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Wirtschaftsumfeld | Irland | Außenhandel

Von britischen Lücken und deutschen Chancen

Schon seit 2002 schrumpfen die britischen Marktanteile auf der irischen Insel. Die britischen Lücken schaffen aber auch Chancen für deutsche Exporteure.

Von Marc Lehnfeld | Dublin

Irland konnte als einziges EU-Land auch in der Coronakrise wachsen. Möglich machte das die starke exportorientierte Industrie im Land. Deshalb gehört die grüne Insel auch in diesem Jahr wieder zu den Spitzenreitern beim europäischen Wirtschaftswachstum. Daraus ergeben sich Absatzchancen für deutsche Exporteure. Hinzu kommt, dass ein Wettbewerber auf dem irischen Markt immer mehr Platz macht: das Vereinigte Königreich. Die irischen Importe von dort leiden stark unter dem Brexit.

Britische Marktanteile schrumpfen

Schon seit 2002 verliert das Vereinigte Königreich Marktanteile auf der irischen Insel. Kamen die Briten Anfang des Jahrtausends noch auf einen Anteil von über einem Drittel der irischen Importe, ist der Anteil mittlerweile auf 18 Prozent abgeschmolzen. An der mangelnden irischen Nachfrage liegt es nicht, denn die irischen Warenimporte sind seit 2000 im Durchschnitt um 2,9 Prozent pro Jahr gestiegen, während sie aus dem Vereinigten Königreich um 0,1 Prozent pro Jahr geschrumpft sind.

Zuletzt hat der Brexit mit seiner neuen Zollgrenze das Königreich als Handelspartner noch weiter zurückgeworfen. Die irischen Importe von der britischen Insel sind 2021 um 22,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr deutlich eingebrochen. Zu den bekanntesten Beispielen gehört die britische Supermarktkette Marks & Spencer, die wegen der hohen Zollbürokratie ihr Sortiment um 800 Produkte reduzieren muss und in Zukunft stärker lokal beschaffen will. 

Deutsche und britische Marktanteile im irischen Import bei ausgewählten Produkten 2021

Gütergruppen

Britischer Anteil 1)

Veränderung gegenüber 2000 in Prozentpunkten

Deutscher Anteil

Veränderung gegenüber 2000  in Prozentpunkten

Gesamt

18,3

-15,9

8,0

+2,0

Sonstige Chemie 2)

13,6

-23,5

5,0

-3,6

Flugzeuge 3)

0,1

-6,0

9,0

+8,0

Verschiedene Fertigwaren 4)

20,7

-19,5

7,4

+2,5

Pharma 5)

12,2

-17,7

10,6

+1,7

Lebensmittel 6)

41,0

-10,8

7,2

+5,3

Elektrische Maschinen 7)

6,6

-29,9

6,4

+1,8

Industriemaschinen 8)

17,5

-13,2

10,1

+2,9

1) Anteil am gesamten irischen Import des Produkts; 2) SITC-5 abzüglich 54; 3) SITC-792; 4) SITC-8; 5) SITC-54; 6) SITC-0; 7) SITC-77; 8) SITC-71 bis 74Quelle: GTAI-Analyse auf Basis der Importstatistik von Eurostat (Comext) 2022

Das Rennen um Marktanteile in Irland ist noch nicht vorbei

Auch jenseits der genannten Gründe entwickeln sich die britischen Lieferungen schwach. Die Konsequenz: fallende Marktanteile in allen wichtigen Güterkategorien. Das schafft auch Absatzchancen für deutsche Unternehmen. Bisher hat Deutschland nur in begrenztem Umfang davon profitiert. Die Marktanteile sind zwar in vielen Produktkategorien gewachsen, insgesamt sind aber die irischen Importe aus Deutschland seit 2000 mit 4,3 Prozent pro Jahr langsamer gestiegen als zum Beispiel aus China (+11,3 Prozent jährlich) und Frankreich (+7,1 Prozent jährlich).

Das Rennen um britische Marktanteile ist aber noch nicht beendet, denn die neue Zollgrenze trifft die britischen Exporteure nachhaltig und mehrfach. Die Zollbürokratie verschlechtert zum einen ihre kostenmäßige Wettbewerbsposition und verlangsamt den Lieferverkehr, während andererseits neue Direktverbindungen zwischen Irland und Kontinentaleuropa die Belieferung durch EU-Firmen verbessern. Auch die britische Abweichung bei Regulierungen weg vom CE-Kennzeichen und EU REACH sorgen für Mehrbelastungen bei britischen Exporteuren.

Irland bietet Geschäftschancen in vielen Bereichen

Die Geschäftsmöglichkeiten auf der irischen Insel sind vielfältig. Großprojekte finden sich vor allem im National Development Plan, der bis 2030 staatliche Investitionen in Höhe von rund 165 Milliarden Euro verspricht - ein Rekord im irischen Staatshaushalt. Allein in 2022 fließen rund 14 Milliarden Euro in staatliche Projekte.

