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Branche kompakt | Indonesien | Nahrungsmittel

Nahrungsmittelbranche muss produktiver werden

Weil Indonesiens Landwirtschaft rückständig ist, wird die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten immer größer. Für eine Reform bedarf es Technologie und Know-how aus dem Ausland.

Von Frank Malerius | Jakarta

  • Markttrends

    Die Nahrungsmittelproduktion in Indonesien muss deutlich steigen. Doch in der kleinbäuerlich geprägten und kapitalschwachen Landwirtschaft dauern Veränderungen lange. 

    Rückständige Landwirtschaft

    Indonesien ist trotz seiner Größe und fruchtbaren Böden abhängig vom Import fast aller Grundnahrungsmittel. Die Landwirtschaft trägt inklusive Fischerei nur noch 12 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Dennoch hat der Agrarsektor eine große sozialpolitische Bedeutung, denn er absorbiert etwa 30 Prozent der Arbeitskräfte. Zudem rührt er an den Befindlichkeiten, weil viele ältere Indonesier Mangelzeiten miterlebt haben. Die Unfähigkeit Indonesiens, sich selbst zu ernähren, gilt als Scheitern.

    Indonesiens Landwirtschaft ist geprägt von den 30 Millionen Kleinbauern. Ihnen fehlt es an Kapital und Know-how. Das Saatgut ist oft minderwertig. Smart Farming steht noch am Anfang. Die Folgen sind deutlich niedrigere Erträge im Vergleich zu Nachbarländern wie Thailand oder Vietnam. Eine Ausnahme ist der Palmölanbau, der auf einer Fläche von knapp 15 Millionen Hektar betrieben wird. Das entspricht der gemeinsamen Fläche der Niederlande, Schweiz und von Österreich. 

    Auch infolge dieser Flächenverluste für den Nahrungsmittelanbau steigt Indonesiens Importabhängigkeit. Seit 2007 verzeichnet der Archipel ein durchgehendes und steigendes Minus im Außenhandel mit Nahrungsmitteln. Der Inselstaat benötigt unter anderem Reis, Soja, Weizen, Mais, Knoblauch, Milch, Zucker und Rindfleisch. 

    Konsum von Milch und Fleisch steigt

    Ein stetig wachsender Nahrungsmittelbereich sind Molkereiprodukte. Milch und Joghurt gelten als modern und werden vor allem in der wachsenden Mittelschicht konsumiert. Sie sind teuer: Ein 800-Gramm-Becher Joghurt oder ein halbes Pfund Butter kosten im Supermarkt bis zu 5 US-Dollar (US$).

    Milch wird vor allem aus der EU, Neuseeland und den USA importiert, die Mengen werden von der Regierung über die Vergabe von Importlizenzen streng kontrolliert. Bisher ist es Indonesien nicht gelungen, eine leistungsfähige Milchwirtschaft aufzubauen. Ihr Zentrum ist das zentraljavanische Boyolali, die sogenannte Milchstadt. Ausländische Konzerne wie Frisian Flag und Nestlé investieren auf Java große Summen in neue Anlagen zur Milchverarbeitung.

    Investitionsprojekte der Nahrungsmittelindustrie in Indonesien (Investitionssumme in Millionen US$)

    Unternehmen

    Projekt

    Investitionssumme

    Frisian Flag

    Bau einer Milchfabrik in Cikarang (Westjava)

    260 

    Nestlé

    Bau einer Milchfabrik in Batang (Zentraljava), Erhöhung der Produktionskapazitäten in Werken in Panjang (Südsumatra), Kejayan (Ostjava) und Karawang (Westjava)

    210

    Quelle: Presseberichte, Unternehmensangaben

    Auch der Fleischkonsum steigt mit wachsendem Wohlstand. In dem mehrheitlich muslimischen Land wird der Bedarf an tierischem Eiweiß vor allem mit Hühnerfleisch aus eigener Produktion gedeckt. Nur wer es sich leisten kann, isst Rindfleisch. Es wird überwiegend in Form von lebenden Rindern aus Australien importiert. Insbesondere zum Ende der Fastenzeit, wenn in den Familien Festmahle aufgetischt werden, ist es gefragt. Die Regierung muss dann durch ein reichhaltiges Angebot erschwingliche Preise garantieren. Hier ist auf absehbare Zeit keine Selbstversorgung in Sicht. Noch teurer ist Ziegenfleisch, das vor allem zum muslimischen Opferfest konsumiert wird. Schweinefleisch wird nur von christlichen und chinesisch-stämmigen Minderheiten sowie Ausländern gegessen.

