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Special | Frankreich | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Frankreich – Höhere Reduktionsziele erfordern neue Maßnahmen

Mit dem European Green Deal muss Frankreich seine Ziele anpassen. Neue Ziele erfordern neue Maßnahmen und eröffnen Chancen für deutsche Firmen.

Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Klimastrategie: Frankreich sucht Vorreiterrolle

    Das Land strebt im Klimaschutz eine führende Rolle an, doch die Umsetzung kann soziale Konflikte schüren. Forschungseinrichtungen und Unternehmen entwickeln innovative Lösungen.

    Im Dezember 2015 wurde in Paris das nach der Stadt benannte Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Daher fühlt sich die französische Politik dem Klimaschutz besonders verpflichtet, auch wenn die Umsetzung der Ziele vielfach Konflikte hervorruft. Wechselnde französische Regierungen haben die auf EU-Niveau vereinbarten Klimaziele in den letzten Jahren über Gesetze, Strategien und Sektorprogramme auf die nationale Ebene heruntergebrochen und zahlreiche Förderprogramme aufgelegt.

    Die Klimaschutzbemühungen befinden sich 2023 in einer Übergangsphase. Mit dem Europäischen Klimagesetz, das am 29. Juli 2021 in Kraft getreten ist, hat sich die Europäische Union und damit auch Frankreich neue ambitionierte Ziele gesetzt. Die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um 55 Prozent (gegenüber 1990) gesenkt werden. 2050 wollen die EU-Mitgliedsstaaten Klimaneutralität erreichen. 

    Nach Verabschiedung des Fit-for-55-Pakets der Europäischen Kommission auf EU-Ebene wird Frankreich die darin vereinbarten Ziele auf die nationale Ebene übertragen. Im Mai 2023 hat Premierministerin Elisabeth Borne entsprechende Zielvorgaben zur Dekarbonisierung des Landes vorgelegt. Diese müssen noch in dem im Herbst 2023 erwarteten Klimagesetz umgesetzt werden. Im Zentrum der Bemühungen stehen der Transportsektor, die Industrie sowie die Gebäudewirtschaft. Auch wenn Frankreich 2022 seine Reduktionsziele erreichen konnte, erfordern die neuen Einsparziele eine deutliche Verstärkung der Dekarbonisierungsbemühungen. 

    Zusätzliche Maßnahmen bieten Chancen für Unternehmen. Es könnte aber auch erneut zu sozialen Konflikten kommen. Auslöser der Gelbwestenbewegung war seinerzeit auch eine Maßnahme zum Klimaschutz. Letzterer wird in Frankreich als Chance für die französische Industrie angesehen. Das Land verfügt über viele Forschungseinrichtungen und innovative Unternehmen, die unterstützt durch staatliche Fördergelder Technologien zum Klimaschutz entwickeln und zum Einsatz bringen. Frankreich will unter anderem in der Elektromobilität und der Wasserstoffwirtschaft weltweit ein führender Akteur werden. 

    Frankreich: Klimabilanz im Jahr 2021

    Indikator

    Frankreich

    Deutschland

    Bevölkerung (in Mio.)

    68,0

    83,2

    Ranking des Landes im Climate Change Performance Index (CCPI) 1)

    Rang: 28

    Punktezahl: 52,97

    Rang: 16

    Punktezahl: 61,11

    Anteil des Landes an den weltweiten Treibhausgasemissionen (in Prozent) 2)

    0,7

    1,4

    CO2-Ausstoß gesamt (in Mio. t/Jahr)

    306

    675

    CO2-Ausstoß pro Kopf (in t CO2/Kopf und Jahr)

    4,7

    8,1

    Emissionsintensität der Wirtschaft (in kg CO₂/BIP 3))

    0,1

    0,2

    Energieintensität der Wirtschaft (in MJ 4)/2017 US$ PPP 5)) 6)

    3,29

    2,76

    1 2023, Rang von 63; 2 2020; 3 Bruttoinlandsprodukt; 4 Megajoule; 5 Purchasing Power Parity (Kaufkraftparität); 6 2019.Quelle: INSEE 2023; CCPI 2023; Climatewatch 2023; Global Carbon Atlas 2023; International Energy Agency 2023

    Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Klimaziele: Neue Vorgaben in Ausarbeitung

    Frankreich passt die nationalen Klimaziele an den Green Deal an. In der Krise hat das Land die Förderung des Klimaschutzes ausgebaut.

    Mit dem Europäischen Klimagesetz, das am 29. Juli 2021 in Kraft getreten ist, haben sich die Europäische Union und Frankreich als Mitgliedsstaat neue Klimaziele gesetzt. Die übergreifenden Reduktionsziele sind bis zum Jahr 2030 eine Verringerung der Nettoemissionen (unter Berücksichtigung von Veränderungen in der Landnutzung und natürlichen Senken) von Treibhausgasen von 55 Prozent gegenüber 1990 sowie Klimaneutralität bis 2050.

    Die EU-Mitgliedsstaaten arbeiten noch an einer Reihe von Verordnungen und Richtlinien zur Umsetzung (Fit-for-55-Paket). Diese betreffen unter anderem die nationalen Reduktionsziele, die künftige Ausgestaltung des EU-Emissionshandels (EU-ETS) und eines CO2-Grenzausgleichssystems sowie Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien, die Gebäudeeffizienz und Emissionsstandards für Kfz, Luft- und Seefahrt.

    Frankreich setzt neue Ziele um

    Frankreich hat bereits die Anpassung an den Green Deal in die Wege geleitet. Im Herbst 2023 soll ein neues Klimaplanungsgesetz verabschiedet werden. Darauf aufbauend müssen dann die nationale Dekarbonisierungsstrategie SNBC (Stratégie Nationale Bas-Carbone) und die mehrjährige Energieplanung PPE (Programmation pluriannuelle de l'énergie) mit neuen Zielen aktualisiert werden. 

    Die derzeit gültigen Strategien SNBC-2 und PPE 2019-2028 wurden am 21. April 2020 per Dekret angenommen und orientieren sich noch an dem zuvor auf EU-Ebene vereinbarten Ziel einer Rückführung der Bruttoemissionen von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990. Nach im Mai vorgestellten Plänen der Regierung aber wird das neue Klimaplanungsgesetz die verschärften EU-Reduktionsziele übernehmen und umsetzen. 

