Rechtsbericht | Israel | Coronavirus
Israel: Coronavirus und Verträge
Israel ist ein wichtiger Handelspartner für Deutschland im Nahen Osten. Was passiert nun, wenn Verträge wegen der Coronavirus-Pandemie nicht mehr planmäßig erfüllt werden können?
16.12.2020
Von Jakob Kemmer | Bonn
Einleitung
Auch vor Israel hat das Coronavirus nicht Halt gemacht. Die israelische Wirtschaft ist hart getroffen worden.
Viele Vertragsbeziehungen im internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Israel stehen daher nun aufgrund von unterbrochenen Lieferketten vor einer unklaren Zukunft. Welche Antwort gibt das israelische Recht, wenn eine Vertragserfüllung durch ein Ereignis wie den Ausbruch des Coronavirus nicht mehr wie vereinbart möglich ist oder gar gänzlich unmöglich geworden ist?
Schritt eins: Was sagt der Vertrag?
Im einem ersten Schritt sollte man immer seinen Vertrag nach einer Klausel durchsuchen, die eine Partei möglicherweise aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses wie dem Ausbruch des Coronavirus von der Erfüllung bestimmter Verpflichtungen entbindet. Manche Klauseln sind auch so formuliert, dass man sogar die Möglichkeit hat, den Vertrag einseitig zu beenden.
Dafür muss man sich zunächst im Klaren darüber sein, welches Recht auf den Vertrag zur Anwendung findet. Denn potentielle „Höhere Gewalt"- Klauseln werden immer vor dem Hintergrund des anwendbaren Rechts ausgelegt. Und auch für den Fall, dass sich in einem Vertrag keine „Höhere Gewalt“ - Klausel findet, ist es durchaus möglich, dass nach dem anwendbaren Vertragsrecht, Rechtsgrundsätze wie zum Beispiel Unmöglichkeit oder Frustration impliziert sind.
Beinhaltet der Vertrag eine Klausel über „Höhere Gewalt“, gilt es wiederum eine Unterscheidung zu treffen. Sind aufgrund des Coronavirus Vertragsverpflichtungen nur sehr schwer oder gar nicht mehr zu erfüllen, muss einerseits konkretisiert werden, ob die Klausel ausdrücklich auch einen Virus erfasst. Das erkennt man daran, dass sie beispielsweise eine "Epidemie", "Krankheit" oder "Pandemie" als Ereignisse höherer Gewalt definiert. Oder ob andererseits der Coronavirus-Ausbruch erst zu Ereignissen geführt hat, die in der Klausel ausdrücklich festgelegt sind. Hier zu nennen wären vor allem Arbeitskräftemangel oder Auftragsmangel.
Eher selten ist der Fall, dass die Klausel über höhere Gewalt lediglich eine allgemeine Formulierung enthält, die dann ein Ereignis höherer Gewalt zum Beispiel als "Ereignis außerhalb der Kontrolle der Parteien" definiert. Dann besteht ein Interpretationsspielraum, der allerdings eher wenig Rechtssicherheit garantiert.
Schritt zwei: Was sagt das anwendbare Recht?
In einem zweiten Schritt sollten die Parteien versuchen, sich auf die gesetzlichen Bestimmungen des Vertragsrechts zu berufen. Hier finden sich meistens Regelungen, die die Parteien von ihren Verpflichtungen entbinden, wenn deren Erfüllung unmöglich oder sehr erschwert ist. Oft geben diese Regelungen den Parteien sogar die Möglichkeit, den Vertrag aufgrund des „unvorhergesehenen Hindernisses“ vollständig zu kündigen oder zu beenden.
Der Begriff der Frustration im israelischen Recht
Ähnlich wie in vielen anderen Ländern gewährt das israelische Recht einen gesetzlichen Rechtsbehelf im Falle der Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung aufgrund unerwarteter Ereignisse, die sich der Kontrolle der Vertragsparteien entziehen. Artikel 3 Nr. 18 (a) des Gesetzes über Rechtsbehelfe bei Vertragsverletzung von 1970 entbindet von der Pflicht zur Vertragsdurchführung oder zur Zahlung von Schadensersatz, wenn die folgenden Bedingungen kumulativ vorliegen:
- Die Vertragsverletzung ist die kausale Folge von Umständen, die die vertragsbrüchige Partei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht kannte oder vorhergesehen hat und nicht kennen oder vorhersehen musste.
- Diese Umstände konnten nicht vermieden werden.
- Die Erfüllung des Vertrages ist unter diesen Umständen unmöglich oder unterscheidet sich grundlegend von dem, was zwischen den Parteien vereinbart wurde.
Wichtig zu wissen ist dabei, dass die Schwelle für die Feststellung eines solchen Ereignisses, das die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung im israelischem Recht rechtfertigt, sehr hoch ist. Existiert eine vertragliche Regelung zu „Höherer Gewalt“, sollte man auch aus diesem Grunde stets auf diese zurückgreifen.
Praktische Hinweise
Ob den Parteien tatsächlich Rechte zustehen, die wegen des Ausbruchs des Coronavirus geltend gemacht werden können, muss von Fall zu Fall bestimmt werden. Abschließend gibt es jedoch einige allgemeine praktische Überlegungen, die man als Unternehmer berücksichtigen sollte, bevor man sich auf „Höhere Gewalt“ beruft:
- Ist die Lieferkette den Auswirkungen des Coronavirus Ausbruchs ausgesetzt?
- Gibt es Alternativen, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen oder angemessene Maßnahmen, um Schäden durch die Nichterfüllung des Vertrages für die Gegenseite zu reduzieren?
- Kann eine Versicherung Verluste abdecken, die sich aus der Unfähigkeit einer Partei zur Vertragserfüllung aufgrund des Coronavirus Ausbruchs ergeben.
Für alle zukünftigen Vertragsabschlüsse ist daher anzuraten, Klauseln zu „Höherer Gewalt“ aufzunehmen und sich im Zweifel nicht auf die gesetzlichen Regelungen zu verlassen.
Zum Thema:
Mehr zum Thema „Coronavirus und anwendbares Recht“:
- GTAI-Artikel vom 2. November 2020: Coronavirus und die Haftungsbefreiung nach Art. 79 UN-Kaufrecht
- GTAI-Special „Zoll – und Rechtsfragen im Exportgeschäft“
GTAI-Themenspecial Coronavirus: Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Auslandsmärkte sowie damit verbundene rechtliche und zollrechtliche Fragestellungen berichten wir in unserem Themenspecial.