Special | Indien | Beschaffung
Indien ist ein Powerhouse für IT-Dienstleistungen
Dienstleistungen, insbesondere im Bereich der Informationstechnologie, gehören zu den Stärken der indischen Wirtschaft. Der Sektor arbeitet schon lange mit Fokus auf den Export.
12.04.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Das indische Ministry of Commerce and Industry meldet für das Finanzjahr 2022/2023 (1. April bis 31. März) weltweite Dienstleistungsexporte im Umfang von 325 Milliarden US-Dollar (US$). Diese starke Stellung beim Dienstleistungsexport hat Indien auch seiner florierenden IT-Branche zu verdanken, die zum Großteil Kunden im Ausland bedient. Zu ihnen gehört auch Deutschland, das 2022 UN Comtrade zufolge Dienstleistungen im Wert von 7,4 Milliarden US-Dollar aus Indien einführte.
Insgesamt macht der Handel mit Dienstleistungen 14 Prozent des indischen Bruttoinlandsprodukts aus und hat somit, anders als der Warenhandel, einen positiven Saldo.
Indien erzielt Milliardenerlöse mit dem Export von IT-Dienstleistungen
Die Software- und IT-Branche beschäftigt etwa 5,4 Millionen Personen und zählt zu den Aushängeschildern der indischen Wirtschaft. Der Hauptumsatz wird mit IT-Dienstleistungen erzielt. Die National Association of Software and Service Companies (Nasscom) geht davon aus, dass die Erträge der Branche im Finanzjahr 2023/2024 bei etwa 254 Milliarden US$ liegen – 3,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Dienstleistungs- und Warenexport soll laut Nasscom 199 Milliarden US$ betragen. Dies ist ein Rückgang um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dementsprechend dürften die Unternehmen über freie Kapazitäten verfügen, um neue Aufträge zu verarbeiten.
Schwerpunktmäßig sind die Unternehmen an sieben Standorten im Land konzertiert. Diese befinden sich in der Hauptstadtregion um New Delhi im Norden des Landes, Kolkata im Osten, Hyderabad, Chennai und Bengaluru im Süden sowie Pune und Mumbai im Westen. Zwar gibt es weitere Standorte, allerdings haben Einkäufer in den aufgezählten Clustern größere Chancen, auf fähige und international erfahrene Dienstleistungsexporteure zu treffen.
Globale Kompetenzzentren sind Rückgrat der Branche
Kern vieler IT-getriebener Unternehmensaktivitäten in Indien bilden die globalen Kompetenzzentren (Global Capability Center; GCC). Diese sind Unternehmenseinheiten, die Infrastruktur und Personal konzentrieren, um operative Aufgaben (zumeist im Bereich des "Backoffice") und IT-Support zentral für alle anderen Unternehmensstandorte zu erledigen. Hinzu kommen immer häufiger auch anspruchsvollere, digital gestützte Tätigkeiten wie Analyse, Forschung und Entwicklung sowie Automatisierung. Experten schätzen, dass Indien für rund 50 Prozent des weltweiten GCC-Marktes steht.
Fast 1.600 solcher GCC soll es im Frühjahr 2023 in Indien gegeben haben. Bis 2025 sollen es mehr als 1.900 werden. Bisweilen verfügt ein einzelnes GCC über mehr als nur einen operativen Standort. Die Kapazitäten für GCC weisen eine lokale Konzentration mit Bengaluru als klarem Schwerpunkt auf. Folgende Darstellung veranschaulicht dies und zeigt regionale Schwerpunkte der Branche hinsichtlich Personal und operativer Standorte:
Ursprünglich waren GCC vor allem für multinational agierende Unternehmen relevant. Zwar sind sie nach wie vor Hauptnutzer und Besitzer von GCC, aber diese sind heutzutage nicht mehr stets zu 100 Prozent im Besitz einer Mutterfirma. Neue Formen wie Joint Ventures mit lokalen Partnern oder anderen Firmen, die die gleichen Dienstleistungen in Indien beschaffen wollen, sind genauso anzutreffen wie Betreibermodelle. Letztere werden zumeist als BOT (Build, Operate, Transfer)-Modelle bezeichnet. Hierbei betreibt ein externer Partner das GCC, während die dort erbrachte Arbeit dem eigentlichen Auftraggeber zugute kommt. Diese Kooperationsformen ermöglichen es auch kleineren Unternehmen, von GCC zu profitieren und auf diesem Weg IT-Dienstleistungen in Indien einzukaufen.
Indien punktet mit vielen verfügbaren Fachkräften
Ein wichtiger Standortvorteil ist die hohe Verfügbarkeit von Personen mit IT-Kenntnissen. Laut der aktuellen Umfrage "All India Survey on Higher Education" des Bildungsministeriums verfügte Indien 2021/2022 über schätzungsweise 4,1 Millionen Studierende im Bereich Ingenieurswissenschaften und Technik.
Die größte Teilgruppe davon bildeten die 1,3 Millionen Studierenden der Computerwissenschaften. Hinzu kamen fast 140.000 Personen, die IT studierten. Dieser Talentpool sorgt dafür, dass IT-Dienstleistungen relativ einfach und ohne längere Wartezeiten erledigt werden können.
Herausforderungen bei der Beschaffung bleiben
Im Vergleich mit Gütern ist der Dienstleistungseinkauf weniger kompliziert. Dies liegt vor allem daran, dass die Logistik kein Problem darstellt. Allerdings stellt die Sprache teilweise eine Herausforderung für deutsche Unternehmen dar – diese müssen sich beim Einkauf von IT-Dienstleistungen darauf einstellen, auf Englisch zu kommunizieren, auch wenn das Endprodukt für deutsche Anwender erstellt wird. Es gibt in Indien auch IT-Dienstleister, die mit Kunden aus der Bundesrepublik in deutscher Sprache kommunizieren können. Allerdings sind diese eher die Ausnahme.
So wie bei der Beschaffung von Gütern gilt auch für IT-Dienstleistungen: Der Besuch in der Fabrik beziehungsweise dem Büro des Dienstleisters vor Ort gehört dazu. Einerseits schafft dies Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern, was im indischen Kontext unerlässlich ist. Zugleich kann damit sichergestellt werden, dass der Lieferant tatsächlich über die geforderten Ressourcen und benötigte Ausstattung verfügt, um die Dienstleistung bereitzustellen.