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Indiens Automobilsektor erholt sich trotz Hindernissen
Zwar meldete die Kfz-Branche zuletzt wieder Wachstum, allerdings gibt es nach wie vor Probleme. Das Niveau von vor der Pandemie ist bei Produktion und Absatz noch nicht erreicht.
30.09.2022
Von Florian Wenke | Mumbai
In einer weltwirtschaftlich schwierigen Lage zeigt sich Indien robust. Das Bruttoinlandsprodukt soll im Finanzjahr 2022/2023 (1. April bis 31. März) real zwischen 7 und 8 Prozent zulegen – die Prognosen der Volkswirte differenzieren leicht. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sind in Indien bislang geringer als in einigen europäischen Ländern. Die gute wirtschaftliche Entwicklung stützt auch die Kfz-Branche.
Produktion und Export liegen im Jahresvergleich im Plus
Im Finanzjahr 2021/2022 ist die Produktion von Kfz um etwas über 1 Prozent gegenüber dem sehr schwachen Vorjahreszeitraum gestiegen. Laut der Society of Indian Automobile Manufacturers wuchs der Kfz-Export im gleichen Zeitraum um fast 36 Prozent, während der inländische Absatz um knapp 6 Prozent zurückging. Für Pkw konnte in allen drei Kategorien ein Wachstum verbucht werden. Allerdings zeigt der Vergleich mit 2018/2019, wie groß die Lücke zum Niveau von vor Covid-19 bei Produktion und inländischem Absatz noch ist.
Kategorie | 2018/2019*) | 2019/2020*) | 2020/2021*) | 2021/2022*) |
---|---|---|---|---|
Produktion | 30.915 | 26.353 | 22.656 | 22.933 |
Pkw | 4.028 | 3.424 | 3.062 | 3.651 |
Absatz Inland | 26.266 | 21.546 | 18.620 | 17.514 |
Pkw | 3.377 | 2.774 | 2.711 | 3.069 |
Export | 4.629 | 4.749 | 4.134 | 5.617 |
Pkw | 676 | 662 | 404 | 578 |
Händler melden gestiegene Verkaufszahlen
Die Federation of Automobile Dealers Associations (FADA) meldete für Juni 2022 einen Anstieg der verkauften Kfz um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bei den Pkw lag der Zuwachs bei 40 Prozent. FADA weist allerdings darauf hin, dass die Verkaufszahlen von Kfz für das 2. Quartal 2022 rund 8 Prozent unter dem Wert aus dem Vergleichszeitraum 2019 liegen. Bei Zweirädern beträgt die Differenz 14 Prozent. Experten zeigen sich jedoch zuversichtlich, dass sich die Erholung bei Produktion und Absatz im laufenden Finanzjahr 2022/2023 fortsetzt.
Steigende Kosten bleiben ein Thema
Dennoch warten besonders Erstkäufer von Fahrzeugen derzeit mit der Anschaffung. Darunter leidet die Nachfrage nach Zweirädern und nach kleinen Einstiegsmodellen bei Pkw. Viele Haushalte der Mittelschicht haben die Wohlstandsverluste der zurückliegenden Pandemiejahre noch nicht wieder ausgleichen können. Höhere Kosten für Anschaffung und Unterhalt dämpfen nun das Interesse am Kauf eines neuen Fahrzeuges im Einstiegssegment. Personen mit gehobenen Einkommen verfügen jedoch über ausreichend Kaufkraft, sodass Mittel- und Oberklassemodelle weniger vom Nachfragerückgang betroffen sind.
Gleichzeitig sehen sich die Hersteller zu Preissteigerungen gezwungen. Das liegt an steigenden Inputkosten und der nach wie vor angespannten Lage der Lieferketten. Außerdem müssen neue Regulierungen eingehalten werden. Dazu zählen beispielsweise Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid der Fahrzeugflotten im Rahmen der Corporate Average Fuel Economy (CAFE)-Regelungen. Die Grenzwerte von CAFE Phase II gelten seit April 2022. Auch für Reifen gelten seit Juli 2022 neue Mindestanforderungen.
