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Special | Indien | Wasser - Die knappe Ressource

Indien: Wasserknappheit gefährdet wirtschaftliche Entwicklung

Der Investitionsbedarf im indischen Wassersektor ist riesig, doch den Kommunen fehlen oft die Mittel. Die Industrie interessiert sich für Wiederaufbereitungstechnologie.

Von Boris Alex | New Delhi

Mit 1,4 Milliarden Einwohnern lebt in Indien zwar fast ein Fünftel der Weltbevölkerung, das Land verfügt aber nur über 4 Prozent der globalen Trinkwasserressourcen. Der Klimawandel wird die Situation verschärfen: Bis 2030 dürfte der Wasserbedarf laut der Water Resources Group das Angebot um fast 50 Prozent übersteigen.

Auch bei der Abwasserbehandlung sind die Defizite groß, vor allem in den Ballungszentren. Der Investitionsbedarf im indischen Wassersektor bleibt in den nächsten Jahren hoch, was interessante Geschäftschancen entlang der Wertschöpfungskette eröffnet.

Milliarden für flächendeckende Wasserversorgung 

Die indische Regierung ist von ihrem langfristigen Ziel, sämtliche Haushalte mit Trinkwasser zu versorgen, trotz verstärkter Bemühungen noch weit entfernt. Mit dem gut 50 Milliarden US-Dollar (US$) schweren Investitionsprogramm "Jal Jeeva Mission" will New Delhi die 200 Millionen ländlichen Haushalte bis 2024 mit einem eigenen Anschluss ausstatten. Ende Februar 2024 waren erst 144 Millionen Anschlüsse gelegt. Der Ausbau der Infrastruktur sorgt für Nachfrage nach Ausrüstung wie Pumpen, Ventilen, Filteranlagen und Leitungsrohren.

Der Absatz von Pumpen wächst jedes Jahr im Schnitt um 4 Prozent und soll 2026 ein Volumen von 100 Milliarden US$ erreichen. Der Markt ist stark fragmentiert. Im preissensiblen Massengeschäft haben indische Hersteller aufgrund ihrer günstigeren Kostenstruktur und dichten Vertriebs- und Servicenetze oft die Nase vorn. Dass es auch für deutsche Anbieter Geschäftspotenzial gibt, beweisen unter anderem KSB und Wilo, die seit vielen Jahren mit zum Teil lokal hergestellten Produkten sowie Lösungen für das Wassermanagement auf dem indischen Markt präsent sind.

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Wir haben besonders aussichtsreiche Wassermärkte in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa unter die Lupe genommen. Alle Länderanalysen finden Sie auf unserer Seite zum Wassersektor.

Im öffentlichen Sektor läuft alles über den Preis

Die Projekte zur Trinkwasserversorgung werden von den kommunalen Versorgungsbetrieben ausgeschrieben. Diese arbeiten aufgrund der niedrigen Wassergebühren nicht kostendeckend. Der finanzielle Spielraum für Neu- und Ersatzinvestitionen ist so eng, dass bei Tendern der preisgünstigste Anbieter zum Zuge kommt. Deutsche Ausrüster können ihren Technologievorsprung im öffentlichen Sektor daher selten als Verkaufsargument ausspielen. Zudem sind die Aufträge oft sehr kleinteilig und setzen gute Kenntnisse der lokalen Ausschreibungsverfahren voraus. 

Markteinsteiger sollten ein Netzwerk aus lokalen Unternehmen, die im Wassersektor aktiv sind, aufbauen. Neben Tiefbaukonzernen wie Larsen & Toubro oder Dilip Build Con sind das spezialisierte Anbieter wie VA Tech WABAG, Thermax oder Ion Exchange. Die indische Auflage der Internationalen Fachmesse für Abwassertechnik (IFAT), die jedes Jahr im Herbst in Mumbai stattfindet, ist hierfür eine gute Plattform.

Mit Hightech gegen hohe Verlustraten

Die Kommunen wollen die Trinkwasserverlustrate (Non Revenue Water; NRW), die im Landesdurchschnitt bei 38 Prozent liegt, reduzieren. Ziel ist es, den Anteil der Verluste auf unter 20 Prozent zu senken. Die Versorger investieren in technische Lösungen wie intelligente Wasserzähler und digitale Überwachsungssysteme, um Lecks im Leitungsnetz zu erkennen. 

Immer mehr Wasserbetriebe rüsten ihre Netze mit Sensoren und Steuerungssystemen für die Drucküberwachung und -regulierung nach, da die Schwankungen zu Leitungsbrüchen führen. Dabei kommen auch öfter Internet-of-Things- und Künstliche-Intelligenz-Anwendungen zum Einsatz. Das kommunale Versorgungsunternehmen in der südindischen Millionenstadt Pune will so die Wasserverlustquote von 40 auf 15 Prozent reduzieren.

Mit Krohne ist auch ein deutscher Anbieter von Ausrüstung zur Messung und Überwachung des Wasserdurchflusses in Indien vertreten und das Unternehmen aus Duisburg expandiert. Krohne hat Anfang 2024 den Grundstein für eine zweite Fabrik in Pune gelegt und hat bereits 200.000 Durchflussmess- und -kontrollgeräte sowie Füllstandsmessgeräte installiert. 

