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Hongkong bekommt Omikron auch ohne Lockdown in den Griff
In der Pandemiepolitik kann China einiges von Hongkong lernen. Anfang Mai 2022 herrscht in der Sonderverwaltungsregion weitgehend Normalbetrieb.
05.05.2022
Von Roland Rohde | Hongkong
Eine Omikronwelle ungekannten Ausmaßes suchte im Februar/März 2022 die Sonderverwaltungsregion (SVR) heim, die das Gesundheitssystem fast kollabieren ließ. Die Regierung verfügte daraufhin umfangreiche Einschränkungen. Doch einen harten Lockdown oder ein stadtweites Zwangstesten wie in Shanghai gab es in der SVR zu keinem Zeitpunkt. Die Geschäfte blieben stets geöffnet; die Bevölkerung durfte jederzeit ihre Wohnungen verlassen. Doch viele Hongkonger blieben aus Angst vor Ansteckungen zu Hause. Unternehmen setzten auf Homeoffice.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kam es zur raschen "Durchseuchung" der Bevölkerung, sodass die Infektionszahlen unerwartet schnell zurückgingen. Die Sieben-Tages-Inzidenz sank zwischen Anfang März und Ende April 2022 vom vierstelligen in den zweistelligen Bereich. Daraufhin legte die Regierung einen umfangreichen Lockerungsplan auf. Zum 5. Mai 2022 fallen nahezu alle Einschränkungen vor Ort. Auch die Einreisebestimmungen wurden gelockert.
Wirtschaft dürfte 2022 moderat wachsen
Tatsächlich herrscht bereits seit Ende April 2022 wieder Normalbetrieb in der ehemaligen britischen Kolonie. Die Restaurants und Geschäfte sind gut gefüllt, zumal die Regierung Konsumgutscheine unter der Bevölkerung verteilt hat. Damit haben sich auch die wirtschaftlichen Aussichten spürbar gebessert. Noch vor wenigen Wochen sah es danach aus, als würde Hongkongs Wirtschaftsleistung 2022 schrumpfen. Nun erscheint ein moderates Wachstum möglich, selbst wenn es zwischenzeitlich zu einem Wiederaufflackern der Pandemie käme.
Die Regierung hat bewiesen, dass sie die hochansteckende Omikron-Variante auch ohne einen harten Lockdown in den Griff bekommen kann. Zudem hat sich die Immunität innerhalb der Bevölkerung deutlich erhöht. Die zuvor äußerst niedrigen Impfraten sind zwischen Februar und April 2022 in die Höhe geschnellt. Außerdem soll sich laut Schätzung von Epidemiologen bereits bis zur Hälfte aller Einwohner mit Omikron infiziert haben, was einen zusätzlichen Schutz bedeutet.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für Hongkong in seiner April-Prognose für 2022 ein reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,5 Prozent. Dieser Ausblick berücksichtigt das unerwartet schnelle Abflauen der Pandemie aber noch nicht vollständig. Daher dürfte das tatsächliche Wachstum höher ausfallen. Die Regierung der SVR geht für 2022 von einem Plus zwischen 2 Prozent und 3,5 Prozent aus. Insbesondere der obere Wert erscheint jedoch zu positiv.
Offiziell verfolgt Hongkong weiter eine Null-Covid-Politik
Die SVR hält trotz der erfolgten Liberalisierungsschritte offiziell weiter an der sogenannten Null-Covid-Politik und lässt insbesondere seine Außengrenzen geschlossen. Während der Wettbewerber Singapur etwa alle Einreisebeschränkungen für vollständig Geimpfte Ende April 2022 aufhob, rechnet in Hongkong niemand vor dem Herbst 2022 mit einer quarantänefreien Einreise. Ohne einen ungehinderten Reiseverkehr bleiben aber Teile der Wirtschaft am Boden und die SVR verliert weiter an internationaler Wettbewerbsfähigkeit.
Die ehemalige britische Kolonie bekommt zudem die wirtschaftlichen Probleme in China, dem größten Handelspartner, zu spüren. Dort kam es im April 2022 durch Lockdowns in Dutzenden Städten zu umfassenden Störungen in den landesweiten Lieferketten. Bis mindestens zum Herbst 2022 müssen Unternehmen mit weiteren Einschränkungen rechnen. Der IWF erwartet für China im Gesamtjahr 2022 nur noch eine BIP-Zunahme von 4,4 Prozent.