Branche kompakt | Indien | Medizintechnik
Branchenstruktur
Indien verfügt besonders im Low- und Mid-Tech Bereich über Medizintechnikunternehmen. Dennoch wird das Land vorerst weiter auf Importe angewiesen bleiben.
11.10.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Indiens Medizintechnikbranche umfasst schätzungsweise zwischen 800 und 1200 Firmen, wobei die Mehrzahl der Beobachter einen Wert von 900 bis 1.000 nennt. Die meisten davon, circa 60 bis 80 Prozent, sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Zahlreiche Firmen sind in Clustern ansässig. Diese befinden sich beispielsweise in den Bundesstaaten Haryana (medizinische Verbrauchsgüter), Andhra Pradesh, Telangana, Tamil Nadu (jeweils Medizinelektronik), Karnataka (Medizinelektronik, Stents, Implantate) und Uttar Pradesh. Hinzu kommen Medizintechnikstandorte nahe oder in den für Indien wichtigen Pharmaclustern in Gujarat und Maharashtra. Das Department of Pharmaceuticals kommt in einer Studie aus dem Jahr 2023 zu dem Schluss, dass Indien über 21 Cluster verfügt. Die durchschnittliche Clustergröße liegt bei 35 Unternehmen und rund 90 Prozent der Unternehmen in den Clustern sind KMU.
Der Großteil der indischen Firmen produziert Verbrauchsgüter für den lokalen Markt. Einige indische und internationale Unternehmen produzieren Medizintechnik im Low- und Mid-Tech-Segment wie EKG-, EEG- und Ultraschallgeräte. Technisch anspruchsvollere Komponenten und Komplettgeräte für den indischen Markt sowie für den Export werden zumeist von den Tochterfirmen internationaler Konzerne gefertigt. Die lokale Produktion soll 2022 einen Wert von rund 6,3 Milliarden US$ gehabt haben, wobei die Datenlage nicht sehr gut ist.
Unternehmen | Umsatz (2020/21)1)2) | Veränderung zum Vorjahr |
---|---|---|
k.A. | k.A. | |
771,0 | 10,7 | |
692,3 | -2,3 | |
589,3 | 8,5 | |
226,0 | 8,2 | |
93,9 | 9,6 | |
64,2 | 134,3 | |
1,2 | -85,7 | |
k.A. | k.A. |
Indien ist auf Importe angewiesen
Die Einfuhren von Medizintechnik lagen 2023 bei rund 4,7 Milliarden US$ - 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Importe aus Deutschland erreichten 2023 einen Wert von rund 489 Millionen US$. Sie wuchsen auf Jahressicht um 16 Prozent und damit stärker als die Gesamteinfuhr. Die Importe aus Deutschland erreichten auch 2023 einen Marktanteil von rund 10 Prozent. Damit zählt Deutschland zu den wichtigsten Lieferländern. Noch bedeutender sind lediglich die USA (Importwert 2023: 1,1 Milliarden US$; Marktanteil 23,9 Prozent) und China (Importwert 2023: 914 Millionen US$; Marktanteil 19,5 Prozent). Punktuell bedeutend sind auch Japan und Südkorea.
In Zukunft könnten auch Produkte aus der Schweiz eine größere Rolle einnehmen, denn Indien unterzeichnete im März 2024 ein Freihandelsabkommen mit der Europäische Freihandelsassoziation (EFTA). Der schweizer Medizintechnikverband Swiss Medtech geht davon aus, dass die Zollsätze für technische Geräte aber von medizinischem Verbrauchsmaterial von derzeit 11 bis 13,75 Prozent innerhalb von zehn Jahren ganz verschwinden werden oder zumindest innerhalb von fünf Jahren um die Hälfte sinken.
Insbesondere elektrische Geräte werden im großen Umfang importiert. Selbst wenn die Geräte in Indien produziert werden, bestehen mitunter Importabhängigkeiten bei einzelnen Teilen. Zwischen 60 und 80 Prozent der indischen Nachfrage nach Medizintechnik werden bisher durch Einfuhren bedient. Jedoch variiert die Importabhängigkeit je nach Produktsegment. Tendenziell steigt sie, je technisch anspruchsvoller das Produkt ist.
