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Branche kompakt | Indien | Chemische Industrie

Indiens Chemieindustrie und Wirtschaft wachsen im Gleichschritt

Die Teilbereiche der Branche entwickeln sich nicht alle gleich gut. Die Petrochemie ragt derzeit positiv hervor. Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung.

Von Florian Wenke | Mumbai

  • Markttrends

    Die aktuelle Marktlage ist gemischt. Dennoch wächst die Branche und neue Lieferbeziehungen entstehen. Deutsche Lieferungen haben Marktanteile eingebüßt. 

    Indiens aktuelle Wirtschaftslage zeigt sich trotz der weltweiten konjunkturellen Eintrübung robust und das Land bleibt weiterhin auf dem Wachstumspfad. Derzeit gehen die meisten Volkswirte von einer Zunahme des Bruttoinlandsproduktes zwischen 6 Prozent und 7 Prozent im Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) aus. Analysten der Ratingagentur S&P Global prognostizieren, dass die chemische Industrie des Landes ähnlich stark wie die Wirtschaft wachsen wird. Für 2023 sagen sie ein Marktwachstum von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr voraus und 2024 soll dieser Wert sogar auf 8 Prozent steigen. 

    Marktgröße von 300 Milliarden US-Dollar in Reichweite

    Die aktuelle Marktgröße beträgt zwischen 200 Milliarden und 220 Milliarden US-Dollar (US$). Bis 2025 soll die Nachfrage nach Chemikalien um jährlich 9 Prozent wachsen, so die Indian Brand Equity Foundation. Die Marktgröße soll bis dahin auf 300 Milliarden US$ steigen. Bis 2040 erwarten Experten sogar eine Marktgröße von 1 Billion US$. 

    Während der langfristige Wachstumstrend intakt bleibt, sorgt die maue Weltkonjunktur derzeit für gemischte Stimmung in der Chemiebranche. Der Konjunkturindikator Index of Industrial Production (IIP) für Oktober 2023 zeigt, dass die Produktion von chemischen Erzeugnissen um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen ist. Für das laufende Finanzjahr wird bisher ein Rückgang von 1,4 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode gemeldet. Für pharmazeutische Chemikalien werden die Werte extra ausgewiesen. Hier wird ein Wachstum von 11,2 Prozent sowie 12,5 Prozent angegeben, was auch an einer niedrigeren Vorjahresbasis liegt. 

    Der Industrieverband FICCI meldete im November 2023 eine durchschnittliche Kapazitätsauslastung der Branche von 68 Prozent und gibt die Wachstumsaussichten für das verbleibende Finanzjahr als moderat an.

    Branchenkenner berichten von einem zweigeteilten Bild. Derzeit leiden insbesondere exportorientierte Chemieunternehmen, weil ihnen die Nachfrage aus dem Ausland fehlt. Die Nachfrage aus dem Inland ist jedoch stabil. Die Regierung hält an ihren Investitionen in die Infrastruktur fest. Diese befeuern die Nachfrage nach Materialien wie beispielsweise Stahl und Zement und damit indirekt auch die Nachfrage nach (Basis-)Chemikalien, die zur Produktion dieser Materialien benötigt werden. Gleichzeitig sorgt die gute Wirtschaftslage im Land dafür, dass auch andere wichtige Abnehmerbranchen wie beispielsweise die Automobilindustrie mit ihren Zulieferern wieder mehr produziert. 

    Indien ist weiter auf Importe angewiesen

    Indien importiert einen Großteil der verwendeten chemischen und petrochemischen Erzeugnisse. Dabei möchte die Regierung in New Delhi das Handelsbilanzdefizit im Bereich der Chemikalien (SITC-Kategorie 5) verringern und nach Möglichkeit in einen Überschuss umwandeln. Diesem Ziel scheint sie aber in den vergangenen Jahren nicht näher gekommen zu sein. Im Jahr 2022 führte Indien chemische Erzeugnisse im Umfang von 96,6 Milliarden US$ ein. Das war ein Plus von rund 61 Prozent gegenüber dem Vorpandemiejahr 2019. Die Exporte stiegen im gleichen Zeitraum lediglich um circa 23 Prozent und erreichten 65,7 Milliarden US$ für 2022. 

