Die Insel bedient besonders das obere Ende der Wertschöpfungskette und hat sich auf komplexe Produkte spezialisiert. Das ermöglicht hohe Sozial- und Umweltstandards.
Die Bekleidungsherstellung hat eine lange Tradition in Sri Lanka. Insbesondere mit der ökonomischen Liberalisierung des Landes ab 1977 hat sich die Branche positiv entwickelt und ausländische Investitionen sowie Bestellungen aus Übersee angezogen. Selbst von 1983 bis 2009, in den Jahren des Bürgerkrieges, lief die Produktion weiter. Die Branche wuchs, vor allem getrieben durch Exporte an Modeunternehmen weltweit.
Die Bedeutung für die Wirtschaft ist riesig
Die Herstellung von Kleidung (Apparel) ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Sri Lankas. Laut Angaben des Dachverbandes Joint Apparel Association Forum Sri Lanka beschäftigt die Branche zwischen 300.000 und 350.000 Personen direkt. Indirekt sollen es sogar circa 1 Million Beschäftigte sein. In einem Land, das laut dem "Department of Census and Statistics" Ende 2022 etwas mehr als 8 Millionen Beschäftigte aufwies, unterstreicht das die überragende Bedeutung der Bekleidungsfertigung für die Wirtschaft des Landes.
Weil die Unternehmen hauptsächlich für den Export fertigen, liefern sie wichtige Devisen. Dies ist ein Grund, warum die Branche selbst während der Wirtschaftskrise 2022 mit Importen und Strom versorgt wurde, während im Rest des Landes Knappheit herrschte.
Gefertigt wird für Modeunternehmen rund um den Globus. Darunter befinden sich auch deutsche Marken, wie beispielsweise Adidas und Hugo Boss.
Die Branche ist vielgliedrig
Kenner der Branche schätzen, dass es etwa 160 Bekleidungshersteller im Land gibt, die über circa 360 Produktionsorte im Land verfügen. Darunter befinden sich einige sehr große Hersteller mit Umsätzen im Milliardenbereich, wie MAS, Brandix und Hirdaramani. Meist handelt es sich aber um kleine und mittlere Betriebe. Viele der Unternehmen haben sich im Umkreis von Colombo angesiedelt, jedoch gibt es Produktionsstandorte auf der gesamten Insel. Zunächst waren die sogenannten Export Promotion Zones der staatlichen Investitionsbehörde Board of Investment Hauptstandorte vieler Unternehmen. Allerdings sind die Fabriken mittlerweile auch außerhalb dieser Industrieparks zu finden.
Es wird nicht nur genäht und gestrickt
Zahlreiche der Unternehmen vor Ort haben die technische Ausstattung, um Textilien zu bedrucken sowie zu besticken. Auch das Färben erfolgt bisweilen lokal. Tendenziell versuchen viele Unternehmen, die technisch besten Maschinen zu nutzen. Diese werden, je nach Produktionsschritt, beispielsweise in Deutschland, Japan oder Italien eingekauft. Der Preis scheint dabei eine nachgeordnete Rolle zu spielen. Zunehmend kommen jedoch Maschinen aus China zum Einsatz. Diese sind oft deutlich günstiger als vergleichbare Produkte, etwa aus der Bundesrepublik. Zugleich attestieren einige Unternehmensvertreter den chinesischen Maschinen einen Vorsprung in der Automatisierungstechnik.
Importe von Textilmaschinen in Sri Lanka 2022Lieferland | Importwert in Mio. US-Dollar | Anteil an Gesamtimporten in Prozent |
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Gesamt | 107,9 | 100 |
China | 34,8 | 32 |
Italien | 14,7 | 14 |
Deutschland | 12,1 | 11 |
Singapur | 10,9 | 10 |
Japan | 8,1 | 7 |
Textilmaschinen unter SITC 742Quelle: UN Comtrade 2023
Viele Unternehmen haben sich eher auf komplexe Waren, wie etwa Unterwäsche oder Funktionstextilien spezialisiert. Das Export Development Board gibt an, dass rund 5 Prozent der globalen Nachfrage nach Unterwäsche durch Produkte aus Sri Lanka bedient werden. Auch Strickwaren und Sportbekleidung werden in größerem Umfang hergestellt. Eine Besonderheit liegt laut Branchenangaben in der Fähigkeit, auch Aufträge für kleinere Serien anzunehmen. Dennoch findet auch die Massenfertigung von vergleichsweise simplen Produkten wie T-Shirts statt, wenngleich in geringerem Umfang als beispielsweise in Bangladesch.
