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Branche kompakt | Indien | Tiefbau

Viele Projekte im Infrastrukturbau in der Pipeline

Die Auftragsbücher der Tiefbaukonzerne sind gut gefüllt. Die Regierung will mehr öffentliche Mittel bereitstellen. Viele Projekte werden aber teurer und später fertig als geplant.

Von Boris Alex | New Delhi

  • Marktchancen

    Indien investiert in das Straßen- und Schienennetz, baut neue Flughäfen und modernisiert die Strom- und Wasserversorgung. Die 9.000 Projekte eröffnen Geschäftschancen.

    Regierung stockt Ausgaben für Infrastruktur auf

    Indien steckt immer mehr Geld in den Infrastrukturbau. Im laufenden Finanzjahr 2022/2023 (1. April bis 31. März) stehen hierfür umgerechnet 130 Milliarden US-Dollar (US$) zur Verfügung, gut 70 Prozent mehr als in der Vorperiode. Das staatliche Investitionsprogramm "National Infrastructure Pipeline" (NIP) umfasste im November 2022 rund 9.000 Einzelvorhaben mit einem Volumen von 1,8 Billionen US$. Vor allem in den Ballungszentren wächst der Druck auf die Infrastruktur. Bis 2030 dürfte die städtische Bevölkerung um weitere 20 Prozent auf 600 Millionen Menschen zulegen. Den Investitionsbedarf allein für den Ausbau der urbanen Infrastruktur schätzt die Weltbank bis 2036 auf 840 Milliarden US$.

    Indien will 50.000 Kilometer Autobahn bauen

    Die Verkehrsinfrastruktur genießt Priorität. Das Segment macht die Hälfte der NIP-Projekte mit einem Volumen von 756 Milliarden US$ aus. Das Bharatmala Pariyojana Programm sieht unter anderem den Bau eines 65.000 Kilometer langen Schnellstraßennetzes, das die Ballungszentren miteinander verbinden wird, vor. Bislang wurden erst knapp 10.000 Kilometer fertig gestellt. Die übrigen Projekte sollen bis 2027 abgeschlossen sein. Die Kosten sind mit rund 130 Milliarden US$ inzwischen doppelt so hoch wie ursprünglich geplant. Auch hat sich die Geschwindigkeit im Straßenbau abgeschwächt. So dürften 2022/2023 nur noch 19 Highway-Kilometer pro Tag fertig gestellt werden, statt der 29 Kilometer aus der Vorperiode.

    Die Nachfrage nach Baumaschinen wird ebenfalls etwas langsamer wachsen. Dennoch soll der Absatz bis 2026 um etwa ein Viertel auf gut 100.000 Einheiten zulegen, so die Prognose von Off-Highway Research. Drei Viertel davon sind Erdbewegungs- und Straßenbaumaschinen, so die Analyse des Marktforschers. Deutschland zählt zu den wichtigsten Lieferanten und setzte 2021 Baumaschinen im Wert von 87 Millionen US$ auf dem indischen Markt ab, knapp 40 Prozent mehr als im Jahr davor.

    Erste Hochgeschwindigkeitszugstrecke verzögert sich

    Auch für den Schienenverkehr stellt die Regierung mehr Geld bereit. Für 2022/2023 sind es 30 Milliarden US$, fast 60 Prozent mehr als in der Vorperiode. Indian Railways will im Rahmen ihres "National Rail Plan" bis 2031 insgesamt 176 Milliarden US$ in die Eisenbahninfrastruktur stecken - unter anderem in ein Hochgeschwindigkeitszugnetz. Die erste Trasse zwischen Mumbai und Ahmedabad befindet sich im Bau und soll 2027 in Betrieb gehen. Das Netz könnte bis zu zwölf Strecken umfassen und würde rund 200 Milliarden US$ kosten, so Schätzungen des Ministry of Railways.

