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Interview | Indien | Beratende Ingenieure

"In 30 Tagen haben wir einen Flughafen in Indien geplant"

Nirmal G. Humbad vom Ingenieurbüro Dorsch in Indien erzählt im Interview vom größten Flughafenprojekt des Landes – und erklärt, was dem Unternehmen in Indien zum Erfolg verhilft. (Stand: 12.01.2024)

Von Marcus Hernig | Bonn

Nirmal G. Humbad, Managing Director, Dorsch Consult India, Beratende Ingenieure in Indien Nirmal G. Humbad, Managing Director, Dorsch Consult India, Beratende Ingenieure in Indien | © Marcus Hernig

Diplomingenieur Nirmal G. Humbad ist Managing Director von Dorsch Consult India (DC India) in Mumbai, einem Unternehmen der Dorschgruppe mit fünf weiteren Büros in Indien und Bangladesch. DC India bietet Pakete aus ingenieurtechnischen, wirtschaftlichen und umweltrelevanten Komponenten.

Das Ingenieurbüro war an der Planung der ersten beiden Bauphasen des neuen Großflughafens Navi Mumbai beteiligt. Diese sollen bis Dezember 2024 abgeschlossen sein. Dann können 20 bis 25 Millionen Passagiere pro Jahr dort abfliegen und landen. Bis 2032 soll der neue Flughafen der indischen Metropole nach vier Bauphasen rund 90 Millionen Passagiere und bis zu 2,5 Millionen Tonnen Fracht abfertigen können. Die Gesamtkosten des Projekts dürften bis dahin rund 2 Milliarden US-Dollar (US$) betragen.

Herr Humbad, wie sind Sie an der Entwicklung des neuen Großflughafens von Mumbai beteiligt?

Die indische Staatsbank (SBI) beauftragte uns, eine komplexe technisch-wirtschaftliche Machbarkeitsstudie (TEV)-Studie für die Phasen 1 und 2 des Flughafens durchzuführen. Wir wurden als unabhängige Ingenieure mit dieser Studie betraut, um der Auftraggeberin Planungssicherheit für ihre Investitionen zu geben.

Wem gehört der neue Flughafen?

Der Navi Mumbai Airport ist eine Public-private-Partnership (PPP) der City and Industrial Development Corporation of Maharashtra (CIDCO) und der mehrheitlich vom Großkonzern Adani finanzierten Mumbai International Airport Limited (MIAL). Die CIDCO hält 26 Prozent der Anteile, während MIAL 74 Prozent gehören. 

Worin genau bestand Ihr Auftrag?

Der Auftrag begann mit einer detaillierten Verkehrsanalyse und der Bewertung des Standorts. Wir haben dabei auch die Konkurrenz durch andere Flughäfen berücksichtigt. Weiter ging es mit der Prüfung der technischen Sorgfaltspflicht, der Beurteilung der Infrastrukturanbindung, der finanziellen Tragfähigkeit, einer Analyse der Umweltauswirkungen und Überlegungen zur Umsiedlung der Bevölkerung. Der wirtschaftliche Aspekt war besonders wichtig in diesem Beratungspaket: Investitionsausgaben, Betriebskosten und Einnahmen. Alles geschah unter großem Zeitdruck. Innerhalb von 30 Tagen haben wir einen Flughafen geplant. Genauer gesagt mussten alle Studien und Berechnungen abgeschlossen sein – und es hat funktioniert.

Haben Sie denn genügend Leute für solch komplexe Projekte?

Unsere Firma verfügt zusammengenommen über rund 100 Beschäftigte an den sechs Standorten in Indien und Bangladesch. So können wir gleichzeitig an verschiedenen Projekten arbeiten: Unser Team in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka ist etwa bei Öl- und Gasprojekten dabei. Der Großteil der Mitarbeiter konzentriert sich in Indien jedoch auf den Flughafenbau. Mittlerweile sind wir bei zehn Flughafenprojekten mit technisch-wirtschaftlichen Machbarkeitsstudien, Masterplanentwürfen, Konzeptdesign, Ausschreibungsgestaltung, Überprüfung der Sorgfaltspflicht und allgemeinen Beratungstätigkeiten dabei.

Warum konzentrieren Sie sich auf Flughäfen und Energie? 

Gemessen an den Passagierzahlen wird Indien schon 2024 der drittwichtigste Markt nach den USA und China sein. PPP-Projekte stehen dabei im Fokus mit vielen Beteiligungschancen. Langfristig werden wir in dieser Branche wachsen. Gleichzeitig können wir neueste Technologien hier einbringen. Indiens Energiebedarf wird bis 2040 stärker als in jedem anderen Land ansteigen. Ohne Öl und Gas wird dieser nicht gedeckt. 

In welchen Branchen sind Sie sonst aktiv?

Wichtig ist auch die Planung von Gebäudeinfrastruktur. Wir haben Wohnungen für verheiratete Soldatinnen und Soldaten für das Verteidigungsministerium an 17 Standorten in Indien geplant. Für unsere Planungsarbeiten zum Messe- und Ausstellungszentrum Mahatma Mandir im Bundesstaat Gujarat hat uns Narendra Modi, heute Ministerpräsident Indiens, eine Auszeichnung verliehen. Das Zentrum ist dem Leben und Wirken Mahatma Gandhis gewidmet.

Wer gehört noch zu Ihrem Kundenkreis?

Wir arbeiten mit Kunden zusammen, bei denen wir sicher sind, für unsere Leistungen zuverlässig und angemessen bezahlt zu werden: Staatliche Infrastrukturbetreiber wie die Nationale Autobahngesellschaft Indiens (NHAI), die Nationale Flughafengesellschaft (AAI), Banken wie die SBI oder die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) gehören dazu. Ebenfalls wichtig sind Energiekonzerne wie die Padma Erdölgesellschaft Bangladesch (POCL). 

Warum sind Sie in Indien erfolgreich?

Unsere Wurzeln liegen in Deutschland – wir verstehen uns aber als indisches Unternehmen. Das bringt zwei Vorteile mit sich: Qualität auf führendem internationalen Standard und günstige Preise. Hinzu kommt die Fähigkeit, komplexe Aufträge in engem Zeitrahmen zu lösen.

Die globale Erfahrung der Dorschgruppe kommt als klarer Wettbewerbsvorteil hinzu. Persönliche Kontakte zu öffentlichen und privaten Auftraggebern sind ebenfalls ein wichtiger Faktor. Dann unser breites Portfolio: Wir können komplette Beratung und fachliche Betreuung für gesamte Projektzyklen anbieten. Diese vier Faktoren sind für den Erfolg in Indien wichtig. In Summe brachten sie uns den Navi-Mumbai-Auftrag ein.

Wie gehen Sie mit Umwelt- und Energieproblemen in indischen Bauprojekten um? 

Hitzeentwicklung in indischen Großstädten, Wasser und Luftverschmutzung, Energieeffizienz – das alles sind umweltbedingte Herausforderungen, denen wir mit unseren Planungen in Indien begegnen. Dem Klimawandel angepasstes Planen ist der Kern vieler Projekte, die wir angehen. Damit haben deutsche Consultants beste Chancen in Indien.

Wo könnte Deutschland Ihre Arbeit in Indien stärker unterstützen?

Deutschland sollte deutsche Unternehmen bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten besser unterstützen. In anderen bilateralen Finanzierungsprojekten mit Indien und anderen Ländern erhalten Unternehmen des Geberlandes in der Regel den Zuschlag. Wenn Deutschland finanziert, profitieren nur wenige deutsche Unternehmen davon. Wir hoffen, dass sich das künftig ändert. 

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