Umsatz der Zulieferindustrie soll wachsen
Laut Schätzungen der Rating- und Analyseagentur ICRA soll der Umsatz der Unternehmen in der Kfz-Zulieferindustrie im Finanzjahr 2022/2023 um 8 bis 9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigen – auf umgerechnet 56 Milliarden US-Dollar (US$; Kurs laut Federal Reserve Bank vom 24. Juni 2022; 1 US$ = 78,25 indische Rupien). Damit hätten die Zulieferer das Niveau von 51 Milliarden US$ aus dem Finanzjahr 2018/2019 überschritten.
ICRA hebt hervor, dass die Branchenunternehmen mit der Inflation zu kämpfen haben und die steigenden Kosten nicht vollständig an die Kunden weitergeben können. Dies sorgt für sinkende operative Gewinnmargen und geringere Investitionen. Erstere sollen im angelaufenen Finanzjahr auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren liegen. Die Investitionen lagen 2021/2022 bei 5,9 Prozent der betrieblichen Erträge und damit unter dem Level vor Pandemiebeginn von rund 7,5 Prozent. ICRA betont, dass die Subventionen unter dem Produktion-Linked-Incentives-Programm zu einer Erhöhung der Investitionen führen dürften. Aufgrund von anhaltenden Problemen in den Lieferketten sieht die Agentur eine deutliche Zunahme der Lagerbestände von Zulieferunternehmen. Diese haben mittlerweile ein Vierjahreshoch erreicht.
Insgesamt bescheinigt ICRA der Branche eine weitgehend gute Verfassung. Insbesondere größere Unternehmen verfügen über ausreichend Liquiditätsreserven sowie gesunde Bonitätskennzahlen.
Importe von Kfz-Teilen aus Deutschland deutlich gestiegen
Indien importierte im Jahr 2021 Kfz-Teile im Wert von circa 7 Milliarden US$ – ein Wachstum von knapp 51 Prozent gegenüber 2020. Der Wert der Importe aus Deutschland legte noch stärker zu, um 73 Prozent auf rund 785 Millionen US$. Deutsche Unternehmen konnten demnach Marktanteile gewinnen. Laut Schätzungen des Indian Department of Commerce betrugen die Importe an Kfz-Teilen für das 1. Quartal 2022 insgesamt 1,7 Milliarden US$. Aus Deutschland wurden dabei Güter im Wert von 186 Millionen US$ eingeführt.
Kategorie (SITC-Kennung) | Gesamt 2021 | Veränderung 2021/2020 | aus Deutschland 2021 | Veränderung 2021/2020 |
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Motoren (713.2) | 621,0 | 48,2 | 13,5 | 118,2 |
Getriebe und Getriebeteile (748.4) | 438,8 | 56,1 | 84,9 | 47,3 |
Zündkabelsätze (773.13) | 76,0 | 32,1 | 6,8 | 91,0 |
Kfz-Elektrik (778.3) | 856,6 | 50,1 | 50,4 | 67,4 |
Karosserien, Stoßstangen usw. (784) | 5.028,4 | 50,7 | 629,2 | 76,6 |
Elektromobilität zeigt gute Zuwächse
Dem nationalen Verzeichnis für Zulassungszahlen "Vahan" zufolge wurden 2021/2022 fast 430.000 Elektrofahrzeuge zugelassen – eine Steigerung von 219 Prozent gegenüber dem Finanzjahr zuvor. Rund 54 Prozent der neu zugelassenen Elektrofahrzeuge waren Zweiräder, 41 Prozent entfielen auf Dreiräder. Darunter fallen die in Indien für den Personenverkehr und Gütertransport eingesetzten Autorikschas. Auf Pkw entfielen knapp 4 Prozent der Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen mit Elektroantrieb.
Eine großflächige und zuverlässige Ladeinfrastruktur zu schaffen, bleibt allerdings eine Herausforderung. Laut dem Bureau of Energy Efficiency gab es im März 2022 erst knapp 1.750 Ladestationen in Indien. Mithilfe eines Förderprogramms der Elektromobilität (Faster Adoption and Manufacturing of Electric and Hybrid Vehicles in India) möchte die Zentralregierung diese Anzahl auf fast 2.900 bis 2024 erhöhen. Hinzu kommen Ausbauprogramme der Bundesstaaten. So soll beispielsweise die Maharashtra State Electricity Distribution Company Limited (MSEDCL) fast 2.400 Ladestation in Maharashtra bis 2025 schaffen. Bereits 2018 hatte MSEDCL angekündigt, 500 Ladestationen bis 2022 bauen zu wollen. Allerdings wurde dieses Ziel nicht erreicht.