    Ein weiteres Schlüsselprojekt ist das regionale Schnellbahnnetz um die Hauptstadt New Delhi. Die erste Phase des Regional Rapid Transit System umfasst drei Strecken mit einer Länge von 350 Kilometern. Die erste Trasse zwischen Delhi und Meerut befindet sich zurzeit im Bau und soll ab 2023 sukzessive den Betrieb aufnehmen. Die Kosten für das Projekt beziffert die National Capital Region Transport Corporation auf 4 Milliarden US$. Im Juli 2022 konnte sich die Deutsche Bahn International Operations den Auftrag über den Betrieb und die Instandhaltung der 82 Kilometer langen Strecke sichern. Das Segment bietet auch gute Geschäftschancen bei Signal- und Sicherheitstechnik. Hier sind bis 2028 Investitionen von 7 Milliarden US$ geplant.

    In Indien hat das Flugpassagieraufkommen auf Inlandsstrecken bereits wieder das Vor-COVID-Niveau erreicht. Bis 2027 soll die Zahl der Fluggäste weiter auf 400 Millionen steigen - vor der Pandemie waren es rund 340 Millionen. Entsprechend groß ist der Investitionsbedarf in die Flughafeninfrastruktur. Bis 2030 sollen im ganzen Land 21 neue Airports gebaut und an weiteren 50 die Kapazitäten erweitert werden. Den Kosten hierfür beziffert das Luftfahrtministerium Ministry of Civil Aviation bis 2026 auf 12 Milliarden US$. Allein der Bau der drei Greenfield-Flughäfen in Chennai, Mumbai und im Umland von Delhi dürfte zusammen 8 Milliarden US$ kosten. 

    Zahlreiche Projekte in der Kreislaufwirtschaft

    Der Investitionsbedarf in der Krauslaufwirtschaft ist ebenfalls gewaltig. Zurzeit befinden sich knapp 1.500 Projekte mit einem Volumen von 111 Milliarden US$ zur Trinkwasserversorgung und -aufbereitung in der Pipeline. Im Rahmen des zentralen Investitionsprogramms für die Wasserwirtschaft, AMRUT, waren im März 2022 rund 90 Vorhaben im Wert von 6,4 Milliarden US$ in der Implementierungs- und Ausschreibungsphase. Die Anlageinvestitionen in der Wasserwirtschaft dürften bis 2024 um 5 bis 10 Prozent jährlich auf bis zu 18 Milliarden US$ zulegen, schätzt der Berater EY.

    Zur Modernisierung der Abfallwirtschaft sind bis 2030 mindestens 65 Milliarden US$ nötig. Im November 2022 waren 100 Vorhaben mit einem Volumen von 2 Milliarden US$ in der Datenbank von Invest India aufgeführt. Die Regierung stellt bis 2026 rund 20 Milliarden US$ für Projekte im Bereich Mülltrennung und -entsorgung und den Bau von Waste-to-Energy-Anlagen zur Verfügung. Mit den geplanten Investitionen dürfte der Umsatz in der Kreislaufwirtschaft bis 2024 auf 3,5 Milliarden US$ zulegen, 2017 waren es noch 2,5 Milliarden US$.

    5G-Mobilfunknetz zieht Investitionen an

    Die Dekarbonisierung des Energiesektors bietet weiterhin Geschäftschancen. Bis 2026 sollen Freiflächen-Fotovoltaik-Anlagen mit 100 Gigawatt ans Netz gehen. Die Unternehmensberatung EY schätzt die Kosten auf 48 Milliarde US$. Im Windsektor befinden sich Projekte mit einer Leistung von 14 Gigawatt und einem Investitionsbedarf von 8,7 Milliarden US$ in der Pipeline. Bis 2026 sollen zudem fast 11.000 Kilometer an neuer Leitung verlegt und Transformatoren mit einer Leistung von 27.500 Megavoltampere installiert werden.

    Mit dem Roll-out des Mobilfunknetzes der 5. Generation (5G) steht eine neue Investitionsrunde im Telekom-Sektor an. Allein für die Nachrüstung und Erweiterung der Sendemastinfrastruktur werden Investitionen von 10 Milliarden US$ benötigt.

