilisieren und zukunftsfähig machen soll. 

    Medizintechnikindustrie erholt sich wieder

    Die öffentlichen Krankenhäuser erwiesen sich in der Pandemie als sehr anpassungsfähig, litten aber teils unter finanziellen Einbußen. Um die öffentlichen und privaten gemeinnützigen Krankenhäuser für Ausfälle und Covid-19-Interventionen zu entschädigen, hat der Staat sowohl 2020 als auch 2021 die Einnahmen des Jahres 2019 garantiert. Auch niedergelassene Ärzte haben in beiden Krisenjahren Kompensationszahlungen erhalten. Ebenso wurden die Umsatzeinbrüche bei Apotheken 2020 und 2021 zu großen Teilen vom Staat aufgefangen.

    Die Aufschiebung von planbaren Behandlungen in der Krise hatte auch Auswirkungen auf die Anbieter von Medizintechnik. In Teilbereichen war die Nachfrage teils stark zurückgegangen. Im Jahr 2022 aber hat sich die Situation wieder weitestgehend normalisiert.

    Der Staat plant im Rahmen seines Innovationsprogramms France 2030, Frankreich als globales Zentrum für Gesundheitswesen zu etablieren. France 2030 stellt 400 Millionen Euro vor allem für die Entwicklung von Produkten aus den Bereichen chirurgischer Robotik, Implantate und Prothesen sowie Digitalisierung medizintechnischer Produkte zur Verfügung. 

    Lohnsteigerungen und Telemedizin sollen die Versorgung verbessern

    Die Pandemie und die Mängel im Gesundheitssystem, die sie aufgedeckt hat, haben 2020 und 2021 eine Reihe von staatlichen Hilfs- und Reformprogrammen angestoßen. In der Covid-Krise brachte die Regierung mit dem Ségur de la santé im Juli 2020 ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg. Es umfasst Lohnsteigerungen, um Gesundheitsberufe attraktiver zu machen und 19 Milliarden Euro für die Übernahme von Schulden der Krankenhäuser und für neue Investitionen etwa auch in die Digitalisierung. 

    Die Telemedizin hatte auch in Frankreich durch Covid-19 einen starken Zulauf. Die Zahl der von der Sozialversicherung rückerstatteten Videosprechstunden ist von 140.000 im Jahr 2019 auf 13,5 Millionen 2020 angestiegen. Im Jahr 2021 gingen sie zwar auf 9,4 Millionen zurück, machen aber immer noch 3,7 Prozent aller erstattungsfähigen Sprechstunden aus. Nach Abflauen der akuten Gesundheitskrise hat die Regierung die Rückerstattungsfähigkeit von Telekonsultationen seit dem 1. Oktober 2022 eingeschränkt. Statt 100 Prozent der Gebühren werden lediglich 70 Prozent durch die allgemeine Krankenversicherung übernommen.

    Die Teleüberwachung kann seit 2022 vorläufig von der Sozialversicherung übernommen werden. Im Juli 2023 soll ein Gesetz in Kraft treten, das die Kostenübernahme telemedizinischer Überwachung dauerhaft regelt. Darüber hinaus fördert der Staat massiv die Ausweitung von Digital Health-Lösungen für Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime. Mit ihrer Digital Health-Offensive hofft die Regierung, gerade unterversorgte Gebiete besser medizinisch abdecken zu können. Allerdings ist der Zulauf auf dem Land zu Teledienstleistungen bislang niedriger als in städtischen Gebieten. 

    Fördermittel und schnellere Zulassung

    Die erfolglosen Bemühungen der Pharmahersteller in Frankreich, im Inland kurzfristig Impfstoffe zu entwickeln, waren in Politik und Öffentlichkeit als Anzeichen für einen Rückstand in der Forschung und insbesondere in der medizinischen Biotechnologie gewertet worden. Erst Ende 2022 konnte Sanofi in Kooperation mit GSK einen eigenen Impfstoff auf den Markt bringen. Zwar stellen einige Unternehmen in Frankreich als Auftragnehmer Impfstoffe anderer Hersteller her, aber insgesamt wurde dem Sektor ein Niedergang bescheinigt. Nach dem Willen der Regierung soll Frankreich vor allem den Rückstand in der Biotechnologie bis 2030 aufholen. Dafür gibt es Fördermittel für Forschung aber auch für Relokalisierungs-, Modernisierungs- oder simple Ausbauprojekte. Im Rahmen des Förderprogramms France 2030 hat die Regierung eine Milliarde Euro für die Entwicklung von 30 Biomedikamenten bereitgestellt. 