    Ausgewählte Importdaten der chemischen Industrie in Indien 2020 (in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent) *)
    Warenkategorie nach SITC

    Importe gesamt

    Veränderung 2022/2021

    davon aus Deutschland

    Veränderung 2022/2021

    Gesamte SITC-Kategorie 596.623,222,22.090,5-9,3
      Organische Chemikalien (51)29.026,410,1355,4-23,6
      Anorganische Chemikalien (52)11.540,134,1146,2-47,6
      Farben, Tönungen und Lacke (53)2.643,64,1140,5-1,1
      Arzneimittel (54)5.038,7-10,4234,3-20,9
      Zubereitete Riech-, Körperpflege- und Schönheitsmittel (ausgenommen Seifen) (553)792,675,430,25,6
      Seifen, Waschmittel und Polituren (554)689,63,336,6-8,2
      Düngemittel (56)17.208,989,722,7-7,2
      Kunststoffe in Primärform (57)17.444,119,8386,413,3
      Pestizide (591)1.794,3-3,282,9-16,9
    * Waren der SITC-Kategorie 5 und Unterkategorien.Quelle: UN Comtrade 2023

    Die Importe von Chemikalien aus Deutschland stiegen zwischen 2019 und 2022 weniger stark als die Gesamtimporte unter SITC-5. Sie kletterten um rund 10 Prozent und erreichten 2022 circa 2,1 Milliarden. Damit stand Deutschland für knapp über 2 Prozent der indischen Chemieimporte. Insgesamt haben deutsche Importe chemischer Produkte in Indien Marktanteile eingebüßt. Weiterhin dominiert China als Zulieferer in diesem Bereich (Lieferanteil 2022: 26 Prozent), obwohl die Regierung diese Abhängigkeit gern verringern möchte. Umgekehrt war die Bundesrepublik 2022 der achtwichtigste Absatzmarkt für indische Chemikalien und stand 2022 für circa 3 Prozent der indischen Chemieexporte. Für die Handelsbeziehungen beider Länder spielen Chemikalien seit Jahren eine wichtige Rolle. Im Zuge der Diversifizierung von Lieferketten kann sich der vermehrte Blick nach Indien von Einkäufern aus der Branche lohnen.

    Ausgewählte Exportdaten der chemischen Industrie in Indien 2022 (in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent) *)
    Warenkategorie nach SITC

    Exporte gesamt

    Veränderung 2022/2021

    davon nach Deutschland

    Veränderung 2022/2021

    Gesamte SITC-Kategorie 565.725,25,011.817,31,2
      Organische Chemikalien (51)20.756,43,8831,42,6
      Anorganische Chemikalien (52)2.440,732,763,655,9
      Farben, Tönungen und Lacke (53)3.608,6-6,02147,7-14,2
      Arzneimittel (54)21.589,042,4335,41-7,3
      Ätherische Öle und Riechmittel (551)1.372,12,244,42,9
      Zubereitete Riech-, Körperpflege- und Schönheitsmittel (ausgenommen Seifen) (553)983,620,67,1-36,2
      Seifen, Waschmittel und Polituren (554)721,511,94,2-40,3
      Kunststoffe in Primärform (57)3.625,6-9,4128,922,8
      Pestizide (591)5.549,623,380,623,3
    * Waren der SITC-Kategorie 5 und Unterkategorien.Quelle: UN Comtrade 2023

    Neue Lieferketten entstehen

    Vertreter von Branchenunternehmen gaben im Gespräch an, dass Anzeichen von Lieferkettenverlagerungen sichtbar sind. Sie schilderten, dass besonders große und global agierende Unternehmen (Multinational Corporations, MNCs) zunehmend ein Auge auf Indien als Beschaffungsmarkt geworfen haben. Dabei geht es ihnen weniger um die Schaffung eigener Standorte und Investitionen vor Ort, sondern darum, neue Zulieferer im Kreis der bereits vorhanden indischen Chemieproduzenten zu finden. Bisweilen unterstützen MNCs diese lokalen Firmen mit geringen Summen bei ihren Neuinvestitionen. Anschließend seien die MNCs aber bereit, mehrjährige Lieferbeziehungen einzugehen und den indischen Firmen damit Planungssicherheit zu geben. 