Angetrieben durch die Großunternehmen versuchen viele Firmen, mehr als nur Auftragsfertiger zu sein. Um dies zu erreichen, bauen sie etwa hauseigene Designabteilungen auf beziehungsweise aus. Den Kunden sollen komplette Produktlösungen angeboten werden. Damit will die Branche den Anteil der lokalen Wertschöpfung erhöhen. Bei einem fertigen Kleidungsstück liegt diese aktuell bei rund 55 Prozent. Die restlichen 45 Prozent tragen Importe bei.
Neben der Bekleidung aus Baumwolle oder chemischen Fasern nutzen Unternehmen die vorhandenen Fertigkeiten auch für die Verarbeitung anderer Materialien. Beispielsweise ist die Verarbeitung von Spezialtextilien vertreten. So zählen Firmen in Sri Lanka zu den weltweit wichtigsten Herstellern von Windsurfsegeln, darunter Aqua Dynamics unter deutscher Leitung. Auch Gleitschirme und Kites werden vor Ort hergestellt.
Nur Insidern dürfte zudem bekannt sein, dass ein erheblicher Teil der in Deutschland verkauften, traditionellen Lederhosen in Sri Lanka gefertigt wird. Mit Lanka Leather Fashion ist ein Hidden Champion mit deutscher Geschäftsführung lokal ansässig. Das Unternehmen produziert auch andere Lederwaren, wie beispielsweise Jacken.
Deutschland ist auf Platz 4 der Zielmärkte
Im Jahr 2022 exportierte Sri Lanka Bekleidung (SITC 84) im Wert von 6,1 Milliarden US-Dollar (US$). Der wichtigste Absatzmarkt ist seit vielen Jahren die USA, mit einem Exportwert im Jahr 2022 von 2,4 Milliarden US$. Mit deutlichem Abstand folgen das Vereinigte Königreich (742,8 Millionen US$), Italien (546,9 Millionen US$), Deutschland (402,5 Millionen US$) und die Niederlande (276 Millionen US$).
Die exportorientierten Unternehmen spüren derzeit die sich abkühlende Weltkonjunktur. Die momentan hohe Inflation in zahlreichen Absatzmärkten lässt viele Verbraucher den Gürtel enger schnallen - dies senkt die Nachfrage für Bekleidung. Sorge bereitet vielen Firmen auch die zukünftige Entwicklung von Zollbegünstigungen vonseiten der EU. Unter dem Generalised Scheme of Preferences (GSP+) begünstigt die EU Schwellenländer bei der Einfuhr, wenn sie im Gegenzug nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und gute Regierungsführung vor Ort stärken. Sri Lanka profitiert seit 2017 davon, allerdings soll der Status Ende 2027 auslaufen.
Sozial- und Umweltstandards liegen im regionalen Vergleich hoch
Gut beleuchtete und klimatisierte Arbeitsräume, die Behandlung von Abwässern nach dem Färben von Stoffen und Garnen oder vom Arbeitgeber gestellte Mahlzeiten - all das ist in Sri Lanka eher die Regel als die Ausnahme. Bereits Mitte der 2000er Jahre starteten die Bekleidungshersteller die Initiative "Garments without Guilt". Damit wollten sie Einkäufern signalisieren, dass die Sozial- und Umweltstandards im Inselstaat hoch sind. Noch heute werben viele Unternehmen mit dem Logo der Initiative. Dementsprechend transparent gibt sich die Branche.
Weil die meisten der Unternehmen für den Export arbeiten, verfügen sie über die notwendigen beziehungsweise die von den Kunden verlangten Zertifizierungen in den Zielmärkten. Dazu zählt etwa der Sozialstandard SA8000. Allerdings beklagen die Firmen bisweilen die Flut an unterschiedlichen Standards der Audits und würden eine einheitliche Zertifizierung begrüßen. In Bezug auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sehen sich die Akteure vor Ort gut aufgestellt.
Von Florian Wenke
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