    Die Regierung will die Relokalisierung der Produktion von Medikamenten fördern, die sich als besonders sensibel gegenüber Störungen der Lieferketten erwiesen haben. Vereinzelt kommt es zur Ansiedlung oder Ausweitung pharmazeutischer Produktion.

    Der Verband für Medizintechnik aber fordert dringend eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Insbesondere wird eine Verkürzung der weit überdurchschnittlichen Dauer des Zeitraums zwischen Zulassung und Erstattungsfähigkeit gefordert. Die Zulassung von Medikamenten für innovative Präparate ist allerdings beschleunigt worden.

    Eckdaten Gesundheitsmarkt

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (1.1.2022 in Mio.)

    67,8

    Bevölkerungswachstum (2021 in % p.a.)

    0,3

    Altersstruktur der Bevölkerung (1.1.2022)

     Anteil der unter 15-Jährigen (in %)

    17,4

     Anteil der über 65-Jährigen (in %)

    21,0

    Durchschnittseinkommen (2019 netto in Euro)

    22.040

    Gesundheitsausgaben (2021, Mrd. Euro)

    107,9

     pro Kopf (2021 in Euro)

    5.170

    Anteil der Gesundheitsausgaben

     am BIP (2021 in %)

    12,4

    Medizinische Produkte (2020 in %)

    13,3

    Anzahl Krankenhäuser (2020), davon

    2.989

     öffentlich (in %)

    45,0

     privat (in %)

    55,0

    Ärzte/1000 Einwohner (2020)

    3,2

    Krankenhausbetten/1000 Einwohner (2020)

    5,7

    Quelle: OECD 2022; Drees 2021; Insee 2021, Fitch Solutions

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Gesundheitssystem

    Frankreichs Gesundheitssystem ist gut aber auch teuer. Die Regierung treibt Reformen voran.

    Das öffentliche Gesundheitssystem in Frankreich gehört zu den besten, aber nach den USA und Deutschland auch teuersten weltweit. Die Coronakrise hatte nach Jahren moderater Kostenentwicklungen die Gesundheitsausgaben in die Höhe getrieben. Insgesamt wendete das Land 2021 mit 12,4 Prozent einen etwas geringeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) für die Gesundheit auf als Deutschland (12,8 Prozent). Die Ausgaben sind die zweithöchsten in der EU und liegen knapp über dem europaweiten Durchschnitt von etwa 12 Prozent des BIP. 

    Die Sozialversicherung trägt mit 80 Prozent der Gesamtausgaben in 2021 den Löwenanteil der Kosten. Diese finanziert sich überwiegend über Arbeitsgeber- und Arbeitnehmerbeiträge und zu einem geringen Anteil über staatliche Zuschüsse und Steuern (Tabak, Alkohol). Private Pflichtversicherungen (assurances complémentaires) und freiwillige private Zusatzversicherungen tragen 13 Prozent zur Abdeckung der Kosten bei. Die privaten Pflichtversicherungen, die anteilig vom Arbeitgeber finanziert werden, sind erst seit 2016 verpflichtend und decken etwa 64 Millionen Menschen ab. Für einkommensschwache Familien übernimmt der Staat die Beiträge. Hinzu kommen freiwillige privaten Zusatzversicherungen mit etwa 9 Millionen Versicherten. Private Zuzahlungen erreichen sieben Prozent der Gesamtausgaben im Jahr 2021. 

    Bei der Prävention besteht noch Handlungsbedarf

    Die Zuzahlungen der privaten Haushalte dürften jedoch weiter zurückfallen. Schrittweise ist 2019 bis 2021 die vollständige Kostenübernahme von Basispaketen für Brillen, Hörgeräten und Zahnersatz (100% santé) eingeführt worden. Die Regierung hat darüber hinaus bis Ende November 2021 einen Bericht zur Neuausrichtung der öffentlichen Gesundheitsversorgung in Auftrag gegeben. Untersucht werden soll die Möglichkeit eines vollständig öffentlich finanzierten Systems oder zumindest eine Neuverteilung der Finanzierung zwischen öffentlicher Hand und privaten Pflichtversicherungen.

