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Hongkong investiert kräftig in Müllverbrennung
Die Metropole baut eine riesige Anlage zur Abfallverbrennung. Ein weiteres Werk könnte 2030/2035 in Betrieb gehen. Mehr Recycling und Müllvermeidung runden das Gesamtkonzept ab.
13.12.2021
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Sonderverwaltungsregion (SVR) braucht dringend eine Lösung für das ausufernde Abfallproblem. Mit ihren etwa 7,5 Millionen Einwohnern produzierte die Stadt 2019 nach Angaben der Umweltbehörde täglich im Durchschnitt rund 15.600 Tonnen Abfall. In den letzten Jahren ist die Menge kontinuierlich gestiegen, auch wenn die Coronapandemie 2020 und 2021 für eine gewisse Entlastung gesorgt haben dürfte. So ist etwa die Bevölkerung durch Abwanderung leicht geschrumpft.
Doch nach dem Ende der Pandemie ist mit neuen Abfallrekorden zu rechnen. Die Regierung versucht, das Problem einerseits mithilfe von mehr Recycling in den Griff zu bekommen. Zudem wurde vom Hongkonger Parlament im Herbst 2021 ein Gesetz zur erstmaligen Erhebung von Müllgebühren für private Haushalte verabschiedet. Auch wenn die Abgaben gering ausfallen, dürfte die Bevölkerung dadurch auf das Thema Abfallvermeidung aufmerksam werden.
Müllverbrennung ist letztendlich alternativlos
Andererseits muss die Verwaltung die Entsorgungskapazitäten deutlich erhöhen. Die bestehenden Deponien sind teils überlastet; neue Anlagen lassen sich aufgrund der engen Platzverhältnisse nicht bauen. Zugleich wird der Export von Abfall nach China immer schwieriger, da die Volksrepublik den entsprechenden Import nach und nach einschränkt. Daher sehen Experten des Hongkonger Umweltamtes in der Müllverbrennung einen gangbaren Weg.
Die auf einer unbewohnten Insel liegende Anlage soll täglich 2.800 Tonnen Müll verbrennen.
Auf einer abgelegenen Insel entsteht derzeit eine Anlage zur Abfallbehandlung und -verbrennung. Das Werk soll pro Tag rund 2.800 Tonnen Müll verbrennen beziehungsweise 200 Tonnen wiederaufbereiten. Das entspräche rund 27 Prozent des derzeitigen Aufkommens von Siedlungsabfall. Die Investitionskosten belaufen sich auf insgesamt 4 Milliarden US-Dollar.
Den Zuschlag für das Vorhaben erhielten im November 2017 die Firmen Keppel Seghers Hong Kong und Zhen Hua Engineering. Als Betreibermodell wird das Projekt im Sinne von "Design-Build-Operate" umgesetzt. Erst 2025 soll die Anlage in Betrieb gehen. Für ausländische Subunternehmen und Spezialanbieter dürften sich im Umfeld des Vorhabens einige Zulieferchancen ergeben.
Hongkongs Haushaltsmüll ist sehr feucht
Für die geplante Anlage sind technisch gesehen einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Die kommunalen Abfälle der SVR haben wie auch das gesamte Klima einen hohen Feuchtigkeitsgrad. Sie bestehen zu 40 Prozent aus Lebensmittelrückständen und Bioabfällen. Daneben enthält der Müll aber auch giftige Sonderabfälle wie Batterien, Arzneimittel oder Farben. Eine entsprechende Mülltrennung findet bislang kaum statt.
Stoffart | Menge |
---|---|
Siedlungsabfall, davon | 11.057 |
Lebensmittel- und Bioabfälle | 3.656 |
Papier | 2.704 |
Plastik | 2.320 |
Holz | 380 |
Metall | 256 |
Glas | 253 |
Haushaltssonderabfälle* | 126 |
Bauschutt und -abfälle | 3.946 |
Sondermüll | 635 |
Aktuell befinden sich weitere, jedoch deutlich kleinere "Waste-to-Energy"-Anlagen im Bau, insbesondere für Lebensmittelabfälle und Klärschlamm. Sie gehen bis 2023 sukzessiv in Betrieb. Einen guten Überblick über alle Projekte bietet der Wast Blueprint for Hong Kong 2035. Dem Masterplan zufolge will die Regierung bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts die Mülldeponierung auf Null drücken.
Weitere Verbrennungsanlage in der Pipeline
Branchenexperten gehen davon aus, dass weitere Anlagen zur Müllentsorgung benötigt werden, um die von der Regierung gesetzten Ziele zu erreichen. Mit Recycling und Abfallvermeidung alleine lassen sich diese nicht umsetzen, zumal die Bevölkerung wachsen dürfte. Welche zusätzlichen Kapazitäten zwischen 2025 und 2035 entstehen sollen, lässt der Blueprint jedoch offen.
Aus der Verwaltung haben sich allerdings schon erste Stimmen gemeldet, die den Bau einer weiteren, großen Müllverbrennungsanlage ins Spiel bringen. Laut Angaben der South China Morning Post könnte eine zweite Anlage bereits 2030 in Betrieb gehen, wahrscheinlicher wäre aber der Zeitraum um das Jahr 2035. Über einen möglichen Standort und weitere Details äußerten sich die Verantwortlichen bislang nicht.
Die Regierung dürfte auch künftig unpopuläre, aber dringend notwendige Projekte umsetzen.
Die derzeitig in Bau befindliche Verbrennungsanlage stieß zwar in der Bevölkerung und bei Umweltverbänden auf Proteste. Doch nach der Einführung des nationalen Sicherheitsgesetzes kann die Hongkonger Regierung künftig mit weniger Widerstand rechnen. Dadurch lassen sich unpopuläre, aber aus Sicht der Verantwortlichen nötige Vorhaben rasch umsetzen.
Offene und faire Ausschreibungen
Alle größeren staatlichen Anschaffungen von Waren und Dienstleistungen müssen in Hongkong öffentlich ausgeschrieben werden. Die SVR ist Mitglied des Agreement on Government Procurement (GPA) der Welthandelsorganisation WTO. Ausschreibungen verlaufen in der Regel fair und offen. Korruption spielt eine vergleichsweise geringe Rolle. Zumeist bekommen aber einheimische und chinesische Anbieter den Zuschlag für die Rohbauten oder das Gesamtprojekt. Dennoch ist die Regierung an einer Beteiligung ausländischer Firmen interessiert. Für diese ergeben sich insbesondere im Bereich Planung und technische Ausstattung Zuliefermöglichkeiten.
Staatliche Beschaffungen wickelt das Government Logistics Department ab. Über dessen Webseite können sich Unternehmen kostenlos als offizielle Zulieferer registrieren lassen. Das Development Bureau informiert über künftige Beschaffungsvorhaben. Entsprechende Projekte bei Abfall sind unter der Kategorie "Environmental Protection Department" zu finden. Des Weiteren informiert das Hongkonger Umweltamt eingehend über den Abfallsektor. Auf der Webseite der Behörde sind aktuelle Ausschreibungen zu finden. Sämtliche Informationen sind auf Englisch verfügbar.