    In der SNBC sind je nach Sektor CO2-Budgets für drei Perioden à fünf Jahre definiert. Laut Strategie sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent sinken. Im Jahr 2050 würden dann noch 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen und durch Senken absorbiert. Letztere sind natürliche Speicher für Kohlenstoff.

    Treibhausgasbudgets nach Sektoren (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr)

    Referenzjahr 1990

    2019-2023

    2024-2028

    2029-2033

    Transport

    122

    128

    112

    94

    Gebäude

    91

    78

    60

    43

    Landwirtschaft

    94

    82

    77

    72

    Industrie

    144

    72

    62

    51

    Stromerzeugung

    78

    48

    35

    30

    Abfallwirtschaft

    17

    14

    12

    10

    Treibhausgassenken

    -26

    -39

    -38

    -42

    Gesamt

    520

    383

    320

    258

    Quelle: SNBC 2020

    Die PPE enthält detaillierte Zielvorgaben für den Energieverbrauch, den Ausbau erneuerbarer Energien und den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung, aber auch zur Anzahl von Elektroautos und klimafreundlicheren Lkw.

    Mit der zweiten SNBC von 2020 hatte die französische Regierung die Budgets bis 2023 etwas erhöht und damit den Reduktionsbedarf stärker auf die Zeit nach 2030 verlagert. Das 55-Prozent-Ziel des Green Deal erfordert bis 2030 eine deutlich schnellere Rückführung. Gegenüber dem Niveau von 2019, vor der Coronakrise, müssen die Emissionen nun um durchschnittlich 5,1 Prozent pro Jahr zurückgehen. Der derzeit gültigen Strategie nach wären es nur 3,1 Prozent.

    CO2-Besteuerung stößt auf Widerstände  

    Parallel zu immer ambitionierteren Zielen haben wechselnde französische Regierungen seit Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls 2005, und stärker noch seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015, die Maßnahmen zum Klimaschutz verstärkt. Frankreich ist Teil des Emissionshandelssystems der EU (EU ETS). Auf nationalem Niveau hat Frankreich 2014 eine Kohlendioxidkomponente für Steuern auf Kraftstoffe, Gas und Kohle eingeführt. Damit werden die Sätze dieser bereits existierenden Steuerarten angehoben.

    Mehrere Klimapläne (Plan climat) aus den Jahren 2004, 2010 und 2017 führten verschiedene Maßnahmen ein. Nach dem Klimaplan 2017 sollte die CO2-Komponente jedes Jahr stärker angehoben werden. Als Reaktion auf die Gelbwestenproteste wurde die Anhebung aber 2018 ausgesetzt. Die Steuern sind seither auf dem damaligen Niveau verblieben. Um die Proteste zu entschärfen, berief Präsident Macron 2019 einen Bürgerkonvent (Convention citoyenne pour le climat) ein, der Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele des Landes erarbeiten sollte.

    Der Großteil der vom Konvent im Juni 2020 vorgelegten Maßnahmen sind in das Gesetz für Klimaschutz und Resilienz von August 2021 eingeflossen – darunter ein Verbot von Heizpilzen auf Terrassen in der Gastronomie, die Ausweitung von Umweltzonen und ein Verbot der Vermietung von besonders schlecht isolierten Wohnungen (ab 2028 und 2034). Für den Transportsektor fügte das Mobilitätsgesetz (Loi Mobilités) 2019 Maßnahmen hinzu. Diese umfassen Umweltzonen, Geld für die Instandsetzung der Schienennetze, Förderung für die Fahrradnutzung, Fahrgemeinschaften sowie die Installation von Ladestationen für Elektroautos.  

    Während der Coronakrise hat Frankreich über das Konjunkturpaket France Relance im September 2020 die Klimaschutzmaßnahmen deutlich ausgeweitet. Rund 30 Milliarden Euro von insgesamt 100 Milliarden Euro waren für die Energiewende und den Klimaschutz vorgesehen (Gebäudeeffizienz, Kaufprämien für Elektroautos, Subventionen für Energieeffizienz in der Industrie). Im Oktober 2021 hat die Regierung mit France 2030 ein weiteres Förderpaket im Umfang von 5 Milliarden Euro nachgeschoben. Es zielt auf Forschung und Industrieprojekte ab. Etwa die Hälfte (15 Milliarden Euro) betrifft den Klimaschutz mit Fördermitteln für kleine Kernreaktoren, Wasserstofftechnologien, für Flugzeuge ohne CO2-Ausstoß, die Produktion von Elektroautos und Batterien, den klimafreundlichen Ausbau der Landwirtschaft sowie den Ausbau des Kunststoffrecyclings. 

    Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Klimagesetze: Neue Vorgaben im Herbst 2023

    Frankreich arbeitet an einem neuen zentralen Klimagesetz. Auch will die Regierung die Ansiedlung klimaschonender Industrien fördern.

    Frankreichs Klimagesetzgebung ist umfassend, aber komplex. Die grundlegenden Normen finden sich in den Artikeln L100-1 A bis L100-5 des Code de l'énergie

    Das Gesetz zur Energiewende (Loi sur la transition énergétique, No. 2015-992 vom 17. August 2015) setzte im Jahr 2015 erstmals Klimaziele fest, machte Vorgaben für die Gebäudeeffizienz und schuf die Plandokumente Stratégie Nationale Bas-Carbone (SNBC) sowie die mehrjährige Energieplanung (Programmation pluriannuelle de l'énergie, PPE). Das Energie-Klima-Gesetz aus dem Jahr 2019 (Loi relative à l'énergie et au climat, No. 2019-1147 vom 8. November 2019) ergänzt und erweitert das Energiewendegesetz in Bezug auf klimafreundliche Energiegewinnung und Energieeffizienz. Es verschärft die Klimaziele und verfügt zudem das Ende der Kohleverstromung bis 2022.

    Zudem schreibt das Energie-Klima-Gesetz vor, dass bis zum 31. Juli 2023 ein übergreifendes Planungsgesetz für Energie und Klimaschutz (LPEC, Loi de programmation énergie climat) erlassen werden muss. Diese Frist konnte die Regierung nicht halten, der Erlass des Gesetzes wird nunmehr im Herbst 2023 erwartet. Das Planungsgesetz soll für drei Zeiträume von jeweils fünf Jahren übergreifende Reduktionsziele definieren. Diese Reduktionsziele bilden die Basis für die nachfolgend zu aktualisierende Dekarbonisierungsstrategie "Stratégie Nationale Bas-Carbone" sowie die mehrjährige Energieplanung. 