    Das französische Gesundheitssystem schneidet im Vergleich in der Europäischen Union (EU) bei der Qualität der Versorgung relativ gut ab. So erreicht Frankreich nach OECD-Daten in der EU bei der Mortalität durch behandelbare Krankheiten die drittniedrigste Rate je 100.000 Einwohner und liegt in der OECD nur hinter der Schweiz, Norwegen und Japan. Schlechter schneidet das Land bei der Mortalität durch vermeidbare Krankheiten ab - also in der Prävention. Dies liegt vor allem an einem hohen Anteil an Rauchern und einem hohen Alkoholkonsum.

    Anzahl der Krankenhausbetten gesunken

    Im Jahr 2020 umfasst der öffentliche Sektor 45 Prozent der Einrichtungen, aber 54 Prozent der Betten. An der Spitze stehen aufgrund ihrer Größe und Ausstattung die Universitätskliniken CHU und Regionalkrankenhäuser CRU. Die Gesamtbettenanzahl ist zwischen 2003 und 2021 nach Zahlen des DREES um 17 Prozent zurückgegangen, auch geschuldet besserer ambulanter Behandlungsmöglichkeiten. Zwar stand die Regierung gerade zu Beginn der Coronakrise vor allem aufgrund überfüllter Intensivstationen in der Kritik. Allerdings schaffte sie es, zu Hochzeiten der Pandemie zügig die Bettenzahl hochzufahren. 

    Gesundheitseinrichtungen in Frankreich 2020

    Sektor

    Einrichtungen

    Bettenanzahl

    Öffentlicher Sektor

    1.347

    43.109

      darunter Universitäts- und Regionalkliniken

    180

    11.053

    Privater gemeinnütziger Sektor

    670

    14.659

    Privatsektor

    972

    21.991

    Gesamt

    2.989

    79.759

    Bei Krankenhausverbünden wie dem AP-HP in Paris wird die Anzahl der Standorte gezählt.Quelle: Drees 2022


    Nach Abflauen der akuten Coronakrise hat sich gezeigt, dass es vor allem an Personal mangelt, um dauerhaft Betten oder auch nur den vorhandenen Bestand an Betten bewirtschaften und abdecken zu können. Die Regierung hat den Numerus Clausus für Gesundheitsberufe aufgehoben, mehr Studienplätze geschaffen und in der Krise im Rahmen des Förderprogramms Ségur de la santé die Löhne angehoben. Diese Reformen dürften allerdings erst in einigen Jahren zu einer besseren Verfügbarkeit von Ärzten und Pflegekräften führen.

    Bei der Anzahl der Ärzte je 100.000 Einwohner lag Frankreich 2020 mit 318 praktizierenden Ärzten unter dem Durchschnitt von 22 EU-Ländern von 387 Ärzten. Der Ärztemangel vor allem im ländlichen Raum ist ein wichtiges Thema in Frankreich. Die Regierung versucht mit Subventionen für Gemeinschaftspraxen und mit mehr Telemedizin gegenzusteuern. Zudem müssen angehende Mediziner seit 2023 ein viertes Praxisjahr absolvieren. Bei Pflegekräften steht das Land hingegen besser da. Mit 1.130 Pflegekräften je 100.000 Einwohnern liegt das Land hingegen hinter Irland, Finnland und Deutschland auf dem vierten Rang der EU-Länder. Pflegekräfte sind in Frankreich mit weitergehenden Kompetenzen ausgestattet als ihre deutschen Kollegen und können auch selbständig tätig werden.

    Rechnungshof mahnt Einsparungen an

    Frankreichs Gesundheitssystem hatte sich in der Pandemie als widerstandsfähig erwiesen. Die Krise hat neben dem Personalmangel aber auch einige weitere Probleme aufgedeckt. Als ein Schwachpunkt gilt die schwache Koordinierung zwischen Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und Pflegeheimen sowie administrative Hindernisse in den Krankenhäusern. Die im Januar 2023 von Präsident Macron angekündigte Reform des Gesundheitswesens soll in den kommenden zehn Jahren Abhilfe schaffen.  

