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5G-Mobilfunknetz steht in den Startlöchern
Indien will 2022 mit dem Roll-out von 5G-Diensten loslegen. Die Telekomunternehmen investieren in die Netzinfrastruktur. Die Produktion von Ausrüstung wird gefördert.
11.02.2022
Von Boris Alex | New Delhi
Das Wachstum auf dem indischen Markt für Telekommunikationsdienste dürfte 2022 wieder stärker Fahrt aufnehmen. Die Regierung will noch in der ersten Jahreshälfte mit der Versteigerung von Lizenzen für das Mobilfunknetz der 5. Generation (5G) starten. Der kommerzielle Roll-out soll in ausgewählten Großstädten im Herbst erfolgen, so die Pläne der Telekomkonzerne. Landesweit dürfte der neue Standard frühestens Ende 2023 verfügbar sein. Ob dieser straffe Zeitplan eingehalten werden kann, bleibt abzuwarten. Bei früheren Auktionen kam es häufig zu Verzögerungen, so dass ein Start im Frühjahr 2023 realistischer erscheint.
Das Wachstumspotenzial für 5G ist nach Einschätzung des Industrieverbandes GSMA gewaltig. Das Segment könnte bis 2040 insgesamt 455 Milliarden US-Dollar (US$) zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Bis 2026 dürften 330 Millionen Mobilfunkkunden 5G-Dienste nutzen, so eine Prognose des Telekommunikationsausrüsters Ericsson. Das Beratungsunternehmen EY schätzt den Investitionsbedarf für eine landesweite Verbreitung auf etwa 70 Milliarden US$.
Indiens führende Telekomunternehmen Reliance Jio, Bharti Airtel und Vodafone Idea sind im Juni 2021 in die Testphase für ihre 5G-Netze eingestiegen. Auf die drei privaten Anbieter entfallen 90 Prozent der insgesamt knapp 1,2 Milliarden Mobilfunkanschlüsse im Land. Marktführer ist Reliance Jio mit 425 Millionen Nutzern, gefolgt von Bharti Airtel mit 355 Millionen und Vodafone Idea mit 270 Millionen Kunden, so die Daten der Regulierungsbehörde Telecom Regulatory Authority of India (TRAI) für September 2021. Der staatliche Telekomkonzern BSNL bedient rund 113 Millionen Mobilfunkkunden vor allem in den ländlichen Gebieten und hat bislang keinen konkreten Fahrplan zum Aufbau eines eigenen 5G-Netzes bekannt gegeben.
Chinesische Telekomausrüster bleiben außen vor
Die Mobilfunkanbieter haben sich für ihre 5G-Tests die Ausrüstungshersteller Nokia, CISCO, Samsung und Ericsson und die Technologiedienstleister Tata Consultancy Services (TCS) sowie Google mit ins Boot geholt. Die indische Regierung hat wegen Sicherheitsbedenken chinesische Hersteller von Telekommunikationsausrüstung wie Huawei und ZTE von einer Beteiligung an den Tests ausgeschlossen. New Delhi hat eine Liste von vertrauenswürdigen Anbietern erstellt, und die Unternehmen sind verpflichtet, ihre 5G-Ausrüstung ausschließlich von diesen Produzenten zu beziehen.
Die Mobilfunkanbieter befürchten, dass hierdurch die Kosten für den Aufbau ihrer 5G-Netze noch weiter steigen könnten. Denn diese müssen schon für die Lizenzen tief in die Tasche greifen. Die Regulierungsbehörde TRAI hat für die Versteigerung des 5G-Frequenzbandes einen Basispreis von umgerechnet 66,7 Millionen US$ pro Megahertz vorgeschlagen. Da Frequenzblöcke von je 20 Megahertz versteigert werden, müssten die Bieter mindestens 1,3 Milliarden US$ für ihre 5G-Lizenzen zahlen. Bei der letzten Auktion im März 2021 hatten die Provider bereits zusammen rund 10 Milliarden US$ für ein 4G-Frequenzband von 856 Megahertz gezahlt. Allerdings fanden sich wegen des teuren Basispreises nur für ein Drittel der angebotenen Bandbreite Abnehmer.
Hohe Lizenzgebühren könnten Investitionen bremsen
Die Telekomkonzerne haben deshalb die Regierung aufgefordert, den Basispreis für die 5G-Frequenzen von 66,7 Millionen US$ pro Megahertz bei der geplanten Versteigerung um 90 Prozent zu senken. Ansonsten wären sie nicht in der Lage, die Netzinvestitionen zu stemmen. Die indischen Anbieter haben durch die im internationalen Vergleich sehr niedrigen Mobilfunkgebühren inzwischen Verluste von mehr als 50 Milliarden US$ angehäuft - bei einem Branchenumsatz von rund 37 Milliarden US$ im Finanzjahr 2020/2021 (1. April bis 31. März). Auf dem ohnehin preissensiblen Telekommarkt waren die Tarife für die Endkunden nach der aggressiven Expansion von Reliance Jio ab 2016 stark gesunken, und der durchschnittliche Erlös pro Nutzer (Average Revenue per User) ging für die Anbieter auf unter 2 US$ pro Monat zurück.
Ende 2021 wurden die Tarife moderat angehoben. Die ICICI Bank rechnet für 2022 wieder mit höheren Erlösen pro Kunde. Diese sind auch dringend nötig, denn der Einstieg in 5G wird für die Telekomunternehmen teuer. Bharti Airtel hatte im Sommer 2021 gemeldet, dass für den Erwerb der 5G-Frequenzblöcke und die technische Nachrüstung der bestehenden Netzinfrastruktur in der ersten Roll-out-Phase zusätzliche Investitionen von 2,8 Milliarden US$ benötigt werden. Der Modernisierungsbedarf ist einer Analyse von KPMG zufolge sehr groß. Nur ein Drittel der gut 600.000 Mobilfunkmasten sind ans Glasfasernetz angeschlossen. Um die neuen Dienste in der Breite anbieten zu können, müssen aber mindestens 70 Prozent der Türme an das schnelle Datennetz angebunden sein.
Förderprogramm wird auf 5G-Ausrüstung ausgeweitet
Der Subkontinent muss einen Großteil seiner Telekommunikationsausrüstung importieren. Um die lokale Produktion zu steigern, hat die Regierung diese Sparte in ihr Industrieförderprogramm Production-Linked Incentives (PLI) aufgenommen. Insgesamt 31 indische und ausländische Firmen, darunter auch Nokia und der taiwanesische Auftragsfertiger Foxconn, erhalten dabei einen vom Umsatz abhängigen Bonus. In ihrer Ansprache zum Haushalt für das Finanzjahr 2022/2023 hat die indische Finanzministerin Nirmala Sitharaman angekündigt, das Förderprogramm auf Entwicklung, Design und Produktion von 5G-Telekomausrüstung auszuweiten. Hierfür sollen zusätzliche Mittel in Höhe von 534 Millionen US$ bereitgestellt werden. Im Januar 2022 teilte das Department of Telecommunications mit, dass die teilnehmenden Unternehmen im Rahmen des PLI-Programms Ausrüstung im Wert von 828 Millionen US$ produziert und 33 Millionen US$ in zusätzliche Produktionskapazitäten investiert haben.