    Das ebenfalls 2019 erlassene Mobilitätsgesetz (Loi d'orientation des mobilités, No. 2019-1428 vom 24. Dezember 2019) definiert Ziele zum Ausbau nachhaltiger Mobilität und legt konkrete Maßnahmen fest.

    Mit dem Gesetz zu Klimaschutz und Resilienz (Loi climat et résilience, No. 2021-1104 vom 22. August 2021) hat der französische Gesetzgeber 2021 die durch einen Bürgerkonvent (Convention citoyenne pour le climat) erarbeiteten Klimaschutzmaßnahmen verabschiedet. Das Loi climat legt erstmals übergreifende Klimaziele und -vorgaben für sämtliche Lebens- und Produktionsbereiche fest. Damit hat das Klimagesetz den Klimaschutz in Wirtschaft und Alltag verankert. 

    Darüber hinaus will die Regierung die Ansiedlung klimaschonender Industrien anschieben. Das nunmehr für Ende 2023 erwartete Gesetz über "grüne Industrien" (industries vertes) soll Genehmigungsprozesse und die Finanzierung umwelt- und ressourcenfreundlicher Unternehmungen erleichtern. Auch Grundlagenindustrien für die Energie- und Dekarbonisierungswende wie die Batterieproduktion, Solarpaneele, Elektrolysatoren oder Halbleiter stehen im Fokus einer zukünftigen Förderung. Ziel ist, Frankreich zum europäischen Vorreiter grüner Technologien zu machen. 

    Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Investitionen: Neue Ziele brauchen zusätzliche Mittel

    Es muss mehr investiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Noch aber mangelt es an Geld und Projekten. Der Investitionsplan France 2030 fokussiert sich auf die Klimawende.

    Frankreich befindet sich bei der Bekämpfung des Klimawandels in einer Übergangsphase. Die Investitionen für den Klimaschutz reichten in den letzten Jahren nicht aus, um das noch gültige Reduktionsziel von 40 Prozent der Dekarbonisierungsstrategie (SNBC) aus dem Jahr 2020 zu erreichen. Mit dem neuen Ziel des European Green Deal von 55 Prozent wird der Investitionsbedarf deutlich steigen.

    Das regierungsnahe Institute for Climate Economics (I4CE) schätzt jährlich die privaten und öffentlichen Klimaschutzinvestitionen. Nachdem im Jahr 2021 schätzungsweise 84 Milliarden Euro in den Klimaschutz investiert wurden, geht I4CE in den kommenden Jahren von einem höheren Investitionsbedarf aus. Das I4CE erstellt außerdem eine Bedarfsschätzung, die allerdings Industrie und Landwirtschaft nicht berücksichtigt. Hier kommt das Institut für die Jahre 2021 bis 2030 auf jährlich erforderliche Bruttoinvestitionen zwischen 95 Milliarden und 112 Milliarden Euro. Der staatliche Think Tank France Stratégie erwartet, dass im Jahr 2030 bei Einbeziehung von Industrie und Landwirtschaft die notwendigen jährlichen Nettoinvestitionen 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit 70 Milliarden Euro erreichen werden.

    Private und öffentliche Investitionen in den Klimaschutz (in Milliarden Euro)

    2021 (Ist)

    2021-2030 (Bedarf pro Jahr, Euro konstant 2021)

    Energieeffizienz Neubau

    22,5

    7,2 - 21,5

    energetische Renovierung

    19,9

    22,5 - 43,4

    Infrastruktur (modaler Transport)

    12,4

    12,4 - 17,0

    klimafreundliche Fahrzeuge

    13,9

    20,5 - 43,8

    erneuerbare Energien

    8,2

    7,4 - 12,6

    Kernkraft

    4,6

    3,2 - 5,5

    Karbonabscheidung und -speicherung

    0

    0,1

    Sonstiges (Batterien, Wasserstoff, Methanisierung)

    0

    0,2 - 0,6

    Gesamt

    81,5

    95,2 - 111,7

    Nicht einbezogen: Industrie und Landwirtschaft.Quelle: I4CE

    Der wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron hat für die Amtszeit bis 2027 rund 10 Milliarden Euro pro Jahr für Klimaschutzinvestitionen versprochen – mit einer Investitionsplanung nach Sektor und Region Frankreichs. Das Budget im Jahr 2023 aber sieht deutlich geringere Investitionen vor. I4CE ermittelt 3,8 Milliarden für das laufende Haushaltsjahr. Die für die Bewältigung der Energiekrise eingesetzten Mittel haben das Budget deutlich eingeschränkt. Zudem, so I4CE, mangele es gerade im Infrastrukturbereich an Projekten, die bereits förderfähig seien.   

    100 Milliarden Euro für den Schienenverkehr

    Dennoch sollen bestehende Förderprogramme in einer Reihe von Feldern fortgeführt oder ausgebaut werden. Im Rahmen seines Innovations- und Investitionsplans France 2030 stellt Frankreich 5,6 Milliarden Euro für die Eingrenzung des industriellen CO2-Ausstoßes bereit. Im November 2022 hat Präsident Emmanuel Macron angekündigt, dieses Budget noch einmal um 5 Milliarden Euro aufzustocken. Parallel dazu werden über die nationale Wasserstoffstrategie etwa 9 Milliarden Euro bereitgestelltAuch wurde der Klimaschutz in der neuen Regierung bei der Premierministerin angesiedelt, mit zwei Ministerposten für Energiewende und Klimawende, und erhält so größeres Gewicht.

    Im Transportsektor werden Elektroautos durch Kaufanreize (Ökobonus) gefördert. Einkommensschwächere Haushalte können bei Kauf eines Elektro- oder Hybridfahrzeugs zusätzliche Kauf- und Verschrottungsprämien geltend machen. Zudem soll es künftig möglich sein, Elektro- oder Hybridfahrzeuge für weniger als 100 Euro pro Monat anzumieten. Beim Erwerb eines Neuwagens mit Verbrennermotor werden hingegen ab einem bestimmten Grenzwert des CO2-Ausstoßes CO2-Steuern (malus écologique) erhoben.

