Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special | Welt | Beratende Ingenieure

Praxisbeispiele: Planen für einen besseren Verkehr

Weltweit entstehen neue Transportwege: Straßen, Brücken, Schienen und Seilbahnen. Beratende Ingenieure geben Einblicke in ihre Arbeit und wie sie im Ausland an Aufträge kommen.

  • "Wir beraten immer system- und produktoffen"

    Die DB E.C.O. Group bietet weltweit Ingenieursleistungen im Bahnbereich an, auch in China. Dieter Michell-Auli beschreibt, wie Erfolg trotz schwierigen Umfelds möglich ist. (Stand: 22.01.2024)

    Bahnveteran Dieter Michell-Auli kennt das Geschäft von allen Seiten. Bevor er 2009 zur Deutschen Bahn AG und im Anschluss zur neuen DB E.C.O. Group kam, war er für Siemens an zahlreichen Hochgeschwindigkeitsprojekten beteiligt, auch in China. Seit August 2022 ist er Vice Präsident Global Sales im Gesamtvorstand der Deutsche Bahn E.C.O Group.

    Dieter Michell-Auli; Member of the Executive Board V.P. Global Sales; DB E.C.O Group; Ingenieursdienstleistungen im Ausland Dieter Michell-Auli; Member of the Executive Board V.P. Global Sales; DB E.C.O Group; Ingenieursdienstleistungen im Ausland | © Dieter Michell-Auli

    Herr Michell-Auli, welches Projekt der DB E.C.O zählt aktuell für Sie zu den spannendsten?

    Ich würde sagen die Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen Malaysias Hauptstadt, Kuala Lumpur, und Singapur. Hier stricken wir gemäß Kundenvorgaben ein optimales Betriebskonzept. Dabei geht es zum Beispiel darum, minimale Fahrzeiten zu generieren, die Depots für die Züge optimal zu platzieren, möglichst wenig Leerzeiten zu haben und das Personal optimal zu rotieren. Ziel ist es, mit einer möglichst geringen Infrastruktur einen möglichst intensiven Betrieb zu garantieren, so dass sich ein solches Projekt über die nächsten 20 bis 30 Jahre auch rechnet.

    Dazu muss das Projekt ganzheitlich betrachtet und betreut werden. Das fängt mit Planungsleistungen an und geht bis zur Bauüberwachung und Kommissionierung. Bei derartigen Großprojekten muss aus betrieblicher Sicht geplant werden. Die meisten unserer Wettbewerber haben dieses Spezial-Know-how nicht.

    Welche weiteren Länder sind derzeit für Ingenieursdienstleistungen im Bahnsektor interessante Märkte?

    Derzeit baut Australien sein Hochgeschwindigkeitsnetz auf und seine Güterverkehrsstrecken aus. Der Markt ist für uns nicht zuletzt aufgrund der geringen Zugangsbeschränkungen interessant. Auch Thailand baut seine Hochgeschwindigkeitsstrecken aus, Indien investiert stark in den Schienennahverkehr.

    Sind alle Länder gleich leicht zu bearbeiten oder gibt es länderspezifische Unterschiede?

    Ja, die gibt es schon. In China ist die Zusammenarbeit mit dem Kunden beispielsweise partnerschaftlich und zielorientiert. Man muss liefern und wird dafür auch ordentlich bezahlt. In Indien ist die Beziehung zum Kunden häufig schwieriger. Hier ist ein hartes Vertragsmanagement gefragt mit bis zum Komma ausgearbeiteten Verträgen. Forderungen müssen deutlich häufiger eingeklagt werden, erst dann läuft die Bezahlung.

    Andererseits kann man sich in Indien auf alle Projekte bewerben und sich mit einem vernünftigen Angebot im Wettbewerb durchsetzen. Im staatlich dominierten Bahnsektor Chinas werden hingegen viele Projekte intern vergeben. Dort herrscht die Meinung vor, dass internationales Know-how nicht benötigt werde – was wir übrigens nicht teilen.

    Bei privaten Unternehmen in China, die unser Spezial-Know-how schätzen, läuft es deutlich besser. China ist ein Markt, in dem Spitzentechnologien im Bahnbereich eine wichtige Rolle spielen; daher bleiben wir trotz weniger Projekte im Land aktiv.

    Welches sind die Kernbereiche der Deutsche Bahn E.C.O. Group?

    Wir bieten unseren Kunden weltweit alles von Machbarkeitsstudien und Bahnverkehrskonzepten bis hin zur Bauüberwachung und Implementierung von neuen Bahntrassen oder Bahnbrücken, aber auch die Begleitung von Umbau und Modernisierungsmaßnahmen. Im Gegensatz zu den meisten internationalen Konkurrenten sind wir mit einem komplexen Bahnsystem in Deutschland groß geworden und können daher alles abdecken.  

    Hinter E.C.O. verbergen sich unsere Kernbereiche Engineering, Consulting und Operations. Zunehmend wichtig ist uns, neue Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu adressieren. Derzeit arbeiten bei DB E.C.O. rund 7.000 Beschäftigte. Bis Ende 2025 sollen es insgesamt 10.000 sein, davon rund die Hälfte im Ausland. 

    Was sind generell Stärken deutscher Ingenieursleistung im Ausland? 

    Wir beraten immer system- und produktoffen, sind technologieagnostisch unterwegs und kennen daher alle Produkte und Technologien sowie die Vor- und Nachteile. Ich halte dies generell für einen Riesenvorteil deutscher Ingenieursdienstleistungen. Daraus erwächst auch der Ansporn an die Industrie, tatsächlich immer besser zu sein als unsere Wettbewerber. Wenn wir im Wettbewerb doch verlieren, müssen wir uns eben etwas mehr anstrengen, um aufzuholen.

    Und wo liegen die Schwachstellen?

    Dass wir keinen One-Stop-Shop mehr anbieten, wie es zum Beispiel in China der Fall ist. Chinesische Firmen bringen Kapital mit, planen selbst und betreiben teilweise auch. Gut ist, dass sich inzwischen auch wieder stärkere Ingenieursunternehmensgruppen in Deutschland formiert haben. Aber es fehlen deutsche Baufirmen. Eigentlich bräuchten wir eine Deutschland- oder Europa-AG, die gemeinsam auftritt. Aber dazu sind wir derzeit zu zersplittert aufgestellt. Da sollte die europäische Konnektivitätssinitiative Global Gateway ansetzen.

