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Indien will Harnstoffproduktion ausweiten

Harnstoffdünger ist für die Versorgungssicherheit Indiens von großer Bedeutung. Für die lokale Produktion könnten grüne Technologien aus dem Ausland zum Einsatz kommen.

Von Florian Wenke | Mumbai

Die Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle für die Wirtschaft Indiens. Laut Weltbank trug der Agrarsektor im Jahr 2022 rund 17 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Er leistet zudem einen unverzichtbaren Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung der mittlerweile weltweit größten Bevölkerung

Um die Versorgung zu gewährleisten, sind Landwirte auf Düngemittel angewiesen. Der indische Düngemittelmarkt ist nach China der zweitgrößte der Welt, Analysten schätzen das derzeitige Volumen auf 40 bis 44 Milliarden US-Dollar (US$). Bis 2030 könnte der Markt auf 62,8 Milliarden US$ anwachsen, schätzt Mordor Intelligence.

Mehr wirtschaftliche Autonomie in Düngemittelindustrie

Indiens wirtschaftspolitische Leitlinien überschreibt die Regierung mit "Atmanirbhar Bharat". Im Kern geht es dabei um mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit für den Wirtschaftsstandort. Die Importe sollen sinken, gleichzeitig wünscht sich die Regierung mehr Produktion vor Ort für den heimischen Markt, aber auch für den Export. 

Subventionen spielen eine wichtige Rolle dabei, mehr Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land zu schaffen, wie die an steigende Produktionsmengen gekoppelten Production Linked Incentives. Hinzu kommen politische Vorgaben und Ankündigungen, die vor allem für staatliche Unternehmen relevant sind, aber auch die Privatwirtschaft motivieren sollen. Dazu zählt beispielsweise Indiens Ziel, den kompletten Bedarf an Harnstoff lokal herstellen zu wollen. Dieser stellt einen wichtigen Dünger auf Stickstoffbasis dar. Rund 65 Prozent des in Indien verwendeten Düngers basiert auf Stickstoff, so das Statistikportal Statista.

Produktion von Harnstoff muss gesteigert werden

Schätzungen der Regierung zufolge benötigt Indien jährlich 35 Millionen bis 36 Millionen Tonnen an Harnstoff. Die Produktion wuchs von 22,5 Millionen Tonnen im Jahr 2014 bereits deutlich auf 31 Millionen Tonnen zehn Jahre später. Nach offiziellen Angaben gibt es 36 Produktionsstandorte für die Chemikalie im Land. Anfang 2024 wurde eine bereits stillgelegte Anlage in Sindri im Bundesstaat Jharkhand nach umfangreicher Modernisierung wieder in Betrieb genommen. Derzeit wird eine weitere Fabrik in Talcher (Bihar) reaktiviert. Die Anlage mit einer Kapazität von rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr soll ab 2025 mit der Produktion von Harnstoff beginnen. 

Trotz der zusätzlichen Anlagen bleibt zwischen dem Verbrauch und den Produktionskapazitäten an Harnstoff eine Lücke von schätzungsweise 5 Millionen Tonnen pro Jahr. Geht es nach den Vorstellungen der Regierung, dann soll flüssiger Dünger auf Harnstoffbasis, lokal als "Nano Urea" bezeichnet, diese Lücke füllen. Dafür sollen vier zusätzliche Produktionsstätten zu den neun bereits existierenden gebaut werden. Im laufenden Finanzjahr 2024/2025 (1. April bis 31. März) sollen so 2,5 Millionen Tonnen herkömmlicher Harnstoff weniger verbraucht werden. 

Deutsche Unternehmen aus der Branche sind beispielsweise durch K+S vertreten, allerdings nicht mit eigenen Produktionsstätten. Der Düngemittelmarkt ist durch komplexe Subventionen gekennzeichnet. Dabei werden Düngemittel unterhalb der marktüblichen Preise an Landwirte verkauft und die Differenz als staatliche Subvention an die Hersteller ausgezahlt. Zudem haben große öffentliche Unternehmen eine starke Rolle in der Herstellung von Harnstoff inne, so beispielsweise National Fertilizers. Diese Strukturen sind Gründe für eine starke Marktstellung lokaler Unternehmen.    

Grüne Technologien benötigt

Die Harnstoffproduktion bietet Chancen für deutsche Unternehmen, beispielsweise aus dem Energiesektor: Vor Ort soll grüner Ammoniak hergestellt werden, der unter anderem bei der Produktion von Harnstoffen genutzt wird. Ferner ist Indiens Regierung daran interessiert, den Energieverbrauch bei der Herstellung von Harnstoff zu senken. Im Finanzjahr 2021/2022 benötigten die Hersteller in Indien durchschnittlich 5,8 Gigakalorien Energie für die Herstellung einer Tonne Harnstoff. Zehn Jahre zuvor waren es 6,3 Gigakalorien je Tonne. Die aktuelle Energienorm sieht jedoch 5,5 Gigakalorien pro Tonne vor, sodass der Bedarf an Lösungen für mehr Energieeffizienz weiterhin besteht.

Indien ist auf Düngerimporte angewiesen

Der Düngemittelverbrauch hängt von Faktoren wie dem Wetter ab und schwankt daher. In den vergangenen Jahren lag er in Indien zwischen 58 Millionen und 63 Millionen Tonnen. Dem gegenüber steht eine Produktion von 43 Millionen bis 46 Millionen Tonnen. Der restliche Bedarf muss durch Importe gedeckt werden. 

Mehr lokale Produktionskapazitäten sowie gesunkene Preise ließen die Importwerte 2023 gegenüber dem Vorjahr zurückgehen. Dennoch führte Indien 2023 Dünger im Wert von 12,1 Milliarden US$ ein, vor allem aus Russland, China und Saudi-Arabien. Die Bundesrepublik hat hier noch Luft nach oben – aus Deutschland kamen 2023 Düngemittel in Wert von rund 50 Millionen US$. 

Unter den Importen befanden sich 8,6 Millionen Tonnen Harnstoff im Wert von 3,4 Milliarden US$. Die wichtigsten Lieferländer hierfür waren China, Oman sowie Russland. Obwohl der Subkontinent bemüht ist, mehr Düngemittel lokal herzustellen, wird er auch in den kommenden Jahren auf Importe angewiesen sein. 

GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

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