    Auch das Instrument des Ausgabenziels für die Krankenversicherung Ondam (objectif national de dépenses d'assurance maladie) soll angepasst werden. Jährlich wird eine Steigerungsrate für das Ondam vorgegeben. 2023 darf sie ohne Covid-Sonderausgaben 3,7 Prozent erreichen. Diese ist wichtig, weil sich daraus aufgrund der "natürlichen" Kostensteigerung von etwa 4 Prozent Sparziele für die Ausgaben für Medikamente und Medizintechnik ableiten. Das Ondam soll zunächst auf fünf Jahre im Voraus definiert werden.

    Der französische Rechnungshof (Cour des comptes) sieht die konstanten Budgetsteigerungen kritisch. Zwar plant das Finanzgesetz 2023 mit Kosteneinsparungen bei Medikamenten und bildgebenden Verfahren. Allerdings prognostiziert der Rechnungshof in den kommenden Jahren ein weiter steigendes Defizit bei den Sozialausgaben und verlangt Reformen. Insbesondere bei der städtischen Krankenversorgung sieht er Einsparpotential. So seien die Kosten für Behandlungen in den städtischen Zentren zwischen 2010 und 2021 dreimal so schnell gestiegen wie die Inflation. 

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Förderung und Investitionen

    Die Regierung hat in der Krise zahlreiche Förderprogramme für das Gesundheitswesen und die Industrie lanciert. Entscheidungen über Krankenhausprojekte werden dezentralisiert. 

    Die Pandemie und der Winter 2022/23 mit einer nach wie vor starken Belastung des Gesundheitssystems hat die zentrale Rolle der Gesundheitsversorgung dramatisch vor Augen geführt. Insbesondere im ländlichen Bereich kommt es teilweise zu ärztlicher Unterversorgung. In den städtischen Zentren beklagen Patienten Engpässe bei Behandlungskapazitäten.

    Die Regierung verstärkt seit Beginn der Pandemie ihre Anstrengungen, das Gesundheitswesen zu fördern und zu reformieren. Bereits in 2020 waren im Rahmen des Plans "Ségur de la Santé" 12 Milliarden Euro für eine Anhebung der Vergütung des Pflegepersonals und 19 Milliarden für Investitionen in Krankenhäuser bereitgestellt worden. Seit 2022 ergänzt der Plan Ma Santé, insbesondere ausgerichtet auf die Gewinnung von mehr Arbeitskräften im Gesundheitsbereich, den Plan "Ségur de la Santé". Gerade der beschleunigte Ausbau der regionalen Gemeinschaftspraxen (CPTS) soll den Druck von den Krankenhäusern nehmen. Im Juli 2022 gab es 306 eingerichtete CPTS, weitere 427 sind im Aufbau. Allerdings fehlt es auf dem Land an ärztlichem Personal. 

    Im Januar 2023 hat Präsident Macron eine weitere große Reform angekündigt, die helfen soll, Versorgungslücken zu schließen und Pflegepersonal, Ärzte und Krankenhäuser zu entlasten. Angedacht ist eine Umorganisation von Gesundheitsverwaltung und Pflege auf allen Ebenen. Vor allem will die Regierung die Verzahnung und Kooperation zwischen medizinischem Personal und der Verwaltung verbessern. Darüber hinaus steht in der Planung, Apotheken erweiterte Kompetenzen bei der arztnahen Versorgung, Behandlung und Medikamentenverschreibung zuzuteilen. 

    19 Milliarden Euro für die Krankenhäuser

    Der Plan "Ségur" soll über einen Zeitraum von 10 Jahren Investitionsrückstände abbauen. Insbesondere der Ausbau der Infrastruktur und die Ausweitung der Digitalisierung des Gesundheitswesens stehen im Vordergrund.  

    Finanzmittel Ségur de la Santé 2023 (in Milliarden Euro)

    2020

    2021

    2022

    2023

    Säule 1 (Karrieren, Berufe und Gehälter)

    1,4

    7,9

    10,3

    10,9

    Säule 2 (Investitionen und Finanzierung)

    0,1

    1,7

    1,7

    1,7

      Digitalisierung sozialer oder medizinisch-sozialer Einrichtungen oder Dienste

    0,0

    0,6

    0,6

    0,4

      Prioritäre Krankenhausprojekte

    0,0

    0,5

    0,5

    0,5

      Digitaler Nachholbedarf im Gesundheitswesen

    0,0

    0,4

    0,4

    0,5

      Sonstiges

    0,1

    0,3

    0,3

    0,3

    Säule 4 (Telegesundheit, koordinierte Ausübung,
    Zugang zur Gesundheitsversorgung)