    Zudem sind staatliche Investitionen in die Bahninfrastruktur, den Schienengüterverkehr und die Flussschifffahrt sowie in den öffentlichen Personennahverkehr und in Fahrradwege geplant. Insbesondere hat Premierministerin Borne im Februar 2022 angekündigt, den Ausbau des Schienenverkehrs bis 2040 mit insgesamt 100 Milliarden Euro zu unterstützen.

    Unklar ist das weitere Schicksal der CO2-Besteuerung von Kraftstoffen, Erdgas und Kohle. Hier war im Energiewendegesetz aus dem Jahr 2015 eine graduelle Steigerung festgeschrieben worden: von 7 Euro je Tonne CO2 im Jahr 2014 auf 100 Euro im Jahr 2030. Als Reaktion auf die Gelbwestenproteste hat die Regierung die Bepreisung aber auf dem Niveau von 2018 (44,6 Euro je Tonne CO2) eingefroren. 

    Mehr Mittel für Gebäudeeffizienz

    Maßnahmen, um die Energieeffizienz in öffentlichen Bauten zu erhöhen, sollen verstärkt werden. Der Staat soll außerdem die energetische Sanierung von 700.000 Wohnungen fördern. Hier gibt es bereits eine Reihe von Instrumenten, zum Beispiel Zuschüsse für bestimmte Sanierungsarbeiten in Privathaushalten (MaPrimeRénov') sowie die Finanzierung solcher Maßnahmen durch Energieunternehmen im Gegenzug für CO2-Zertifikate (Certificats d'économie d'énergie).

    Im Neubausektor begann Anfang 2022 die schrittweise Einführung einer neuen Klimaschutzverordnung (RE2020). Sie legt auch Höchstwerte für den CO2-Abdruck von Neubauten fest, die schrittweise verschärft werden. In Nichtwohngebäuden mit einer Fläche von über 1.000 Quadratmetern muss der Energieverbrauch bis 2030 um 40 Prozent gesenkt werden, bis 2040 um 50 Prozent und bis 2050 um 60 Prozent.  

    Zum Schutze der Biodiversität verspricht die Regierung, 50 offene Mülldeponien zu schließen und bis zum Jahr 2030 rund 140 Millionen Bäume zu pflanzen. Im Energiesektor hat Macron den Bau von sechs Kernkraftwerken angekündigt. Acht weitere sollen geplant werden. Aber auch die erneuerbaren Energien sollen gefördert werden. So verspricht der Präsident 50 Offshore-Windparks und die Verzehnfachung der installierten Fotovoltaikleistung. Ein im Februar in Kraft getretenes Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien zielt darauf ab, Abstimmungsverfahren und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. 

    Krisenkonjunkturpakete setzen auf Klimaschutz

    Bereits das Corona-Konjunkturpaket France Relance förderte eine Vielzahl an Klimaschutzprojekten. Sie befinden sich bereits in der Umsetzungsphase. Das im Oktober 2021 aufgelegte Förderprogramm France 2030 geht schrittweise in die Vergabephase. Von 54 Milliarden Euro sieht France 2030 etwa 15 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen vor – etwa für die Dekarbonisierung der Industrie, für kleine Kernreaktoren und Flugzeuge ohne CO2-Ausstoß, für die Produktion von Elektroautos und Batterien oder den Ausbau des Kunststoffrecyclings. 

    Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • DIHK-AHK-Umfrage zum Klimaschutz 2022

    Frankreich

    Die Umfrage wurde im April und Mai 2022 von der DIHK unter 2.860 Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) durchgeführt. Unternehmen aus insgesamt 107 Ländern nahmen daran teil. Die Befragung gibt wieder, wie die in dem jeweiligen Land tätigen deutschen oder eng mit Deutschland kooperierenden Unternehmen die Situation vor Ort wahrnehmen.


    Von Martin Knapp (DIHK) | Berlin

  • Energie: Neue Planung ab 2024

    Nach der Umsetzung der Ziele des Green Deal muss bis 2024 auch die Planung für den Energiesektor neu gefasst werden. Atomkraft soll an Gewicht gewinnen.

    Energieversorgung

    Die Planung für den Energiesektor und damit für die an den Klimazielen orientierte Energiewende erfolgt durch die mehrjährige Energieplanung PPE (Programmation pluriannuelle de l'énergie). Der derzeit gültige Plan für zwei 5-Jahresperioden 2019-2028 zielt noch auf das inzwischen überholte Klimaziel einer Rückführung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2030 ab. 2023 wird das Parlament über eine neue Energieplanung entscheiden. 

    Die Vorgaben des European Green Deal (55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030) werden in Frankreich per Gesetz (Loi de programmation énergie climat, LPEC) in die Planung übernommen werden. Das eigentlich bis Juli 2023 erwartete Gesetz wird nunmehr voraussichtlich im Herbst 2023 verabschiedet. Innerhalb von 12 Monaten muss danach eine neue Energieplanung PPE für 2024-2033 erstellt werden. Sie dürfte einige wichtige Änderungen bringen, welche Präsident Emmanuel Macron zum Teil bereits angekündigt hat.

    Die geltende PPE (2019-2028) zielt im Energiesektor auf die Senkung des Verbrauchs und eine Diversifizierung des Energiemixes ab. Der Endenergieverbrauch soll bis 2023 um 7,6 Prozent und bis 2028 um 16,5 Prozent gegenüber 2012 zurückgehen. Dabei setzt die PPE auf Energiesparmaßnahmen für Gebäude, für den Verkehr, die Industrie und die Landwirtschaft. Hinzu kommt eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien, etwa bei der Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden oder über Fernwärmenetze.

    Weiterbetrieb und Neubau von Kernkraftwerken

    Für die Kernenergie gibt es eine Akzentverschiebung. Ein im März 2023 durch die Nationalversammlung verabschiedetes Gesetz über den Ausbau der Nuklearenergie sieht Laufzeitverlängerungen und den Neubau von Reaktoren in der Nähe von bereits bestehenden Kernkraftwerken vor. 

    Die Obergrenze für den Anteil an der Stromerzeugung fällt weg und bestehende Kraftwerke sollen laut Macron so lange wie möglich betrieben werden. Kein Block soll mehr außer Betrieb gesetzt werden, solange er sicher weiterbetrieben werden kann. Außerdem hat er den Bau von sechs Kernkraftanlagen (dreimal zwei Blöcke) eines neuen Typs (EPR2) ab 2028 angekündigt. Die Inbetriebnahme ist ab 2035 geplant. Für acht weitere sollen Studien erstellt werden. Der französische Rechnungshof schätzt die Kosten für sechs EPR2-Blöcke auf 46 Milliarden Euro.

