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Branchen | Indonesien | Nahrungsmittel, Getränke

Halal-Gesetz birgt Potenzial für protektionistischen Missbrauch

Indonesiens komplexe Verordnungen zur Konformität von Lebensmitteln mit islamischen Regeln sollen ab 2024 in Kraft treten. Auf viele Detailfragen gibt es noch keine Antworten.

Von Frank Malerius | Jakarta

Indonesien will einen Großteil der verarbeiteten Lebensmittel im Land einer Halal-Zertifizierung unterziehen. Das heißt, sie müssten konform mit islamischen Ernährungsregeln sein. Das Thema ist nicht neu. Grundlage ist das Halal-Gesetz von 2014, das eigentlich bis Oktober 2019 entsprechende Zertifizierungen erforderlich machen sollte. Bis dahin konnten aber keine ausreichenden Prüfkapazitäten aufgebaut werden. Deshalb wurde die Frist bis zum 17. Oktober 2024 verlängert. Für einige Produktgruppen jenseits von Lebensmitteln wurde die Frist bis 2026 ausgedehnt, für andere sogar bis 2029 und 2034. Die Umsetzung des Halal-Gesetzes gilt als hochkomplex, viele Detailfragen sind noch immer offen.

Die Halal-Zertifizierung ist für ein breites Spektrum an Produkten vorgesehen. Dazu gehören Lebensmittel, Medikamente, Kosmetik, Bekleidung oder Verpackungsmaterialien. Klar scheint, dass Schiffscontainer oder Lieferwagen, in denen als „haram“ (verboten) klassifizierte Waren transportiert wurden, nicht mehr für Halal-Waren benutzt werden dürfen. Ein internationaler Hersteller ist vorauseilend bereits mit einem Halal-Kühlschrank auf den Markt gegangen.

Fristen für Halal-Zertifikate nach Produktgruppen (jeweils zum 17. Oktober)

Lebensmittel und Getränke 

2024

Traditionelle Medizin und Nahrungsergänzung

2026

Kosmetik

2026

Bekleidung, Accessoires

2026

Haushaltswaren, Lebensmittelverpackungen

2026

Medizintechnik (Risikoklasse A, B, C):

2026, 2029, 2034

Over-the-Counter-Medizin

2029

Medikamente

2034


Das Religionsministerium veröffentlichte mit seiner Verordnung 748/2021eine 88-seitige Liste mit mehreren Tausend Lebensmitteln, chemischen Produkten und Gebrauchsgegenständen, die einer Halal-Zertifizierung bedürfen. Darunter finden sich neben dem deutschen Hauptexportgut im Lebensmittelsektor – verarbeitete Milch – Produkte wie Joghurt, Schweizer Käse oder Zahnpasta, aber auch Handtaschen und Zahnprothesen oder etwa das tierische Verdauungsenzym Maltase-Glucoamylase. 

Darüber hinaus gab das Religionsministerium mit der Verordnung 1360/2021 eine 176-seitige Liste der Nahrungsmittel und Inhaltsstoffe heraus, die von einer Halal-Zertifizierung ausgenommen sind. Dazu gehören frische Milch, Früchte, Getreide, genauso wie Baumwolle oder organische Verbindungen wie Polyamine. Trotz dieser Detailversessenheit können beide Listen die Komplexität der Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft mit Abermillionen verschiedenen Produkten nicht annähernd abbilden. Der Spielraum für unterschiedliche Interpretationen bleibt groß. 

Zertifizierer haben große Macht

Schon heute haben die meisten indonesischen Lebensmittelverpackungen ein Halal-Label, es ist aber nicht Pflicht. Wer in Zukunft keine Zertifizierung nachweisen kann, muss möglicherweise die Abbildung eines Schweines auf seine Verpackung kleben. Das schmälert die Verkaufschancen in einem Land mit 87 Prozent Muslimen beträchtlich. 