    Wie kommen Sie dennoch an Aufträge?

    Am besten ist es, über intensive Kundenbeziehungen möglichst frühzeitig mit dabei zu sein. Natürlich werden auch immer Referenzen gefordert. Aber diese sind für deutsche Ingenieursdienstleister in der Regel kein Stolperstein.  

    Wohin bewegt sich der künftige Bedarf an Ingenieursleistungen? 

    Die Digitalisierung wird massiv vorangetrieben. Dabei geht es um bedarfsorientierten Betrieb und Instandhaltung. Beispielsweise können wir über das System DIANA für die Deutsche Bahn und Luxemburg alle Weichen überwachen und prognostizieren, wann eine Weiche auszufallen droht und sie rechtzeitig warten. Für die Fahrzeugwartung gibt es bereits KI-gestützte Systeme.

    Können deutsche Ingenieurbüros Digitalisierung? 

    Deutsche Ingenieurbüros sind gut gewappnet und anpassungsfähig. Aufgrund des großen Wettbewerbs allein in Deutschland mit mehreren hundert Ingenieursbetrieben, muss immer die neueste Technik eingesetzt werden. Um immer auf der Höhe der Zeit zu sein, erneuern wir ständig Soft- und Hardware. Wir sind da sicherlich teilweise auch anderen internationalen Wettbewerbern voraus.  

    Von Corinne Abele | Shanghai

  • "In 30 Tagen haben wir einen Flughafen in Indien geplant"

    Nirmal G. Humbad vom Ingenieurbüro Dorsch in Indien erzählt im Interview vom größten Flughafenprojekt des Landes – und erklärt, was dem Unternehmen in Indien zum Erfolg verhilft. (Stand: 12.01.2024)

    Nirmal G. Humbad, Managing Director, Dorsch Consult India, Beratende Ingenieure in Indien Nirmal G. Humbad, Managing Director, Dorsch Consult India, Beratende Ingenieure in Indien | © Marcus Hernig

    Diplomingenieur Nirmal G. Humbad ist Managing Director von Dorsch Consult India (DC India) in Mumbai, einem Unternehmen der Dorschgruppe mit fünf weiteren Büros in Indien und Bangladesch. DC India bietet Pakete aus ingenieurtechnischen, wirtschaftlichen und umweltrelevanten Komponenten.

    Das Ingenieurbüro war an der Planung der ersten beiden Bauphasen des neuen Großflughafens Navi Mumbai beteiligt. Diese sollen bis Dezember 2024 abgeschlossen sein. Dann können 20 bis 25 Millionen Passagiere pro Jahr dort abfliegen und landen. Bis 2032 soll der neue Flughafen der indischen Metropole nach vier Bauphasen rund 90 Millionen Passagiere und bis zu 2,5 Millionen Tonnen Fracht abfertigen können. Die Gesamtkosten des Projekts dürften bis dahin rund 2 Milliarden US-Dollar (US$) betragen.

    Herr Humbad, wie sind Sie an der Entwicklung des neuen Großflughafens von Mumbai beteiligt?

    Die indische Staatsbank (SBI) beauftragte uns, eine komplexe technisch-wirtschaftliche Machbarkeitsstudie (TEV)-Studie für die Phasen 1 und 2 des Flughafens durchzuführen. Wir wurden als unabhängige Ingenieure mit dieser Studie betraut, um der Auftraggeberin Planungssicherheit für ihre Investitionen zu geben.

    Wem gehört der neue Flughafen?

    Der Navi Mumbai Airport ist eine Public-private-Partnership (PPP) der City and Industrial Development Corporation of Maharashtra (CIDCO) und der mehrheitlich vom Großkonzern Adani finanzierten Mumbai International Airport Limited (MIAL). Die CIDCO hält 26 Prozent der Anteile, während MIAL 74 Prozent gehören. 

    Worin genau bestand Ihr Auftrag?

    Der Auftrag begann mit einer detaillierten Verkehrsanalyse und der Bewertung des Standorts. Wir haben dabei auch die Konkurrenz durch andere Flughäfen berücksichtigt. Weiter ging es mit der Prüfung der technischen Sorgfaltspflicht, der Beurteilung der Infrastrukturanbindung, der finanziellen Tragfähigkeit, einer Analyse der Umweltauswirkungen und Überlegungen zur Umsiedlung der Bevölkerung. Der wirtschaftliche Aspekt war besonders wichtig in diesem Beratungspaket: Investitionsausgaben, Betriebskosten und Einnahmen. Alles geschah unter großem Zeitdruck. Innerhalb von 30 Tagen haben wir einen Flughafen geplant. Genauer gesagt mussten alle Studien und Berechnungen abgeschlossen sein – und es hat funktioniert.

    Haben Sie denn genügend Leute für solch komplexe Projekte?

    Unsere Firma verfügt zusammengenommen über rund 100 Beschäftigte an den sechs Standorten in Indien und Bangladesch. So können wir gleichzeitig an verschiedenen Projekten arbeiten: Unser Team in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka ist etwa bei Öl- und Gasprojekten dabei. Der Großteil der Mitarbeiter konzentriert sich in Indien jedoch auf den Flughafenbau. Mittlerweile sind wir bei zehn Flughafenprojekten mit technisch-wirtschaftlichen Machbarkeitsstudien, Masterplanentwürfen, Konzeptdesign, Ausschreibungsgestaltung, Überprüfung der Sorgfaltspflicht und allgemeinen Beratungstätigkeiten dabei.

    Warum konzentrieren Sie sich auf Flughäfen und Energie? 

    Gemessen an den Passagierzahlen wird Indien schon 2024 der drittwichtigste Markt nach den USA und China sein. PPP-Projekte stehen dabei im Fokus mit vielen Beteiligungschancen. Langfristig werden wir in dieser Branche wachsen. Gleichzeitig können wir neueste Technologien hier einbringen. Indiens Energiebedarf wird bis 2040 stärker als in jedem anderen Land ansteigen. Ohne Öl und Gas wird dieser nicht gedeckt. 

    In welchen Branchen sind Sie sonst aktiv?

    Wichtig ist auch die Planung von Gebäudeinfrastruktur. Wir haben Wohnungen für verheiratete Soldatinnen und Soldaten für das Verteidigungsministerium an 17 Standorten in Indien geplant. Für unsere Planungsarbeiten zum Messe- und Ausstellungszentrum Mahatma Mandir im Bundesstaat Gujarat hat uns Narendra Modi, heute Ministerpräsident Indiens, eine Auszeichnung verliehen. Das Zentrum ist dem Leben und Wirken Mahatma Gandhis gewidmet.

