Bei der Herstellung von Bekleidung schöpft Indien sein Potenzial noch nicht aus. Mit staatlichen Förderprogrammen soll die Branche fit für die Zukunft gemacht werden.
Indien zählt zwar bei Bekleidung zu den größten Produktionsländern. Der Anteil am globalen Handel ist mit 3 Prozent im Jahr 2022 aber nicht nur im Vergleich zu China, sondern auch zu regionalen Konkurrenten wie Bangladesch und Vietnam gering. Die Regierung sieht in dem Segment noch Wachstumspotenzial und hat eine Reihe von Förderprogrammen aufgelegt, um die Branche wettbewerbsfähiger zu machen. Die wichtigsten Cluster für die Bekleidungsindustrie sind die Metropolregionen Delhi, Mumbai, Kolkata und Bangalore.
Angesichts einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen und einer wachsenden, konsumfreudigen Mittelschicht bietet der indische Binnenmarkt ein riesiges Absatzpotenzial – nicht für die heimischen Hersteller, sondern auch für ausländische Textilunternehmen. Seit der Öffnung des Einzelhandels für internationale Modeketten wie Zara, H&M oder Uniqlo vor gut zehn Jahren haben sich die Importe bis 2022 auf 2 Milliarden US-Dollar (US$) verfünffacht. Im Gegenzug lagen die indischen Exporte von konfektionierter Bekleidung im betrachteten Zeitraum nahezu konstant um die 17 Milliarden US$.
Indiens Bekleidungsmarkt wächst jedes Jahr um 10 Prozent
Der Großteil der Binnennachfrage wird über in Indien gefertigte Bekleidung bedient. Technopak Advisors gibt das Marktvolumen für das Finanzjahr 2019/2020 mit 64,5 Milliarden US$ an. Davon entfielen 40 Prozent auf Herren-, 36 Prozent auf Damen- und 22 Prozent auf Kinderbekleidung. Der Marktforscher prognostiziert, dass der indische Bekleidungsmarkt bis 2024/2025 auf 85 Milliarden US$ zulegen dürfte. Mit einem Plus von 73 Prozent auf 1,9 Milliarden US$ soll Sportbekleidung mehr als doppelt so stark wachsen wie die übrigen Segmente.
Die indische Produktion von Bekleidung und anderen Konfektionswaren (Made-ups) wie Heimtextilien wächst jedes Jahr zwischen 5 und 10 Prozent, so der Marktforscher Wazir Advisors. Die letzten verfügbaren Daten stammen aus dem Finanzjahr 2020/2021, in dem die Produktion coronabedingt ein deutliches Minus verbuchte. So ging die Herstellung von konfektionierten Kleidungsstücken um 27 Prozent auf 16 Milliarden Teile, die von anderen Konfektionswaren um 8 Prozent auf 2,2 Milliarden Tonnen zurück. Am Ende des Finanzjahres 2022/2023 hatte das Produktionsvolumen noch nicht wieder das Vorkrisenniveau erreicht.
Exportwert soll sich verdoppeln
Indien will die Textil- und Bekleidungsexporte bis 2030 auf 100 Milliarden US$ mehr als verdoppeln. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Wettbewerbsfähigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette gesteigert werden. Denn viele Konkurrenten aus Bangladesch oder Vietnam produzieren oft nicht nur günstiger und qualitativ besser, sondern profitieren auch von niedrigeren Einfuhrzöllen auf den Hauptabsatzmärkten USA und in der EU.
Um diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen, will die Regierung die fragmentierte Textilbranche stärker vertikal und horizontal integrieren. Den rund 1.700 großen und mittleren Unternehmen stehen 1,5 Millionen Klein- und Kleinstbetriebe gegenüber, die meisten davon aus dem informellen Sektor. Dort werden Verarbeitungsschritte oft manuell oder auf technisch veralteten Maschinen ausgeführt. Die Produktivität ist geringer und die Textil- und Bekleidungsartikel erfüllen oft nicht die Qualitätsstandards internationaler Kunden.