Ausländische Lebensmittellieferanten müssen Vorprodukte im Heimatland und Endprodukte in Indonesien zertifizieren lassen. Ein im Ausland ansässiger Zertifizierer muss bei der Halal-Behörde Badan Penyelenggara Jaminan Produk Halal (BPJPH) akkreditiert sein.

Diese untersteht dem indonesischen Religionsministerium. Bestehende Zertifizierer müssen für das Halal-Gesetz das Akkreditierungsverfahren neu durchlaufen. Die Kosten dafür betragen 35 Millionen Rupiah (circa 2.100 Euro). In Deutschland bewirbt sich derzeit ein halbes Dutzend Zertifizierer um eine solche Akkreditierung. Zertifizierer haben eine große Machtposition gegenüber den Exporteuren. Gleichzeitig sind sie auf eine Akkreditierung vom Religionsminsterium angewiesen. Marktbeobachter sehen deshalb an beiden Schnittstellen starke Anreize für unlautere Praktiken.

Die Hersteller müssen ihre Zutaten offenlegen und die Produktionsprozesse und Produktionsanlagen auf Konformität mit den geforderten Regeln prüfen lassen. So dürfen etwa die Verarbeitungsmaschinen zwischendurch keine unreinen Produkte herstellen. Selbst für deren Reinigung soll es strikte Regeln geben.

Kostenstruktur ist unklar  

In Indonesien stellt BPJPH Halal-Zertifikate aus. Die Vergabe basiert auf den Ergebnissen der Halal-Prüforganisationen (Lembaga Pemeriksa Halal, sogenannte halal inspection agencies). Laut Presseberichten soll es derzeit nur etwa ein Dutzend von ihnen geben. Nach Angaben von BPJPH werden bis zu 100.000 Prüfer benötigt. Beobachter erwarten, dass die Prüfungen oberflächlicher und pragmatischer ablaufen werden, damit die Implementierung des Halal-Gesetzes nicht noch einmal verschoben werden muss.

Die Kostenstruktur für die Zertifizierung ist unübersichtlich. Für kleinere Hersteller in Indonesien soll sie entweder umsonst sein oder umgerechnet nur wenige US-Dollar pro Produkt kosten. Für größere Hersteller mit einem umfangreicheren Produktportfolio dürfte sie teurer werden. Für die Gesamtkosten einer indonesischen Halal-Zertifizierung im Ausland sind keine Erfahrungswerte bekannt.

Importabhängigkeit wächst

Ausländische Vertreter, die mit der Materie vertraut sind, berichten, dass in indonesischen Behörden teils offen ausgesprochen wird, dass das Halal-Gesetz zu protektionistischen Zwecken eingesetzt werden könnte. Die Regierung versucht in vielen Wirtschaftsbereichen, nicht unbedingt notwendige Importe zu verhindern, sei es über Zölle, Quotenregelungen, den nationalen Produktstandard SNI oder Local-Content-Bestimmungen.

Allerdings kann Indonesien sich nicht selbst ernähren, immer mehr Agrarrohstoffe und Grundnahrungsmittel müssen eingeführt werden. Denn riesige landwirtschaftliche Flächen sind mit Ölpalmen belegt, die in der kleinbäuerlich geprägten Landwirtschaft höhere Einnahmen versprechen als Reis, Soja oder Zucker. Indonesiens letzter Außenhandelsüberschuss mit Nahrungsmitteln datiert von 2006.

So ist der Archipel etwa bei Zucker oder dem für die beliebten Instantnudeln notwendigen Weizen weltgrößter Importeur. Gleichzeitig fragt die wachsende Mittelschicht vermehrt verarbeitete Lebensmittel nach, deren Zutaten in Indonesien nicht hergestellt werden. Aber auch die traditionelle indonesische Küche ist in einem hohen Maß abhängig vom Import ihrer Zutaten. Daher ist zu erwarten, dass sich die Umsetzung des Halal-Gesetzes nicht ausschließlich nach islamischen Regeln richten wird, sondern auch nach Ernährungsbedürfnissen.

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