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Usbekistans Markt für Abfallmanagement lockt Investoren
Die usbekische Regierung weitet die Strategie zur Entwicklung der Abfallwirtschaft um neue Projekte aus. Für ausländische Firmen bietet der Markt reichlich Potenzial.
11.09.2024
Von Uwe Strohbach | Taschkent
In Usbekistan soll schrittweise ein flächendeckendes Sammel- und Trennsystem für Abfälle aller Art entstehen. Dazu hat die zentralasiatische Republik bereits im Jahr 2019 ein Investitionsprogramm gestartet. Geplant sind moderne Müllumladestationen und Anlagen zur gezielten Verwertung von Wertstoffen, der Bau neuer Deponien sowie Maßnahmen zur Rekultivierung stillgelegter Deponien.
Seit der Verabschiedung des Programms wurden allerdings nur wenige Projekte begonnen, was vor allem auf die Coronapandemie zurückzuführen ist. Ein von der usbekischen Regierung initiierter neuer Maßnahmenplan 2024 soll nun neue Impulse geben.
Ausländischen Interessenten bieten sich zahlreiche Kooperationschancen
Dabei können Know-how und Technologien aus dem Ausland einen wesentlichen Beitrag leisten. Gefragt sind sowohl das Fachwissen von Ingenieurbüros und Beratern als auch die Expertise zur Verwendung von Wertstoffen. Bedarf besteht auch an Deponie-, Fahrzeug- und Anlagentechnik.
Usbekistan zeigt zudem Interesse an den Erfahrungen ausländischer Akteure bei der Gewinnung von Biogas aus biogenen Abfällen. Biogas könnte als Alternative zu Erdgas schon bald einen relevanten Beitrag zur Versorgung mit Strom, Fernwärme und Prozesswärme leisten und somit auch den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Außerdem strebt das Land an, biogene Abfälle für die Produktion größerer Mengen organischen Düngers zu nutzen.
Ausländische Unternehmen können sich auch bei öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) einbringen. Mitte 2024 gab es bereits 66 bestehende oder geplante derartige Vorhaben. Dabei handelt es sich in aller Regel um recht kleinteilige Lösungen auf kommunaler Ebene ohne die Beteiligung von Partnern aus dem Ausland.
Die Regierung hofft, dass bei der Neuordnung des Abfallmanagements im Land - mehr Privatinitiative, weniger Staat - verstärkt internationale Erfahrungen einfließen. Im Zuge dessen sollen private Akteure bald mehr als die Hälfte der anfallenden Haushaltsabfälle einsammeln und verwerten.
Periode | |
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Zeitraum 2019 bis 2022 | |
Implementierte und vorbereitete Projekte (Anzahl) | 54 |
Projektwert (in Mio. US$) | 75 |
Implementierte Cluster-Projekte (Anzahl) | 19 |
Projekte vor der Vertragsunterzeichnung (Anzahl) | 7 |
Laufende Ausschreibungen für PPP-Projekte (Anzahl) | 28 |
Zeitraum bis Ende 2023/Anfang 2024 | |
Neue geplante Cluster-Projekte (Anzahl) | 32 |
Projektwert (in Mio. US$) | 38 |
Höheres Aufkommen bei Müllgebühren dank elektronischer Erhebung
Neben der Präsentation zahlreicher Investitionsofferten hat die Regierung zuletzt auch an den Rahmenbedingungen der Branche geschraubt. Zweck der regulativen Eingriffe ist es, die Reformen im Abfallsektor voranzutreiben und seine Attraktivität für private Engagements zu erhöhen. Neu ist beispielsweise, dass die Mülltarife jährlich überprüft und den Marktbedingungen angepasst werden.
Darüber hinaus ist es den Abfallbetrieben mittlerweile erlaubt, die Müllgebühren elektronisch zu erheben. Davon verspricht sich die Regierung vor allem ein optimiertes Gebührenaufkommen - ein wichtiger Aspekt, um das Vertrauen potenzieller Investoren zu gewinnen. Erste Erfahrungswerte mit dem automatisierten Gebühreneinzug geben den Initiatoren Recht: Die Zahlungsrückstände der Kunden haben sich bereits auf breiter Front verringert.