    Selbst die traditionelle Küche ist in erheblichem Umfang abhängig von Importen. Knoblauch kommt mangels eigenen Anbaus fast ausschließlich aus China. Die beliebten Instantnudeln bestehen aus Weizen, der in Indonesien nicht angebaut wird. Weizen ist der teuerste Importposten und muss jährlich für bis zu 4 Milliarden US$ eingeführt werden. Die beliebten frittierten Sojafladen ("Tempeh") werden überwiegend mit importiertem Soja aus den USA hergestellt. Eigenes ist nicht in ausreichender Menge und Qualität vorhanden. Zudem ist Indonesien weltgrößter Zuckerimporteur.

    Langfristiger Nachfrageschub bei verarbeiteten Nahrungsmitteln

    Angesichts des Bevölkerungswachstums von fast 3 Millionen Menschen pro Jahr und steigendem Wohlstand, mit der Folge von kalorienreicherer Ernährung, ist in den meisten Nahrungsmittelsektoren ein langfristiges Wachstum zu erwarten. Da die heimische Landwirtschaft den Nachfrageschub nicht bedienen kann, dürften die Nahrungsmittelimporte weiter steigen.

    Besonders stark wird die Nachfrage bei verarbeiteten Nahrungsmitteln ausfallen. Noch kaufen die meisten Indonesier zwar auf traditionellen Märkten ein, die überwiegend heimische Produkte anbieten. Auch kleinere Convenience Stores werden beliebter. Doch der Trend geht, vor allem in den Städten, hin zu Supermärkten. 

    Convenience-Produkte wie Snacks finden sich dort überwiegend als heimische Marken. Deutsche Marken wie Haribo und Ritter Sport sind in größeren Filialen zu hohen Preise erhältlich. Die Supermärkte in den großen Shoppingmalls in Jakarta haben ein breites Angebot an westlichen Marken im Sortiment. Deutsche Produkte werben teilweise mit ihrer Herkunft. Denn auch bei Nahrungsmitteln ist "made in Germany" ein Qualitätsmerkmal.

    Verarbeitete Importprodukte in größerem Umfang in ein Sortiment zu bekommen, gilt in dem ausgesprochen protektionistischen Umfeld des indonesischen Handels allerdings als schwierig. Wichtigster Erfolgsfaktor ist ein gut vernetzter einheimischer Vertriebspartner. 

    Verarbeitungs- und Verpackungstechnologie muss eingeführt werden

    Nicht nur im Anbau, sondern auch in der Weiterverarbeitung hat Indonesien Defizite. In den Dörfern werden Nahrungsmittel in heimischer Handarbeit für den Verkauf zubereitet. Die Produktivität ist entsprechend gering. Die professionellen Hersteller von Nahrungsmitteln sind in der Verarbeitung und Verpackung praktisch komplett auf Importe angewiesen, denn Indonesien stellt kaum eigene Maschinen her. Mit Abstand wichtigster Lieferant ist China. Deutsche Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen sind vor allem in Spezialbereichen gefragt. 

    Die Nahrungsmittelverarbeitung ist nicht nur der mit Abstand größte Industriesektor Indonesiens, sondern gehört auch zu den am weitesten entwickelten. Hier dürfte die Nachfrage nach Hightech zulegen. Denn die Regierung hat 2018 die Industriestrategie "Making Indonesia 4.0" aufgelegt. Dabei gehört die Nahrungsmittelverarbeitung zu den fünf Kernsektoren, die digitalisiert und vernetzt werden sollen. In der Praxis dürfte es aber eher um eine erweiterte Automatisierung gehen.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Branchenstruktur

    Indonesien verzeichnet bei vielen Agrarprodukten Ertragssteigerungen. Doch sie können die zunehmende Nachfrage nicht decken.

