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Begrenzte Deponieflächen erfordern neue Abfallpolitik in Hongkong
Hongkong steht seit Jahren vor Herausforderungen, wie einer wenig strukturierten Abfalltrennung und ausgelasteten Mülldeponien. Die geplante Recycling-Reform verzögert sich.
20.06.2024
Von Robert Herzner | Hongkong
Ausblick der Abfallwirtschaft in Hongkong
- Mülldeponien sind ausgelastet mit zu geringen Flächen.
- Milliardeninvestitionen in neue Anlagen, aber geringer Fokus auf Recycling.
- Ein Zeitpunkt der Umsetzung des Gesetzes von 2021 zu Abfallgebühren und Mülltrennung ist vorerst nicht in Sicht.
Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Mai 2024
Marktentwicklung
Hongkong ist eine der am dichtesten besiedelten Metropolen der Welt. Bisher verlässt sich die Stadt vor allem auf Mülldeponien, um ihren Abfall loszuwerden. Doch schon im Jahr 2026 sollen die bestehenden Deponien an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Neue Deponien sind nicht zuletzt wegen des Platzmangels keine Option. Zudem sind die Müllhalden drittgrößter Emittent von Treibhausgasen. Deshalb will die Regierung durch eine effizientere Mülltrennung die Recyclingquote erhöhen und mehr Müll in Müllverbrennungsanlagen zu Energie umwandeln.
Neues Abfallwirtschaftskonzept wartet seit 2021 auf Umsetzung
Bereits 2021 hatte die Regierung ein Gesetz für feste Siedlungsabfälle verabschiedet. Ende Mai 2024 gab sie bekannt, dass die Umsetzung nicht wie geplant im August 2024 startet, sondern auf unbestimmte Zeit verschoben ist.
Das Gesetz sieht vor, dass die Einwohner erstmals Gebühren für Müll zahlen sollen. Damit will die Regierung erreichen, dass die Bevölkerung weniger Müll produziert. Außerdem sollen laut Gesetz verwertbare Abfallstoffe getrennt gesammelt und recycelt werden. Restmüll darf die Bevölkerung nur in bestimmten Plastiktüten entsorgen, die sie an offiziellen Verkaufsstellen erwerben muss.
Kurz vor der Einführung waren viele Details zur Umsetzung noch nicht geklärt. Dazu zählt, wer in einem Hochhaus mit über 100 Wohneinheiten kontrolliert, dass das Gesetz eingehalten wird. Außerdem stand nicht fest, wie Verstöße geahndet werden. Darüber hinaus muss die Stadt die Anzahl von Recyclingsammelstellen deutlich ausbauen. Im April 2024 wurden acht Probestellen aufgebaut.
Außerdem muss die Stadt neue Konzepte finden, um Mülltrennungsanlagen zu finanzieren. Für Privatunternehmen ist der Betrieb einer Mülltrennungsanlage ohne Subventionen nicht profitabel. Gründe sind die äußerst hohen Immobilienpreise und Lohnkosten.
Grundsätzlich schätzen Experten, dass der Stadtverwaltung die Umsetzung der Abfallverordnung gut gelingen wird. Als Grund führen sie an, dass Hongkong in weiten Bereichen wie ÖPNV, Sauberkeit und Sicherheit im Öffentlichen Raum sowie dem Gesundheitswesen effizient und gut aufgestellt ist.
Gewicht liegt auf Müllverbrennung
Für 2025 ist die Inbetriebnahme der ersten Verbrennungslage auf der unbewohnten Insel Shek Kwu Chau geplant. Sie hat eine tägliche Verarbeitungskapazität von 3.000 Tonnen und soll Strom für 100.000 Haushalte pro Jahr erzeugen. Für Anfang der 2030er Jahre ist eine zweite Verbrennungsanlage mit einer Kapazität von 6.000 Tonnen pro Tag geplant. Eine Sprecherin der Umweltbehörde Environmental Protection Department (EPD) teilte im März 2024 mit, dass die Regierung für die zweite Verbrennungsanlage der Stadt am 0,18 Quadratkilometer großen Standort Tsang Tsui im Nordwesten der New Territories an der Grenze zu Shenzhen eine offene Ausschreibung durchführen wird. Große Bauunternehmen vom Festland und aus Übersee wurden im vergangenen Jahr zur Teilnahme an einer Marktsondierung eingeladen, um mehr Wettbewerb und fortschrittliche Technologien einzuführen.