    Ausgewählte Tiefbau-/Infrastrukturprojekte in Indien (Investitionen in Milliarden US-Dollar)

    Vorhaben

    Investitionssumme

    Projektstand

    Projektträger

    Regional Rapid Transit System (RRTS) / Regionalbahnnetz von 350 km im Großraum Delhi

    17,0

    Phase I: erste Strecke im Bau; Fertigstellung aller 3 Verbindungen bis 2025; Phase II: 8 Strecken 380 km, Planungsphase

    National Capital Region Transport Corporation

    Narmada Expressway / 900 Kilometer lange Autobahn in Madhya Pradesh

    3,8

    Planungsphase; Regierung hat Genehmigung erteilt

    National Highways Authority of India

    Noida International Airport / neuer Flughafen in Noida (Uttar Pradesh)

    3,7

    Bauphase; Fertigstellung: 2024; PPP

    Yamuna International Airport (Flughafen Zürich AG)

    Varanasi-Kolkata Expressway / 610 Kilometer lange Autobahn

    3,7

    1. Teilstück ausgeschrieben; Baubeginn: Anfang 2023; Fertigstellung: 2027

    National Highways Authority of India

    New Chennai International Airport / Parandur (Tamil Nadu)

    2,5

    Planungsphase; Fertigstellung: 2028

    Tamil Nadu Industrial Development Corporation

    Bengaluru Suburban Rail Project / Regionalbahnnetz mit vier Strecken; 148 km Länge

    1,9

    Implementierungsphase; Baubeginn: Ende 2022; Fertigstellung: 2026

    Rail Infrastructure Development Company Karnataka

    Vijayawada-Nagpur Expressway / 457 Kilometer lange Autobahn

    1,7

    Projektphase; Regierung hat Genehmigung erteilt

    National Highways Authority of India

    Green Energy Corridor Phase II / 10.750 Kilometer an neuer Stromleitung

    1,4

    Implementierungsphase; Fertigstellung: 2027

    Powergrid Corporation of India

    Coimbator Metro / Metronetz mit 5 Linien (Tamil Nadu)

    1,2

    Planungsphase; Fertigstellung: 2027

    Chennai Metro Rail Limited

    Quelle: Recherche von Germany Trade & Invest, 2022


    Von Boris Alex | New Delhi

  • Branchenstruktur

    Große Infrastrukturprojekte werden in Indien meist von den führenden Tiefbaukonzernen realisiert. Steigende Energie- und Baustoffpreise machen den Unternehmen zu schaffen.

    Baubranche kämpft mit höheren Kosten

    Die Bauindustrie zählt zu den Schlüsselsektoren der indischen Wirtschaft. Im Finanzjahr 2021/2022 hatte sie einen Anteil von 9 Prozent am Bruttoinlandsprodukt und beschäftigt etwa 51 Millionen Menschen direkt. Die Stimmung in der Branche ist gemischt: Zwar sorgen die höheren Investitionen im Infrastruktursektor für eine gute Auftragslage im Tiefbau. Allerdings haben die Unternehmen mit steigenden Preisen für Energie und Baustoffen wie Zement und Stahl zu kämpfen. Auch die Anschaffungskosten für Baumaschinen sind gegenüber 2021 um etwa ein Viertel gestiegen. Das Bauvolumen dürfte aufgrund des Aufholeffekts 2022 um 16 Prozent auf 740 Milliarden US$ zulegen. Invest India erwartet bis 2025 jährliche Zuwachsraten zwischen 6 und 7 Prozent.

    Der indische Tiefbau ist fest in der Hand großer heimischer Infrastrukturkonzerne wie Larsen & Toubro oder Reliance Infrastructure. Die Umsätze der Baufirmen haben sich zwar 2021/2022 erholt, liegen aber meist noch unter dem Vor-Corona-Niveau. Ausländische Bauunternehmen kommen vor allem dann zum Zuge, wenn sie sich im Rahmen eines Konsortiums an einer Ausschreibung beteiligen. Bei Großvorhaben im Hafen- und Flughafenbau oder im Transport- und Energiesektor sind Finanzierungsmodelle wie öffentlich-private Partnerschaften und Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicle) weit verbreitet.