    0,1

    0,3

    0,6

    0,8

    Quelle: PLFSS (Haushalt der Sozialversicherung) 2023


    Rund 2 Milliarden Euro fließen in die Digitalisierung des Gesundheitssystems. Damit sollen die vom Staat definierten und bereitgestellten Basisinstrumente und -plattformen für die Nutzung von E-Health-Diensten landesweit ausgerollt werden. Krankenhäuser sind zunehmend Ziel von Cyberattacken. Für mehr Cybersicherheit im Gesundheitssektor hat die Regierung im Februar 2021 zusätzliche Fördermittel zur Verfügung gestellt.

    Verwendungszwecke Ségur de la Santé - Investitionen (in Millionen Euro)

    Vorhaben

    Investitionshöhe 

    Zeitrahmen

    Entschuldung

    6.500

    2021-2030

    Investitionen in Bau- und transformatorische Großprojekte

    6.500

    2021-2030

    Digitalisierung des Gesundheitswesens

    2.000

    Transformation der Altenpflegeheime (Ehapd)

    1.500

    2021-2026

    Investitionen von Alltagsbedarfen (Renovierung / Materialbeschaffung / Reparaturen)

    650

    2021-2030

    Modernisierung des Pflegeangebots für Menschen mit Behinderungen

    300

    2021-2030


    In einem Sonderposten werden die Krankenhäuser bis 2030 mit 6,5 Milliarden Euro durch die Übernahme von Schulden unterstützt und sollen so mehr finanziellen Spielraum für neue Investitionen erhalten. Weitere 6,5 Milliarden Euro sollen in Bauinvestitionen von Krankenhäusern fließen. Mit Stand September 2022 waren bereits 41 Einrichtungen ausgewählt, deren Ausbauprojekte mit insgesamt 470 Millionen Euro gefördert werden. 

    Um große Infrastrukturprojekte zu beschleunigen und näher am regionalen Bedarf auszurichten, wurde die Genehmigungszuständigkeiten angepasst. Rund 14,5 Milliarden der veranschlagten 19 Milliarden Fördermittel werden durch die regionalen Gesundheitsbehörden ARS (Agence régionale de santé) vergeben. Nur über Projekte, die höher als 150 Millionen Euro liegen, entscheidet seit April 2022 der Investitionsrat Cnis (Conseil national de l’investissement en santé).

    Produktion von Wirkstoffen und Medikamenten soll relokalisiert werden

    Die Krise hat nicht nur Schwächen in der öffentlichen Gesundheitsversorgung aufgedeckt. Aufgrund anhaltender Störung der Lieferketten kommt es nach wie vor zu Versorgungsengpässen bei Standardmedikamenten wie Paracetamol und Antibiotika, aber auch spezifischen Arzneimitteln. Das Land hängt bei Medikamenten, aber auch pharmazeutischen Vorprodukten wie Wirkstoffen von außereuropäischen Lieferanten ab.

    In der Entwicklung neuer Medikamente, insbesondere im Bereich der Biopharmazeutika, liegt Frankreich im Vergleich mit andern Ländern wie Deutschland oder den USA zur Zeit zurück. So wurden Ende 2022 lediglich acht von insgesamt 76 in Europa zugelassenen Biomedikamenten in Frankreich produziert. Die Abhängigkeit von Importen ist in diesem Segment besonders hoch. Rund 95 Prozent der Biomedikamente müssen importiert werden, insbesondere aus Deutschland oder den USA.  

    Um Abhilfe zu schaffen hat die Regierung bereits 2020 einen Aktionsplan in Höhe von 300 Millionen Euro für die Relokalisierung und Ausweitung von Produktionskapazitäten für Arzneimitteln und Medizintechnik gestartet. 

    Mit staatlicher Förderung soll etwa die Wertschöpfungskette für Paracetamol in Frankreich aufgebaut werden. Die Firma Seqens investiert 100 Millionen Euro, um ab 2025 in Roussillon 10.000 Tonnen des Wirkstoffes für Schmerzmittel pro Jahr für die Unternehmen UPSA und Sanofi zu produzieren. Die deutsche Firma Dräger hat bereits im September 2020 eine neue Fabrik für FFP2- und FFP3-Masken in Obernai in Betrieb genommen, entlässt aber mittlerweile aufgrund der gesunkenen Nachfrage Mitarbeiter.

