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Marktchancen Kfz-Absatzmarkt
Indien ist mittlerweile der drittgrößte Fahrzeugmarkt. Die Absatzzahlen erholen sich weiter. Einige Hersteller und Fahrzeugtypen profitieren jedoch mehr als andere.
27.03.2023
Von Florian Wenke | Mumbai
Verkäufe nehmen wieder zu
Für viele indische Menschen ist der Kauf eines Fahrzeuges einer der größten Einzelkäufe ihres Lebens. Schätzungen zufolge gehen etwas weniger als die Hälfte der verkauften Personenkraftwagen in Indien an Erstkäufer.
Im Finanzjahr 2021/2022 (1. April bis 31. März) haben sich wieder mehr Personen entschieden, ein Fahrzeug anzuschaffen. Die Absatzzahlen stiegen gegenüber dem Vorjahr deutlich. Die von der Vereinigung der Automobilhersteller in Indien (Society of Indian Automobile Manufacturers; SIAM) veröffentlichten Angaben spiegeln einen Anstieg über alle Fahrzeugkategorien wider. Damit lassen die Hersteller die Coronapandemie hinter sich. Besonders groß war das Absatzplus mit fast 64 Prozent bei Bussen, gefolgt von knapp 25 Prozent bei Lastkraftwagen, rund 19 Prozent bei dreirädrigen Kraftfahrzeugen und mehr als 13 Prozent bei Pkw. Lediglich bei Krafträdern gab es gegenüber dem ohnehin schwachen Vorjahr erneut einen Rückgang um fast 11 Prozent.
Kategorie | 2020/2021 | 2021/2022 | 2022/2023 | 2023/2024 1) |
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Pkw | 2711457 | 3069499 | 3890114 | 3083245 |
Lkw 2) | 549149 | 684805 | 879743 | 630002 |
Busse 2) | 19410 | 31761 | 82725 | 69505 |
Krafträder | 15120783 | 13570008 | 15862087 | 13470570 |
dreirädrige Kfz 3) | 219446 | 261385 | 488768 | 526905 |
Die Dynamik der Nachfrage ist auch im Finanzjahr 2022/2023 intakt. So konnten bereits vor Jahresfrist mehr Busse und Dreiräder abgesetzt werden als im gesamten Finanzjahr zuvor. Auch in den anderen Fahrzeugkategorien deutet der Trend darauf hin, dass die Absatzzahlen gegenüber dem Vorjahr steigen werden.
Laut Angaben der indischen Zentralbank lag das Niveau für Kredite zur Anschaffung von Fahrzeugen von März bis November 2022 rund 16 Prozent über dem Wert von 2021. Das unterstreicht die solide Nachfrage. Rechnet man die Zahlen (ohne Zweiräder) auf das Kalenderjahr 2022 um, dann wird ersichtlich, dass Indien Japan beim Absatz als drittgrößten Fahrzeugmarkt weltweit abgelöst hat.
Importe von Fahrzeugen spielen auf dem indischen Markt nur eine geringe Rolle. Meist handelt es sich um teure Spezialanfertigungen oder, im Falle von Pkw, um Luxuskarossen. Allerdings wuchsen die Einfuhrzahlen 2021 im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung wieder an.
Kategorie (SITC-Code) | 2020 | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021 |
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Pkw (781.2) | 6.804 | 17.932 | 15.644 | -12,8 |
Lkw (782.1) | 431 | 10.331 | 309 | -97,01 |
Busse (783.1) | 42 | 13 | 19 | 46,2 |
Krafträder (785.1) | 12.253 | 218.457 | 41.014 | -81,2 |
Tata auf dem Vormarsch
Beim Pkw-Absatz nach Herstellern hat sich auf den vorderen Plätzen wenig getan. Fast alle großen Produzenten verkauften 2021/2022 spürbar mehr Fahrzeuge. Maruti Suzuki konnte erneut die meisten Pkw absetzen. Allerdings musste der Marktführer zuletzt Federn lassen und kam auf einen Marktanteil von etwa 43 Prozent. Vor wenigen Jahren lag dieser Wert noch bei 50 Prozent. Insbesondere Tata setzt seine beeindruckende Erfolgsgeschichte fort und steigerte 2021/2022 seinen Absatz um über 66 Prozent. Neben dem Bekanntheitsgrad der Marke trägt auch die Modellpolitik dazu bei.
Der Besuch der Fachmesse Auto Expo bestätigt den Trend zu Sport Utility Vehicles (SUV). Selbst in der Kompaktklasse werden Fahrzeuge zunehmend als SUV auf den Markt gebracht. Höhere Bodenfreiheit ist dabei nicht nur ein Gewinn an Übersicht im Straßenverkehr, sondern bietet auf den nicht immer gut ausgebauten Straßen Indiens durchaus Vorteile. Mit Punch und Nexon hat Tata daher Pkw im Programm, die den Geschmack der Kunden zu treffen scheinen.