    Wer gehört noch zu Ihrem Kundenkreis?

    Wir arbeiten mit Kunden zusammen, bei denen wir sicher sind, für unsere Leistungen zuverlässig und angemessen bezahlt zu werden: Staatliche Infrastrukturbetreiber wie die Nationale Autobahngesellschaft Indiens (NHAI), die Nationale Flughafengesellschaft (AAI), Banken wie die SBI oder die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) gehören dazu. Ebenfalls wichtig sind Energiekonzerne wie die Padma Erdölgesellschaft Bangladesch (POCL). 

    Warum sind Sie in Indien erfolgreich?

    Unsere Wurzeln liegen in Deutschland – wir verstehen uns aber als indisches Unternehmen. Das bringt zwei Vorteile mit sich: Qualität auf führendem internationalen Standard und günstige Preise. Hinzu kommt die Fähigkeit, komplexe Aufträge in engem Zeitrahmen zu lösen.

    Die globale Erfahrung der Dorschgruppe kommt als klarer Wettbewerbsvorteil hinzu. Persönliche Kontakte zu öffentlichen und privaten Auftraggebern sind ebenfalls ein wichtiger Faktor. Dann unser breites Portfolio: Wir können komplette Beratung und fachliche Betreuung für gesamte Projektzyklen anbieten. Diese vier Faktoren sind für den Erfolg in Indien wichtig. In Summe brachten sie uns den Navi-Mumbai-Auftrag ein.

    Wie gehen Sie mit Umwelt- und Energieproblemen in indischen Bauprojekten um? 

    Hitzeentwicklung in indischen Großstädten, Wasser und Luftverschmutzung, Energieeffizienz – das alles sind umweltbedingte Herausforderungen, denen wir mit unseren Planungen in Indien begegnen. Dem Klimawandel angepasstes Planen ist der Kern vieler Projekte, die wir angehen. Damit haben deutsche Consultants beste Chancen in Indien.

    Wo könnte Deutschland Ihre Arbeit in Indien stärker unterstützen?

    Deutschland sollte deutsche Unternehmen bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten besser unterstützen. In anderen bilateralen Finanzierungsprojekten mit Indien und anderen Ländern erhalten Unternehmen des Geberlandes in der Regel den Zuschlag. Wenn Deutschland finanziert, profitieren nur wenige deutsche Unternehmen davon. Wir hoffen, dass sich das künftig ändert. 

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • "Die kleinsten Konsortien in Südostasien haben drei Parteien"

    Jürgen Supik vom Ingenieurbüro Dorsch in Südostasien schildert, wie das Unternehmen von Projekten erfährt, welche Rolle Referenzen spielen und wie wichtig Partner sind. (Stand: 20.12.2023)

    Jürgen Supik ist Chief Executive Officer von DC asia, einem Unternehmen der Dorsch Holding in Bangkok mit Büros in Jakarta und Vietnam. DC asia führt alle Aktivitäten der Dorsch Gruppe in Südostasien aus und bietet Pakete aus ingenieurtechnischen, wirtschaftlichen und umweltrelevanten Komponenten an.

    Dipl. Ing. Juergen Supik, Chief Executive Officer, Dorsch Consult Asia Dies ist ein eingebettetes Bild | © Thomas Hundt

    Herr Supik, welches Projekt in Südostasien ist für DC asia derzeit besonders spannend?

    Im Moment erstellen wir eine Machbarkeitsstudie für das erste städtische Seilbahnprojekt in Südostasien. Die Stadt Manila möchte die geplante Hochbahnlinie MRT 4 (Metro Rail Transit Line 4) über eine Seilbahn mit dem Antipolo Hill Plateau verbinden. In dem Vorort von Manila leben rund eine Million Menschen, die einen Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr benötigen. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir das Projekt vorbereiten dürfen.

    Wer finanziert dieses Projekt?

    Die Machbarkeitsstudie finanziert die Asiatische Entwicklungsbank ADB. Der Vorort soll umweltfreundlich angebunden werden und es galt, eine effiziente Lösung zu finden. Und in diesem Fall ist ein sogenannter Aerial Ropeway Transit die einzige vernünftige Lösung. Das wird dann das erste urbane Seilbahnprojekt in Südostasien werden.

    Und wie haben Sie davon erfahren?

    Wir haben über das Consultant Management System, eine spezielle Webseite der ADB, von der Ausschreibung für dieses Projekt erfahren. Wir wussten natürlich schon vorher, dass das Projekt kommen würde. Wir arbeiten eng mit potenziellen Kunden zusammen, machen regelmäßig Besuche, erhalten Informationen. Dann sind wir vorbereitet, wenn die Ausschreibung kommt.

    Das scheint ein aufwendiger Auftrag zu sein. Wie viele Mitarbeiter hat DC asia?

    Wir haben einen Stamm von 35 Mitarbeitenden in unseren Büros in Südostasien. Wenn Großprojekte kommen, dann kann sich die Mitarbeiterzahl schon mal verdoppeln.

    Wie wichtig sind für Dorsch die Geschäfte in Südostasien?

    Die Auftragsvolumen von DC asia sind vom Umfang nicht so groß wie zum Beispiel im Mittleren Osten. Dort sind die Projekte größer und es müssen mehr ausländische Fachkräfte eingesetzt werden. Hier in Südostasien arbeiten unsere lokalen Fachkräfte viele Gewerke ab, daher sind wir günstiger. Dennoch implementieren wir hier hochkomplexe Vorhaben.

    In welchen Branchen sind Sie tätig?

    Unser Spezialwissen ist in allen Bereichen gefragt. Wir sind im Energiesektor tätig, aber auch im Hochbau. Und jetzt machen wir urbane Transportlösungen der dritten Dimension, ein ganz neues Feld. Und auf diese Flexibilität sind wir stolz. 

    Welche Faktoren tragen sonst zum Erfolg bei?

    Mann muss die Leute lange kennen. Wenn man den Kunden zum ersten Mal sieht, bekommt man keinen Auftrag. Sie wollen, dass wir vor Ort sind.

    Welche Rolle spielen Referenzen?