SITC | Produkt | Wert der Importe (2023) | Anteil Import aus Deutschland |
---|---|---|---|
741.83 | Sterilisierapparate | 31,1 | 5,1 |
774.1 | Elektrodiagnoseapparate und -geräte | 651,4 | 7,8 |
774.2 | Röntgenapparate etc. | 919,9 | 13,1 |
872.1 | Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g. | 95,5 | 9,5 |
872.21 | Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc. | 518,4 | 1,8 |
872.25 | Ophthalmologische Instrumente | 226,6 | 17,8 |
872.29 | Andere Instrumente, Apparate und Geräte | 1.024,5 | 17,3 |
872.3 | Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc. | 266,7 | 7,0 |
872.4 | Medizinmöbel etc. | 62,2 | 15,6 |
899.6 | Orthopädietechnik, Prothesen etc. | 901,8 | 5,7 |
Nachfrage nach gebrauchter Medizintechnik existiert
Im preissensiblen indischen Markt ist gebrauchte Medizintechnik vor allem in kleineren Kliniken eine preisgünstige Alternative in der Anschaffung. Bisweilen mieten die Einrichtungen die Geräte auch. Überwiegend werden technisch anspruchsvolle Geräte importiert. Die Regeln für den Import wurden Mitte 2024 neu formuliert und 50 Geräte sind davon betroffen, beispielsweise CT-Scanner und Endoskope.
Gemischte Bilanz für Subventionen für lokale Produktion
Um mehr Medizintechnik vor Ort herzustellen, legte die Regierung 2020 ein Subventionsprogramm auf, bei dem die Zahlungen an die Unternehmen an Investitionssummen und vor Ort hergestellte Mengen geknüpft sind. Mehr als 400 Millionen US$ standen dafür bereit. Bis Ende 2023 wurden die Fördertöpfe nicht ausgeschöpft und insgesamt erhielten 26 Unternehmen positive Förderbescheide für die Herstellung von 138 Produkten. Darunter befanden sich auch Siemens für die Herstellung von CT-Scannern und MRTs. Insgesamt haben sich die Unternehmen laut Invest India zu Investitionen in Höhe von 147 Millionen US$ verpflichtet. Im März 2024 wurden 13 neue Produktionsstandorte eingeweiht. Weitere dürften in den kommenden Jahren folgen. Das Förderprogramm läuft noch bis 2029. Branchenexperten weisen immer wieder darauf hin, dass die Subventionen ausschließlich von großen Unternehmen in Anspruch genommen werden obwohl die Subventionsrichtlinien mehrfach angepasst und beispielsweise Mindestinvestitionssummen gesenkt wurden. Weitere Anpassungen und eine Verlängerung des Förderzeitraums sind nicht ausgeschlossen, denn bisher sind nicht alle Fördermittel ausgeschöpft. Fachleute gehen davon aus, dass es noch mehrere Jahre dauern wird, ehe die Wirkung der Subventionen voll sichtbar werden.
Das Gesundheitssystem ist zweigeteilt
Indiens Gesundheitsversorgung ist ein Zweiklassensystem. Zwar gibt es zahlreiche öffentliche Gesundheitseinrichtungen, allerdings sind diese zumeist personell und technisch schlecht ausgestattet. Oft bieten sie nur eine Basisversorgung. Private Einrichtungen erreichen bisweilen internationale Standards, was Ausstattung und Versorgungsniveau angeht. Die Behandlungen sind dort allerdings vergleichsweise teuer und die vorhanden Kapazitäten sehr gering in Relation zur Bevölkerungsgröße. Im ländlichen Raum und kleineren Städten herrscht größtenteils eine medizinische Unterversorgung. In den Großstädten gibt es niedergelassene Ärzte und Spezialisten, überwiegend sind aber auch hier die Kliniken die erste Anlaufstelle für Patienten. Der Versicherungsschutz hat, auch durch Regierungsprogramme, in den vergangen Jahren an Bedeutung gewonnen. Im Oktober 2024 verkündete die Regierung beispielsweise ein gesetzlichen Versicherungsschutz für Personen über 70 Jahren. Dennoch tragen Patienten Behandlungen zumeist selbst. Der Anteil der Out-of-Pocket Zahlungen soll bei rund 39 Prozent liegen.
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2022 in Mio.)1 | 1.417,2 |
Bevölkerungswachstum (2022 in % p.a.)1 | 0,7 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2022)1 | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %)1 | 25 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %)1 | 7 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2022 in Jahren)1 | 67,7 |
Durchschnittseinkommen (2022 in US$)1 | 2.466 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019/20 in US$)2,4,5 | 73,3 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2021/22 in %)2,3 | 2,1 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2021) | 92,5 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2022) | 20,7 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2020), davon | 142,8 |
privat | 84,9 |
öffentlich | 59,1 |