    Zwar ist die Pharmabranche neuen Investitionen gegenüber offen, zögert aber angesichts von Energiekrise, Inflation und niedrigen Medikamentenpreisen, Investitionsentscheidungen zu treffen. 

    Frankreich investiert in Biotechnologie

    Für die Forschung hatte die Regierung im Juni 2021 den mit 7 Milliarden Euro dotierten "Plan innovation santé 2030" gestartet, um Frankreich in der Arzneimittelforschung und vor allem in der medizinischen Biotechnologie an die Spitze der EU zu führen. Präsident Macron hat ein Ziel von 20 neuen Biopharmazeutika bis 2030 vorgegeben. Für Forschungs- und Industrievorhaben als IPCEI (Important Projects of Common European Interest), die von EU-Beihilferegeln ausgenommen sind, sollen 1,5 Milliarden Euro eingesetzt werden. Im Oktober 2021 wurde der Plan um 500 Millionen Euro für die neue Biotechnologie-Agentur BioLead aufgestockt. BioLead hat am 7. Dezember 2022 ihre Arbeit aufgenommen.

    Für innovative Medizintechnikprojekte aus dem Bereich Robotik, Implantate und Prothesen sind 400 Millionen Euro vorgesehen, ergänzt durch einen Finanzierung für Industrieansiedlungsprojekte in Höhe von 150 Millionen Euro.

    Ausgewählte Investitionsvorhaben

    Projekt

    Zeitraum

    Investitionssumme (in Mio. Euro)

    Beschreibung des Projekts

    Neubau einer Universitätsklinik Grand Paris Nord, Saint-Ouen

    Baubeginn ab 2024

    1.300

    Zwei Krankenhäuser sollen zusammengelegt werden und mit einem neuen Universitätscampus verknüpft werden.

    Neubau Universitätsklinik Nantes


    Fertigstellung bis 2026

    953

    Neubau und Verlegung der Uniklinik (CHU) Nantes auf eine Insel.

    Zusammenführung der Universitätsklinik (CHU) Nancy an neuem Standort

    Fertigstellung bis 2029

    600

    Uniklinik Nancy mit sieben Dependancen wird an einem Standort zusammengeführt.

    Zusammenführung von Kliniken Dinan, Saint-Malo und Cancale

    Fertigstellung bis 2027

    400

    Zusammenführung von drei Kliniken an einem Standort und Modernisierung von zwei Kliniken des Klinikverbunds GHT Rance Emeraude.

    Neubau eines Forschungscampus PariSanté Campus, Paris

    Soll 2028 bezugsfähig sein

    360

    Armeekrankenhaus in Val-de-Grâce wird umgebaut.

    Modernisierung des Klinikhauptgebäudes in Pontoise

    In Planung

    350

    Modernisierung und Restrukturierung des Hauptgebäudes der Klinik in Pontoise des Klinikverbunds GHT Novo.

    Modernisierung des Krankenhausverbunds AP-HM, Marseille

    Baubeginn ab 2023

    337

    Als Teil des Krankenhausverbunds Assistance publique-hôpitaux de Marseille (AP-HM) werden zwei Krankenhäuser renoviert und eine Geburtsklinik gebaut.

    Renovierung des Krankenhauses Meaux

    Erste Phasen ab Oktober 2021

    169

    Krankenhaus Saint-Faron, Teil des Grand hôpital de l'Est francilien (Ghef), soll bis Ende 2025 phasenweise erneuert werden.

    Quelle: Techopital; Tagespresse

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Rahmenbedingungen und Marktzugang

    Pharmaunternehmen beklagen die niedrigen Erstattungssätze für Medikamente. Die Sozialversicherung aber muss sparen. Dennoch will die Regierung den Standort Frankreich voranbringen.

    Durch das große Gewicht der öffentlichen Gesundheitsfürsorge ist die Rückerstattungsfähigkeit von Gesundheitsprodukten entscheidend. Frankreich gilt als schwieriger Markt für die Erstattung von Medizintechnik und Arzneimitteln.