    Subventionen werden weiter diskutiert, investiert wird aber auch ohne

    Um das Ziel eines wirtschaftlich unabhängigen Indiens zu erreichen, unterstützt die Regierung Investitionen durch zeitlich befristete Produktionsanreize, sogenannte Production Linked Incentives (PLI). Immer wieder tauchen Meldungen auf, dass auch die Chemiebranchen in den Genuss der Förderung kommen soll. Zuletzt wurde in indischen Medien über PLI für die Chemieproduktion, jedoch ohne den Bereich Petrochemie, spekuliert. Insbesondere die Herstellung von Grundchemikalien scheint derzeit im Mittelpunkt von Überlegungen rund um neue PLI zu stehen. 

    Es wird jedoch auch ohne die Subventionen investiert, besonders im Bereich der Petrochemie. Branchenvertreter geben zu Protokoll, dass Indien alleine in den kommenden 10 Jahren Bedarf an einem Cracker jährlich hat. Ein Teil der investierten Mittel stammt aus dem Ausland. Indischen Quellen zufolge flossen 2022/2023 ausländischen Direktinvestitionen im Umfang von 1,9 Milliarden US$ in die Chemiebranche (ausgenommen Düngemittel). Von April 2023 bis September 2023 kamen bereits weitere 411 Millionen US$ hinzu.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Indien (Investitionssumme in Milliarden US-Dollar)
    Projekt

    Investitionssumme *)

    ProjektstandAnmerkungen
    Kapazitätserweiterungen und Asbau des Standortes Bina17,9PlanungsphaseDas Projekt wird von der staatseigenen Bharat Petroleum Corporation Limited (BPCL) durgeführt und umfasst die Erhöhung der Produktionskapazitäten in diversen Bereichen. Die Investitionssumme ist für die kommenden fünf Jahre angedacht. Es soll beispielsweise eine neuer Ethylen-Cracker am Standort Bina gebaut werden. Außerdem soll die Kapazität der dortigen Raffinerie von derzeit 7,8 Millionen Tonnen pro Jahr auf 11 Millionen Tonnen pro Jahr erweitert werden. 
    Bau zweier Petrochemiewerke12,0PlanungsphaseDas Projekt wird von der staatseigenen Oil and Natural Gas Corporation Limited (ONGC) durchgeführt, die damit ihre Produktionskapazitäten ausbauen will.
    Paradip Petrochemical Complex7,3Genehmigt und in Ausbauphase 1Bau eines Chemieparks in Paradip durch das Staatsunternehmen IndianOil. Neben einem Cracker sind Downstream-Produktionsanlagen zur Herstellung von beispielsweise Polypropylenen (PP), Hart-Polyethylen (HDPE), Linearen Polyethylen niederer Dichte (LLDPE) und Polyvinylchlorid (PVC) geplant. Darüber hinaus sind Herstellungskapazitäten für Phenol 
    Isopropylalkohol angedacht.
    Tata Chemicals

    1,0

    AngekündigtGeplante Investitionen von Tata Chemicals in den kommenden drei Jahren. Angedacht ist eine Kapazitätserweiterung für Natriumcarbonat am Standort Mithapur. Zudem soll die Kieselsäureproduktion ausgeweitet werden. 
    Bau von Düngerfabriken0,1GenehmigtBau von drei Düngerfabriken in Gorakhpur, Sindri und Barauni durch Investitionen von IndianQil in das Joint Venture mit Hindustan Urvarak and Rasayan Ltd. (HURL). 
    Setting up the first on-purpose Propylene plant

    k.A.

    AngekündigtBau einer Produktionsanlage für Propylen sowie für Phenol in Haldia.
    Projekte der öffentlichen Hand werden auf der zentralen Ausschreibungsplattform der indischen Regierung veröffentlicht. Außerdem stellt die indische Regierung eine Projektdatenbank zur Verfügung. GTAI stellt ebenfalls aktuelle Informationen zu Ausschreibungen und Entwicklungsprojekten bereit.
    * Wechselkurs vom 27.11.2023 laut Reserve Bank of India: 1 US-Dollar = 83,367 indische Rupien.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Florian Wenke | Mumbai

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Für mehr Nachhaltigkeit setzen Unternehmen insbesondere auf grüne Energie. Zudem liefert der Handel mit Emissionszertifikaten Anreize, um Energie einzusparen.