    Die Anforderungen werden höher. Es zählen mittlerweile nur noch Projektreferenzen der letzten zehn Jahre. Das ist problematisch, da man dauernd neue Projekte akquirieren muss. Bewerben sich mehrere Einheiten zusammen, müssen alle Konsortialpartner eingebunden werden und ihre Referenzen vorlegen. Die Referenzen müssen für den geforderten Fachbereich vorliegen und auch aus der Region sein. Da gibt es nur ganz wenige Firmen, die so umfangreiche Referenzen alleine abdecken können. Und das sind meistens die großen angelsächsischen Consultants.

    Haben kleine, spezialisierte Unternehmen überhaupt Chancen?

    Immer weniger. Wer sich auf einen Fachbereich spezialisiert, kann sich auf entsprechende Projekte verschiedener Auftraggeber bewerben. Aber wer nur eine Projektkategorie im Transportbereich abdeckt, kann hier auf Dauer nicht überleben, da Infrastrukturprojekte zyklisch ausgeschrieben werden.

    Gibt es Vorteile, die deutsche Consultants haben?

    Ja, im nachhaltigen Bereich sind wir sehr gut. Aber in Asien zählt Nachhaltigkeit nicht so sehr wie in Europa. Doch es gibt zwei Ausnahmen: Denn bei den großen, internationalen Geberbanken muss man Anforderungen der Nachhaltigkeit zu 100 Prozent erfüllen. Und auch die Vorgaben für Qualität und Nachhaltigkeit von großen internationalen Unternehmen, die hier in Südostasien investieren und bauen, sind genauso wie in Europa. Deren Anforderungen können lokale Ingenieurbüros nicht erfüllen, da haben deutsche Unternehmen beste Chancen.

    Bewerben Sie sich alleine auf Vorhaben oder mit Partnern?

    Hier in Südostasien gibt es praktisch keine Projekte, die nur von einer Partei abgearbeitet werden. Die kleinsten Konsortien, die ich kenne, haben drei Parteien. Meistens sind wir gleichberechtigte Joint-Venture-Mitglieder und dann haften alle hundertprozentig für das gesamte Joint Venture mit. Ganz selten sind wir lediglich als Subkontraktor tätig, nur wenn unser Anteil sehr klein ist.

    Bieten die großen Infrastrukturprojekte, die China in Südostasien durchführt, Chancen?

    Ja, wir arbeiten mit chinesischen Bauunternehmen. Sie wollen hier in den Markt, haben aber Probleme bei der Kommunikation mit lokalen Partnern. Sogar innerhalb der chinesischen Konsortien benötigen die Parteien Unterstützung. Und wir geben technischen Support. Chinesische Firmen haben sehr viele Ingenieure, die schnell Zeichnungen produzieren, aber die Qualität stimmt oft nicht. Also kein schlechter Match, wenn wir bei der Technik und Kommunikation unterstützen. Aber auch für uns ist die Kommunikation mit chinesischen Unternehmen eine Herausforderung.

    Schauen Sie vorab, ob ein Auftraggeber womöglich nicht zahlen kann?

    Wir bewerben uns nur auf Projekte, bei denen ein gesichertes Budget vorhanden ist. Wir prüfen zuerst die Finanzierungs- und die Auszahlungsmodalitäten und wir erstellen nur ein Angebot, wenn alles stimmig ist. Es gibt zu viele Projekte, die nur Hirngespinste sind!

    Von Thomas Hundt | Bangkok

  • "In Gabun kennt man uns aufgrund lange bestehender Beziehungen"

    Im Interview berichtet Şener Uçar von Gauff Engineering von seinen Erfahrungen mit Straßenbauprojekten in Afrika. Partnerschaften sind dabei zentral - auch mit chinesischen Firmen. (Stand: 20.12.2023)

    Şener Uçar, Leiter der Niederlassung Elfenbeinküste, GAUFF GmbH & Co. Engineering KG, Special Interviews zu beratenden Ingenieurdienstleistungen Dies ist ein eingebettetes Bild | © Şener Uçar

    Die Gauff GmbH & Co. Engineering KG betreut als Ingenieurdienstleister viele Infrastrukturprojekte in Europa, Asien, Amerika und Afrika. Gauff Engineering verfügt heute über Niederlassungen an sieben Standorten in Afrika. Şener Uçar leitet die Dependance in Abidjan, Côte d’Ivoire. Mit ihm sprach Germany Trade & Invest über das Projekt Port Gentil-Omboué in Gabun. Es umfasste den Bau einer Straße zwischen den beiden Städten sowie mehrere Brücken. Zwei davon gehören mit Längen von 4,7 und 4,6 Kilometern zu den längsten Brückenbauwerken des Kontinents.

    Herr Uçar, in welcher Weise war Gauff Engineering am Projekt Port Gentil-Omboué in Gabun beteiligt? Welche anderen Partner waren dabei?

    Gauff Engineering hat die Projektleitung und die Qualitätsüberwachung für das gesamte Projekt übernommen. Die Beauftragung dazu erfolgte direkt durch das Infrastrukturministerium, das Ministère de l’Équipement, des Infrastructures et des Traveaux Publics. Das ausführende Bauunternehmen war die China Road and Bridge Corporation (CRBC).

    Wie haben Sie von diesem Vorhaben erfahren?

    In diesem Fall wurden wir im Vorfeld direkt angesprochen. In Gabun kennt man uns aufgrund der lange bestehenden Beziehungen. Zudem spielte unsere Erfahrung im Umgang mit chinesischen Firmen eine wichtige Rolle. Wir bringen ein gutes Verständnis der kulturellen Nuancen und geschäftlichen Praktiken von chinesischen Firmen mit. Das ermöglicht uns, auf Augenhöhe zu kommunizieren und gemeinsame Ziele effektiv zu verfolgen.

    Wie wählen Sie die Länder aus, in denen Sie aktiv werden?

    Mit unseren sieben strategisch platzierten Niederlassungen allein in Afrika sind wir generell nah an unseren Kunden dran. So können wir gut verfolgen, wann und wo interessante Projekte in der Pipeline sind. Im Fokus stehen Infrastrukturprojekte in den Bereichen Wasser, Abwasser, Energie und Verkehr. Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl ist, dass das Land kreditwürdig ist.

    Welche Hürden gab es bei dem Projekt zu überwinden?