    Ein EPR-Kraftwerk ist in Flamanville im Bau. Bauzeit und -kosten sind stark aus dem Ruder gelaufen. Es soll 2024 ans Netz gehen.

    Parallel will die Regierung 1 Milliarde Euro an Fördergeldern im Rahmen des Programms France 2030 für die Entwicklung kleiner neuartiger modularer Kernkraftwerke zur Verfügung stellen. Davon sollen 500 Millionen Euro dem Projekt Nuward des Energiekonzerns Électricité de France zugutekommen. 

    Der Ausbau der Kernenergie hängt auch mit den französischen Ausbauplänen für Wasserstoff zusammen. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, im Bereich Wasserstoff zum weltweit führenden Akteur zu werden. Mithilfe von Wasserstoff soll der CO2-Ausstoß in der Industrie und im Transport schwerer Güter gesenkt werden. Gleichzeitig will die Regierung eine eigene Wasserstoffproduktion aufbauen und die Forschung vorantreiben. Ziel ist eine installierte Kapazität von 6,5 Gigawatt bis 2030. Heimische Kernenergie soll als Quelle für die Wasserstofferzeugung dienen.

    Um die angestrebten Ziele zu erreichen, setzt Frankreich auf eine umfassende öffentliche Förderung. Die 2020 vorgestellte Wasserstoffstrategie umfasst 7 Milliarden Euro an Fördergeldern. Das Förderprogramm France 2030 von November 2021 stellt für die Erforschung von Wasserstoffanwendungen weitere knapp 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Ein Großteil dieser Anwendungen sind IPCEI-Gemeinschaftsprojekte (Important projects of common European interest). Hinzu kommen 1,2 Milliarden Euro für die Entwicklung eines Mittelstreckenflugzeugs auf Wasserstoffbasis bis 2035.  

    Stromerzeugung

    Die Stromerzeugung soll diversifiziert werden, vor allem durch einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien. Bis 2023 soll die installierte Leistung aus erneuerbaren Quellen gegenüber 2017 um 50 Prozent steigen und bis 2028 verdoppelt werden. Die Atomkraft soll entgegen der noch gültigen Energieplanung wieder angeschoben werden.

    Ausbauziele für erneuerbare Energien nach PPE (installierte Leistung in Gigawatt)

    2020 (Ist)

    2023 (Ziel)

    2028 (Ziel)

    Wasserkraft

    25,7

    25,7

    26,4 - 26,7

    Windkraft an Land

    17,6

    24,1

    33,2-34,7

    Offshore-Windkraft

    0,0

    2,4

    5,2-6,2

    Fotovoltaik

    10,4

    20,1

    35,1-44,0

    Biomasse

    0,68

    0,8

    0,8

    Biogas

    0,24

    0,27

    0,34-0,41

    Geothermie

    0,024

    0,024

    0,024

    Gesamt

    54,6

    73,4

    101,1-112,8

    Zielvorgaben in Gigawatt laut PPE 2019-2023 (2020); keine Berücksichtigung von MüllverbrennungsanlagenQuelle: Réseau de Transport d'Electricité (RTE) 2022; Ministère de la transition écologique 2022

    Kohleausstieg verzögert sich

    Die Energieplanung sieht einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2022 vor, der sich jedoch verzögert. Wegen des Ausfalls zahlreicher Kernkraftwerke entschied die Regierung im Frühjahr 2022, zwei von vier bestehenden Kohlekraftwerken im Winter 2022/23 weiter zu betreiben, um Stromengpässe zu vermeiden.

    Macron setzt auf Fotovoltaik und Offshore-Windkraft

    Die Regierung hat sich im Vorgriff auf die neue Energieplanung ab 2023 bereits ein Stück weit von den Zielen der PPE entfernt. Auch, weil etwa die Ziele zum Ausbau erneuerbarer Energien inzwischen unerreichbar scheinen. Im Februar 2022 hielt Präsident Emmanuel Macron in Belfort eine Grundsatzrede zur Ausrichtung des Energiesektors. Dabei orientierte er sich an einer Studie des Netzbetreibers RTE von Oktober 2021 (Futurs énergétiques 2050), die verschiedene Szenarien beschreibt, um den Nettotreibhausgasausstoß im Energiesektor bis 2050 auf null zu drücken. Die Ankündigungen des Präsidenten deckten sich indes nicht genau mit den Szenarien.

    Beim Ausbau erneuerbarer Energien hat Macron bis 2050 eine Verzehnfachung der Fotovoltaikleistung auf 100 Gigawatt und eine Erhöhung der Kapazität von Offshore-Windkraft auf 40 Gigawatt angekündigt. Ein erster Offshore-Windpark ist im November 2022 vor Saint-Nazaire ans Netz gegangen. Insgesamt aber hinkt der Ausbau den Planungen hinterher.

    Weil Windräder an Land schlecht akzeptiert werden, sieht Macron hier nur eine Verdopplung der Leistung bis 2050 voraus, ohne ein konkretes Ziel zu benennen. Noch ist unklar, wie die Steigerungen erreicht werden sollen. Eine höhere Ausbaugeschwindigkeit dürfte Chancen für deutsche Anbieter und Projektierer eröffnen. 

    Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Verkehr: Prämien treiben Verkauf von Elektroautos voran

    Kauf- und Verschrottungsprämien schaffen Anreize für den Absatz von Elektrofahrzeugen. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur kommt in Schwung.

    Im Verkehrssektor versucht der Staat mit Anreizen und Einschränkungen die Elektrifizierung voranzutreiben und eine Effizienzverbesserung der Fahrzeuge anzuregen. In Frankreich gelten die CO2-Emissionsziele der EU für Pkw und Lieferwagen. Sie dürften zur Erreichung der Ziele des European Green Deal verschärft werden.

    Ausbau der Ladeinfrastruktur zieht an

    Auf nationalem Niveau gibt es Kauf- und Verschrottungsprämien, die immer wieder angepasst werden (bonus écologique; prime à la conversion). Ab einem bestimmten Grenzwert des CO2-Ausstoßes (2023: 123 Gramm CO2 je Kilometer) werden Sonderabgaben erhoben (malus écologique). Seit Anfang 2022 gilt dies auch für Pkw mit einem Gewicht über 1.800 Kilogramm. Bei diesen Regelungen gibt es zahlreiche Ausnahmen und Abstufungen nach Einkommen, Alter der Fahrzeuge oder Antriebsart. 