    Nahrungsmittel konkurrieren mit Cash Crops

    Die Nahrungsmittelindustrie hat eine große Bedeutung für die indonesische Wirtschaft. Laut Statistikamt macht die Verarbeitung von Nahrungsmitteln und Getränken ein Drittel der verarbeitenden Industrie und knapp 6 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Demnach gab es nach letztverfügbaren Zahlen von 2020 in dem Sektor 7.200 größere und mittlere Unternehmen mit 1,1 Millionen Beschäftigten. Hinzu kommen 1,6 Millionen kleinere und Kleinstunternehmen mit etwa 2,4 Millionen Beschäftigten. Es ist die mit Abstand größte Branche.

    Zudem machen Nahrungsmittel jenseits von Palmöl (das überwiegend zu Speiseöl verarbeitet wird) etwa 7 Prozent der indonesischen Exporterlöse aus, das waren 2021 knapp 17 Milliarden US$. Wichtigste Güter sind dabei Fisch und Kaffee. Das Importspektrum hingegen ist weitaus breiter und umfasst Weizen, Obst, Gemüse, Zucker und Milchprodukte. Im Jahr 2022 wurden Nahrungsmittel im Wert von 22,6 Milliarden US$ eingeführt - ein neuer Rekord. Der Anteil an den Gesamtimporten lag bei etwa 8 Prozent.

    Die Einfuhr von Nahrungsmitteln ist ein hochsensibles Thema, denn in Indonesien hat ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad eine große massenpsychologische Bedeutung. Wenn Reis importiert werden muss, führt das stets zu öffentlicher Empörung über eine vermeintlich fehlgeleitete Landwirtschaftspolitik. Doch die Problematik ist komplexer, denn die Nahrungsmittelproduktion konkurriert mit dem lukrativen Anbau von Exportgütern. So nimmt alleine der Anbau von Palmöl geschätzt ein Viertel der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche ein. Seine Erlöse (2022: 30 Milliarden US$) fließen auch in die Industrialisierung und in Sozialmaßnahmen. 

    Trotz der insgesamt schwachen Landwirtschaft hat es vielen Nahrungsmittelsektoren in den vergangenen Jahren Ertragssteigerungen gegeben. Allerdings behindern die kleinbäuerliche Struktur der Landwirtschaft zusammen mit geringem Know-how, schlechtem Saatgut, schwacher Technisierung und fehlenden Investitionen die weitere Entwicklung. 

    Ausgewählte Nahrungsmittelhersteller in Indonesien (Umsatz in Milliarden US$)

    Unternehmen

    Umsatz 2019

    Indofood

    5,3

    Unilever Indonesia

    3,0

    Wings

    k.A.

    Mayora

    1,7

    Tigaraksa Satria

    0,9

    Quelle: Unternehmensangaben

    Multinationale Konzerne vor Ort

    Die ausländischen Investitionen (FDI) im Bereich Nahrungsmittel sind im Vergleich zur wirtschaftlichen Bedeutung des Sektors eher gering. Sie betrugen 2022 nur 2,4 Milliarden US$ und damit 5,3 Prozent aller FDI. Die großen multinationalen Branchenkonzerne sind allerdings vor Ort vertreten, seien es Nestlé, Unilever, Danone oder Coca-Cola.

    Bestimmt wird der Markt aber von den großen einheimischen Lebensmittelkonzernen wie Indofood, Wings oder Mayora. Für kleinere ausländische Branchenunternehmen ist der Markteinstieg schwierig, sie sind beim Vertrieb ihrer Produkte auf einen starken einheimischen Partner angewiesen.

    Nahrungsmittel der Grundversorgung wie Reis, Instantnudeln, Gewürze, Gemüse und Obst sind ausgesprochen preissensibel, Centbeträge können über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Sie werden auf traditionellen Märkten und in Convenience Stores vertrieben. Statistisch gesehen muss der Durchschnittsindonesier die Hälfte seines Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. In den von der Mittelschicht frequentierten größeren Supermärkten ist eher die Produktqualität das entscheidende Kaufkriterium.  

    Auch der Vertrieb war für ausländische Unternehmen lange Zeit stark eingeschränkt. Mit der Reform des Investitionsrechts 2020/2021 wurden der Groß- und Einzelhandel formell geöffnet. Ob die sich die neuen Freiheiten in der Realität auch bewähren, muss sich aber noch zeigen. 