    Das Projekt war tatsächlich auch für uns eine große Herausforderung. Das fing schon damit an, dass ein normaler Zugang zur Baustelle praktisch gar nicht existierte. Das heißt, das Projekt fing ursprünglich irgendwo im Regenwald von Gabun an und hörte auch im irgendwo im Regenwald wieder auf, da die entsprechenden Anbindungen an das vorhandene Straßennetz erst später realisiert werden sollten.

    Zu Beginn konnte man sich beispielsweise nur mit dem Boot auf den verschlungenen Flüssen des Regenwaldes fortbewegen. Auch die Kommunikation mit der chinesischen Firma war sehr zäh, da die Verantwortlichen außer Chinesisch keine weiteren Sprachen sprachen und die Verständigung nur mit Hilfe von Übersetzern möglich war. Trotz dieser Hürden haben wir das Projekt erfolgreich und termingerecht fertiggestellt.

    Sie sind recht erfolgreich in Afrika. Wie setzen Sie sich gegen die Konkurrenz durch?

    Dank unserer Kompetenzen in den verschiedensten Disziplinen und unserer weitgefächerten Partnerschaften sehen wir uns in einer komfortablen Situation. Insbesondere mit unserem EPPM-Modell (Engineering, Procurement, Project Management) können wir eine umfangreiche Projektbegleitung aus einer Hand anbieten. Ein entscheidender Vorteil ist der Faktor Zeit. Über den direkten Draht zu unseren Kooperationspartnern und dank unserer langjährigen Erfahrung mit Banken, Kreditinstituten und Kreditversicherern für die Projektfinanzierung sind wir in der Lage, auch Megaprojekte ohne lange Anschubzeiten und bürokratische Warteschleifen zu realisieren.

    Wie wichtig ist es für die Auftragsakquise, in Netzwerken oder mit Partnern zusammenzuarbeiten?

    Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Auftragsakquise und Projektrealisierung. Man muss in der Lage sein, ohne große Vorverhandlungen mit den Partnern schnell und unkompliziert ein technisches Angebot erstellen zu können. Bei unserem EPPM Fast-Track Modell sind wir vor allem auf stabile Finanzierungspartner angewiesen. Wir und unsere Partner bringen nicht nur die jeweils eigenen Erfahrungen in die Projekte ein, sondern können dank langfristiger Kooperationen oft auch aus einem Pool gemeinsamer Erfahrungen schöpfen. Ist ein Team gut eingespielt, erbringt es nicht nur mehr Leistung, sondern spart auch Zeit und Kosten.

    Welche Erfahrungen machen Sie mit chinesischen Firmen?

    Das hängt davon ab, in welcher Form wir den chinesischen Firmen auf dem Markt begegnen. Je nach Projekt und Situation können chinesische Unternehmen als Wettbewerber, Partner oder sogar auch als Kunden auftreten. Solange chinesische Firmen nicht als Wettbewerber auftreten, machen wir eigentlich nur gute Erfahrungen mit ihnen. Wir haben schon etliche Projekte mit chinesischen Baufirmen in unterschiedlichsten Konstellationen realisiert. Bei ihnen sind wir als verlässlicher und sehr fachkundiger Partner mit ausgeprägter interkultureller Kompetenz hoch geschätzt und anerkannt.

    Bereiten Sie auch Ausschreibungen für Bau- und Lieferleistungen vor? Können Sie dabei Details festlegen, die bestimmte Anbieter in die nähere Auswahl bringen?

    Ja, das tun wir. Im Rahmen unserer EPPM Fast-Track Projekte, die aufgrund ihrer Finanzierungsbedingungen einen deutschen Content in Höhe von 51 Prozent aufweisen müssen, laden wir im Namen und Auftrag unserer Kunden auch deutsche Unternehmen ein, an unseren Ausschreibungen teilzunehmen. Je nach Projekttyp und technischen Anforderungen wird da natürlich eine Vorauswahl getroffen. Hier an der Elfenbeinküste hören wir auch von verschiedenen Stellen den Wunsch, dass sich mehr deutsche Firmen vor Ort niederlassen.

    Von Marcus Knupp | Berlin

  • "Rail Baltica-Elektrifizierung ist das größte Projekt in Europa"

    Zwei Gleise, vier Länder, 870 Kilometer Trasse – das sind Eckdaten der Rail Baltica, dem großen Bahnprojekt im Baltikum und in Polen. Deutsche Bahnexperten helfen bei der Planung. (Stand: 20.12.2023)

    Die Rail Baltica ist eines der umfangreichsten Schienenbauprojekte Europas. Litauen, Lettland und Estland erhalten einen Normalspuranschluss an das europäische Gleisnetz. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke wird vom estnischen Tallinn bis zur lettisch-polnischen Staatsgrenze führen. DB Engineering & Consulting (DB E&C), eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, übernimmt unter anderem die Elektrifizierung der Rail Baltica. Geschäftsführer Niko Warbanoff erläutert die Besonderheiten des internationalen Großvorhabens.

    Niko Warbanoff; Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Engineering & Consulting GmbH | © HCPlambeck

    Herr Warbanoff, welche Rolle spielt DB Engineering & Consulting bei der Elektrifizierung der Rail Baltica?

    Erlauben Sie mir zunächst die Bemerkung, dass dieses Vorhaben, Rail Baltica, für unser Unternehmen sehr wichtig ist. Hier wachsen Ost- und Mitteleuropa auf der Schiene zusammen, und wir können dazu beitragen.

    Die DB E&C und ihre Partner IDOM Consulting, Engineering, Architecture aus Spanien und Italferr aus Italien sind der sogenannte "ENE Engineer" für das Implementierungsprojekt zur Elektrifizierung der Rail Baltica. Die Abkürzung ENE beschreibt das Teilsystem "Elektrifizierung". Es umfasst Anlagen wie die Oberleitung, Bahnumspannwerke und  Fernwirktechnik, also Technik für die Fernüberwachung und -steuerung.

    DB E&C ist als Leiter des Joint Ventures gegenüber der Auftraggeberin RB Rail AS für die Projektmanagementprozesse innerhalb des Joint Ventures sowie gegenüber den Stakeholdern in der Umsetzungsphase zuständig.

    In welchen Schritten setzen Sie das Projekt um?

    In einem ersten Schritt legen wir unter anderem die technischen Parameter fest und bereiten Ausschreibungsunterlagen vor. Mithilfe dieser Dokumentation kann unser Kunde RB Rail dann Angebote für Planungs- und Bauarbeiten einholen. Wenn die Auftragnehmer feststehen, überwachen wir alle weiteren Umsetzungsschritte rund um die Elektrifizierung der Rail Baltica, von der Planung bis zur Inbetriebnahme, einschließlich Gewährleistungszeit.