    Nach verschiedenen Studien dauert es in Frankreich deutlich länger, bis ein Produkt in die Listen für eine Rückerstattung im Rahmen der Sozialversicherung aufgenommen wird. Zwischen Zulassung eines Medizinprodukts und seiner Verfügbarkeit auf dem französischen Markt vergehen laut dem W.A.I.T.-Indikator 2021 der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations in Frankreich 497 Tage. In Deutschland sind neue Medikamente im Durchschnitt 133 Tage nach Zulassung auf dem Markt. 

    Entsprechend werden weniger Medikamente frühzeitig in Frankreich auf den Markt gebracht und innovative Präparate stehen den Patienten erst später zur Verfügung als in anderen Ländern. Auch die Forschungsabteilungen in der Industrie blicken zunächst auf ausländische Märkte, um innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Steigende Energiekosten, Inflation und Zinsen in Frankreich erschweren Ansiedlungsentscheidungen französischer und ausländischer Pharmaunternehmen zusätzlich. 

    Schnellere Rückerstattung nach deutschem Muster

    Im Rahmen eines Programms zur Forschungsförderung Plan innovation santé 2030 hat die Regierung im Juli 2021 Anpassungen vorgenommen, um den Standort Frankreich für die Forschung und für Investitionen in der Pharma- oder Medizintechnikindustrie attraktiver zu machen. Innovative Produkte können nunmehr bereits für eine Rückerstattung zugelassen werden, wenn ihr Nutzen von der obersten Gesundheitsbehörde HAS (Haute autorité pour la santé) bescheinigt worden ist und noch vor dem Abschluss der Preisverhandlungen. Nach den Worten des Präsidenten Macron, werde so ein Verfahren wie in Deutschland eingeführt. Zuvor mussten in der Regel die Preisverhandlungen abgewartet werden.

    Krankenhäuser können zudem ab dem 1. Januar 2022 leichter auf innovative Produkte mit hohem therapeutischen Nutzen zurückgreifen, auch wenn diese sehr teuer sind. Insgesamt soll die Aufnahme in den Erstattungskodex im Rahmen der Sozialversicherung beschleunigt werden auf unter 180 Tage. 

    Erstattung von telemedizinischen Dienstleistungen noch in Arbeit

    Digitale Sprechstunden sind seit dem 1. Oktober 2022 im Rahmen von nunmehr 70 Prozent rückerstattungsfähig. Auch die Fernüberwachung und Fernbetreuung (télésurveillance) durch Ärzte wird seit 2022 innerhalb eines restriktiven Rahmens bislang auf vorläufiger Basis rückerstattet werden. Eine endgültige Regelung zur Kostenübernahme wird nicht vor Juli 2023 in Kraft treten.

    Weitere Anpassungen sollen die Relokalisierung der Produktion in Frankreich und Europa attraktiver machen. Die Pharmaunternehmen des Landes jedoch leiden nach eigenen Angaben unter den niedrigen Erstattungspreisen, die eine Rentabilität von Medikamenten auf dem französischen Markt beeinträchtigen. Zumindest für den Finanzplan 2023 (den Projet de loi de financement de la sécurité sociale) konnte der Protest der Branche ein offenes Vergabeverfahren für Standardmedikamente abwehren. In Frankreich produzierende Unternehmen befürchten, durch ein solches Verfahren gegenüber günstiger produzierenden Ländern wie China und Indien ins Hintertreffen zu geraten. 


    Öffentliche Beschaffungen können zentral auf den staatlichen Plattformen Place (Plateforme des achats de l'état) oder Bamp (Bulletin officiel des annonces des marchés publics) eingesehen werden.

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest 

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft.

    AHK Frankreich

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministère des solidarités et de la santé

    Ministerium für Gesundheit

    Haute autorité de la santé (HAS)

    Prüft therapeutischen Nutzen von Medikamenten und Medizintechnik

    Assurance Maladie (Ameli)

    Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung

    Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ANSM)

    Behörde für Arzneimittelsicherheit

    Agence du numérique en santé (ANS)

    Förderagentur für die Digitalisierung des Gesundheitssektors

    Syndicat National de l'Industrie des Technologies Médicales (Snitem)

    Verband der Medizintechnikhersteller

    Les Entreprises du médicament (LEEM)

    Verband der Pharmaindustrie

    Fédération Hospitalière de France (FHF)

    Krankenhausverband

    Salon international santé et innovation (Sanexpo)

    Fachmesse für den gesamten Gesundheitssektor

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