Auch 2022/2023 ist abzusehen, dass Fahrzeugproduzenten wie Tata, aber auch Mahindra & Mahindra, Kia und Toyota Kirloskar ihren guten Lauf fortsetzen werden. Bereits vor Jahresende konnten sie die Absatzzahlen aus dem gesamten Vorjahr übertreffen. Währenddessen kam Volkswagen von April 2022 bis Januar 2023 auf etwa 34.000 abgesetzte Pkw und Skoda auf circa 44.400 Einheiten.
Hersteller | Absatz 2022/2023 | Veränderung | Marktanteil | Absatz 2023/2024*) |
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Maruti Suzuki India | 1.606.870 | 20,7 | 41,3 | 1.280.090 |
Hyundai Motor India | 567.546 | 17,9 | 14,9 | 454.404 |
Tata Motors | 544.391 | 45,9 | 14,0 | 424.350 |
Mahindra & Mahindra | 359.254 | 59,0 | 9,2 | 333.777 |
Kia Motors India | 269.229 | 44,1 | 6,9 | 180.265 |
Toyota Kirloskar Motor | 173.245 | 40,0 | 4,5 | 174.121 |
Honda Cars India | 91.418 | 6,8 | 2,4 | 63.690 |
Renault India | 78.926 | -9,8 | 2,0 | 33.308 |
SkodaAuto India | 52.269 | 53,7 | 1,3 | 37.087 |
MG Motor India | 48.866 | 21,0 | 1,3 | 34.871 |
Volkswirte diskutieren aktuell, ob alle Einkommensgruppen gleichermaßen von der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie profitieren. Gegner dieser These argumentieren auch mit dem Absatz von Kfz. Während Krafträder und Einstiegsmodelle von Pkw nach wie vor mit schwacher Nachfrage kämpfen, wird im gehobenen Preissegment kräftig gekauft.
Das spürten auch deutsche Hersteller wie Mercedes-Benz. Im Jahr 2022 verkauften die Stuttgarter laut Autocar India über 15.800 Fahrzeuge in Indien und verbuchten damit einen Rekordabsatz. Das Absatzwachstum gegenüber 2021 lag bei 41 Prozent. BMW verkaufte mit circa 11.200 Pkw ebenfalls mehr als im Vorjahr (+27 Prozent), genau wie Audi mit fast 4.200 Einheiten (+27 Prozent). Porsche profitierte nach eigenen Angaben ebenfalls von der erhöhten Luxusnachfrage und setze mit etwa 780 Fahrzeugen rund 64 Prozent mehr ab als im Vorjahr.
Die Anschaffungskosten für Käufer steigen weiter
Zahlreiche Hersteller haben die Preise für ihre Fahrzeuge 2022 angehoben und auch 2023 dürfte es so weitergehen. Große Hersteller wie beispielsweise Maruti Suzuki und Hyundai haben bereits angekündigt, steigende Kosten an die Käufer weiterzugeben. Damit wollen sie sinkenden Margen entgegentreten.
Einerseits machen gestiegene Input-Kosten den Produzenten zu schaffen. Waren es zunächst Elemente wie Halbleiter, so treiben derzeit die Rohstoffpreise die Produktionskosten. Gleichzeitig muss sich die Industrie auf neue Abgasstandards ab April 2023 einrichten. Die dafür verbaute Technik ist teurer als zuvor, sodass die Verkaufspreise von Fahrzeugen steigen. Überwiegend dürften die Preissteigerungen im unteren einstelligen Prozentbereich liegen.
Zusätzlich steigen die Finanzierungskosten für den Fahrzeugkauf, denn auch in Indien steigen die Zinsen. Der Leitzins liegt mittlerweile bei 6,5 Prozent. Es ist nicht auszuschließen, dass die höheren Anschaffungskosten die Nachfrage im preissensiblen indischen Markt dämpfen. Allerdings dürfte auch dies eher bei Modellen im unteren Preissegment der Fall sein.
Gebrauchte Pkw finden zunehmend Käufer
Laut Branchenangaben lag die Zahl der abgesetzten Gebrauchtwagen 2021/2022 bei 4,4 Millionen. Für 2022/2023 werden durch das Beratungsunternehmen Grant Thornton bereits 5,3 Millionen Einheiten prognostiziert. Experten schätzen, dass derzeit nur rund 20 Prozent der Verkäufe durch organisierte Marktteilnehmer erfolgen. Dazu zählen die Gebrauchtwagenarme etablierter Hersteller wie beispielsweise Maruti Suzuki True Value. Bis 2027 soll dieser Wert auf 35 Prozent steigen.
(Stand Februar 2023)