Außerdem wurden Bußgelder und Strafen für die illegale Entsorgung von Abfällen deutlich erhöht und eine spezielle Lizenz für den Transport von Abfällen jeglicher Art angekündigt. Die Lizenz, die das Ministerium für Ökologie, Umweltschutz und Klimawandel vergibt, dient vorrangig der Qualitätssicherung und wird für die betreffenden Unternehmen ab 1. Januar 2025 verpflichtend.
Ambitionierte Ausbauziele mit Fokus auf die energetische Abfallverwertung
Einer der Schwerpunkte der mittelfristig geplanten Investitionen ist die energetische Verwertung von biogenen Abfällen. Substitute wie Biogas werden als Alternative zum Erdgas immer wichtiger für Usbekistan. Zum einen nimmt die eigene Förderung des Energieträgers seit Jahren ab. Zum anderen wird die Erdgasveredelung forciert. In 18 Projekte zur Produktion von Strom und Wärme auf der Basis alternativer Energieträger, darunter zwei Großvorhaben mit dem Schwerpunkt Biogas, sollen 2024/2025 bis 2028 mehr als 700 Millionen US-Dollar fließen.
Bei der Beschaffung moderner Ausrüstungen zur Vorbehandlung biogener Festbrennstoffe, Biomassevergasung, Gasreinigung und -anreicherung (Methanisierung) sowie zur Bereitstellung von Strom (Gasmotoren und -turbinen) werden Importe und Investitionen aus dem Ausland benötigt. Unter Berücksichtigung sonstiger Abfälle will Usbekistan 2030 etwa 35 Prozent des gesamten Müllaufkommens energetisch verwerten.
Um die geplanten Projekte auch umsetzen zu können, setzt die Regierung hauptsächlich auf staatliche Budgetmittel und Investitionen ausländischer Firmen. Auch ist der Rückgriff auf noch offene Kreditlinien der Asiatischen Entwicklungsbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung geplant.
Bezeichnung des Vorhabens | Investitionssumme (in Millionen US$) | Zeitraum der Realisierung | Projektträger |
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Abfallmanagement mit Fokus auf kleine Städte und ländliche Regionen; Beschaffung von Müllcontainern und -fahrzeugen, Spezialtechnik sowie Laborausrüstungen, Errichtung regionaler Servicezentren für Müllfuhrparks | 112 (Kredit der ADB: 60) | 2021 bis voraussichtlich 2025 | Ministerium für natürliche Ressourcen, Vereinigung öffentlicher regionaler Entsorgungsunternehmen |
Abfallmanagement in der Hauptstadt Taschkent, 1. Etappe; Neuausrichtung- und strukturierung des Projekts ab 2019/2020, weitere Umsetzung als PPP-Projekt geplant | 92 (Kredit der ADB: 69) | Realisierung seit 2015/2016, Neuausrichtung des Projekts ab 2019/2020, Mittelabruf des ADB-Darlehens Ende 2021: 60% | Staatsunternehmen Maxsustrans |
PPP-Cluster-Projekt im Ballungsgebiet Taschkent; Erwartungen an Investor: Erarbeitung und Umsetzung eines Programms für Abfallentsorgung, Investitionen (Müllsammelstellen, Fuhrpark, Sortier- und Verwertungsanlagen), erwartete Investitionsverpflichtung des privaten PPP-Partners ab etwa 2025 bis 2051 | 263 | Memorandum (Regierung und ADB) vom September 2021 über geplantes PPP-Cluster-Projekt im Ballungsgebiet Taschkent, Ausschreibung in früher Vorbereitung | |
Abfallmanagement in der Autonomen Republik Karakalpakstan (2 Mio. Einwohner); Modernisierung/Bau von 3 Deponien, Errichtung von 8 Müllumladestationen, Bau von Müllsortierfabriken und Beschaffung von Spezialtechnik | 80 (Kredit der EBRD: 70) | 2023 bis voraussichtlich 2025/2026 | Ministerium für natürliche Ressourcen/ Regionaler Staatsbetrieb Toza Xudud (Toza Chudud) |