    Indien will die Industrialisierung vorantreiben und den Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt von 17 Prozent auf 25 Prozent erhöhen. Gleichzeitig hat sich das Land das Ziel gesetzt, bis 2070 klimaneutral zu werden. Dafür muss die Emission von Kohlendioxid (CO₂) in der Industrie sinken. Laut letztverfügbaren Quellen lag ihr Anteil am gesamten CO₂-Ausstoß des Landes im Jahr 2019 bei Werten zwischen 22 Prozent und 28 Prozent. Um das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sind riesige Investitionen notwendig. Einer Berechnung der Unternehmensberatung McKinsey zufolge, benötigt der Industriesektor bis 2050 Investitionen in Dekarbonisierungsmaßnahmen in Höhe von rund 1,3 Billionen US-Dollar (US$). Bisher dominieren energieintensive Branchen Indiens Industrie, darunter die Chemiebranche mit den Teilbereichen Petrochemie, Düngemittelherstellung und Kunststoffproduktion. Geht es nach dem Willen der Regierung, soll dem Land nun der Spagat zwischen Wirtschaftswachstum sowie vermehrter Industrialisierung, bei gleichzeitiger Reduktion des CO₂-Ausstoßes gelingen. 

    Zertifikatehandel schafft Anreize für Investitionen in Energieeffizienz 

    Seit 2012 verfügt Indien mit Perform, Achieve, Trade (PAT) über einen Mechanismus zur Steigerung von Energieeffizienz in der Industrie. Mithilfe von PAT erhalten Unternehmen Zertifikate, wenn sie ihren Energieverbrauch unter einen vorher definierten Wert senken. Diese Zertifikate können sie anschließend an andere Unternehmen verkaufen, die ihre Einsparzeile nicht erreichen. Innerhalb der Chemiebranche ist PAT für Unternehmen der Petrochemie, in der Düngerherstellung und bei der Produktion von Chloralkali relevant. 

    Die Preise der Zertifikate sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen und damit auch die Anreize der Industrie in Energieeffizienz zu investieren. Seit Januar 2023 gilt indessen der Energy Conservation (Amendment) Act 2022. Damit hat die Regierung eine gesetzliche Basis für einen Handel mit CO₂-Zertifikaten geschaffen, der das PAT-Programm ablösen soll. Im November 2023 veröffentlichte das Bureau of Energy Efficiency (BEE) einen Entwurf zum neu gestalteten Zertifikatehandel. Bisher zählt Indien zu den weltweit größten Anbietern von CO₂-Zertifikaten, allerdings sitzen die Käufer meist im Ausland. Das Ziel des neu gestalteten Emissionshandels ist es, dass die CO₂-Zertifikate vermehrt im Inland gehandelt werden und damit Anreize für Investitionen in Energieeffizienz liefern. 

    Energieversorgung steht im Vordergrund

    Die Chemiebranche setzt vermehrt auf alternative Bezugsquellen, um ihren Energie- und Strombedarf zu decken. Erneuerbare Energien anstatt Kohle und Gas ist die Devise. Die Unternehmen versuchen beispielsweise Solarenergie zu nutzen. Während für kleinere Unternehmen insbesondere Aufdachanlagen von Interesse sind, beteiligen sich Großunternehmen gleich an kompletten Solarparks oder erreichten Anlagen direkt selbst. Die Exportinitiative Energie des Bundes bietet regelmäßig die Möglichkeit an geförderten Projekten rund um Erneuerbare Energien und Energieeffizienz in der Industrie in Indien teilzunehmen. Die Maßnahmen sind dazu geeignet, den Markt kennenzulernen, den Vertrieb zu unterstützen und Kontakte zu Geschäftspartnern zu finden.     

    Darüber hinaus setzen Unternehmen auf grünen Wasserstoff. Für die Unternehmen der Chemiebranche ist Wasserstoff überwiegend für den Eigenbedarf von Interesse. Bisher sind erst kleine Anlagen im Megawattbereich in Bau und Planung. Noch mangelt es an den notwendigen Technologien, um den Wasserstoff zu konkurrenzfähigen Preisen herzustellen und zu nutzen. Hier ergeben sich Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Hersteller, die ihre Technik in Indien zum Einsatz bringen möchten. Die Unternehmen der Chemieindustrie stehen als mögliche Verbraucher in den Startlöchern. Laut Regierungsangaben von Ende 2023 sind zudem aktuell Produktionskapazitäten für 5,8 Millionen Tonnen jährlich an grünem Ammoniak in Bau und Planung. Hierfür wird ebenfalls entsprechende Produktionstechnik benötigt. 