    Wie sieht der Zeitplan aus?

    Der Ausschreibungsprozess läuft voraussichtlich bis Mitte 2024. Anschließend beginnt der Bau, mit dessen Fertigstellung bis 2030 zu rechnen ist.

    Welche Bedeutung hat die Arbeit im Konsortium?

    Grundsätzlich sind die Aufgaben so verteilt, dass jeder Partner seine besonderen Stärken ins Spiel bringt. Dabei geht es auch um Kapazitäten, denn alleine können Sie solch ein Vorhaben nicht stemmen. Die Elektrifizierung der Rail Baltica ist das größte Projekt dieser Art in ganz Europa. Wir bauen eine komplett neue Infrastruktur auf. Da sind Partner absolut erfolgskritisch.

    Vor welchen Herausforderungen steht man bei einem Projekt dieser Größenordnung?

    Die Rail Baltica wird durch alle baltischen Staaten verlaufen. Wir haben es mit sehr unterschiedlichen Ländern zu tun. Die Genehmigungsverfahren und Prozeduren in Estland sind anders als die in Lettland oder Litauen. Außerdem gibt es in jedem Land eine andere Ausgangssituation beim Stromnetz. Diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen müssen wir in Einklang bringen.

    Hinzu kommt, dass sich die Infrastruktur im Baltikum lange Zeit anders entwickelt hat als in anderen Regionen Europas. Das ist ein Grund dafür, warum den Ländern heute viele Kompetenzen fehlen, die für ein Projekt wie der Rail Baltica nötig sind. Wir helfen unseren Kunden darum auch dabei, neue Fähigkeiten aufzubauen. Sonst gibt es irgendwann eine Eisenbahnstrecke, aber niemanden vor Ort, der sie langfristig betreuen kann.

    Sie haben in Riga eine Niederlassung. Welche Rolle spielt das Büro bei Ihren Aktivitäten in den baltischen Staaten?

    Die Vertretung in Riga ist für unsere Projekte im Baltikum absolut entscheidend. Die Mitarbeitenden können die Bedürfnisse der Kunden und ihre aktuelle Situation viel besser einschätzen. Punktuell steuern die Kolleginnen und Kollegen in Deutschland natürlich ihre Expertise bei. Bei unseren internationalen Projekten gibt es üblicherweise eine Mischung aus Kundennähe und gezielten Leistungen aus Deutschland. Wenn es um die Elektrifizierung der Rail Baltica geht, kümmern sich Mitarbeitende in unseren deutschen Büros beispielsweise um das Ausschreibungsmanagement.

    Ist eine Vertretung vor Ort auch wichtig, um auf Projekte aufmerksam zu werden?

    Projekte rund um die Rail Baltica werden öffentlich ausgeschrieben. Außerdem informiert die federführende Projektgesellschaft RB Rail in regelmäßigen Abständen über die weiteren Schritte. Wenn man die öffentlich zugänglichen Berichte verfolgt, kann man daraus ganz gut ableiten, wann voraussichtlich neue Ausschreibung anstehen. Die baltischen Länder sind ja auf internationale Unterstützung angewiesen. Darum hat die Auftraggeberin ein großes Interesse daran, transparent zu kommunizieren.

    Auch Ihre Mitbewerber verfolgen die öffentlichen Bekanntmachungen rund um die Rail Baltica. Wer sind üblicherweise Ihre größten Konkurrenten?

    In der Regel handelt es sich um die Tochtergesellschaften von ehemaligen Staatsbahnen. Zudem gibt es einige Planungsbüros aus dem angelsächsischen Raum. Die lokalen Wettbewerber sind zu klein, um einen Auftrag alleine zu gewinnen. Deshalb arbeiten sie in der Regel mit internationalen Partnern wie uns zusammen. Grundsätzlich kann man sagen, dass ein guter Teil der Konkurrenz aus Europa kommt. Wir als Planungsingenieure spüren zumindest bei der Rail Baltica noch keinen Druck aus China oder generell aus Asien.

    Welche weiteren Aufgaben nehmen Sie rund um den Bau der neuen Eisenbahnstrecke wahr?

    Da gibt es eine ganze Reihe an Vorhaben. Nehmen wir einige Beispiele: In Lettland planen wir gemeinsam mit Partnern einen 71 Kilometer langen Streckenabschnitt von Vangazi nach Misa. Außerdem haben wir die Bauüberwachung bei der Modernisierung des Hauptbahnhofs in Riga übernommen. Rund 20 Kilometer östlich von Riga wird die Rail Baltica den Fluss Daugava überqueren. Wir sind an unterschiedlichen Planungsprozessen rund um die neue Doppelstockbrücke beteiligt. Alles in allem haben unsere Rail-Baltica-Projekte zusammengerechnet einen Wert im zweistelligen Millionenbereich.

    Von Christopher Fuß, Niklas Becker | Warschau, Helsinki

  • "In Serbien ist lokale Präsenz sehr wichtig"

    Serbien baut seine Schieneninfrastruktur aus. Dabei unterstützt die Bahn-Tochter DB Engineering & Consulting. GTAI sprach mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung Niko Warbanoff. (Stand: 20.12.2023)

    Niko Warbanoff; Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Engineering & Consulting GmbH | © HCPlambeck

    Die Bahntochter DB Engineering & Consulting plant und realisiert Infrastrukturprojekte weltweit für den Güter- und Personenverkehr. In Serbien ist das Unternehmen an Abschnitten von fast allen größeren Schienenprojekten beteiligt. Und wirkt auch bei der Planung der ersten U-Bahn in der Region mit, der Belgrader Metro.

     Niko Warbanoff ist Vorsitzender der Geschäftsführung von DB Engineering & Consulting und CEO der übergeordneten DB E.C.O. Group. Damit ist Niko Warbanoff für gut 7.000 Beschäftigte verantwortlich. GTAI sprach mit dem gebürtigen Stuttgarter über das Auslandsgeschäft und aktuelle Projekte in Serbien.

    Herr Warbanoff, wie kam es eigentlich zur Entscheidung nach Serbien zu gehen?