Unter den zahlreichen Vorhaben befindet sich das größte staatliche Investitionsprojekt der irischen Geschichte. Das U-Bahn-Projekt "Metrolink" soll für 3 Milliarden Euro in der Dubliner Hauptstadtregion eine Nord-Süd-Verbindung schaffen, die unter anderem den Flughafen mit der Innenstadt verbinden wird. Auf der Projektseite informiert Metrolink regelmäßig über den aktuellen Stand und anstehende Beschaffungen. 

Weitere staatliche Großprojekte zielen auf den Wohnungsbau des wachsenden Landes und die energieeffiziente Sanierung im Gebäudebestand ab. Darüber hinaus wird der öffentliche Personennahverkehr, vor allem auf der Schiene, in irischen Städten ausgebaut und die Häfen von Dublin und Rosslare werden erweitert.

Mit "Metrolink" investiert die irische Regierung 3 Milliarden Euro in das größte Projekt seiner Geschichte. 

Jenseits staatlicher Investitionen locken auch Aufträge durch ausländische Investoren. Im letzten Jahr lotste die irische Investitionsförderagentur IDA Ireland 249 Firmen ins Land, darunter Produktionsstätten wie die Erweiterungsinvestition vom Halbleiterkonzern Intel in Kildare mit rund 1.600 neuen Arbeitsplätzen. Die Liste der Investoren kann auch deutschen Unternehmen als Vertriebsgrundlage dienen. 

Anknüpfungspunkte bietet aber auf Irlands Weg zu einer Energiewirtschaft aus erneuerbaren Quellen mit Projekten von Shell für eine 1,4 GW starke Floating Wind Anlage oder den 200 Millionen Euro teuren Wasserstoff-Elektrolyseur von Mercury Renewables. Mit dem "German-Irish Hydrogen Council" bietet die Deutsch-Irische Industrie- und Handelskammer auch eine bilaterale Networking-Plattform für interessierte Firmen.

Ausgewählte Großprojekte in Irland

Projektbezeichnung

Investitionssumme (Mio. Euro)

Projektstand

Projektträger/Anmerkungen

MetroLink, neue U-Bahn (Dublin Zentrum-Flughafen-Swords)

3.000

In Planung; Realisierung voraussichtlich bis 2031

Planung erstellt Konsortium die Jacobs Engineering Group Inc. und Idom

Landesweiter Ausbau des Breitbandnetzes

3.000

In Planung; teilweise im Bau; Realisierung bis 2044 geplant

National Broadband Ireland

Ausbau der S-Bahn "Dart" im Großraum Dublin

2.600

In Planung; Konsultationen laufen

Iarnród Éireann (irische Eisenbahngesellschaft)

Offshore-Windpark Codling (Kapazität 1.500 Megawatt)

2.000

In Planung; geplanter Baustart: 2026

Joint Venture: Fred Olsen Seawind und EDF Renewables

Neues Kinderkrankenhaus in Dublin mit 39 medizinischen Fachabteilungen

1.400

Im Bau; geplante Fertigstellung: Mitte 2024

Bam Ireland

Water Supply Project

1.300

In Planung; Realisierung voraussichtlich 2024

Ausbau der Wasserversorgung an der Ostküste und deren Hinterland, u.a. Bau einer 170 Kilometer langen Pipeline samt Behandlungsanlagen

Celtic Interconnector (rund 600 Kilometer langes Seekabel nach Frankreich)

1.000

In Planung; Realisierung bis 2027

EirGrid und RTE

North Irish Sea Array Offshore Wind Park (500 Megawatt); an der Küste von North County Dublin, Meath and Louth

1.000

In Planung; geplanter Baustart: 2024

Statkraft Ireland

Oriel Offshore Wind Park (375 Megawatt); Louth, Nordostirland 

900 bis 1.000

In Planung

ESB Energy und Parkwind NV 

Autobahn N/M20 von Cork nach Limerick (80 Kilometer)

1.300

In Planung

Transport Infrastructure Ireland

Neue Pharmaproduktionsstätte, Raheen Business and Technology Park, Limerick

400

In Planung

Eli Lilly (USA)

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

Expansion über die grüne Grenze nach Nordirland

Wer den irischen Markt erschließen will, muss auch an der grünen Grenze zu Nordirland keinen Halt machen. Trotz Brexit bleibt der britische Landesteil Teil des europäischen Binnenmarktes und damit frei von einer Zollgrenze. Deutsche Exporteure können Waren also ohne Zollerklärung auch nach Nordirland liefern. Dafür sorgt das Nordirland Protokoll, das im Zuge des britischen EU-Austritts auch schon vor Abschluss des gemeinsamen Freihandelsabkommens geschlossen wurde.

Einerseits kritisiert die britische Regierung die neuen Hürden im Warenverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland. Andererseits bleibt der Handel zwischen Nordirland und der EU von den Einschränkungen unberührt. Entsprechend stark wächst der irisch-nordirische Handel. Der irische Güterexport dorthin ist 2021 um 54 Prozent und der Import um 65 Prozent gestiegen. Durch die räumliche Nähe und die engen Verflechtungen ist davon auszugehen, dass es sich um ein anhaltendes Wachstum handelt.

Weitere Informationen zu diesem Bericht

Dieser Bericht ist auch im "German-Irish Business - Review 2022" der AHK Irland erschienen. 


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