    Unternehmen setzen sich individuelle Ziele

    Viele Branchenunternehmen wollen das Ziel der Klimaneutralität bereits früher als 2070 erreichen. So hat sich Reliance Industrie bis 2035 Zeit gegeben, um hinsichtlich der Emission von Treibhausgasen als Net-Zero zu gelten. Das Unternehmen zählt zu den Größen im Geschäft mit Petrochemie. Die beiden staatlichen Petrochemiekonzerne Bharat Petroleum und Hindustan Petroleum möchten das gleiche Ziel bis spätestens 2040 erreichen. Insbesondere große Unternehmen gehen hier voran. Sie setzen dabei nicht auf eine einzelne Maßnahme, um Emissionen zu reduzieren. Neben einer grüneren Energieversorgung kommen auch Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zum Einsatz. Staatsunternehmen schreiben die Projekte meist zentral über entsprechende Unterseiten auf ihrer Webseite aus. Viele der privaten Großunternehmen verfahren ähnlich. 

    Regenerative Ausgangsstoffe für die Herstellung von Chemikalien spielen bisher noch eine untergeordnete Rolle, berichten Unternehmensvertreter. Gründe dafür sind die noch nicht ausreichender Verfügbarkeit und der Preisnachteil im Vergleich mit herkömmlichen Inputgütern. Ihre Bedeutung dürfte in den kommenden Jahren jedoch zunehmen. 

    Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus der Europäischen Union (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) stößt indes auf wenig Begeisterung in der Branche. Er wird überwiegend als nicht-tarifäres Handelshemmnis empfunden. Auf politischer Ebene unternimmt Indien daher Versuche, die Wirtschaft von den Folgen von CBAM zu schützen. Derzeit ist jedoch nicht absehbar, ob diplomatische Verhandlungen mit der EU oder ein Einspruch bei der Welthandelsorganisation Erfolg haben werden. Falls nicht, dann sind Gegenmaßnahmen in Form von Importzöllen oder ähnlichen Maßnahmen denkbar. 

    Von Florian Wenke | Mumbai

  • Branchenstruktur

    Die Produktionsmengen bleiben in etwa auf dem Vorjahresniveau. Die kleinteilige Chemiebranche Indiens wächst derzeit besonders Bereich der Petrochemie. 

    Der Chemiesektor zählt zu den wichtigsten Industriezweigen in Indien. Die Bereiche Pharmazie und Chemikalien sind Bestandteile der Make in India Kampagne. Nach Angaben von Branchenkennern erfolgt, je nach Teilbereich der Chemiebranche, zwischen 90 und 100 Prozent der Wertschöpfung durch Unternehmen im formellen Sektor. Dies ist ein hoher Wert an einem Wirtschaftsstandort, in dem knapp die Hälfte des Bruttoinlandproduktes im informellen Sektor erwirtschaftet wird.  

    Chemikalienproduktion soll 2023/2024 konstant bleiben

    Laut Department of Chemicals and Petrochemicals wurden im Finanzjahr 2021/2022 (1. April bis 31. März) 12,7 Millionen Tonnen an Chemikalien hergestellt. Diese Menge stieg 2022/2023 auf 13,0 Millionen Tonnen. Der Rückgang betrug rund 2,2 Prozent. Für das Finanzjahr 2023/2024 wurden bisher nur Produktionszahlen vom 1. April bis 31. Juli 2023 veröffentlicht. Die Produktionsmenge an Chemikalien wird für diesen Zeitraum auf circa 4,2 Millionen Tonnen beziffert, was leicht unter dem Vorjahresniveau lag. Das Department of Chemicals and Petrochemicals geht davon aus, dass die Jahresproduktion erneut bei rund 13 Millionen Tonnen liegen wird. Für das folgende Finanzjahr prognostizieren die Beamten eine Steigerung auf 13,4 Millionen Tonnen. 