Mehr Wasser dank Meerwasser

In den küstennahen Regionen ist die Meerwasserentsalzung zur Trinkwassergewinnung weit verbreitet. Mitte 2023 befanden sich rund 30 Projekte mit einem Volumen von 1,8 Milliarden Litern pro Tag im Bau oder in der Planung. Diese sollen bis Ende 2026 den Betrieb aufnehmen. 

In den meisten Anlagen erfolgt die Entsalzung durch Umkehrosmose, aber auch thermische Verfahren wie die mehrstufige Entspannungsverdampfung und die Mehrfacheffektverdampfung kommen zum Einsatz. 

Das Interesse, die Prozessenergie mit Hilfe der Solarkraft zu erzeugen, wächst auf indischer Seite. Bislang rechnen sich die Projekte aber noch nicht. Die Entsalzungsanlage in Manori sollte ursprünglich solarbetrieben werden. Der Plan wurde aus Kostengründen aufgegeben und das Projekt im Januar 2024 ohne diese technische Auflage ausgeschrieben.

Nicht einmal die Hälfte des Abwassers wird behandelt

Die Kapazitäten in der kommunalen Abwasserentsorgung sind zwischen 2014 und 2022 zwar um 50 Prozent gestiegen. Von den rund 72 Milliarden Litern pro Tag werden laut Central Pollution Control Board allerdings nur knapp 40 Prozent behandelt. 

Im Rahmen des Förderprogramms für die städtische Wasserwirtschaft "Atal Mission for Rejuvenation and Urban Transformation" sollen bis 2026 weitere 3 Millionen Haushalte an die Abwassernetze angeschlossen und Kläranlagen mit einer Kapazität von 3 Milliarden Litern pro Tag in Betrieb genommen werden. Das Programm hat ein Fördervolumen von 36 Milliarden US$.

Den kommunalen Abwasserbetrieben fehlt es an finanziellen Mitteln, um die benötigten Investitionen in neue Klärwerke und Leitungsnetze zu realisieren. Das Interesse an öffentlich-privaten Partnerschaften oder einer Geberfinanzierung durch internationale Finanzinstitute wie KfW oder Asiatische Entwicklungsbank ist daher groß. Die Vorhaben im Wassersektor werden je nach Auftragstyp und -volumen regional, national oder international ausgeschrieben und auf der Plattform E-Procure ausgeschrieben. 

Viele Anlagen werden später fertig als geplant und überschreiten den Kostenrahmen. Die Gründe hierfür sind meist Probleme beim Landerwerb sowie Verzögerungen bei den Genehmigungsverfahren.

Lösungen zum Wasserrecycling im Industriesektor gefragt

Der Subkontinent will langfristig 20 Prozent seines Wasserbedarfs aus Rückgewinnung von behandeltem Abwasser decken. Die Nachfrage nach abwasserfreien Produktionstechnologien (Zero Liquid Discharge; ZLD) wächst. 

Für deutsche Anbieter von Wassertechnik bietet insbesondere der Industriesektor gute Chancen. Dort sind eher Speziallösungen gefragt und der Preis ist nicht zwingend das Hauptkriterium. In Indien zählen die chemische, petrochemische und pharmazeutische Industrie, der Textilsektor, die Metallverarbeitung, die Nahrungsmittelbranche und der Bergbau zu den wichtigsten Kunden. 

Ein Beispiel für eine deutsch-deutsche Kooperation in diesem Segment steht in Dombivli, einem Vorort von Mumbai. Dort hat Remondis Aqua 2022 eine ZLD-Anlage für Evonik gebaut. Das Essener Spezialchemieunternehmen stellt an dem Standort Katalysatoren her. Jeden Tag fallen 600 Kubikmeter Abwasser an, die vollständig aufbereitet und als Prozess- oder Kühlwasser wiederverwertet werden. Neben der Finanzierung und Errichtung der Anlage ist Remondis Aqua auch für den Betrieb, Wartung und Instandhaltung der Anlage zuständig.

Bewässerung in der Landwirtschaft bleibt in lokaler Hand

Auf den Agrarsektor entfallen 85 Prozent des Wasserverbrauchs. Hier kommt überwiegend Oberflächenbewässerung mit Effizienzgraden zwischen 40 und 60 Prozent zum Einsatz. Zwar hat Indien 2015 ein Förderprogramm für Mikrobewässerung gestartet. Deutsche Unternehmen haben hier aber gegen die kostengünstigere, lokale Konkurrenz kaum eine Chance.

Zuständige Behörden und Verbände:

Rechtsrahmen:

  • Water Act (1974) Zentrales Umweltgesetz zur Regelung des Wassersektors; ein Zusatz, der unter anderem höhere Strafen für Verstöße vorsieht, befindet sich zurzeit im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren.

  • National Water Policy (2012) Formuliert politische Ziele im Wassersektor sowie Richtlinien zur Festlegung von Wasser- und Abwasserpreisen.

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