Abfallmanagement in der Provinz Choresm (2 Mio. Einwohner); Errichtung von zwei Deponien, 6 Müllumladestationen, Bau von Müllsortierfabriken und Beschaffung von Spezialtechnik | 57 (Kredit der EBRD: 50) | 2023 bis voraussichtlich 2025/2026 | Ministerium für natürliche Ressourcen/ Regionaler Staatsbetrieb Xorazm Toza Xudud (Choresm Toza Chudud) |
Installation von Gasturbinen für die Umwandlung von Methan in Strom (installierte Kapazität: mindestens 16 MW), Deponien Achangaran und Maidontol (Provinz Taschkent) | 55 | 2022/2023 bis 2024/2025 | Sejin G&E Co., Ltd. (Korea, Direktinvestition), Kontakt über das Ministerium für natürliche Ressourcen |
Abfallmanagement in der Stadt Samarkand (ca. 600.000 Einwohner); Bau/Modernisierung von Müllsammelstellen, Beschaffung von Containern sowie Müll- und Spezialfahrzeugen, Errichtung einer Deponie und von Sortieranlagen | 45 (Kredit der AFD: 28,5; Zuschuss der EU: 9,7) | Realisierung seit 2019/2020, Mittelabruf bis zum 1.1.2023: 12,5 Mio. US$ | Staatsunternehmen Maroqand Obod |
Nachholbedarf bei der Abfallentsorgung bleibt unvermindert groß
Aktuell hinken die Neuaufstellung und der Ausbau der Abfallwirtschaft in Usbekistan den Zielen der Abfallstrategie von 2019 noch deutlich hinterher. So zielte die Strategie ursprünglich darauf ab, bereits 2025 Systeme der öffentlichen Mülleinsammlung für die gesamte Bevölkerung am Start zu haben. Davon Gebrauch machen konnten Mitte 2024 aber erst 62 Prozent aller Einwohner. Mittlerweile rechnet das zuständige Ministerium mit dem Jahr 2030, ab dem eine flächendeckende Müllerfassung sichergestellt sein wird.
Ähnlich schaut es beim Recycling aus. Aktuell können nur 32 Prozent der anfallenden Siedlungsabfälle verwertet werden. Die ursprünglich für 2025 angepeilte Marke von 45 Prozent dürfte somit nicht mehr zu erreichen sein. Bis 2030 strebt das Ministerium an, die Verwertungsquote auf bis zu 65 Prozent hochzufahren.
2018 (Ist) | 2021 | 2025 | 2028 | |
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Anteil der von der Mülleinsammlung erfassten Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung | 48 | 85 | 100 | 100 |
Anteil der stofflich und energetisch verwerteten Abfälle am Gesamtabfallaufkommen | 6 | 25 | 45 | 60 |
Verarbeitungsquote im Sektor spezifische Abfälle (Akkus, Altöl, bleihaltige und andere Abfälle) | unter 5 | 10 | 15 | 25 |
Anteil der den Rechtsnormen entsprechenden Entsorgungsanlagen (Deponien) an allen Deponien im Land | 0 | 25 | 65 | 100 |
Anteil rekultivierter oder sich in einer Rekultivierungsphase befindlicher Deponien an allen stillgelegten Deponien | k.A. | 20 | 65 | 100 |
Anteil überwachter Deponien an allen kommunalen Deponien | k.A. | 20 | 75 | 100 |
Zur Endlagerung der Siedlungsabfälle gab es 2022 offiziell 165 registrierte Deponien. Von diesen entspricht aktuell keine einzige allen ökologischen und sanitären Normen. Die Halden nehmen eine Fläche von 1.445 Hektar ein, wo insgesamt 33,5 Millionen Tonnen gelagert sind. Als großer Problemfall gelten zudem unzählige wilde Müllkippen, die weitestgehend unkontrolliert Böden, Luft und Wasser kontaminieren.