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Indien (in 1.000 Tonnen, Veränderung in Prozent) ¹⁾

    Sparte

    2021/2022

    2022/2023

    Veränderung 2022/23 gegenüber 2021/2022

    2023/2024 ²)

    Alkalien

    9.041

    9.492

    5,0

    3.064,04

    Organische Chemikalien

    1.953

    1.902

    -2,6

    618,34

    Anorganische Chemikalien

    1.052

    1.051

    -0,03

    358,79

    Farben und Lacke

    398

    318

    -20,1

    109,35

    Pestizide

    299

    258

    -13,8

    93,27

    Gesamt

    12.743

    13.022

    2,2

    4.243

    1 Finanzjahre jeweils vom 1. April bis 31. März; 2 1. April bis 31. Juli 2023.Quelle: Department of Chemicals and Petrochemicals 2023

     

    Neue petrochemische Produktionsstätten entstehen 

    An petrochemischen Erzeugnissen wurden 2022/2023 insgesamt 35 Millionen Tonnen hergestellt, 9 Prozent weniger als im vorherigen Finanzjahr. Für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Juli 2023 wird eine Produktionsmenge von 12 Millionen Tonnen ausgewiesen. Als Gesamtproduktionsmenge (ohne Olefina, Aromaten und Sonstige) für 2023/2024 werden 21,2 Millionen Tonnen und im Folgejahr 21,9 Millionen Tonnen durch die Regierung vorhergesagt. 

    In den kommenden Jahren dürfte sich der Wettbewerb deutlich verschärfen, denn neue Produktionsstätten sind bald einsatzbereit. Laut Expertenangaben will etwa Nayara Energy 2024 eine Anlage für die Produktion von 450.000 Tonnen Polypropylen pro Jahr in Betrieb nehmen. Hindustan Petroleum Corp (HPCL) plant ebenfalls mit einem neuen Standort. Anfang 2024 soll in Barmer im Bundesstaat Rajasthan die Produktion in der dortigen Raffinerie (Kapazität: 9 Millionen Tonnen pro Jahr) mit angeschlossenem Petrochemiekomplex beginnen. Neben Treibstoffen will HPCL auch Ethylen- und Propylen-Derivate am neuen Standort herstellen. Insbesondere für diese beiden Produkte sind damit starke Produktionskapazitäten vorhanden.

    Produktion ausgewählter petrochemischer Erzeugnisse in Indien (in 1.000 Tonnen, Veränderung in Prozent) ¹⁾

    Sparte

    2021/2022

    2022/2023

    Veränderung 2022/23 gegenüber 2021/2022

    2023/2024 ²⁾

    Polymere

    12.471

    11.486

    -7,9

    4.080,4
    Olefine

    12.572

    11.296

    -9,8

    4.039,9
    Aromaten

    4.677

    3.361

    -28,1

    1.120,4
    Synthetische Fasern und Garne

    4.004

    4.006

    -0,8

    1.323,1
    Hochleistungskunststoffe

    1.698

    1.960

    15,5

    520,4
    Synthesekautschuk

    383

    344

    -9,9

    133,8
    Sonstige2631,3

    2.509

    -4,7

    805,03
    Gesamt42.083,8

    34.965,5

    -9,0

    12.023
    1 Finanzjahr jeweils vom 1. April bis 31. März; 2 1. April bis 31. Juli 2023.Quelle: Department of Chemicals and Petrochemicals

    Viele Unternehmen der Chemiebranche sind eher klein

    Das Ministry of Corporate Affairs gibt die Anzahl der Firmen im Bereich Metalle und Chemikalien sowie Produkte daraus für den 31. Oktober 2023 mit 114.038 an. Das waren rund 7 Prozent mehr als zum gleichen Stichtag ein Jahr zuvor. Mit 106.382 ist die Mehrzahl der Unternehmen in Privatbesitz und hier hat auch der Zuwachs an Unternehmen stattgefunden. Lediglich 7.656 Firmen wurden von der öffentlichen Hand gemanagt und damit in etwa genauso viel wie im gleichen Vorjahresmonat.

    Vom Ministry of Statistics and Programme Implementation wird regelmäßig das Survey of Industries erhoben. Zuletzt war dies für das Finanzjahr 2019/2020 (1. April bis 31. März) der Fall. Für den Berichtszeitraum zählten die Statistiker 11.073 aktive Fabriken im Bereich Chemikalien und chemische Erzeugnisse mit 693.866 Beschäftigten. Die beiden größten Teilbereiche sind die Herstellung von Grundchemikalien (3.067 Fabriken) sowie die Produktion sonstiger Chemikalien (2.994 Fabriken). Hinzu kommen weitere 4.501 aktive Fabriken für Arzneiwaren und pharmazeutische Chemikalien mit zusammen 516.095 Beschäftigten.

