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Förderprogramm für grünen Wasserstoff läuft an
Die indische Regierung will die Wasserstoffwirtschaft stärker unterstützen. Das Interesse des Privatsektors wächst, und die ersten Großprojekte wurden auf den Weg gebracht.
11.09.2023
Von Boris Alex | New Delhi
In Indien nimmt die grüne Wasserstoffwirtschaft langsam Fahrt auf. Die Regierung will die Rahmenbedingungen für die Investoren weiter verbessern. Auch stehen schon die ersten Unternehmen mit konkreten Investitionsprojekten in den Startlöchern. Ab 2030 sollen jedes Jahr 5 Millionen Tonnen Wasserstoff aus klimaschonenden Energieträgern — vor allem Solar- und Windkraft — produziert werden, so das Ziel der Anfang 2023 beschlossenen "National Green Hydrogen Mission". Dadurch ließen sich jährlich 50 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO₂) einsparen, so eine Berechnung des Ministry of New and Renewable Energy (MNRE).
Indien will bis 2070 klimaneutral sein. Die Dekarbonisierung der Energieerzeugung und des Industriesektors stehen dabei im Mittelpunkt. Der lokal hergestellte grüne Wasserstoff soll aber künftig nicht nur in der heimischen Petrochemiebranche oder bei der Produktion von Düngemitteln und Stahl zum Einsatz kommen, sondern auch exportiert werden, so die Pläne der Regierung. Um Indien als globalen Hub für grünen Wasserstoff zu etablieren, müssen Produktionskapazitäten aufgebaut werden und Investitionen in die Transport- und Speicherinfrastruktur fließen.
Regierung stellt finanzielle Unterstützung bereit
Die indische Regierung stellt im Rahmen ihrer Wasserstoffstrategie bis 2030 umgerechnet 2,4 Milliarden US-Dollar (US$) an öffentlichen Mitteln bereit. Mit 2,1 Milliarden US$ ist der Löwenanteil für das eigens hierfür aufgesetzte Förderprogramm "Strategic Interventions for Green Hydrogen Transition" vorgesehen. Damit werden Vorhaben zur Produktion von grünem Wasserstoff mit 1,6 Milliarden US$ und zur Herstellung von Elektrolyseuren mit 530 Millionen US$ unterstützt.
Die Ausschreibung zur ersten Tranche über 450.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr wurde im Juli 2023 von der Agentur "Solar Energy Corporation of India" veröffentlicht. Davon sind 40.000 Tonnen für die Herstellung aus Biomasse reserviert. Hier müssen die Bieter mindestens 500 Tonnen und maximal 4.000 Tonnen jährlich produzieren. Die Produktion des restlichen grünen Wasserstoffs bleibt technologieoffen, wobei die Unter- und Obergrenzen bei 10.000 Tonnen beziehungsweise 90.000 Tonnen pro Jahr liegen.
Indien legt Standards für grünen Wasserstoff fest
Die genaue Spezifikation, wann Wasserstoff grün ist, hat das MNRE im August 2023 bekannt gegeben. Gemäß dem "Green Hydrogen Standard for India" dürfen bei der Herstellung von einem Kilogramm Wasserstoff aus erneuerbaren Energien nicht mehr als 2 Kilogramm CO₂-Äquivalent im Durchschnitt über zwölf Monate emittiert werden. Die Zertifizierung soll künftig über die staatliche Agentur "Bureau of Energy Efficiency" erfolgen, so eine Mitteilung des Ministeriums.
Die Regierung hofft, dass die Wasserstoffwirtschaft nun stärker Fahrt aufnimmt. Denn der Investitionsbedarf, um das Ziel von 5 Millionen Tonnen bis 2030 zu erreichen, ist riesig. Das MNRE beziffert ihn auf knapp 100 Milliarden US$. Der Großteil davon wird in zusätzliche Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Wind, Solar und Biomasse für die Herstellung des Wasserstoffs fließen. Nach Berechnungen des MNRE werden etwa 125 Gigawatt benötigt. Indien will im Rahmen seiner Klimaschutzziele die Solarkapazitäten bis 2030 auf 280 Gigawatt vervierfachen und die Windkapazitäten von 44 auf 140 Gigawatt ausbauen.
Zahl der Projekte im Privatsektor wächst
Nach Aussage der "India Hydrogen Alliance" entwickelt sich das Engagement des Privatsektors beim grünen Wasserstoff positiv. Insgesamt gibt es 50 Projektvorschläge zur Herstellung von 3,5 Millionen Tonnen sowie 19 Vorhaben zum Bau von Elektrolyseuren, so der Interessenverband. Die Entwicklung wird in erster Linie von finanzstarken indischen Industriekonzernen wie Reliance und Adani vorangetrieben. Diese sehen den Aufbau von Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff als gute Ergänzung zu ihren ohnehin stark wachsenden Projektportfolios bei den erneuerbaren Energien.
Der im Bundesstaat Gujarat ansässige Mischkonzern Adani New Industries Limited (ANIL) hat sich für 2030 eine jährliche Produktion von 1 Million Tonnen zum Ziel gesetzt. Dazu sollen in einem 5 Milliarden US$ teuren Industriepark für erneuerbare Energien auch Kapazitäten zur Herstellung von grünem Wasserstoff geschaffen werden. Langfristig will das Unternehmen bis zu 50 Milliarden US$ in diese Technologie investieren.
Auch die Wasserstoffpläne der indischen ACME Group werden konkreter. Ende August 2023 hat das Unternehmen eine Absichtserklärung mit dem Industriekonzern TATA zum Bau einer Produktionsanlage für grünen Wasserstoff und Ammoniak in der von TATA betriebenen Sonderwirtschaftszone Gopalpur Industrial Park im Bundesstaat Odisha geschlossen. ACME will dort künftig 1,3 Millionen Tonnen grünen Ammoniak herstellen. Den Investitionsbedarf beziffert das Unternehmen auf 3,2 Milliarden US$.
Der indische Infrastruktur- und Maschinenbaukonzern Larsen & Toubro will in den nächsten fünf Jahren bis zu 4 Milliarden US$ in Wasserstoffprojekte investieren. Den Anfang macht ein 60 Millionen US$ teures Werk zur Produktion von alkalischen Elektrolyseuren in Hazira (Gujarat) mit einer jährlichen Kapazität von 1 Gigawatt. Das Unternehmen will sich mit den in Lizenz von McPhy Energy (Frankreich) gefertigten Geräten ein Drittel des lokalen Marktes für Elektrolyseure sichern.
Häfen sollen Wasserstoff lagern
Künftig dürften noch Projekte zum Bau der Transport- und Speicherinfrastruktur für grünen Wasserstoff und Ammoniak dazukommen. Das Ministry of Ports, Shipping, and Waterways hat im Mai 2023 verfügt, dass bis 2035 an den zwölf Haupthäfen des Landes Speicheranlagen für grünen Wasserstoff und Ammoniak errichtet werden sollen. Die Indian Oil Corporation will derweil prüfen, ob über ihre Erdgasleitungen künftig auch Wasserstoff transportiert werden kann.