    Beim Ausbau der Elektromobilität gibt es Fortschritte. Trotz noch hoher Preise legt der Absatz an E-Fahrzeugen zu. Der Bestand an Elektroautos und aufladbaren Hybridfahrzeugen lag Ende Februar 2023 bei gut 1,2 Millionen Fahrzeugen. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur gewinnt an Schwung. 

    Umweltzonen schließen ältere Fahrzeuge vom Verkehr aus

    Druck auf die Autokäufer geht auch von der Einrichtung von Umweltzonen aus, in denen Fahrzeuge über eine Umweltvignette schrittweise vom Verkehr ausgeschlossen werden. Nach Paris, Lyon und Grenoble haben auch weitere Großstädte Zonen eingerichtet, die unterschiedliche Regelungen und Zeitpläne verfolgen. Ab Ende 2024 müssen alle Städte mit mehr als 150.000 Einwohnern Umweltzonen einrichten. Nach dem Zeitplan der Hauptstadtregion Paris wären Dieselfahrzeuge ab 2024 vom Verkehr ausgeschlossen. Ab 2030 soll das für alle Verbrenner gelten. 

    Neue TGV-Strecken werden doch gebaut

    Im Konjunkturpaket France Relance von September 2020 hatte die Regierung Mittel für öffentliche Verkehrssysteme und für die Nationale Eisenbahn SNCF zur Verfügung gestellt. Diese war in der Krise in eine finanzielle Schieflage geraten. Gleichzeitig hat die Regierung 2021 Mittel für den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze zugesagt, die bei Amtsantritt von Präsident Macron zunächst auf Eis gelegt worden waren. Dabei geht es um die Strecken zwischen Lyon und Turin, Bordeaux und Toulouse sowie Montpellier und Perpignan und entlang der Côte d'Azur.

    Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Frankreichs Schwerindustrie entwirft Klimastrategien

    Die Dekarbonisierung der Industrie gewinnt an Schwung. Eine engagierte staatliche Förderung unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung von Klimaprogrammen. (Stand 05.04.2023)

    Die französische Regierung hat mit der Dekarbonisierungsstrategie "Stratégie nationale bas carbone" der Industrie des Landes strikte Ziele gesteckt. Bis 2030 soll das verarbeitende Gewerbe branchenübergreifend seinen CO2-Ausstoß um 35 Prozent gegenüber 2015 zurückfahren. Bis 2050 sollen die Emissionen um 81 Prozent sinken. Dies erfordert eine Neuaufstellung der französischen Industrie, die nicht nur dem Klimaschutz dient, sondern auch die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit steigern soll.

    Einsparziele Industrie bis 2030

    Branche

    Einsparziel bis 2030 (in %) *

    Chemie

    26

    Zement

    24

    Metall

    31

    Aluminium

    9

    * im Vergleich zu 2015.Quelle: Stratégie Nationale Bas Carbone 2020

    Um die bis 2030 angepeilten Einsparziele zu erreichen, sind Nettoinvestitionen von 70 Milliarden Euro erforderlich, so der staatliche Think Tank France Stratégie. Der Staat fördert den Umbau der Wirtschaft und unterstützt durch Subventionen. Im Rahmen seines Innovations- und Investitionsplans France 2030 stellt Frankreich 5,6 Milliarden Euro für die Eingrenzung des industriellen CO2-Ausstoßes bereit. Im November 2022 hat Präsident Emmanuel Macron angekündigt, dieses Budget noch einmal um 5 Milliarden Euro aufzustocken. Parallel dazu werden über die nationale Wasserstoffstrategie etwa 9 Milliarden Euro bereitgestellt.

    Zudem plant die Regierung ein Gesetz zur Förderung grüner Ansiedlungen. Dieses auch als Gegenentwurf zum amerikanischen Inflation Reduction Act konzipierte Programm soll die Ansiedlung dekarbonisierter Industrien in Frankreich anschieben. Der ab Oktober 2023 schrittweise greifende CO2-Ausgleichsmechanismus an den EU-Außengrenzen soll die lokale Industrie vor einer weniger dekarbonisierten und damit kostengünstigeren außereuropäischen Konkurrenz schützen.

    Industrie steht unter Anpassungsdruck

    Das verarbeitende Gewerbe Frankreichs steht unter Druck, Klimastrategien für seine Unternehmen zu entwerfen und vor allem auch umzusetzen und zu finanzieren. Nicht nur die französischen Zielvorgaben und strengere europäische Berichtsanforderungen führen dazu, dass Dekarbonisierungsziele in den Führungsetagen zum zentralen Diskussionspunkt werden.

    Auch handfeste wirtschaftliche Erwägungen treiben zum Handeln. Steigende Preise im Emissionshandel sowie der zunehmende Fokus von Geldgebern auf die Klimaaktivitäten von Unternehmen als Kriterium zur Kreditvergabe zwingen Firmenleitungen, unternehmensangepasste Dekarbonisierungstrategien zu erstellen. Zudem spüren gerade die großen börsennotierten Unternehmen wachsenden Druck durch ihre Anteilseigner, nachhaltige und ernsthafte Dekarbonisierungspläne vorzulegen.

    Chemie, Stahl und Zement im Fokus der Dekarbonisierung

    Die Stahlindustrie, der Chemiesektor und der Baustoffsektor (Plastik, Zement, Glas) sind nicht für das Wirtschaftsgefüge Frankreichs, sondern auch für die Dekarbonisierung des Landes von wesentlicher Bedeutung. Die drei Branchen erbringen zusammen knapp 28 Prozent der Wertschöpfung der französischen Industrie, erzeugten 2021 dafür aber 71 Prozent der gesamten industriellen Treibhausgasemissionen.

    Recycling, Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie der Ersatz fossiler Brennstoffe durch Alternativen wie Wasserstoff oder Biomasse bilden die Grundlage unternehmerischer Dekarbonisierungsstrategien der Schwerindustrie. Branchen, die aufgrund ihrer Produktionsprozesse Treibhausgasemissionen nicht vollständig eliminieren können (insbesondere die Zementindustrie) engagieren sich bei der Entwicklung von Lösungen zur CO2-Abspaltung. Bislang wird auch die Kompensation als eines der Mittel genutzt, die Produktion rechnerisch klimaneutral aufzustellen. Allerdings gerät dieser Ansatz, auch angesichts nicht immer nachhaltiger Umsetzung der Kompensationsvorhaben, in Frankreich zunehmend in die Kritik.