    Das Department of Chemicals and Petrochemicals gibt separate Angaben mit der Anzahl der registrierten großen und mittelgroßen Unternehmen der Chemiebranche heraus. Im Sommer 2023 veröffentlichten die Beamten ein Verzeichnis für das Finanzjahr 2022/2023. Darin werden beispielsweise 33 Alkaliproduzenten, 33 Produzenten organischer und 25 anorganischer Chemikalien, 30 Pestizidhersteller sowie 37 Hersteller von Farben und Lacken aufgezählt. Zusätzlich werden 17 Unternehmen aus dem Bereich der Polymerproduktion und 19 Unternehmen im Bereich Hochleistungskunststoffe, 11 Produzenten von Olefinen und 9 Produzenten von Aromaten gelistet. 

    Die genaue Anzahl an Unternehmen im Chemiesektor ist schwer zu schätzen. Setzt man genannten Zahlen jedoch ins Verhältnis zueinander, dann zeigt sich, dass der gesamte Sektor in Indien überwiegen aus kleinen und Kleinstunternehmen besteht, ergänzt um einige große Firmen. Die großen Unternehmen sind oftmals Teil von indischen Konzernen, die im Zuge einer Diversifizierung ihrer Geschäftsfelder auch im Bereich Chemie und Petrochemie haben. Lokale Schwerpunkte der Chemieproduktion bilden die Bundesstaaten Gujarat, Maharashtra und Tamil Nadu.    

    Wichtige Branchenunternehmen in Indien (Umsatz in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2022/2023

    Veränderung 2022/2023 gegenüber 2021/2022

    Coromandel International Ltd.

    Düngemittel

    3.551,755,1
    Chambal Fertilisers  & Chemical Ltd

    Düngemittel

    3.331,472,8

    United Phosphorus Limited (UPL)

    Pestizide und Agrarchemikalien

    2.253,014,2

    BASF

    Pestizide und Agrarchemikalien

    1.636,74,2

    Pidilite Industries Ltd.

    Diverse Chemikalien

    1.271,119,1

    Bayer CropScience

    Pestizide und Agrarchemikalien

    616,58,6

    Aarti Industries Ltd.

    Farbstoffe, Pigmente, Agrochemikalien, Pharmazeutika und Kautschukchemikalien

    866,85,9
    PI Industries Ltd.Pestizide und Agrochemikalien752,123,5

    Atul Limited

    Spezialchemikalien

    607,21,4
    India Glycols Ltd.Petrochemie und chemische Grundstoffe796,60,7
    Aufgeführt sind börsennotierte Unternehmen; Wechselkurs laut Reserve Bank of India vom 27. November 2023: 1 US$ = 83,3675 indische Rupien.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Florian Wenke | Mumbai

  • Kontaktadressen

    In Indien ist es wichtig, die richtigen Ansprechpartner zu kennen. Kontakte und Netzwerke sind essenziell

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Indien (Deutsch-Indische Handelskammer)

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministry of Chemicals and FertilizersZuständiges Ministerium auf Bundesebene

    Department of Chemicals and Petrochemicals

    gehört zum Ministerium für Chemie und Düngemittel
    Department of Fertilizersgehört zum Ministerium für Chemie und Düngemittel
    Department of Pharmaceuticalsgehört zum Ministerium für Chemie und Düngemittel
    Indian Chemical Council (ICC)Dachverband der chemischen Industrie
    Alkali Manufacturer’s Association of IndiaVerband der Alkali- und Vinylchlorid-Industrie
    Chemicals & Petrochemicals Manufacturers Association Verband der Hersteller von Chemikalien und Petrochemikalien
    Indian Drug Manufacturers' Association (IDMA)Verband der pharmazeutischen Industrie
    The All India Plastics Manufacturers' Association (AIPMA)Verband der Kunststoffproduzenten
    ChemProTech IndiaFachmesse, vom 24. bis 25. April 2024 in Mumbai
    CHEMTECHFachmesse, vom 4. bis 7. März 2024 in Mumbai
    PAINTINDIAFachmesse, vom 22. bis 24. Februar 2024 in Mumbai
    POWTECH INDIAFachmesse, voraussichtlich wieder 2024
    Chemical WeeklyWöchentliche Fachzeitschrift
    Chemical MarketMonatliche Fachzeitschrift

    Von Florian Wenke | Mumbai

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