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Rahmenbedingungen

    Indonesien versucht jenseits von Agrarrohstoffen ausländische Nahrungsmittel aus dem Land zu halten. Auch in der Landwirtschaft herrscht Protektionismus.

    Die indonesische Politik fährt traditionell einen wirtschaftsnationalistischen Kurs. Ausländische Produkte sollen, soweit sie nicht selbst hergestellt werden können, möglichst nicht eingeführt werden. Folglich hat der Archipel die mit Abstand geringste Außenhandelsquote der sechs großen ASEAN-Länder. 

    Instrument der Importbeschränkungen sind bei Nahrungsmitteln Zölle, aber auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Laut dem Center for Indonesian Policy Studies (CIPS) in Jakarta gibt es davon alleine im Nahrungsmittelbereich 466, die von acht verschiedenen Ministerien und Behörden verhängt wurden. Sie betreffen demnach praktisch alle Produkte.

    Indonesiens Nahrungsmittelimport wird weitgehend über die Vergabe von Importlizenzen gesteuert. So können die Einfuhren jederzeit gedrosselt werden - auch um politische Ziele in anderen Feldern durchzusetzen. So reagierte die indonesische Regierung zuletzt mit einem sogenannten "silent ban" auf Milch, alkoholische Getränke und Weizen aus der EU auf die europäischen Subventionskürzungen für aus Palmöl gewonnenem Biodiesel. Dafür mussten keine Gesetze erlassen werden, sondern es wurden einfach keine Importlizenzen mehr vergeben. Für betroffene Unternehmen besteht dabei keinerlei Transparenz. 

    Unsicherheitsfaktor Halal-Gesetz

    Das im Oktober 2019 in Kraft getretene Halal-Gesetz dient neben der Überwachung muslimischer Nahrungsmittelstandards ebenfalls protektionistischen Zwecken. Jederzeit können die bestehenden Regeln, die nicht nur die Nahrungsmittel selbst, sondern auch Produktionsanlagen, Kühlhäuser oder Transportcontainer umfassen, so streng ausgelegt werden, dass sie bestehende Lieferbeziehungen behindern oder beenden. Allerdings wurde die Implementierung des Halal-Gesetzes aufgrund mangelnder Prüfkapazitäten bei Lebensmitteln und Getränken auf 2024 verschoben. 

    Formelle Öffnung, Hürden in der Praxis

    Indonesiens Agrarsektor war für ausländische Investoren lange Zeit weitgehend geschlossen. Auch deshalb ist er rückständig geblieben. Mit der Reform des Investitionsgesetzes im Jahr 2020/2021 wurde er geöffnet. Ausländer können nun alleinige Eigentümer von landwirtschaftlichen Unternehmen sein, vormals war jenseits des Plantagensektors nur ein Anteil von maximal 30 Prozent erlaubt. Inwieweit das Anreiz genug für ausländische Investoren ist, bleibt abzuwarten.

    In der Praxis bestehen für ausländische Unternehmen zahlreiche Hürden. Der in Jakarta ansässige Think Tank CIPS empfiehlt in seiner Studie zu ausländischen Investitionen in der indonesischen Landwirtschaft vom April 2021 als Erfolgsrezept: "Erstens: den richtigen Joint-Venture-Partner, zweitens: den richtigen Joint-Venture-Partner, drittens: den richtigen Joint-Venture-Partner."

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Indonesien („Ekonid“)

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Badan Koordinasi Penanaman Model (BKPM)

    Investitionsministerium

    Kementerian Petanian

    Landwirtschaftsministerium

    Kementerian Kelautan dan Perikanan (KKP)

    See- und Fischereiministerium

    Kementerian Perindustrian

    Industrieministerium

    Badan Pengawas Obat dan Makanan (BPOM)

    Zulassungsbehörde für Medikamente und Nahrungsmittel

    Gabungan Produsen Makanan Minuman Indonesia (GAPMMI)

    Verband der Nahrungsmittel- und Getränkehersteller

    Food Manufacturing Indonesia (FMI)

    Jährliche Fachmesse für Prozesstechnologie, Verpackung und Logistik in Jakarta

    Agrofood

    Jährliche Fachmesse für Agrarprodukte in Jakarta

    Trade Expo Indonesia (TEI)

    Jährliche Exportmesse in Jakarta

    Von Frank Malerius | Jakarta

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