    Schwerindustrie stellt Produktionsprozesse auf den Prüfstand

    Die Stahlindustrie ist intensiv dabei, ihren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. ArcelorMittal hat sich zum Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen in Frankreich bis 2030 zwischen 35 und 40 Prozent zu senken. Bis 2050 will das Unternehmen weltweit Klimaneutralität erreichen. Hierfür investiert Arcelor allein in Frankreich 1,7 Milliarden Euro, unter anderem in den Aufbau einer Produktion direkt reduzierten Eisens. In Dünkirchen und Fos-sur-Mer rüstet das Unternehmen Hochöfen auf die Wasserstoffnutzung um und errichtet elektrische Hochöfen. Zudem stellt das Unternehmen sämtliche Produktionsstufen und Prozesse auf den Prüfstand. Um die Umstrukturierung voranzutreiben, hat ArcelorMittal den mit 100 Milllionen Euro ausgestatteten Investitionsfonds Xcarb aufgelegt. Der Fonds soll die Entwicklung von Dekarbonisierungstechnologien für die verschiedensten Stufen der Stahlproduktion finanzieren. Insbesondere die Kooperation mit Start-ups steht im Vordergrund. 

    Andere Branchenunternehmen bleiben nicht untätig. Im Juli 2022 kündigte ein Konsortium rund um EIT InnoEnergy, Engie und Forvia eine Investition in Höhe von 2,2 Milliarden Euro in den Aufbau einer Produktion direkt reduzierten Eisens auf Basis von Wasserstoff an. Auch der Stahlhersteller LME plant eine Investition in Höhe von 125 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Seine Dekarbonisierung startet das Unternehmen mit dem Austausch eines seiner zwei Hochöfen. Ein System der Abwärmerückgewinnung soll CO2-Einsparungen in Höhe von 16 Prozent bringen. 

    Die französische Chemie- und Zementindustrie machen sich ebenfalls auf den Weg in die Klimaneutralität. Solvay plant in Kooperation mit Veolia, seine Natriumkarbonatproduktion in Dombasle auf Ersatzbrennstoffe umzustellen. Die Investition in Höhe von 225 Millionen Euro soll die Treibhausgasemissionen des Werkes um 50 Prozent absenken. Auch die Zementhersteller des Landes engagieren sich. Eqiom wird mit einem von Air Liquide entwickeltem Prozess die bei der Herstellung erzeugten Treibhausgase abspalten und will damit zu einem der ersten klimaneutralen Zementwerke Europas werden. Der Europäische Innovationsfonds steuert 150 Millionen Euro bei.

    Ausgewählte Dekarbonisierungsprojekte in der Industrie

    Projektträger (Standort)

    Branche

    Projektbeschreibung 

    Investitionshöhe (in Millionen Euro)

    Projektstand 

    Ciments Calcia (Airvault)

    Zement, Baustoffe

    Neue Produktionslinie; Betrieb basierend auf Ersatzbrennstoffen

    285

    Betriebsbeginn 2024

    Novacarb (Laneuveville-devant-Nancy)

    Chemie

    Ersatzbrennstoffkraftwerk

    100

    Betriebsbeginn 2024

    Lhoist/Air Liquide (Réty)

    Kalkindustrie

    Errichtung CO2-Abscheidungseinheit

    k.A.

    Betriebsbeginn 2028

    Alsachimie/B+T Environnement (Chalampé)

    Chemie/Energie

    Ersatzbrennstoffkraftwerk

    110

    Betriebsbeginn 2023

    Air Liquide, Borealis, Esso S.A.F., TotalEnergies, Yara International ASA (Bassin industriel Normand)

    Chemie, Petrochemie

    Dekarbonisierung der Industrieregion Normandie, Aufbau einer regionalen Infrastruktur für CO2-Abscheidung und -Lagerung

    k.A.

    Absichtserklärung 2021

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

    Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Gebäude: Viel Förderung und erste Einschränkungen

    In den vergangenen Jahren hat die Regierung vor allem auf Fördermaßnahmen gesetzt. Schrittweise kommen Einschränkungen dazu, um Eigentümer zu mehr Effizienzmaßnahmen anzutreiben. 

    Die französische Regierung versucht mit Zuckerbrot und Peitsche die Gebäudeeffizienz zu steigern. Erste Einschränkungen werden in den kommenden Jahren greifen.

    Klimaschutzverordnung verändert Nachfrage nach Materialien und Technik

    Im Neubau tritt eine neue Wärme- und Klimaschutzverordnung (Réglementation environnementale, RE2020) seit Anfang 2022 phasenweise in Kraft. Sie gilt bereits bei Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern für Bauanträge ab dem 1. Januar 2022. Büro- und Unterrichtsgebäude folgen seit 1. Juli 2022.

    Neu ist vor allem die Einbeziehung der Kohlendioxidbilanz über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes und der verwendeten Materialien sowie eine stärkere Berücksichtigung des Wohnkomforts angesichts immer häufigerer Hitzeperioden. Die Grenzwerte der Verordnung werden langsam verschärft werden. Sie werden die Nachfrage nach Baumaterialien und Heiztechnik nachhaltig verändern

    Druck auf Eigentümer wird steigen

    Besonders schlecht isolierte Wohnungen sollen schrittweise ab Anfang 2023 nicht mehr vermietet werden dürfen. Dies könnte nach Schätzungen etwa 600.000 Wohnungen im Jahr 2025, 1,2 Millionen ab 2028 und weitere 2,6 Millionen ab 2034 betreffen. Allerdings gelten die Effizienzaudits noch als sehr unzuverlässig.

    Eigentümer von Nutzbauten mit mehr als 1.000 Quadratmetern Fläche müssen seit Ende September 2022 erstmals ihren Energieverbrauch online in eine Datenbank eintragen. Bis 2030 müssen sie gegenüber einem Referenzjahr (2010 oder später) eine Senkung des Energieverbrauchs von 40 Prozent erreichen (50 Prozent bis 2040 und 60 Prozent bis 2050). 