    Serbien ist ein zentraler Hub für wichtige Bahnkorridore. Durch das Land verlaufen die Verkehrsachsen in Richtung Istanbul, in Richtung der Häfen Thessaloniki und Piräus sowie an die Adria. Das sind wichtige Trassen, die auch für die Deutsche Bahn interessant sind. Gerade investiert das Land in die Modernisierung und den Ausbau dieser Strecken, Belgrad zudem in den Ausbau des ÖPNV. Immer wenn sich solche Korridore in der Entwicklung befinden, dann sehen wir uns das genau an.

    Von welcher Größenordnung sprechen wir derzeit in Serbien?

    Wir sind in Serbien mit rund 50 Beschäftigten am Start und nehmen hier eine gute Entwicklung. Es gibt einige spannende Projekte, wie den erwähnten Bau der Belgrader Metro oder die Hochgeschwindigkeitsstrecke Budapest-Belgrad. Der Auftragsbestand liegt im zweistelligen Millionenbereich.

    Ist es für Sie dabei entscheidend, wer diese Projekte finanziert?

    Nein, für uns ist nicht entscheidend, ob das ein privates oder staatliches Projekt ist oder ob Geberbanken involviert sind. Für uns ist wichtig, dass die Ausschreibungen sauber laufen. Die Verfahren in Serbien sind mittlerweile sehr professionell. Der Grad der Professionalisierung hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht.

    Wie erfahren Sie eigentlich von den Projekten? Ist es wichtig, einen Partner vor Ort zu haben?

    Absolut. Lokale Präsenz ist sehr wichtig. So können wir die lokalen Gegebenheiten verstehen, aber auch frühzeitig von Projekten erfahren. In Serbien sind wir auch mit einer Niederlassung vertreten. Damit haben wir ein Ohr an allen Entwicklungen vor Ort, hören was gerade in der Pipeline ist. Auch Subunternehmen können ein wichtiger Faktor sein. Häufig gibt es lokal viel Erfahrung und Kompetenz, von der wir profitieren können. Deswegen sind es auch immer ganz individuelle Entscheidungen, wie wir Projekte bestreiten. Mal mit einem Subunternehmen, mal in einem Projekt Joint Venture. So können wir das bestmögliche Angebot abgeben.

    Am Ende ist das auch eine strategische Überlegung. Beispiel Metro in Belgrad: Das erste U-Bahnprojekt auf dem Westbalkan hat mit seinen Auswirkungen auf den integrierten Verkehr in einer Millionenstadt eine große Aufmerksamkeit. Für dieses Projekt brauchen wir eine große Schlagkraft. Dort gehen wir mit Systra, einem Partner aus Frankreich, an den Start. So können wir unser Know-how bündeln.

    Wie steht es um die Konkurrenz?

    Serbien hat den Wettbewerb im Infrastrukturausbau stark gefördert. Genau das haben wir auch im Schienenbereich gesehen. Mal ging ein Abschnitt an einen russischen Anbieter, dann hat wieder China finanziert, dann die EU. Im Moment sehen wir das vor allem als Wettbewerb, als Konkurrenz um Projekte – nichts anderes. Wie sich das zukünftig entwickelt, wird sich zeigen. Klar ist aber, die globale Interessenlage macht auch vor Serbien keinen Halt.

    DB Engineering & Consulting ist international aktiv. Wie wählen Sie die Märkte aus?

    Wir sind weltweit tätig, aktuell in fast 50 Ländern. Insgesamt haben wir aber schon Projekte in über 100 Ländern umgesetzt. Für uns ist zunächst jedes Land interessant, das nachhaltige Investitionen in den Verkehrsträger Schiene plant. Und dann geht es in die Details. Wir machen Länderanalysen und prüfen dabei alle möglichen Kriterien. Dazu gehören Aspekte wie Marktzugang, Compliance oder Mitarbeiterverfügbarkeit, aber auch Details wie Steuern oder Versicherungen. Das ist sehr umfassend. Natürlich sehen wir uns auch an, welches Geschäftspotenzial das Land hat. Wenn wir langfristig Möglichkeiten sehen, dann gehen wir in einigen Ländern mit eigenen Niederlassungen an den Start.

    Die DB kennen wir vor allem aus dem Inland. Wie bedeutend ist das Auslandsgeschäft überhaupt für Ihr Unternehmen?

    Unser Hauptgeschäft machen wir tatsächlich im Inland. Spannend ist für uns die Kombination mit dem Auslandsgeschäft. Über Projekte haben wir Niederlassungen aufgebaut und dort Kompetenzen angesiedelt. Wir haben ein Design Center in Bukarest oder auch in Bangalore. Dort beschäftigen wir hochqualifizierte Ingenieure. Die arbeiten für Projekte im Ausland und unterstützen ganz maßgeblich auch Vorhaben in Deutschland. Ohne die Auslandsprojekte wäre das nie entstanden.

    Zudem erfahren wir einen Technologietransfer durch unser Auslandsgeschäft. Es gibt Projekte wie den Bau der Belgrader Metro, bei dem wir den Technologietransfer leisten, unsere Kompetenzen und unser Know-how zur Verfügung stellen. Aber - und das zahlt ein auf eine starke Schiene im Heimatmarkt - es passiert auch andersherum. Es gibt einige technologische Entwicklungen, die außerhalb Deutschlands stattfinden. Dort können wir durch unsere Beteiligungen lernen und diese Impulse wiederum im Inland einsetzen. Das ist keine Einbahnstraße.

    Von Martin Gaber | Belgrad

  • "Bei Intelligenten Transportsystemen fehlt Chinesen Erfahrung"

    Im Interview erklärt Thomas Eckart von German Rail Engineering, warum deutsches Know-how beim Eisenbahnbau in Afrika unverzichtbar ist – auch für Chinas Baukonzerne. (Stand: 20.12.2023)

    Thomas Eckart, Geschäftsführer, German Rail Engineering GmbH, Beratende Ingenieure Thomas Eckart, Geschäftsführer, German Rail Engineering GmbH, Beratende Ingenieure | © Arik Noack

    Thomas Eckart ist Geschäftsführer der German Rail Engineering GmbH (GRE). Das Unternehmen wurde 1988 gegründet und gehört seit 2020 zur Dorsch-Gruppe. GRE berät weltweit bei Projekten in den Bereichen Schienenverkehr, Straßen- und Infrastrukturplanung einschließlich Mobilitätsplanung. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen über 200 Mitarbeitende. Für öffentliche und private Kunden hat GRE bislang rund 10.000 Bahnprojekte in über 30 Ländern abgeschlossen.