    Führende Baufirmen im indischen Infrastruktursektor (Umsatz in Millionen US-Dollar)

    Unternehmen

    Umsatz 2020/2021 1

    Umsatz 2021/2022 1

    Larsen & Toubro 2

    18.576

    19.055

    Reliance Infrastructure

    2.282

    2.474

    Rail Vikas Nigam

    2.104

    2.326

    Hindustan Construction

    1.127

    1.280

    NCC Limited

    1.086

    1.336

    GMR Infrastructure

    851

    950

    PNC Infratech

    790

    865

    IRB Infrastructure

    724

    780

    Ashoka Buildcon

    682

    713

    J. Kumar Infrastructure

    351

    474

    1) Finanzjahr 01.04. bis 31.03.; 2) KonzernergebnisQuelle: Moneycontrol, Unternehmensangaben, 2022

    Indien und EU kooperieren bei Infrastrukturprojekten

    Für deutsche Unternehmen bietet Indien vor allem als Lieferant von Spezialausrüstung, als Anbieter von Ingenieurdienstleistungen sowie als Technologiepartner Potenzial. Im Rahmen der 2021 geschlossenen Konnektivitätspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und Indien könnten sich neue Geschäftschancen auch für deutsche Firmen aus dem Bausektor eröffnen. Beide Seiten wollen künftig bei Projekten in den Bereichen Transport, Energie und Digitalisierung enger zusammenarbeiten. So kofinanziert die Europäische Investitionsbank (EIB) U-Bahn-Projekte in den Städten Pune und Kanpur.

    Von Boris Alex | New Delhi

  • Rahmenbedingungen

    Der indische Bausektor steht ausländischen Unternehmen weitgehend offen. Großprojekte der öffentlichen Hand werden über eine zentrale Online-Plattform ausgeschrieben.

    Viele Infrastrukturprojekte überschreiten Kosten- und Zeitrahmen

    Vorhaben der öffentlichen Hand werden auf der zentralen Ausschreibungsplattform der indischen Regierung veröffentlicht. Zwar ist der Prozess weitgehend digitalisiert und damit transparenter. Deutsche Unternehmen bemängeln jedoch, dass die Tender oft auf indische Firmen zugeschnitten sind und Ausschreibungen nicht selten wieder zurückgezogen werden, wenn nicht das gewünschte Ergebnis eintritt. Bei Straßen- und Schienenverkehrsprojekten ist es üblich, dass das Vorhaben nicht als Ganzes, sondern in mehreren Teilabschnitten oder Tranchen ausgeschrieben wird.

    In Indien sind Kosten- und Zeitüberschreitungen bei Infrastrukturprojekten keine Seltenheit. Die Infrastructure and Project Monitoring Division veröffentlicht regelmäßig Statusberichte zu Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von mehr als 18 Millionen US$. Im Oktober 2022 waren von den 1.521 berücksichtigten Projekten 380 nicht im Kosten- und 642 nicht im Zeitrahmen. Die Kostenüberschreitung belief sich auf zusammen 56 Milliarden US$, rund 22 Prozent des gesamten Projektvolumens. Die verspäteten Vorhaben lagen im Schnitt um 42 Monate hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück.

    Im Privatsektor laden die Projektentwickler die Unternehmen zur Angebotsabgabe (Request for Quotation, Request for Proposal) ein. Um an Projektfrühinformationen zu gelangen, ist der Aufbau eines Netzwerks zu den privaten Infrastrukturkonzernen wichtig. Die zahlreichen Messen und Konferenzen zu verschiedenen Aspekten des Tiefbaus bieten hierfür eine gute Plattform.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Boris Alex | New Delhi

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Indien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministry of Road Transport and Highways

    Ministerium für Straßenbau

    Indian Railways

    Eisenbahnministerium

    Ministry of Civil Aviation

    Luftfahrtministerium

    Construction Federation of India

    Fachverband für die Bauwirtschaft

    Builders Association of India

    Fachverband für die Bauwirtschaft

    Indian Infrastructure

    Fachzeitschrift für den Tiefbau Projektfrühinformationen

    Infrastructure Today

    Fachzeitschrift für den Tiefbau mit Projektfrühinformationen

    Construction World

    Fachzeitschrift für die Bauwirtschaft

    bauma CONEXPO INDIA

    Messe für Baumaschinen und Baustoffe 31.01. bis 03.02.2023, Noida/New Delhi

    IFAT India

    Messe für Umwelttechnik, 17.10. bis 19.10.2023, Mumbai

    Excon India

    Messe für Baumaschinen, 12.12. bis 16.12.2023, Bengaluru

    India Investment Grid

    Projektdatenbank der indischen Regierung

    Central Public Procurement Portal

    Zentrale Veröffentlichungsstelle für öffentliche Ausschreibungen


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