    Fördermaßnahmen für Haushalte sehr beliebt

    Neben den Einschränkungen, die zumeist erst mittelfristig wirksam werden, gibt es eine Reihe von Fördermaßen. Über das Programm MaPrimeRénov' gibt es gestaffelt nach Einkommen Zuschüsse zu Effizienzmaßnahmen in Privathaushalten, etwa für den Austausch von Heizungen oder Fenstern und auch für eine bessere Dämmung.

    Fördermaßnahmen für Gebäudeeffizienz

    Zur Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen in Bestandsgebäuden gibt es vier wichtige Instrumente:


    1. MaPrimeRénov' – Zuschüsse für bestimmte Arbeiten, gestaffelt nach Einkommen der Haushalte

    2. Certificats d'économie d'énergie (CEE) – Energieunternehmen erhalten Energiesparzertifikate für Arbeiten, die sie finanzieren

    3. Éco-prêt à taux zéro (Éco-PTZ) – Nullzinskredite für bestimmte Arbeiten

    4. France Relance – das Coronakrisenkonjunkturpaket France Relance beinhaltet 4 Milliarden Euro für die Gebäudeeffizienz im öffentlichen Sektor

    Während der Coronapandemie hat die Regierung mehr Mittel zur Verfügung gestellt und die Anträge sind stark gestiegen: von 140.000 im Jahr 2019 auf etwa 660.000 im Krisenjahr 2020. Im Jahr 2022 gab es Mittel für 685.000 Maßnahmen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen für den Klimaschutz ist allerdings in Studien in Zweifel gezogen worden. 

    Das zweite wichtige Instrument für Arbeiten in Privathaushalten, aber auch im Handel, in der Industrie und in öffentlichen Gebäuden sind Energiesparzertifikate CEE (Certificats d'économie d'énergie), die (in fast allen Fällen) mit MaPrimeRénov kombiniert werden können. Die Sanierungsmaßnahmen werden von Unternehmen des Energiesektors finanziert, die dafür Zertifikate erhalten. Alle drei Jahre legt die Regierung fest, wie viele Zertifikate die Unternehmen erreichen müssen. Im Zeitraum 2022 bis 2025 sollen die Unternehmen Maßnahmen finanzieren, die 2.500 Terawattstunden Strom einsparen und damit 17 Prozent mehr als in der vorangegangenen Periode.

    Von Peter Buerstedde, Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

  • Land- und Forstwirtschaft: Frankreich muss nachbessern

    Die Regierung soll im nationalen GAP-Strategieplan mehr Gewicht auf den Klimaschutz legen. Mit Subventionen fördert sie die Klimaresilienz in der Landwirtschaft.

    Die Europäische Kommission hatte Frankreich im April 2022 aufgerufen, einen veränderten Strategieplan für die Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorzulegen, die Anfang 2023 in Kraft trat. Vor allem die Maßnahmen zum Klima- und Artenschutz gingen der Kommission nicht weit genug. Das Land hat es trotz immer neuer Pläne nicht geschafft, die selbst gesteckten Ziele zur Rückführung des Pestizid- und Düngemitteleinsatz zu erreichen. Die Landwirtschaft hatte 2022 einen Anteil von knapp 20 Prozent an Frankreichs Ausstoß an Treibhausgasen und zählt damit zu den größten Emittenten des Landes.  

    Im Rahmen des Konjunkturpakets France Relance hatte die Regierung im September 2020 rund 1,2 Milliarden Euro für die Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung gestellt. Dabei geht es auch um den Klima- und Artenschutz. Über Projektaufrufe sind Subventionen für Landtechnik verteilt worden, die den Einsatz von Agrarchemie senken oder landwirtschaftliche Betriebe klimaresilienter machen sollen. Extreme Wetterphänomene wie der starke Frost im April 2022 oder anhaltende Dürreperioden wie im Sommer 2022 und Frühjahr 2023 nehmen zu und setzen die französische Landwirtschaft unter Druck. Über ein weiteres Hilfsprogramm France 2030 gibt es zusätzliche Mittel für Smart-Farming-Lösungen wie Drohnen und Präzisionssprühtechnik. 

    Neue Strategie für die Forstwirtschaft

    In der Forstwirtschaft begannen im Oktober 2021 Konsultationen zwischen Regierung und Verbänden für eine neue Förderstrategie. Parallel wurden aber bereits Projektaufrufe gestartet, um Subventionen für die Aufforstung und für die Stärkung der holzverarbeitenden Industrie zu verteilen. Dabei geht es auch darum, die Forstwirtschaft für den Klimawandel vorzubereiten. Mit Abschluss der Konsultationen im April 2022 hat die Regierung mehr Fördermittel zugesagt. Insgesamt sollen bis 2030 zwischen 1,1 Milliarden und 1,4 Milliarden Euro an staatlichen Mitteln in die Aufforstung fließen.


    Von Peter Buerstedde | Paris

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    AHK Frankreich

    AHK berät beim Markteinstieg

    Ministère de la Transition écologique et de la Cohésion des territoires

    Ministerium für die Energiewende und den territorialen Zusammenhalt

    Agence de la transition écologique (Ademe)

    Nationale Umweltbehörde

    Réseau de Transport d'Électricité (RTE)

    Betreiber der Hochspannungsnetze

    Enedis

    Betreiber der Niedrig- und Mittelspannungsnetze

    Futurs énergétiques 2050

    Studie von RTE zur Energieversorgung

    RT-RE Bâtiment

    Offizielles Webportal zur Klimaschutzverordnung RE2020

    Uniclima

    Verband für Heiz- und Kühltechnik

    France Hydrogène

    Wasserstoffverband

    Fédération Nationale du Bois (FNB)

    Verband der Forst- und Holzindustrie

    VIG'HY

    Übersicht über Wasserstoffprojekte und nationale Ziele

    Batimat

    Baumesse

    Pollutec

    Umweltmesse, wechselnd in Paris und Lyon

    HyVolution

    Wasserstoffmesse

    InterClima

    Messe für Heiz- und Kühltechnik

    BePositive

    Messe für die Energiewende

    H2-Mobile

    Internetportal zu Wasserstoff in der Mobilität

  • Angebote der AHK

    AHK Frankreich

    Die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) beschäftigen sich auf vielfache Weise mit Themen der Dekarbonisierung der Wirtschaft. Sie führen zahlreiche Projekte zu den erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz durch. Sie dienen darüber hinaus den deutschen Unternehmen als Ansprechpartner vor Ort und als Vermittler von Kontakten zur Wirtschaft und zu den Behörden ihrer Gastländer.

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