    Herr Eckart, Ihr Unternehmen berät weltweit beim Aufbau großer Eisenbahnprojekte. Wo waren Sie besonders viel unterwegs?

    In Afrika. Ich kenne den Kontinent seit 30 Jahren. Wir bieten dort Beratungsdienstleistungen von der Machbarkeitsstudie bis zur Überwachung der Bautätigkeiten an.

    Nennen Sie uns doch ein paar Beispiele.

    Wir haben zum Beispiel die Machbarkeitsstudie zur Verlängerung der Eisenbahn von Tansania über Burundi in die Demokratische Republik Kongo gemacht. Oder die Streckenplanung des afrikanischen Nordkorridors vom kenianischen Hafen Mombasa bis in den Südsudan. Oft planen wir bei der Verbesserung schon bestehender Systeme mit. Wir machen auch klassische Bauüberwachung für die Meterspurbahn in Uganda. In Tansania gehören die Optimierung der Trassenführungen oder der Eisenbahnbrückenbau dazu.

    In Äthiopien untersuchen wir die kompletten Verkehrsnetze mit all ihren Problemen. Es geht darum, eine zentrale Verkehrssteuerung zu etablieren. So sollen Pendler in anderthalb statt in vier Stunden durch die Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt Addis Abeba kommen.

    Machen nicht eigentlich die Chinesen solche Projekte? China baut im Rahmen seiner Belt and Road Initiative doch verstärkt in Afrika. 

    Ja – und da haben sie einen großen Vorteil: Chinesische Baukonzerne bringen häufig die Finanzierung mit. Sie gewinnen die Projektausschreibungen mit einem Komplettpaket von der Finanzierung über das Design bis zum Bau. Das fehlt deutschen Unternehmen, speziell uns Ingenieurdienstleistern. Daher müssen wir uns immer nach Geldgebern umschauen. Internationale Entwicklungsbanken wie die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) sind interessant: Die Afrikaner investieren in die Verkehrsinfrastruktur, ebenso wie die Weltbank. Die deutsche KfW Entwicklungsbank hingegen fördert keine Transportprojekte mehr. 

    Werden die deutschen Ingenieure also künftig ihre Aufträge an die Chinesen verlieren?

    Nein, die Chinesen sind keine Konkurrenz, denn wir können regelmäßig als Partner in diesen Projekten mitarbeiten. Lokale Infrastrukturbetreiber verlangen häufig eine unabhängige Prüfung des Planungsdesigns. Die führen wir dann durch.

    Deutsche Expertise bedeutet: "hohes technisches Wissen mit internationaler Erfahrung".

    Warum sind deutsche Planer denn für Chinas Bauprojekte interessant?

    Nehmen wir das bereits erwähnte Projekt in Äthiopien: Wir beraten dort beim Aufbau von Intelligenten Transportsystemen (ITS): Wie kanalisiere ich die großen Verkehrsströme? Wie vernetze ich die Verkehrsstrukturen? Wie setze ich die Mobilitätswende in Addis Abeba um? Das "Wie" ist entscheidend. Antworten darauf zu finden, ist eine vielschichtige Aufgabe von der Datenerhebung über die Neuplanung und Simulation bis zur baulichen Umsetzung. Das können deutsche Planer sehr gut, deshalb bleibt German Engineering ein starkes Verkaufsargument. Auch für chinesische Bauprojekte.

    Die Chinesen bewerben sich in Afrika mit ihren Baufirmen in der Regel für einzelne Bauaufgaben. Für Netzwerkprojekte wie zum Beispiel ITS-Lösungen fehlt es ihnen jedoch noch an Erfahrung und Expertenwissen. Hier kommt die Konkurrenz nicht aus China, sondern aus den klassischen Industrieländern: Frankreich, Spanien, Südkorea und Japan. Die Koreaner sind günstiger – sie haben niedrigere Lohnnebenkosten. Wir punkten aber noch immer mit unserem technischen Planungs-Know-how.

    Warum beauftragen chinesische Unternehmen gerade Ihre German Rail Engineering?

    Markt-Know-how und langjährige Beziehungen sind ausschlaggebend. Wir waren ja beim Aufbau des High-Speed-Netzes in China dabei. German Rail Engineering beriet schon seit 1998 das Eisenbahnministerium Chinas beim nationalen Entwicklungsplan für das eigene Hochgeschwindigkeitsnetz. Heute umfasst es 38.700 Kilometer. Es ist damit das größte High-Speed-Netz der Welt. Wir waren schon bei der ersten Planung dabei und hörten 2018/19 mit einer letzten Bauaufsicht dort auf. Seitdem führen die Chinesen selbst die Ingenieursdienstleistungen für Hochgeschwindigkeitsstrecken aus.

    Genauso sammelten wir auch in Afrika viele Erfahrungen. Wir waren bis zum Verkauf an die Dorsch-Gruppe im Jahr 2020 Teil der Gauff-Gruppe. Die hatte mit ihrem Gründer Helmut Gauff schon seit 1962 Erfahrung als Planungspionier in Afrika gesammelt. Die Chinesen kennen uns von den eigenen Bauprojekten seit mehr als 20 Jahren und wir kennen ihre geopolitische Schwerpunktregion Afrika bereits seit über sechs Jahrzehnten. Daher beauftragen sie uns immer wieder als Gutachter und Bauüberwacher innerhalb der afrikanischen Projekte, für die sie den Zuschlag haben.

    Werden Sie auch künftig mit chinesischen Eisenbahnbauern auf Drittmärkten zusammenarbeiten?

    Solange Chinesen hauptsächlich Infrastrukturen in Wachstumsregionen wie Afrika bauen, sehr wahrscheinlich. Dort spielt neben Fracht- und Personentransport auch die Rohstoffausbeutung eine Rolle. Ein Beispiel ist Guinea: Dort hat ein chinesisches Minenkonsortium die Lizenz an den Eisenerzvorkommen erworben. Unter Beteiligung des Staatsunternehmens China Railway Construction Corporation (CRCC) plant man eine erste moderne sogenannte Erzbahn, die von Simandu in Guinea nach Monrovia in Liberia führen soll. Ähnliches ist in Ghana geplant, wo die Erschließung von Bauxitvorkommen vorangetrieben wird. Neue Erzbahnen - wahrscheinlich von chinesischen Konzernen gebaut -  sind interessante Geschäftsfelder für uns.

    Von Marcus Hernig | Bonn

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.