Führende Textilunternehmen in Indien (Umsatz in Mio. US-Dollar)Unternehmen | Produkte | Umsatz 2022/2023 |
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Grasim Industries | Fasern, Garne und Filamente aus Viskose | 3.416 |
Vardhman Textiles | Fasern, Garne, textile Flächen, Bekleidung | 1.251 |
Alok Industries | Garne, Stoffe, Heimtextilien | 860 |
Trident Ltd. | Garne, Heimtextilien | 798 |
Raymond Ltd. | Stoffe, Bekleidung | 735 |
Welspun India | Heimtextilien | 720 |
Page Industries | Unterwäsche, Strickwaren | 609 |
KPR Mill | Garne, Stoffe, Bekleidung | 602 |
Bombay Dyeing & Manufacturing | Fasern, Garne, Heimtextilien | 340 |
Nitin Spinners | Garne, Stoffe | 306 |
Finanzjahr: 1. April bis 31. MärzQuelle: Moneycontrol 2023
Mit Megaparks zur "5F Vision"
Um eine bessere Verzahnung der Verarbeitungsstufen zu erreichen, will die Regierung sieben Mega-Textilparks in sieben Bundesstaaten errichten. Diese sollen dabei helfen, die "5F Vision" (Farm to Fibre to Factory to Fashion to Foreign) des Ministry of Textile (MOT) zu realisieren. Am Ende soll der Sektor über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg international wettbewerbsfähig sein. Das MOT will mit den Mega-Textilparks Investitionen in Höhe von 8,4 Milliarden US$ aus dem In- und Ausland anlocken und 2 Millionen Arbeitsplätze schaffen.
Die Parks sollen zudem die Textilunternehmen dabei unterstützen, ihre Sortimente stärker auf Bekleidung aus Chemiefasern, statt wie bisher aus Baumwolle, auszurichten. Dieses Segment wird zusätzlich im Rahmen des Industrieförderprogramms "Production-Linked Incentives" mit 2,5 Milliarden US$ unterstützt. Insgesamt 64 Unternehmen haben sich dazu verpflichtet, jeweils mindestens 38 Millionen US$ in die Produktion von Bekleidung aus Kunstfasern sowie von technischen Textilien zu investieren.
Gute Aussichten für Produktion von Sport-Tech-Bekleidung
Bei Bekleidung aus technischen Textilien bietet Indien Wachstumspotenzial. Das Produktionsvolumen in den Segmenten Cloth-Tech und Sport-Tech lag 2021/2022 bei jeweils rund 1 Milliarde US$. Bei letzterem dominieren Sportschuhe mit einem Anteil von 75 Prozent. Angesichts der positiven Nachfrageentwicklung bei Sportbekleidung – bis 2024/2025 soll das Marktvolumen auf knapp 2 Milliarden US$ zulegen – dürfte die Produktion hier ebenfalls anziehen, so eine Prognose von Invest India.
Die Bemühungen der indischen Regierung, die Textilwirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen, dürfte in den kommenden Jahren für einen Investitionsschub sorgen. Davon profitiert auch die Textilmaschinenbranche. Indien ist einer der wichtigsten Zielmärkte für dieses Segment – darunter auch für viele Anbieter aus Deutschland. Im Jahr 2022 importierte der Subkontinent Maschinen im Wert von 3,1 Milliarden US$. Knapp die Hälfte davon stammten aus China. Deutschland belegte mit 362 Millionen US$ den 2. Rang.
Indische Importe von Textilmaschinen *) (2022)Lieferland | Importwert in Mio. US-Dollar | Anteil an Gesamtimporten in Prozent |
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Gesamt | 3.109 | 100 |
China | 1.499 | 48 |
Deutschland | 362 | 12 |
Japan | 307 | 10 |
Italien | 186 | 6 |
Belgien | 162 | 5 |
* SITC 742.Quelle: UN Comtrade 2023
Webmaschinen sind mit einem Anteil von 30 Prozent führend bei den Importen. Strick-, Spinn- und Nähmaschinen machen jeweils um die 20 Prozent des Einfuhrvolumens aus.
Die lokale Produktion von Textilmaschinen und -zubehör beziffert die Textile Machinery Manufacturers' Association auf jährlich rund 1 Milliarde US$. Der Verband gibt die Zahl der Unternehmen in diesem Segment mit rund 3.000 Stück an. Der deutsche Weltmarktführer für industrielle Maschinennadeln, Groz-Beckert, ist seit mehr als 60 Jahren in Indien mit eigener Produktion vertreten.
Von Boris Alex
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New Delhi