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Nachfrage nach Kunststoffen soll bis 2027 um 50 Prozent steigen
Indonesien braucht mehr Kunststoffe. Die heimische Industrie kann mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt halten, so dass die Importe zunehmen werden. Zum Ärger der Regierung.
01.03.2024
Von Frank Malerius | Jakarta
Als aufstrebendes Schwellenland fragt Indonesien immer größere Mengen an Kunststoffen nach. Das gilt insbesondere für Kunststoffe in Primärform (beispielsweise als Granulat), die in der heimischen Industrie zu zahllosen Alltagsprodukten weiterverarbeitet werden. Ein großer Teil davon muss eingeführt werden. Im Jahr 2022 importierte Indonesien Kunststoffe in Primärform für 7,6 Milliarden US-Dollar (US$) – so viel wie nie zuvor.
Rechnet man Kunststoffe in Sekundärform hinzu, zum Beispiel einfache Kunststoffprodukte wie Rohre und Schläuche, so waren es fast 10 Milliarden US$. Kunststoffe und Kunststoffprodukte sind einer der größten Posten in der indonesischen Importstatistik. Etwa ein Viertel davon entfällt auf Polypropylen und Polyethylen, die beide eine ähnliche Zusammensetzung haben und dieselben Industriezweige bedienen.
Deutschland liefert Prozesstechnik
Laut indonesischer Importstatistik wurden in den vergangenen Jahren aus Deutschland Polyethylen und Polypropylen für lediglich 8 bis 11 Millionen US$ jährlich geliefert. Deutsche Unternehmen bieten aber die Prozesstechnik zur Herstellung beider Kunststoffe an. Darüber hinaus kommt deutsche Technologie in Indonesien etwa bei der Verpackung der Granulate zum Einsatz. An deren weitergehenden Verarbeitung sind ebenfalls deutsche Maschinen beteiligt: Beispielsweise in der Formung von Plastikartikeln oder der Extrusion von Filmen für die Verpackung von Lebensmitteln. Auch in der Automobilindustrie werden beide Kunststoffe in großen Mengen verwendet.
Neuer Chemiekomplex für 5 Milliarden US$ geplant
Derzeit benötigt Indonesien jährlich etwa 3,6 Millionen Tonnen Polypropylen und Polyethylen. Nach einer Studie der Marktanalysten von Data Consult soll die Nachfrage bis 2027 um etwa 50 Prozent auf 5,3 Millionen Tonnen steigen. Der Regierung sind die großen Importmengen aber ein Dorn im Auge. Zur Drosselung der Einfuhren soll ein großer Chemiekomplex zur Produktion von Polypropylen und Polyethylen von Chandra Asri in Cilegon beitragen. Die Kosten für die Anlage werden mit 5 Milliarden US$ veranschlagt. Die Fertigstellung war ursprünglich für 2025 geplant. Doch erst Anfang 2023 hatte das Unternehmen das Land erworben. Daher wird sich das Projekt um mehrere Jahre verzögern.
Einfuhren kommen überwiegend aus den Nachbarländern
Der heimische Bedarf beider Kunststoffe wird nur zu etwa 50 Prozent aus eigener Herstellung gedeckt. Sie werden in Fabriken im westlichen Java (vor allem im Chemiecluster um Cilegon) und im südlichen Sumatra hergestellt. Marktführer ist das indonesische Petrochemieunternehmen Chandra Asri. Die andere Hälfte bezieht der Archipel überwiegend aus den benachbarten Ländern Malaysia, Thailand, Vietnam und dem Handelsplatz Singapur. Generell gilt: Einfache Standardware kann Indonesien selbst produzieren, kompliziertere Produkte müssen eingeführt werden.
Bei Polypropylen gelten die heimischen Produktionskapazitäten von 935.000 Tonnen laut Data Consult zu etwa 85 Prozent als ausgelastet. Im Jahr 2024 sollen durch die Erweiterung der Anlage von Polytama Propindo im westjavanischen Indramayu neue Kapazitäten im Umfang von 300.000 Tonnen hinzukommen. Bis 2027 sind in der Branche keine weiteren Kapazitäten geplant. Bei Polyethylen bestehen Produktionskapazitäten im Umfang von 1,2 Millionen Tonnen, die zu 80 Prozent ausgelastet sein sollen. Hier sind bis 2027 keine weiteren Kapazitätssteigerungen in Sicht. Angesichts der starken Nachfragesteigerung werden Importe beider Kunststoffe – in noch größerem Umfang als bisher – notwendig sein.
Politik setzt auf Importsubstitution
Auch über das Jahr 2027 hinaus dürfte die Nachfrage nach Kunststoffen wie Polyethylen und Propylen in Indonesien stark steigen. Denn der Archipel hat einen deutlich geringeren Pro-Kopf-Verbrauch an Plastik als entwickelte Länder. Gleichzeitig wächst die Wirtschaft jährlich um etwa 5 Prozent. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte, wo der Kunststoffverbrauch besonders hoch ist. Zwar gibt es in der urbanen Mittelschicht Gegenbewegungen für weniger Plastik, weil entsprechende Produkte vielerorts nicht fachgerecht entsorgt oder wiederverwertet werden können. Insgesamt stehen die Zeichen aber auf starkes Nachfragewachstum.
Der damit verbundene Anstieg der Importe ist jedoch unerwünscht. Ziel der indonesischen Wirtschaftspolitik ist es, einen möglichst hohen Anteil der Inlandsnachfrage aus eigener Produktion zu decken. Allerdings ist Indonesien insbesondere in der Petrochemie, die die Vorprodukte von Kunststoffen stellt, weit von diesem Ziel entfernt. Im Jahr 2022 beliefen sich die Importe für entsprechende Produkte auf 23,4 Milliarden US$. Bei hohen Weltmarktpreisen für Öl belastet dies die Außenhandelsbilanz des Nettoölimporteurs Indonesien erheblich. Diese Abhängigkeit wird sich nicht so schnell verringern, da der geplante Neu- und Ausbau von Raffinerien stockt.
Die indonesische Planungsbehörde Bappenas hat für den langfristigen Entwicklungsplan RPJPN 2025 bis 2045, der die Industriestrategie des Archipels festlegt, bereits angekündigt, unter anderem die Grundstoffchemie zu einer sogenannten prioritären Industrie zu machen. Der Auf- und Ausbau heimischer Produktionskapazitäten in der Kunststoffproduktion dürfte dadurch in den kommenden zwei Jahrzehnten ein wirtschaftspolitischer Schwerpunkt sein.