Akteur/Projekt | Investitionssumme (in US$) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Shek Kwu Chau Waste-to-Energy ("I Park1") | 4 Milliarden | Inbetriebnahme geplant 2025 | Müllverbrennungsanlage, Joint Venture zwischen Keppel Infrastructure und China Harbour Engineering |
WENTX, Nim Wan, Tuen Mun | 7,8 Milliarden | Projektvergabe 2023 | Deponie, Inbetriebnahme geplant 2030, Durchführer China State Construction International Holdings Limited und Veolia Group |
Tsang Tsui Waste-to-Energy ("I Park2") Tuen Mun
| Abfrage für Tenderangebote November 2024 | Ausschreibung 2025 geplant | Müllverbrennungsanlage, Inbetriebnahme geplant 2030 |
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Nach den Daten des EPD werden auf den Deponien durchschnittlich 1,5 Kilogramm Abfall pro Einwohner und Tag entsorgt. Dies liegt deutlich über dem Vergleich von Seoul mit 0,9 Kilogramm und Taipeh mit 0,4 Kilogramm. In diesen Städten wurden 1995 beziehungsweise 2000 kommunale Abfallgebühren eingeführt, was zu einer 50-prozentigen Verbesserung der Recyclingraten führte. In Ergänzung zu den neuen Richtlinien zu Recycling werden weitere Anlagen zur Müllentsorgung benötigt, um die von der Regierung gesetzten Ziele zum geringeren Ausbau von Deponien zu erreichen. Mit Recycling und Abfallvermeidung alleine lassen sich diese nicht umsetzen.
Hohe Müllerzeugung und geringe Recyclingquote
Mit ihren etwa 7,5 Millionen Einwohnern produzierte die Stadt 2022 nach Angaben der Umweltbehörde EPD täglich 15.725 Tonnen Abfall. Davon sind 11.128 Tonnen feste Siedlungsabfälle. Lebensmittelabfälle sind mit 30 Prozent nach wie vor der größte Bestandteil der festen Siedlungsabfälle, gefolgt von Kunststoff- und Papierabfällen. Insgesamt werden nur 7 Prozent der Abfälle innerhalb der Stadt recycelt, hauptsächlich Metalle und Papier.
Material | Durchschnittliche tägliche Abfallmenge (in t) | Anteil (in %) |
---|---|---|
Nahrungsmittelreste | 3.495 | 31,4 |
Plastik | 2.369 | 21,3 |
Papier | 2.244 | 20,2 |
Textilien | 388 | 3,5 |
Metall | 248 | 2,2 |
Glas | 211 | 1,9 |
Holz | 207 | 1,9 |
Gefährliche Haushaltsabfälle | 132 | 1,2 |
Sonstige | 1.836 | 16,5 |
Gesamt | 11.128 | 100,0 |
Im Vergleich zu den USA und Europa, die Recyclingraten von 31 Prozent beziehungsweise 52 Prozent für Kunststoff PET aufweisen, hat Hongkong nur eine Recyclingrate von 12,3 Prozent für alle Arten von Kunststoffen. Im Dezember 2022 eröffnete das Recyclingunternehmen New Life Plastics (NLP) eine Recyclinganlage. Das Berliner Recyclingunternehmen Alba hält 10 Prozent Anteile an NLP, Mehrheitseigentümer ist Swire Coca-Cola mit 57 Prozent. Die 6.500 Quadratmeter große Anlage soll ein Viertel der täglich 4,7 Millionen deponierten Plastikflaschen der Stadt verarbeiten. Trotzdem ist die Anlage nur zu 30 Prozent ausgelastet. Das liegt an der fehlenden politischen Unterstützung, an der unzureichenden Infrastruktur der Abfallströme und am fehlenden Vertrauen der Verbraucher in das Recyclingsystem. Die Betreiber stellen dar, dass Kunststoffrecycling in Hongkong wegen der hohen Betriebskosten nicht rentabel sei. Das Sammeln, Sortieren und Reinigen von Flaschen ist teuer, da dafür Landressourcen, Transportflotten, Strom und Arbeitskräfte benötigt werden.
Öffentliche Ausschreibungen bieten internationalen Anbietern Chancen
Alle größeren staatlichen Anschaffungen von Waren und Dienstleistungen müssen in Hongkong öffentlich ausgeschrieben werden. Ausschreibungen verlaufen in der Regel fair und offen. Korruption spielt eine geringe Rolle. Zumeist bekommen aber einheimische und chinesische Anbieter den Zuschlag für die Rohbauten oder das Gesamtprojekt. Dennoch ist die Regierung an einer Beteiligung ausländischer Firmen interessiert. Für diese ergeben sich insbesondere im Bereich Planung und technische Ausstattung Zuliefermöglichkeiten.